Rechtsmissbrauch Sina Dürr (RAe Weiß&Partner) OLG Hamm I-4 U 217/09

Abmahnung
29.12.20101379 Mal gelesen
Mit Urteil vom 02.03.2010 hat das OLG Hamm das Abmahnverhalten einer Ranzen- und Kofferhändlerin, vertreten durch die Anwaltskanzlei Weiß&Partner (ratgeberrecht.eu) für rechtsmissbräuchlich befunden. Die Entscheidung war das Ende einer Abmahnwelle aus 2008/2009 im Ranzen- und Koffersegment.

Das OLG Hamm hat mit Urteil vom 02.03.2010 - I-4 U 217/09 (Vorinstanz LG Hagen) rechtskräftig entschieden, dass die Abmahnungen der unter BAG´s and more firmierenden Händlerin aus Bad Wildungen vertreten durch die Kollegen von Weiß&Partner im Zeitraum von Oktober 2008 – Februar 2009 rechtsmissbräuchlich im Sinne des § 8 IV UWG sind. Im Nachgang dieser Entscheidung haben die Abmahnerin und ihre Esslinger Anwälte unverzüglich die Zusammenarbeit beendet. Die Abmahnerin selbst hat den Rechtsmissbrauch eingeräumt. Zudem haben die Abmahnerin und ihr ehemaliger Mitarbeiter die sie ehemals vertretende Kanzlei schwer belastet. Nach dem Vortrag der Abmahnerin wusste die beauftragte Kanzlei Weiß&Partner von vornherein, dass sie rechtsmissbräuchlich vorging.

Besonders pikant ist an dem Vorgang, dass die Anwälte der Abmahnerin eine der Kanzleien mit dem größten Abmahnblog bzw. „Abmahnwarner“ im Internet sind und sich in ihrer Selbstdarstellung wie folgt positionieren:

Die Verteidigung gegen Abmahnungen und unberechtigten Forderungen aus Internetgeschäften gehört zum Kerngeschäft der Kanzlei Weiß & Partner. Um vor allem in Bezug auf Massenabmahnungen und sogenannte „Vielfachabmahner" derartige u.U. rechtsmissbräuchliche Abmahnungen besser erkennen und hiergegen fachgerecht vorgehen zu können, sind wir auf die Mithilfe der Internet- und Händlercommunity angewiesen... Sie dient lediglich dazu … eine Einschätzung über die Versendung von Massenabmahnungen und die damit einhergehende Frage der Rechtsmissbräuchlichkeit zu ermöglichen.“

Mit Blick auf die Erklärungen der Abmahnerin und deren Mitarbeiter sind inzwischen sämtliche gerichtlichen Titel und Unterlassungserklärungen, die im Namen der Abmahnerin erwirkt wurden, nichtig und können somit nicht mehr gegen die Abgemahnten verwendet werden. Im Ergebnis stellte sich nach unserem Prozesserfolg deshalb nur noch die Frage nach den Kosten, die aufgrund dieses Vorgangs entstanden sind. Aufgrund der zahlreichen Indizien, die die ehemaligen Anwälte der Abmahnerin schwer belasten, hatten zwischenzeitlich zahlreiche Geschädigte nicht nur die Abmahnerin, sondern vor allem auch deren Anwälte von Weiß&Partner, als die Rechtsanwälte Frank Weiß und Alexander Bräuer auf Schadensersatz verklagt. Letztlich blieben diese Klagen aber erfolglos, dies in diversen OLG-Bezirken. Dies war der Fall, obwohl die Abmahnerin sich dahingehend einließ, dass die streitgegenständliche Abmahnung sowie über 100 weitere Abmahnvorgänge nie in ihrem Interesse gewesen seien (gewollt waren nach eigener Aussage lediglich 5-6 Garantieabmahnungen).

Wenn die Schadensersatzansprüche letztlich auch nicht duchdrangen: So manche gerichtliche Wertung ist aus objektiver Perspektive für denjenigen niederschmetternd, der versucht, sich dem Fall neutral nähern. Die Konsequenz aus den gerichtlichen Wertungen wäre nach jetzigem Stand nämlich, dass Anwälte bewusst rechtsmissbräuchliches Verhalten (ob nun das der Partei oder eigenes) fast nach Belieben fördern dürfen, ohne deshalb eigene zivilrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen, denn eine bessere Aufklärung als in diesem Fall wird selten möglich sein.

Dies ist (leider) einzuräumen, obwohl wir beweisen können, dass die beauftragten Anwälte sechsstellige Kosten von den Abgemahnten nicht eingetrieben bekamen und die auch die Abmahnerin nie ausglich (und in erheblichen Teilen nicht einmal zeitnah nach Mandatsentzug ausgleichen sollte). Weiter konnten wir beweisen, dass die Anwälte der Abmahnerin vor den Gerichten falsch vortrugen. Bis zuletzt wurde die ermittelte Kostenlücke geleugnet.

