Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 13.06.2023, Az.: BVerwG 8 B 31.22
Restitution von zuvor im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG entzogenen Grundstücken
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.06.2023
Referenz: JurionRS 2023, 31446
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 31.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:130623B8B31.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

VG Cottbus - 09.12.2021 - AZ: 1 K 318/15

Rechtsgrundlage:

§ 1 Abs. 6 VermG

BVerwG, 13.06.2023 - BVerwG 8 B 31.22

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Wird die Beschwerde darauf gestützt, die Vorinstanz habe Vorbringen übergangen, muss substantiiert dargelegt werden, welches nach seiner Rechtsauffassung erhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll, welche besonderen Umstände es nahelegen, der Vortrag sei übergangen worden und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt das nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können.

  2. 2.

    Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus dem Vortrag des Klägers dasjenige konkrete Vorbringen herauszusuchen, das die Vorinstanz angeblich nicht zur Kenntnis genommen hat.

  3. 3.

    Mit einem Angriff gegen die rechtliche Würdigung des Gerichts kann ein Gehörsverstoß nicht begründet werden.

  4. 4.

    Eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Darlegung seiner Sachkunde für die Beurteilung einer Tatsache besteht nur ausnahmsweise dann, wenn diese im Einzelfall besonderes Fachwissen voraussetzt.

  5. 5.

    Im Wiederaufnahmeverfahren bezieht sich der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nur auf den Vortrag in diesem Verfahren.

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 13. Juni 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Seegmüller
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag, die unter den Aktenzeichen BVerwG 8 B 31.22, 8 B 32.22, 8 B 33.22 und 8 B 34.22 geführten Verfahren zu verbinden, wird abgelehnt.

Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichts Cottbus vom 9. Dezember 2021 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen, die dieser selbst trägt.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 50 922,30 € festgesetzt.

Gründe

1

Der Rechtsvorgänger des Klägers beantragte die Restitution zahlreicher Grundstücke in Brandenburg. Diese seien seinem Rechtsvorgänger, F., im Sinne des § 1 Abs. 6 VermG entzogen worden. Das Landesamt zur Regelung offener Vermögensfragen lehnte den Antrag mit Bescheid vom 17. Februar 2000 ab. Zur Begründung führte es aus, die begehrten Grundstücke seien F. erst im Rahmen der Bodenreform entzogen worden. Der Rechtsvorgänger des Klägers erhob Klage (VG 1 K 556/00). Er verstarb 2006 und wurde von dem Kläger beerbt. Im November 2009 nahm der Kläger die Klage teilweise zurück. Daraufhin trennte das Verwaltungsgericht den streitig gebliebenen Teil des Verfahrens ab (VG 1 K 902/11). Im Juni 2012 trennte es hiervon das Verfahren hinsichtlich der verfahrensgegenständlichen Grundstücke ab (VG 1 K 621/12) und wies die Klage insoweit mit Urteil vom 23. Mai 2013 ab. Die vom Kläger dagegen erhobene Nichtzulassungsbeschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. Februar 2014 (BVerwG 8 B 64.13) zurück. Am 9. März 2015 hat der Kläger Restitutionsklage erhoben, die er zunächst auf vier Dokumente gegründet hat (notariell beurkundete Erklärung des Bruders des F. vom 19. Februar 1945, Aktenvermerke des Rechtsanwalts und Notars S. vom 2. und 5. März 1945, Schreiben des SS-Sturmbannführers B. vom 3. März 1945). Während des Verfahrens hat er seine Klage zusätzlich auf ein Schreiben der Behörde des "Reichskommissars für die Behandlung feindlichen Vermögens" vom 1. August 1945 sowie auf den Runderlass des "Reichsführers-SS" und Chefs der Deutschen Polizei vom 20. Oktober 1943 über die "Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens" gestützt. Mit Urteil vom 9. Dezember 2021 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die vom Kläger mit der Klageschrift vorgelegten Urkunden seien nicht geeignet ein für ihn günstigeres Ergebnis zur Frage eines Vermögensverlustes im Sinne des § 1 Abs. 6 Satz 1 VermG herbeizuführen. Die später vorgelegten Unterlagen seien schon keine Urkunden. Unabhängig davon besäßen sie keinen entscheidungserheblichen Beweiswert. Die Revision gegen dieses Urteil hat das Verwaltungsgericht nicht zugelassen.

2

Der Senat kann über die Beschwerde entscheiden, ohne zuvor die unter den Aktenzeichen BVerwG 8 B 31.22, 8 B 32.22, 8 B 33.22 und 8 B 34.22 geführten Verfahren zu verbinden. Der diesbezügliche Antrag des Klägers bleibt ohne Erfolg. Der Senat übt das dem Gericht durch § 93 Satz 1 VwGO eingeräumte pflichtgemäße Ermessen dahingehend aus, die genannten Verfahren nicht zu verbinden. Die Verbindung dient der Verfahrensökonomie, wenn hierdurch der Prozess übersichtlicher oder effektiver gestaltet wird (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 1998 - 8 B 2.98 - Buchholz 428 § 37 VermG Nr. 17 S. 20; BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Juli 1996 - 2 BvR 65/95 u. a. - NJW 1997, 649 <650>). Derartige Gründe hat der Kläger weder dargelegt noch sind sie sonst ersichtlich.

3

Der Senat kann auch ohne vorherige mündliche Verhandlung über die Beschwerde entscheiden. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung steht in Verfahren, die - wie hier - nicht mit einem Urteil enden, nach § 101 Abs. 3 VwGO im Ermessen des Gerichts. Eine mündliche Verhandlung ist vorliegend weder aus sachlichen Gründen noch nach Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO oder Art. 6 Abs. 1 EMRK geboten.

