Rechtsmissbräuchliche Abmahnserie LG Würzburg 14 O 1631/08

Abmahnung
13.10.2010623 Mal gelesen
Das LG Würzburg (Urt. v. 28.10.2008, Az. 14 O 1631/08) hat das Abmahnverhalten einer Limited auch dann als rechtsmissbräuchlich angesehen, wenn zunächst nur eine geringe Anzahl von Abmahnungen ausgesprochen wurden. Der Rechtsmissbrauch wird vielmehr durch das Fehlen eines vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnisses zum Abmahnumsatz, eine geringe Teilnahme am Wettbewerb und deutlich überhöhte Preise indiziert.

Die nachfolgende vom Verfasser erstrittene Entscheidung des LG Würzburg (Urt. v. 28.10.2008, Az. 14 O 1631/08) ist eine der ersten Missbrauchsentscheidungen in einer Reihe von Entscheidungen in den letzten zwei Jahren, mit denen rechtsmissbräuchliches Abmahnverhalten ausgeurteilt wurde. Im vorliegenden Fall war das Novum, dass die abmahnende Limited eine relativ geringe Zahl von Abmahnungen ausgesprochen hatte und sich dieser Fall daher grundsätzlich von den vorhergehend veröffentlichten Urteilen unterschied, denen ein massenhaftes abmahnen zugrunde lag. Erfreulich war, dass die Zivilkammer des LG Würzburg den Fall ausnehmend gut vorbereitet und ein offenes Ohr für die zuhauf nachgewiesenen Unregelmäßigkeiten des Falles hatte. Im Ergebnis zeigte sich sehr deutlich, dass die bestehenden rechtlichen Möglichkeiten zwanglos ausreichen, um dem typischen Abmahnmissbrauch, wie er im Onlinehandel immer wieder mal vorkommt, entgegenzuwirken.

Konkret heißt es in dieser Entscheidung:

 Sachverhalt

Die Verfügungskl., eine erst zum 30.5.2008 eingetragene Limited (Ltd.) betrieb unter www.p-online.com einen Onlineshop für Tierbedarf. Sie mahnte im Juli und August 2008 bundesweit zahlreiche Wettbewerber ab. Ca. 20 Abmahnungen räumte sie selbst ein. Zum Zeitpunkt der Abmahnung hatte die Verfügungskl. nur wenige Artikel in ihren Shop eingestellt, teilweise zum 2 bis10-fachen des üblichen Preises.