Besonders deutlich wird das bewusste Einsetzen von Unwahrheiten aber in Einzelfällen, so z.B. in dem Fall des Abgemahnten, der auch das Rechtsmissbrauchsurteil vor dem OLG Hamm erwirkte. Unser Mandant wurde Anfang November 2008 erstmals abgemahnt, hierzu erging eine erste einstweilige Verfügung. Sodann erhielten Weiß&Partner von ihrer Partei am 05.12.2008 eine E-Mail, mit der sie zu einer weiteren Abmahnung des bereits Abgemahnten beauftragt wurden. Diesmal ging es um den Verstoß, der Gegenstand des einstweiligen Verfügungsverfahrens vor dem OLG Hamm war, in dem später der Rechtsmissbrauch entschieden wurde. Diese zweite Abmahnung wurde seitens Weiß&Partner zunächst aber zurückgehalten. Wohl deshalb ging eine inhaltlich identische Abmahnaufforderung Weiß&Partner seitens ihrer Partei nochmals am 29.12.2008 und am 21.01.2009 zu. Tatsächlich wurde die Abmahnung dann am 28.01.2009 ausgesprochen. Erst am 16.02.2009 wurde die einstweilige Verfügung vor dem LG Hagen beantragt.

Im Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung hieß es seitens Weiß&Partner:

„Unverzüglich nach Kenntnis von den Rechtsverletzungen ließ die Antragstellerin mit Anwaltsschreiben vom 28.01.2009 die Antragsgegnerin …abmahnen.“

und wenig später

„Der Verfügungsgrund ist unproblematisch, da der Antragstellerin die Verletzungen erst seit wenigen Tagen vor der Abmahnung bekannt sind.“

Diese Ausführungen sind objektiv falsch. Weiß&Partner wussten dies auch, denn die entsprechenden Abmahnaufträge waren dem Partner Rechtsanwalt Frank Weiß persönlich übersendet worden. Dennoch täuschte dieser Partner das Gericht bei der Beantragung der einstweiligen Verfügung in der bezeichneten Weise, um den gerichtlichen Titel gegen den Abgemahnten zu erwirken. Im Zuge der Verhandlung über den Widerspruch zur einstweiligen Verfügung gegen den Abgemahnten trugen wir in der mündlichen Verhandlung auch vor, dass die einstweilige Verfügung anzunehmender Weise nicht mehr dringlich gewesen sei, es fehlte uns jedoch der Beweis. Dem widersprachen die Anwälte der Abmahnerin vehement, beachtlicher Weise waren im Termin sogar beide Anwälte, Frank Weiß& Alexander Bräuer anwesend. Auch im Berufungsverfahren wurde dieser Verdacht schriftsätzlich vorgetragen (dass OLG Hamm weist darauf auch in seinem Urteil hin), dennoch erfolgte keine Richtigstellung durch die Anwälte von Weiß&Partner. Offenkundig gingen diese davon aus, dass es schon nicht herauskommen würde.

Die "Ironie" des Vorgangs ist, dass die Anwälte der Abmahnerin derart den Überlick verloren, dass sie selbst die entscheidenden E-Mails im Schadensersatzverfahren des Abgemahnten gegen sich selbst vorgelegt haben, um zu dokumentieren, dass ihnen nichts vorzuwerfen sei. Dabei hatten sie offenbar „nur“ übersehen, dass hierdurch zwar in der Tat eine Beauftragung aus dem Lager der Abmahnerin deutlich wurde, sich aber an anderer Stelle ein Problem ergab…Im Schadensersatzprozess des Abgemahnten ging auch der Senat des OLG Hamm insoweit zunächst von einem vorsätzlichen Handeln aus, revidierte dies dann aber wieder. Letztlich wurde der Fall jedoch nicht streitig entschieden, sondern durch gütlichen Vergleich mit einer Teilzahlung seitens Weiß&Partner an den Abgemahnten beendet, der dann seinerseits die Klage zurücknahm.

Als Zwischenfazit ist festzuhalten, dass sich dieser Vorgang grundlegend von anderen Fällen rechtsmissbräuchlicher Abmahnvorgänge unterscheidet. Es besteht nämlich die Besonderheit, dass hier eine Abmahnerin mit den von ihr Abgemahnten in Teilen kooperiert, weil sie das von ihr mitverursachte Unrecht einsieht.

In jedem Fall ist die Aufklärung dieser Abmahnserie hilfreich, der Selbstbereinigung in diesem speziellen Sektor des Wettbewerbsrechts beizutragen. Auch Weiß&Partner sind seitdem nicht mehr durch das Begleiten zweifelhafter Abmahnungen für Mandanten aufgefallen.

Unserer Auffassung nach hat die erhöhte Zahl von aufgeklärten Missbrauchsfällen in jüngster Zeit im Onlinehandel zu einer deutlichen Beruhigung geführt. Wenn nunmehr zusätzlich gerichtlich entschieden werden sollte, dass Anwälte die Verantwortung nicht beliebig auf ihre Mandanten abwälzen können und die anwaltliche Lüge kein Kavaliersdelikt ist, wäre dies sicher ein wichtiges Signal – auch zum Schutz eines eigentlich sehr gut funktionierenden Rechtsinstituts.

