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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 27.07.2023, Az.: BVerwG 8 B 55.22
Rückübertragung eines ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebes
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.07.2023
Referenz: JurionRS 2023, 32396
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 55.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:270723B8B55.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Gera - 12.07.2022 - AZ: 5 K 179/20 Ge

BVerwG, 27.07.2023 - BVerwG 8 B 55.22

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 27. Juli 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Gera vom 12. Juli 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerinnen tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 5 000 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerinnen begehren als Mitglieder einer Erbengemeinschaft die Rückübertragung des ehemaligen landwirtschaftlichen Betriebes des A. O. Nachdem dieser 1954 die DDR verlassen hatte, verkaufte der für ihn bestellte Abwesenheitspfleger die zum Betrieb gehörenden Flurstücke an eine LPG, die im August 1958 als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen wurde. A. O. verstarb 1985. Er wurde von seiner Ehefrau El. O. sowie von A. E. O. und den Klägerinnen zu 2 bis 4 beerbt. A. E. O. verstarb 1992 und wurde von der Klägerin zu 1 beerbt. 1990 meldete El. O. vermögensrechtliche Ansprüche hinsichtlich des verfahrensgegenständlichen landwirtschaftlichen Betriebs an. Das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Antrag mit Bescheid vom 2. Mai 1996 ab. Dieser Bescheid wurde an El. O. und die Klägerinnen zu 1 bis 4 per "Einschreiben/Empfangsbekenntnis" versandt. 2005 verstarb El. O. Sie wurde von den beiden Kindern der Klägerin zu 1 und den Klägerinnen zu 2 bis 4 beerbt. 2019 rügten die Klägerinnen, ihnen sei bisher kein wirksamer Bescheid zugegangen. Daraufhin stellte das Thüringer Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen den Bescheid vom 2. Mai 1996 an die von den Klägerinnen zu 1 bis 4 benannte Verfahrensbevollmächtigte zu. Das Verwaltungsgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Die Klägerin zu 1 sei nicht klagebefugt; die Klage der Klägerinnen zu 2 bis 4 sei verfristet. Die Revision gegen sein Urteil hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen.

2

Die auf den Zulassungsgrund des Vorliegens von Verfahrensmängeln im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

3

1. Das Verwaltungsgericht hat § 88 VwGO nicht verletzt. Nach dieser Vorschrift darf das Gericht über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden. Es hat das Klagebegehren sachgerecht auszulegen und dazu das tatsächliche Klageziel zu ermitteln, wie es sich aus der Klageschrift und der Klagebegründung ergibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 24. Februar 2021 - 8 B 64.20 - juris Rn. 5). Diesen Anforderungen genügt das angefochtene Urteil. Das Verwaltungsgericht hat das Klagebegehren der Klägerin zu 1 ausgehend von dem in der Klagebegründung vom 19. März 2020 angekündigten und in der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2022 ausdrücklich gestellten Antrag dahingehend verstanden, dass die Klägerin zu 1 die Restitution des landwirtschaftlichen Betriebs des A. O. an die Erbengemeinschaft nach ihm verlangt. Die Beschwerde zeigt insoweit keine Auslegungsfehler auf. Insbesondere musste die Vorinstanz nicht wegen bestandskräftiger Teilregelungen im Bescheid vom 2. Mai 1996 und einer sie aussparenden Beschränkung des Klagebegehrens annehmen, die Klägerin zu 1 sei Mitglied der Erbengemeinschaft nach A. O. und gehöre zu den Antragstellern des Restitutionsantrags. Der Bescheid trifft keine Regelung der Rechtsnachfolge, sondern erörtert sie nur in seinen - insoweit nicht entscheidungstragenden - Begründungserwägungen. Auch in seiner Bezeichnung der Antragsteller liegt keine der Bestandskraft fähige Teilregelung. Gegenstand der behördlichen Entscheidung war nur das Restitutionsbegehren, das mangels entschädigungsloser Enteignung abgelehnt wurde. Wegen dieses Verneinens einer Schädigung ist dem Bescheid auch keine Berechtigtenfeststellung zu entnehmen, die in Bestandskraft hätte erwachsen können. Das Verwaltungsgericht war daher nicht gehindert, die Zugehörigkeit der Klägerin zu 1 zu den Rechtsnachfolgern nach A. und El. O. und zu den Antragstellern des Restitutionsbegehrens uneingeschränkt zu prüfen. Die nun geltend gemachte Beschränkung des Klagebegehrens ginge daher ins Leere. Unabhängig davon ist sie dem Klagevorbringen nicht zu entnehmen. Die Klägerinnen haben sich während des erstinstanzlichen Verfahrens zu keinem Zeitpunkt auf den genannten Gesichtspunkt berufen und zwar selbst dann noch nicht, als nach Einreichung des Erbscheines nach El. O. offenbar war, dass die Klägerin zu 1 nicht Teil der Erbengemeinschaft nach El. O. ist.

4

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Aufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO verletzt, ist nicht substantiiert.

5

2. Das angefochtene Urteil ist auch nicht deswegen verfahrensfehlerhaft, weil das Verwaltungsgericht die Klage der Klägerinnen zu 2 bis 4 wegen Verfristung als unzulässig abgewiesen hat. Das Verwaltungsgericht ist davon ausgegangen, dass die Klägerinnen zu 2 bis 4 eine Klagefrist von einem Monat ab Zustellung des Bescheides vom 2. Mai 1996 zu wahren hatten (§ 74 Abs. 1 und 2 VwGO i. V. m. § 33 Abs. 4 Satz 1 VermG). Es hat in Anwendung der irrevisiblen Vorschrift des § 4 ThürVwZVG angenommen, der Bescheid vom 2. Mai 1996 sei den Klägerinnen zu 2 bis 4 am 9. Mai 1996 zugestellt worden. Daran ist der Senat gemäß § 560 ZPO i. V. m. § 173 VwGO gebunden. Die an diese Annahme anknüpfende Berechnung des Fristendes auf den 9. Juni 1996 und die Erwägung, dass die Klägerinnen zu 2 bis 4 danach die Klagefrist versäumt haben, sind ebenfalls nicht zu beanstanden.

6

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2 GKG.

Dr. Held-Daab

Hoock

Dr. Seegmüller

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