 Aus den Gründen

Die einstweilige Verfügung war auf den Widerspruch der Verfügungsbekl. hin aufzuheben ..., weil die Geltendmachung des erhobenen Unterlassungsanspruchs unter den vorliegenden Umständen missbräuchlich i.S.d. § 8 Abs. 4 UWG ist. Der Anspruch scheitert zwar nicht bereits an einem fehlenden Wettbewerbsverhältnis i.S.d. §§ 1, 2 UWG, da jedenfalls zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung am 21.10.2008 ein Onlineshop bestand, in den über 200 Artikel eingestellt waren. ... Allerdings ergibt sich hier aus einer Gesamtschau der vorliegenden Indizien, dass der wettbewerbsrechtliche Unterlassungsanspruch missbräuchlich geltend gemacht wurde. Diese missbräuchliche Geltendmachung liegt insb. dann vor, wenn sachfremde Ziele - wie das Interesse, den Gegner durch möglichst hohe Prozesskosten zu belasten - als die eigentliche Triebfeder und das beherrschende Motiv der Verfahrenseinleitung erscheinen (vgl. BGH v. 5.10.2000, Az. I ZR 237/98). Aus dem unstreitigen Sachverhalt ergibt sich, dass der Verfügungskl. allein im Zeitraum v. 21.7.2008 bis 29.8.2008 13 Abmahnungen vorgenommen hat mit einer Kostennote von jeweils € 899,40, insgesamt also € 11.692,20. Ferner ergibt sich aus dem vorgelegten Hauptverhandlungsprotokoll vor dem LG Marburg (Az. 2 O 252/08), dass bis zum Zeitpunkt der dortigen mündlichen Verhandlung am 9.9.2008 ca. 20 Abmahnungen von der Verfügungskl. erstellt worden sind. Unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Verfügungskl. erst zum 30.5.2008 eingetragen worden ist, ergibt sich bereits aus der Zahl der Abmahnungen, dass ihre Abmahntätigkeit in keinem vernünftigen wirtschaftlichen Verhältnis zu ihren behaupteten gewerblichen Tätigkeiten gestanden hat. ... Ferner hat die Verfügungsbekl. ... glaubhaft gemacht, dass die Verfügungskl. Artikel zu weit überhöhten Preisen anbietet. ... Letztlich hat die Verfügungsbekl. ... ausreichend glaubhaft gemacht, dass die Kl. zum Zeitpunkt der Abmahnung am 28.7.2008 lediglich in einem äußerst geringen Umfang am Markt teilgenommen hat. ... Jedenfalls ergibt sich aus der Gesamtschau ..., dass die Abmahntätigkeit aus der Sicht eines wirtschaftlich denkenden Gewerbetreibenden lediglich dem Gebühreninteresse des beauftragten Rechtsanwalts dienen kann. Demzufolge ist die Geltendmachung der Unterlassungsansprüche gem. § 8 Abs. 4 UWG missbräuchlich und somit unzulässig. ...

Die Entscheidung des LG Würzburg ist in jeder Hinsicht zu begrüßen. Im Zuge der mündlichen Verhandlung ist die Kammer akribisch auf den glaubhaft gemachten Tatsachenvortrag und die weiteren vorgetragenen Argumente eingegangen. Neben dem abgemahnten (unstreitigen) Rechtsverstoß hat es auch die eigentliche Motivation der Abmahnerin ergründet und sich offensichtlich sehr bewusst entschieden, wie es den Anspruch zu Fall bringt. Es war nämlich unstreitig, dass die Kl. zum Zeitpunkt der Abmahnung in ihrem Shop noch darauf hinwies, dass ihre Produkte und Preise nur der beispielhaften Veranschaulichung der Shopfunktionen dienten. Folglich wäre es ein Leichtes gewesen, die Kl. am Wettbewerbsverhältnis scheitern zu lassen. Im vorliegenden Fall bestand zudem die Besonderheit, dass der die Kl. vertretende Anwalt die Ltd. selbst gegründet hatte und verschiedene Unternehmen (Prozessfinanzierung und Versandabwicklung) in ihrem Umfeld unterstützte. Ursprünglich war sogar die Domain der Kl. auf den Anwalt gemeldet. Mit Blick auf die aktuelle Diskussion über die Berechtigung bzw. den Reformbedarf im Bereich der Abmahnungen zeigt dieser Fall exemplarisch, dass bereits die aktuelle Gesetzeslage erheblichen Spielraum lässt, unberechtigte Ansprüche zu Fall zu bringen.

Wie so oft in derartigen Fällen, waren die Abmahngeschädigten auch nach Erstreiten des Rechtsmissbrauchsurteils mit der Tatsache konfrontiert, dass die abmahnende Limited nicht leistungsfähig war und somit für die verursachten Schäden nicht aufkommen konnte. Einige unserer Mandanten beauftragten uns daher, gegen den abmahnenden Anwalt vorzugehen. Tatsächlich waren wir mit diesen Klagen auch erfolgreich. Den Musterfall entschied das AG Charlottenburg (Urt. v.13.11.2009, Az. 238 C 171/09  - von uns ebenfalls veröffentlicht). Ein solches Ergebnis war bis dato in Fachkreisen eigentlich für fast unmöglich erachtet worden.

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Faustmann.Recht

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Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz

Jörg Faustmann