Zum besseren Verständnis des Sachverhalts folgt im Anschluss die maßgebliche Rechtsmissbrauchsentscheidung des OLG Hamm vom 2.3.2010 - I-4 U 217/09. Der damals bekannte Sachstand war das ergebnis langer Ermittlungen, verteifte sich in deren Nachgang nochmals deutlich, nachdem die Abmahnerin sich von Weiß&Partner trennte und mit den Abgemahnten kooperierte:

 

Sachverhalt 

Die Ast. verkauft in ihrem Onlineshop unter der Internetadresse www.b.com sowie in einem seit 2005 betriebenen Ladenlokal u.a. Taschen, Rucksäcke und Reisegepäck. Der Ag. bietet gewerblich ebenfalls Rucksäcke und Schultaschen auf eBay zum Verkauf an. Im Januar 2008 bewarb der Ag. einen Eastpak Rucksack Walker Pin Stripe mit der pauschalen Aussage „30 Jahre Herstellergarantie”. Die Ast. sah in dieser Art von Werbung einen Verstoß gegen § 4 Nr. 11 UWG i.V.m. §477 Abs. BGB § 477 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1 BGB und eine Irreführung der angesprochenen Verbraucher i.S.d. §§ 5 Abs. 1 Nr. 7 UWG und ließ den Ag. mit Schreiben v. 28.1.2009 erfolglos abmahnen. Sie legte in der Abmahnung einen Streitwert von € 5.000,– zu Grunde. Mit Antrag v. 16.2.2009 erwirkte die Ast. am 17.2.2009 eine einstweilige Verfügung.

Der Ag. hat Widerspruch gegen die Beschlussverfügung eingelegt. Die Ast. hat darauf hingewiesen, dass der Ag. die einstweilige Verfügung ignoriert habe und am 7.9.2009 in seinem Amazon-Shop weiter mit der wettbewerbswidrigen Werbeaussage „30 Jahre Eastpak-Garantie” geworben habe. Daraus ergebe sich für sie sogar ein gesteigertes Interesse an dem Verbot. Die Ast. hat mit näheren Ausführungen in Abrede gestellt, dass sie bei ihren Abmahnungen vorrangig ein Gebührenerzielungsinteresse verfolge. Sie hat sich vehement gegen die nach ihrer Einschätzung ins Blaue hinein aufgestellten Behauptungen des Ag. zu Absprachen mit ihren Prozessbevollmächtigten gewandt. Der Prozessbevollmächtigte des Ag. hätte es zuletzt in den Mittelpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit gestellt, ihr einen Rechtsmissbrauch nachzuweisen. Dennoch habe bislang kein Gericht ihre Rechtsverfolgung als rechtsmissbräuchlich erachtet. Aus der Vielzahl der Abmahnungen könne aber noch nicht auf einen Rechtsmissbrauch geschlossen werden. Das gelte umso mehr, als mindestens 2.000 eBay-Shops in einem direkten Wettbewerbsverhältnis zu ihrem Unternehmen stünden. Angesichts dessen relativiere sich die Zahl der abgemahnten Mitbewerber. Nach Einschätzung der Ast. steht ihr Abmahnverhalten auch in einem vernünftigen und wirtschaftlichen Verhältnis zu ihrer gewerblichen Tätigkeit.

Auch wenn sich die einzelnen Abmahngründe bei den Abmahnungen zum Teil wiederholten, sei die Verwendung von Textvorlagen insoweit üblich und nicht zu beanstanden. Schon aus den Aufstellungen des Ag. ergebe sich, dass ihre Bevollmächtigten nicht immer mit einer 1,8 Gebühr abrechneten. I.Ü. entspricht eine solche Abrechnung in Wettbewerbsstreitigkeiten nach Ansicht der Ast. der üblichen Praxis, die auch von der Rspr. toleriert werde. Es komme hinzu, dass es einen erheblichen Aufwand darstelle, den gesamten Shop des Ag. auf das Vorhandensein von entsprechenden Garantiebedingungen zu durchsuchen und die einzelnen Shopseiten zu sichern. Bei der früheren Abmahnung des Ag. von November 2008 sei es um die Verletzung von Informationspflichten und eine für unlauter gehaltene vergleichende Werbung gegangen. Das Gericht habe im Hinblick auf diese Werbung einen Verstoß verneint. Gerade diese Abmahnung mache deutlich, dass sie sich nicht darauf beschränke, nur sichere Verstöße abzumahnen. Zum Zeitpunkt der früheren Abmahnung habe sie keine Kenntnis von der Werbung mit der 30jährigen Garantie gehabt. Diese unlautere Werbung habe sie erneut abgemahnt, weil sich der Ag. damit einen nicht unerheblichen Wettbewerbsvorteil verschaffe. Die angesprochenen Verbraucher legten beim Studium der Angebotsseiten großen Wert auf solche Garantieaussagen. Selbst wenn ihr aber kein Auskunftsanspruch zugestanden haben sollte, ließe sich aus der Geltendmachung eines solchen Anspruchs in der Abmahnung nicht auf einen Rechtsmissbrauch schließen. In dem Verfahren gegen die X GmbH sei nur deshalb trotz der verweigerten Abschlusserklärung kein Hauptsacheverfahren durchgeführt worden, weil das Verhalten dieser Firma im Verfügungsverfahren die Vermutung nahegelegt habe, es drohe eine Insolvenz. Intensiver Widerstand hätte sie in keinem Fall davon abhalten können, ihre Rechte durchzusetzen. Es treffe auch nicht zu, dass sie in gezielter Form den Gerichtsstand gewechselt habe.

