BGH-Entscheidung zur Filesharing-Haftung von Eltern: Auswirkungen auf die Praxis

Abmahnung Filesharing
16.11.2012373 Mal gelesen
Welche Auswirkungen hat die BGH-Entscheidung vom 15.11.2012 auf die Verteidigung gegen Abmahnungen? Können sich Abgemahnte in Zukunft einfacher gegen den Vorwurf einer Rechtsverletzung wehren? Was ist zu beachten?

Der BGH hat am 15.11.2012 in einer weitreichend beachteten Entscheidung (Az.: I ZR 74/12) festgestellt, dass Eltern grundsätzlich nicht für die Filesharing-Delikte ihrer minderjährigen Kinder haften, sofern sie sie vorher ausreichend darüber belehrt haben, dass die Weiterverbreitung von urheberrechtlich geschützten Werken im Internet, sei es Musik oder Filmen oder Büchern, verboten ist.

Was bedeutet diese Entscheidung nun für die Praxis?

Wird festgestellt, dass über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen wurde, so spricht zunächst einen tatsächliche, auf der Lebenserfahrung beruhende Vermutung dafür, dass der Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Diese tatsächliche Vermutungkann aber durch die Darlegung des Anschlussinhabers entkräftet werden, nicht er selbst, sondern ein Dritter habe die Rechtsverletzung begangen. 

Der Anschlussinhaber muss dafür substantiiert darlegen, warum nicht er selbst als Täter in Betracht kommt, sondern ein Dritter die Tat begangen hat (sog. sekundäre Darlegungslast). Er muss diesen Vortrag aber nicht beweisen. Die Beweislast für die Rechtsverletzung obliegt allein dem Kläger.

Deshalb hat das Landgericht Düsseldorf am 21.3.2012 (Az.: 12 O 579/10) entschieden:

Die sekundäre Darlegungslast umfasst nicht die Pflicht des Behauptenden, diesen Sachverhalt gegebenenfalls zu beweisen (Reichold in: Thomas/Putzo, 29. Auflage 2008, vor § 284 ZPO Rn. 18). Vielmehr hat ein der sekundären Darlegungslast genügender Vortrag zur Folge, dass der grundsätzlich Beweisbelastete - hier die Klägerinnen - seine Behauptung beweisen muss.

Was muss der abgemahnte Anschlussinhaber dafür vortragen? Das LG Düsseldorf führt dazu aus:

Der Beklagte hat substantiiert dargetan, dass er nicht als Täter für die streitgegenständlichen Rechtsverletzungen in Betracht kommt. Nach seinem Vorbringen befanden sich auf seinem Rechner weder die streitgegenständlichen Dateien noch eine entsprechende Filesharing-Software. Damit hat er einen Sachverhalt vorgetragen, der - die Wahrheit unterstellt - eine täterschaftliche Haftung des Beklagten ausgeschlossen erscheinen lässt.

Und schon galt die gesetzliche Beweislast mit der Folge, dass die klagenden Rechteinhaber die vorgeworfene Rechtsverletzung durch den beklagten Anschlussinhaber nicht beweisen konnten.

Scheidet demnach eine Haftung als Täter aus, kommt gleichwohl die Störer-Haftung in Betracht. Diese ist verschuldensunabhängig, setzt aber die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere Prüfpflichten voraus. Hat der Anschlussinhaber seinen WLAN-Router ordnungsgemäß gesichert, kann ihm nicht zum Vorwurf gemacht werden, dass sich Dritte unbefugt Zugang verschafft und über seinen Anschluss Rechtsverletzungen begangen haben.

Eine Haftung scheidet nach der Entscheidung des BGH vom 15.11.2012 auch aus, wenn das minderjährige Kind des Anschlussinhabers trotz Verbot den elterlichen Anschluss fürs Filesharing missbraucht hat. Eine Prüfpflicht der Eltern hat der BGH ausdrücklich nur für den Fall bejaht, wenn es dazu konkreten Anlass gibt, also das Kind sich z.B. bereits zuvor über ein solches Verbot hinweggesetzt hat.

Verweisen Abgemahnte künftig darauf, nicht sie hätten die Urheberrechtsverletzung begangen, sondern ihr Kind, trotz Verbot, müssen Sie damit rechnen, dass die Rechteinhaber ggf. das Kind in Anspruch nehmen, soweit es altersbedingt bereits haftet. Aus einem entsprechenden Urteil kann dann schließlich 30 Jahre lang vollstreckt werden. Auch wenn eine solche Maßnahme unpopulär sein dürfte: Ausgeschlossen ist sie nicht.

Die Entscheidung des BGH dürfte nicht nur für Eltern minderjähriger Kinder interessant sein. Denn wenn schon Minderjährigen gegenüber grundsätzlich keine Kontrollpflichten bestehen, muss dies für volljährige Kinder erst recht gelten. Verweisen Abgemahnte also auf Ihre Kinder, gehen sie das Risiko ein, dass diese abgemahnt werden.

Fazit:

Die Tücke liegt im Detail und die Verteidigung gegen eine Abmahnung sollte sorgsam bedacht und in die Hände eines erfahrenen Praktikers gelegt werden. Nachteiliger Vortrag lässt sich im Nachhinein nur noch schwer wieder gerade rücken - wenn überhaupt. Deshalb sollten Abgemahnte nicht selbst auf die Abmahnung reagieren, sondern zunächst anwaltlichen Rat einholen. Dieser muss nicht teuer sein.

Haben Sie eine Abmahnung erhalten, stehe ich Ihnen unter 0221 80137193 und außerhalb der Bürozeiten unter der Notfall-Handy-Nr. 0170 3800092 für eine erste Einschätzung und Erläuterung des weiteren Vorgehens zur Verfügung. Abmahnschreiben können Sie mir außerdem jederzeit unter 0221 80137206 per Fax oder per E-Mail an info@rechtsanwalt-schwartmann.de zukommen lassen - ich rufe Sie dann umgehend zurück. Kosten entstehen natürlich erst mit meiner Beauftragung.

Bitte beachten Sie auch meine allgemeinen Hinweise zum richtigen Umgang mit Abmahnungen.