Der Ag. hat das Vorgehen der Ast. für rechtsmissbräuchlich i.S.d. §8 Abs. 4 UWG gehalten. Das LG hat die einstweilige Verfügung bestätigt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass nicht festgestellt werden könne, dass die Ast. rechtsmissbräuchlich i.S.d. §8 Abs. 4 UWG gehandelt habe. Die vom Ag. vorgetragenen Umstände rechtfertigten weder für sich noch in ihrer Gesamtheit den Schluss, dass das beherrschende Motiv der Ast. bei der Abmahnung des Ag. sachfremde Ziele waren. Allein die Anzahl der vorgenommenen Abmahnungen genüge insoweit nicht. Auch die Art und Weise des Vorgehens der Ast. rechtfertigte nicht die Annahme eines rechtsmissbräuchlichen Verhaltens, nachdem die Ast. die Besonderheiten der jeweiligen Fallgestaltung erläutert habe. Entscheidend sei vielmehr auf das eigene Verhalten des Ag. abzustellen, der am 13.10.2009 bei einem Angebot im Amazon-Shop erneut gegen seine Unterlassungsverpflichtung verstoßen habe. Der Ag. greift das Urteil mit der Berufung an.

 

Aus den Gründen

Die Berufung ist begründet, weil der Ast. der geltend gemachte Anspruch auf Unterlassung nicht zusteht. Dieser fehlt wegen rechtsmissbräuchlichen Verhaltens schon die Antragsbefugnis. Die Ast. hat in Bezug auf die hiesige Abmahnung des Ag. v. 28.1.2008 rechtsmissbräuchlich i.S.d. §8 Abs. 4 UWG gehandelt. Das hat zur Folge, dass es auch im hiesigen Verfügungsverfahren an der Antragsbefugnis fehlt und der Verfügungsantrag als unzulässig zurückzuweisen ist.

1. Von einem Missbrauch i.S.d. §8 Abs. 4 UWG ist auszugehen, wenn das beherrschende Motiv des Gläubigers bei der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs sachfremde Ziele sind. Als typischen Beispielsfall eines sachfremden Motivs nennt das Gesetz das Gebührenerzielungsinteresse. Die Geltendmachung eines Unterlassungsanspruchs ist unzulässig, wenn sie vorwiegend dazu dient, gegen den Zuwiderhandelnden einen Anspruch auf Ersatz von Aufwendungen oder Kosten der Rechtsverfolgung entstehen zu lassen. Davon ist auszugehen, wenn die äußeren Umstände in ihrer Gesamtheit aus Sicht eines wirtschaftlich denkenden Unternehmers deutlich machen, dass der Anspruchsberechtigte kein nennenswertes wirtschaftliches oder wettbewerbspolitisches Interesse an der Rechtsverfolgung haben kann und deshalb allein oder ganz überwiegend nur ein Gebühreninteresse verfolgen kann, wobei es sich dabei auch um das Interesse der von ihm beauftragten Anwälte handeln kann. Sachfremd ist es auch, wenn ein Berechtigter nach „Gutsherrnart” abmahnt und dabei aus persönlichen Gründen Mitbewerber besonders hartnäckig verfolgt oder ihnen aus Gutdünken Kostenerstattungs- und Vertragsstrafenansprüche erlässt.

2. Die Ast. ist Mitbewerberin des Ag. ... Als Mitbewerberin kann sie ein berechtigtes Interesse an der Rechtsverfolgung haben, wenn sie durch unlautere Wettbewerbshandlungen beeinträchtigt werden kann. Das ist grds. der Fall, wenn wie hier über Herstellergarantien, mit denen geworben wird, nicht in der erforderlichen Weise informiert wird. ... Zu berücksichtigen ist auch, dass die Abmahnpraxis von Mitbewerbern und Verbänden dem Interesse der Allgemeinheit an der Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs dient. Deshalb können auch umfangreiche Abmahntätigkeiten für sich allein noch keinen Missbrauch belegen, wenn zugleich umfangreiche Wettbewerbsverstöße in Betracht kommen (BGH GRUR 2005, 433; MMR 2005, 376; OLG Frankfurt/M. GRUR-RR 2007, 56; MMR 2007, 322; Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., §8 Rdnr. 4.12). 

Es müssen vielmehr weitere Umstände hinzutreten, die die Missbräuchlichkeit der Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs begründen können. Solche Umstände können Indizien für eine Rechtsverfolgung im primären Gebührenerzielungsinteresse ebenso sein wie eine selektive Schuldnerauswahl oder Indizien für eine Rechtsverfolgung lediglich im Interesse eines Dritten. Kommen solche Umstände bei einem Mitbewerber mit vielfachen Abmahnungen zusammen, ist ein Missbrauch der an sich bestehenden Klagebefugnis aber gerade im Bereich des Internethandels, wo es bekanntermaßen gerade auch im Bereich der Informationspflichten zu einer kaum überschaubaren Vielzahl von Wettbewerbsverstößen kommt, nicht ungewöhnlich. 

Das gilt insb. dann, ... wenn die Abmahntätigkeit so umfangreich ist, dass sie in keinem vernünftigen Verhältnis zu der gewerblichen Tätigkeit des Abmahnenden mehr steht. In einem solchen Fall hat sich die Abmahntätigkeit dann erkennbar verselbstständigt. Ob das letztlich der Fall ist, ist unter Berücksichtigung der Begleitumstände der Verletzungshandlung, des Wettbewerbsverhältnisses und der sonstigen Umstände im Rahmen des Freibeweises zu würdigen. Insoweit ergibt sich etwas wie eine Wechselwirkung. Je größer die Zahl der Abmahnungen ist, umso eher ist das ein Indiz für ein missbräuchliches Verhalten (vgl. schon Köhler, WRP 1992, 359).

3. Legt man dies im vorliegenden Fall zu Grunde, ist davon auszugehen, dass das maßgebliche Motiv der Ast. bei der Rechtsverfolgung des Ag. das Gebührenerzielungsinteresse war. Die Ast. hat im Rahmen einer regelrechten Abmahnwelle in der Zeit von Mitte Oktober 2008 bis Mitte Februar 2009 etwa 60 Abmahnungen ausgesprochen, die der Ag. in verschiedenen Listen erfasst hat. Sie hat die während dieser Zeit abgemahnten Mitbewerber auch gerichtlich auf Unterlassung und auf Zahlung von Vertragsstrafen in Anspruch genommen. Abmahnungen vor dieser Zeit sind nicht vorgetragen oder bekannt geworden; Abmahnungen nach dieser Zeit gab es nur noch vereinzelt. Das Vorliegen einer solchen Abmahnwelle allein reicht zwar aus den o.g. Gründen für sich noch nicht aus für die Annahme eines Rechtsmissbrauchs.

Es kommt hier aber hinzu, dass die konkreten objektiven Begleitumstände auf ein solches sachfremdes Motiv schließen lassen. ... Aus dem Vortrag des Ag. ergeben sich aber unstreitige oder aus den vorgelegten Schriftstücken und Akten ersichtliche Tatsachen, die für sachfremde Motive auf Seiten der Ast. sprechen. Dabei ist vorab darauf hinzuweisen, dass die vom LG in den Vordergrund gestellte Erwägung, dass der Ag. auch nach dem gerichtlichen Verbot weiter dagegen verstoßen hat, nichts darüber aussagen kann, ob die Abmahnung rechtsmissbräuchlich gewesen ist oder nicht. Späteren weiteren schuldhaften Verstößen kann mit der Geltendmachung einer versprochenen Vertragsstrafe oder einem Ordnungsgeldantrag begegnet werden. Sie lassen aber keinen Schluss auf die Motive zu, die die Ast. zur Geltendmachung dieses Unterlassungsanspruchs gegenüber dem Ag. veranlasst haben.

4. Als zusätzlicher Umstand, der neben der Vielzahl und auffälligen Häufung der Abmahnungen für einen Rechtsmissbrauch spricht, ist zunächst das wirtschaftlich wenig vernünftige Verhältnis zwischen dem Umsatz der Ast. und dem sich als Folge der Abmahnwelle ergebenden und vom Ag. aufgelisteten Kostenrisiko zu sehen.

Die Ast. übt zwar nach ihrem Vorbringen verschiedene Geschäftstätigkeiten aus; entscheidend ankommen kann es allerdings nur auf den Verkauf von Taschen, Rucksäcken und Reisegepäck online, weil sie nur insoweit in Konkurrenz zum Ag. tritt. Die Kostenrisiken der aufgelisteten Abmahnungen sind hoch und werden durch die Kosten von Rechtsstreiten auch als Folge von „Gegenabmahnungen” der zuvor Abgemahnten, zu denen es hier auch schon vor der hier streitgegenständlichen Abmahnung des Ag. am 28.1.2009 vermehrt gekommen ist, schwer überschaubar. Gerade wenn wegen der Häufung der Abmahnungen der Einwand des Rechtsmissbrauchs erhoben wird, kann dieser auch in Fällen zum Erfolg führen, in denen der mit der Abmahnung geltend gemachte Anspruch an sich sachlich gerechtfertigt ist. Das Kostenrisiko belastet die Ast. vor allem auch vor dem Hintergrund, dass sie von ihren Prozessbevollmächtigten in keinem Falle von den Rechtsverfolgungskosten freigestellt wird. Der Ag. hat zum Umsatz der Ast. über die Handelsplattform eBay zur entscheidenden Zeit der Abmahnwelle vorgetragen und insoweit auch einen Umsatz i.H.v. € 38.539,– für die Zeit der etwa drei Monate ... genannt. Denen ist die Ast. in ihrem Vortrag jedenfalls nicht mit anderen Zahlen in Bezug auf den Zeitraum Oktober 2008 bis Januar 2009 entgegengetreten. Lediglich in der eidesstattlichen Versicherung v. 5.3.2009 hat die Ast. für Dezember 2008 einen Umsatz von mehr als €16.000,–, für Januar 2009 von mehr als €15.000,– angegeben. Sie hat dann zu den Umsatzzahlen von Februar 2009 (mehr als €23.000,–) und den Folgemonaten Stellung genommen und pauschal einen Jahresumsatz v. €400.000,– genannt, ohne dabei Einzelheiten zu erwähnen oder Belege beizubringen. Dieser Umsatz lässt sich mit ihrer eigenen Erklärung, dass nur in umsatzstarken Monaten ein Umsatz v. €35.000,– pro Monat erzielt werde, nicht in Übereinstimmung bringen.

Soweit es um die Bewertungen bei eBay geht, fällt auch auf, dass deren Zahl zur Zeit der Abmahnwelle erheblich geringer war als zu einem späteren Zeitraum. Die Ast. trägt unter Bezugnahme auf das Bewertungsprofil selbst vor, dass die Ast. in den sechs Monaten vor dem 30.9.2009 1.047 Bewertungen erhalten hat, während es in den sechs Monaten davor, also in dem hier entscheidenden Zeitraum 547 Bewertungen waren, also nur wenig mehr als die Hälfte. Auch wenn man berücksichtigt, dass die Ast. auf Grund ihrer geschäftlichen Erfahrungen mit einem später höheren Jahresumsatz rechnen konnte, war der sich daraus ergebende Gewinn nicht in der Lage, das volle Kostenrisiko für den Eintritt des schlimmsten Falls abzudecken. Das gilt selbst dann, wenn man die von der Ast. selbst angegebene Gewinnmarge zu Grunde legt. Allein dieser Umstand spricht schon sehr stark für sachfremde Motive der Ast. in Zusammenhang mit der Abmahnwelle. 

5. Es kommt aber noch hinzu, dass die Art und Weise der Verfolgung gleichfalls für ein Gebühreninteresse spricht. Es werden ganz in der Regel bestimmte Verstöße gegen Informationspflichten über das Widerrufsrecht oder bei der Werbung mit Garrantien abgemahnt. Zum Teil haben die Anwälte der Ast. dabei mit Textbausteinen gearbeitet. Angesichts der nicht unüblichen umfangreichen Verkaufstätigkeit auf mehreren Internetplattformen können dadurch für die Abgemahnten Haftungsfallen geschaffen werden. Dies gilt umso mehr, wenn in den vorformulierten Unterlassungserklärungen erhebliche Vertragsstrafen für jeden Fall der Zuwiderhandlung versprochen werden und der Internetauftritt – wie im Fall L. geschehen – alsbald nach Abgabe der Unterlassungserklärung kontrolliert wird. Dann kann es zu einer Vielzahl von Verstößen kommen, die den Mitbewerber wirtschaftlich ernsthaft bedrohen kann. Wer sich dermaßen auf die Abmahnung bestimmter Verstöße in einem solchen Sinne spezialisiert, macht damit deutlich, dass es ihm insgesamt eher nicht um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs geht (Senat OLGR 2009, 474; MMR 2009, 474). 

Die Ast. hat auch bei der Geltendmachung der Anwaltskosten unterschiedliche Streitwerte angesetzt. Im Fall L. hat die Ast. ihrer Kostenerstattungsforderung zudem zunächst einen völlig überhöhten Streitwert v. €55.000,– zu Grunde gelegt. Dabei soll es sich um einen Schreibfehler gehandelt haben. Sie hat sich insoweit auf Rüge des Gegenanwalts auf einen Streitwert i.H.v. €15.000,– eingelassen. Selbst wenn es aber ein Schreibfehler gewesen sein sollte, zeigt das wiederum, dass die Ast. oder ihre Anwälte angesichts der vielen Fälle die Übersicht verloren haben, worauf unten noch eingegangen wird. Ansonsten liegen die Streitwerte nach der vorgelegten Aufstellung zwischen €2.500,– und €40.000,–, wobei sich ein Durchschnitt von ca. €20.000,– ergibt. Das sind keine auffallend hohen Werte. Im vorliegenden Fall ist der Wert in der Abmahnung und im Verfügungsverfahren mit €5.000,– angegeben worden, also sehr niedrig. Auffällig ist dafür aber, dass der Wert dann für die Aufforderung zur Abgabe der Abschlusserklärung auf €15.000,– erhöht worden ist. Zu diesem Zeitpunkt war bereits die einstweilige Verfügung erlassen worden. Dadurch war das Risiko für die Ast. erheblich geringer geworden.

Es trifft auch nicht zu, dass hier entscheidend auf das Wertgefälle zwischen einstweiliger Verfügung und zu vermeidendem Hauptverfahren abgestellt werden kann. Denn auch die Abmahnung hat sich am Wert des Hauptverfahrens zu orientieren. Auffällig ist aber in jedem Fall auch die Höhe der in Rechnung gestellten Gebühr. Nach st. Rspr. des Senats ist eine 1,3fache Gebühr für solche Abmahnungen angemessen (vgl. Köhler/Bornkamm, a.a.O., §12 Rdnr. 1.94). Nur eine solche Gebühr wird nach der Erfahrung des Senats auch üblicherweise in Rechnung gestellt. Eine Gebühr von 1,8, die sogar über der Mittelgebühr liegt, kann dagegen nur ausnahmsweise bei Darlegung eines besonderen Prüfungsumfangs oder einer besonderen Schwierigkeit etwa in Markenrechtsverfahren zugebilligt werden. Davon kann im vorliegenden Fall ersichtlich keine Rede sein. Die Abgemahnten werden in der Abmahnung von einer Kontaktaufnahme zu der Ast. abgehalten. Außerdem wird ihnen in der Abmahnung eine Kostennote übersandt, die sie binnen einer bestimmten Frist auszugleichen haben. Deutlicher kann man kaum machen, dass der Anwalt die Zahlung der Gebühren, die sich aus seinem Verhältnis zu seinem Mandanten ergibt, in Wirklichkeit von dem Abgemahnten erwartet. Damit gerät die Kostenforderung, die in Wirklichkeit nur ein Aufwendungsersatzanspruch ist, in gleicher Weise in das Blickfeld wie der Unterlassungsanspruch, um den es der Partei ja in der Hauptsache gehen sollte.

Dieser Eindruck wird noch dadurch bestärkt, dass jedenfalls im Fall T. nach Durchführung des Verfügungsverfahrens und Ablehnung der Abgabe einer Abschlusserklärung kein Hauptverfahren mehr betrieben worden ist. Einen ganz auffälligen Umstand stellt es auch dar, dass die Ast. sich ganz allgemein und in dieser Form sicher zu Unrecht schon in der Abmahnung eines Schadensersatzanspruchs berühmt, da für einen konkreten Schaden der Ast. hier nichts ersichtlich ist. Gerade der Hinweis auf den Schadensersatzanspruch soll den abgemahnten Mitbewerber vielmehr weiter einschüchtern und dazu bringen, die Unterwerfungserklärung abzugeben und die Anwaltsgebühren zu zahlen. Hinzu kommt, dass ohne jede Darlegung einer Schadenswahrscheinlichkeit eine Verpflichtung zur Auskunft als sicher gegeben dargestellt und Auskunft mit dem Abmahnschreiben sogar schon gesondert verlangt wird. Das erstaunt angesichts der Tatsache, dass im Rahmen solcher Internetverstöße in den seltensten Fällen Auskunfts- und Schadenersatzansprüche geltend gemacht werden und dann gegeben sind und dass unstreitig auch hier in keinem Fall ein Auskunftsanspruch später gerichtlich geltend gemacht worden ist.

6. Hinzu kommen Auffälligkeiten aus den Parallelverfahren in Zusammenhang mit der Geltendmachung von Vertragsstrafen, nachdem sich die Risiken aus den oben schon erwähnten Haftungsfallen verwirklicht haben. In verschiedenen Fällen hat die Ast. aus einem einheitlichen Verstoß gegen eine Unterlassungsverpflichtung viele Einzelverstöße gemacht und auf diese Verstöße überhöhte Vertragsstrafenansprüche gestützt. Die sich dadurch ergebenden Beträge hat die Ast. dann aber nicht in vollem Umfang gerichtlich geltend gemacht, sondern erheblich geringere Beträge, über die sie sich dann verglichen hat mit dem Ergebnis, dass schließlich ein noch geringerer Betrag gezahlt werden musste. Es hat den Anschein, als ob die Ast. die Unterlassungsschuldner mit den hohen und im Fall W. existenzbedrohenden Vertragsstrafen einschüchtern will, um sie dann wie bei einem Rabattsystem zur freiwilligen oder vergleichsweisen Zahlung weit geringerer Beträge zu veranlassen. Das war insb. i.R.d. Klage gegen die Firma L. so. Nach einer Kontrolle am 25.10.2008 nach der Abgabe der Unterlassungserklärung am 23.10.2008 entdeckte die Ast., dass die Unterlassungsschuldnerin bei mindestens 64 Internetangeboten weiterhin über das Widerrufsrecht unvollständig belehrte.

Die Ast. berief sich als Folge davon auf einen Anspruch i.H.v. jedenfalls 64 x € 1.500,–, also von € 96.000,–, wenn nicht noch eines erheblich höheren Anspruchs, weil sie auch zwischen den drei eBay-Shops der damals Bekl. noch differenzierte. Jedenfalls ging sie von 64 fehlerhaften Widerrufsbelehrungen bei Internetangeboten und damit 64 Verstößen aus.

Diese Auffassung war unrichtig, wie der Ast. als Kl. sowohl das LG als auch der Senat bescheinigt haben, als sie schließlich eine zehnfach verwirkte Vertragsstrafe i.H.v. € 15.000,– einklagte. ... Ähnlich ging die Ast. auch im Fall W. vor. Insoweit war eine Vertragsstrafe v. € 25.000,– geltend gemacht worden und es kam zu einem Vergleich auf Zahlung v. € 6.300,–. Ggü. der S. GmbH waren geltend gemacht € 15.003,–, eingeklagt wurden € 10.002,– und zugesprochen schließlich € 5.001,–. Auch die Tatsache, dass die Ast. die im Fall W. ausgeurteilte Vertragsstrafe spenden wollte und nach Vergleichsabschluss auch den überschießenden Teilbetrag tatsächlich gespendet hat, besagt nichts Entscheidendes gegen sachfremde Motive. Denn zu dieser Besonderheit ist es erst zu einem Zeitpunkt gekommen, als die Ast. von dem intensiven Widerstand der Abgemahnten in Zusammenhang mit dem Vorwurf des Rechtsmissbrauchs Kenntnis hatte und in diesem Zusammenhang auch die geltend gemachten Vertragsstrafen erwähnt worden waren. Auch dann, wenn von Mitbewerbern überhöhte Vertragsstrafen verlangt werden, die nicht behalten, sondern gespendet werden, kann es sich um einen Fall von einem sachfremden Kostenbelastungsinteresse handeln, möglicherweise mit dem Ziel eines eigennützigen Interesses an einer Marktbereinigung. Im Fall W. hat die Ast. unstreitig sogar mit einer Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungspflicht ggü. einem anderen Mitbewerber Handel treiben wollen ... Auch das ist selbst dann auffällig, wenn der Mitbewerber W. seinerseits besonders massiv gegen die Ast. vorgegangen ist, nachdem diese ihn abgemahnt hatte.

Der Senat hat bereits entschieden, dass es wettbewerbsrechtlich zulässig ist, nach einer Abmahnung das Angebot des Abmahnenden zu durchsuchen und diesen dann wegen vorgefundener Verstöße im Wege der Retourkutsche seinerseits abzumahnen, wenn nicht ersichtlich ist, dass allein das Kostenbelastungsinteresse im Vordergrund steht (Senat, U. v. 16.12.2008 – Aktenzeichen 4 U 173/08).

7. In dieses Gesamtbild passt auch das Verhältnis der Ast. zu ihren Anwälten. Zur Zeit der Abmahnwelle waren die Prozessbevollmächtigten jedenfalls in erster Linie für die Ast. tätig, wie man ihren Aktenzeichen aus der Aufstellung des Ag. entnehmen kann. Auch wenn für Absprachen über Kosten nichts ersichtlich ist, ist auffällig, dass die ausgesprochenen Abmahnungen nicht zeitnah der Mandantin in Rechnung gestellt werden, sondern erst nach Abschluss der jeweiligen Verfahren. Das hindert die Ast. aber nicht, den Abgemahnten i.R.d. Abmahnung Kostenrechnungen übersenden zu lassen, obwohl sie nur ihren Aufwendungsersatzanspruch geltend machen kann. Sie begehrt quasi vorab die Erstattung von Gebührenforderungen, die noch nicht fällig sind. So wie die Prozessbevollmächtigten nach Versendung des Abmahnschreibens ggü. den Abgemahnten abrechnen konnten, hätten sie es auch ggü. der Ast. tun können. Diese wird allerdings mit den Kosten noch nicht einmal im Wege einer Vorschusszahlung belastet.

Ob die Ast. tatsächlich in größerem Umfang Ansprüche auf Erstattung von Anwaltskosten hat verjähren lassen, lässt sich allerdings nicht feststellen. Die Ast. will stets rechtzeitig Mahnverfahren eingeleitet haben, um die Verjährung zu unterbrechen. Auch dabei handelt es sich aber um eine auffällige, weil zaghafte Verfahrensweise. In mehreren Fällen hat die Ast. auch schon auf Freistellung von den Kosten geklagt. In anderen Fällen ist von den Abgemahnten negative Feststellungsklage erhoben worden. Auffallend ist insoweit, dass die Ast. jedenfalls nicht besonders auf einen Abschluss der Verfahren drängt und deshalb auch im Hinblick auf die schwebenden Verfahren überhaupt noch nicht mit den Abmahnkosten belastet worden ist.

8. Unstreitig haben die Ast. oder ihre Anwälte aber auch verschiedentlich die Kontrolle über ihre Abmahnverfahren bereits verloren. Sie haben in den Fällen O. und A. Abmahnungen vertauscht und bei dem Verfahren gegen L. den Streitwert völlig überhöht angegeben. Bei einem Verfahren vor dem LG Lüneburg haben sie nicht mehr gewusst, einen Unterlassungsanspruch mit einem bestimmten Inhalt in einem Verfahren vor dem LG Essen anerkannt zu haben.

9. Angesichts dieser zahlreichen für einen Rechtsmissbrauch sprechenden Umstände wäre es Sache der Ast. gewesen, diese Umstände zu widerlegen und darzutun, dass es ihr dennoch in erster Linie um die Wahrung des lauteren Wettbewerbs gegangen ist (BGH GRUR 2006, 243 – MEGA SALE).

Dazu hat die Ast. aber nichts Entscheidendes vorgetragen; sie hat insb. in keiner Weise den wettbewerbsschützenden Sinn der auffallenden Abmahnwelle erklären können. Die Verstöße von Mitbewerbern, gegen die sie in der Zeit ab Oktober 2008 massiv vorgegangen ist, gab es auch schon vorher. Es ist auch nicht ersichtlich, wieso sie etwa durch den pauschalen Hinweis auf die Herstellergarantie i.R.d. Produktbeschreibung in besonderer Weise beeinträchtigt worden sein soll. Gleiches gilt für die fehlende Belehrung darüber, dass die Widerrufsfrist nicht vor Erteilung der erforderlichen Informationen nach §§ 312c Abs. Abs. 2 oder 312c, 312e BGB beginnt wie im Fall P. Es ist auch nicht davon auszugehen, dass die Ast. festgestellte und gerügte Verstöße konsequent und zügig auch dann immer weiter verfolgt, wenn die Unterlassungserklärung nicht abgegeben wird. Schließlich hat sich die Ast. selbst auch nicht vollständig wettbewerbskonform bei ihrem Internetauftritt verhalten, wie die verschiedenen erfolgreichen Inanspruchnahmen deutlich machen.

 

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Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Jörg Faustmann