4

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit sie die geltend gemachten, als Gehörsverstöße 1 bis 15 bezeichneten Verfahrensmängel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) in der gemäß § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO gebotenen Weise substantiiert, liegen diese Fehler nicht vor.

5

Wird die Verletzung des Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs gerügt, verlangt § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO die substantiierte Darlegung der maßgebenden prozessualen Vorgänge durch den Beschwerdeführer (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Januar 2004 - 1 B 16.04 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 70). Wird geltend gemacht, die Vorinstanz habe die Gewährung rechtlichen Gehörs zu einem Gesichtspunkt verweigert, muss dargelegt werden, zu welchem nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz erheblichen Gesichtspunkt eine Äußerung nicht möglich war, was bei ausreichender Gewährung rechtlichen Gehörs (noch) vorgetragen worden wäre und inwiefern der weitere Vortrag zur Klärung des geltend gemachten Anspruchs geeignet gewesen wäre (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 1991 - 9 B 56.91 - Buchholz 310 § 104 VwGO Nr. 25 S. 12 und vom 26. Juni 2019 - 10 B 19.18 - juris Rn. 7). Wird die Beschwerde darauf gestützt, die Vorinstanz habe Vorbringen übergangen, muss substantiiert dargelegt werden, welches nach seiner Rechtsauffassung erhebliche Vorbringen das Gericht nicht zur Kenntnis genommen oder nicht in Erwägung gezogen haben soll, welche besonderen Umstände es nahelegen, der Vortrag sei übergangen worden und unter welchem denkbaren Gesichtspunkt das nicht zur Kenntnis genommene oder nicht erwogene Vorbringen für die Entscheidung hätte von Bedeutung sein können (vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. August 1979 - 7 B 174.78 - Buchholz 451.55 Subventionsrecht Nr. 58; Bier, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 133 Rn. 41).

6

1. Mit dem unter "Gehörsverstoß 1" zusammengefassten Vortrag legt der Kläger keinen Verstoß gegen seinen Anspruch auf rechtliches Gehör dar.

7

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe die Bedeutung der dem Bruder des Fürsten F. erteilten Generalvollmacht verkannt, ist nicht hinreichend substantiiert. Der Kläger bezeichnet schon keinen eigenen Vortrag, den das Verwaltungsgericht übergangen haben könnte, sondern wendet sich der Sache nach gegen die rechtliche Würdigung der Generalvollmacht durch das Verwaltungsgericht.

8

Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe unterschiedslos alle von ihm vorgetragenen Tatsachen als neu behandelt, fehlt es an der erforderlichen konkreten Darlegung, welche Tatsache er wann im Prozess vorgetragen haben will, weshalb deren Nichtberücksichtigung im Einzelfall rechtlich unzulässig war und unter welchem Gesichtspunkt das jeweilige Vorbringen für die Entscheidung von Bedeutung hätte sein können.

9

Das Vorbringen des Klägers, das Verwaltungsgericht habe historische Tatsachen außer Acht gelassen, bezeichnet den angeblich übergangenen Vortrag nicht hinreichend genau. Insbesondere genügt hierfür nicht die pauschale Bezugnahme auf den Schriftsatz vom 27. August 2021, der einen Umfang von 87 Seiten hat. Es ist nicht Aufgabe des Beschwerdegerichts, aus dem Vortrag des Klägers dasjenige konkrete Vorbringen herauszusuchen, das die Vorinstanz angeblich nicht zur Kenntnis genommen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 25. Januar 2016 - 2 B 34.14 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 3 VwGO Nr. 75 Rn. 60).

10

Auch der Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe "etwa ein Dutzend eindeutiger Sachverständigengutachten außer Acht" gelassen, ist nicht hinreichend substantiiert. Der Kläger zeigt nicht auf, an welcher Stelle er sich im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auf welches Sachverständigengutachten berufen haben will.

11

Soweit der Kläger ein Eingehen des Verwaltungsgerichts auf den Umstand vermisst, dass Heinrich Himmler nach dem Willen Adolf Hitlers zum "größten Unternehmer" des Reiches habe werden sollen, bezeichnet er zwar Vortrag, den das Verwaltungsgericht nicht berücksichtigt haben soll, hinreichend konkret. Er zeigt aber weder auf, aufgrund welcher Umstände er davon ausgeht, dass das Verwaltungsgericht diesen Vortrag nicht berücksichtigt haben könnte, noch unter welchem denkbaren Gesichtspunkt dieser Umstand nach der insoweit maßgeblichen Rechtsansicht des Verwaltungsgerichts für die Entscheidung von Bedeutung hätte sein können.

12

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe "die Monierung des Klägers zur fehlenden Sachkunde" nur verharmlosend im Tatbestand erwähnt, in den Urteilsgründen aber nicht beschieden, ist zwar ebenfalls mit hinreichend konkreten Hinweisen auf den diesbezüglichen Vortrag des Klägers gestützt. Sie zeigt aber nicht in der gebotenen Deutlichkeit auf, weshalb es nahe liegt, dass das Verwaltungsgericht diesen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen haben könnte. Insoweit verkennt der Kläger, dass eine Verpflichtung des Verwaltungsgerichts zur Darlegung seiner Sachkunde für die Beurteilung einer Tatsache nur ausnahmsweise dann besteht, wenn dies im Einzelfall besonderes Fachwissen voraussetzt (vgl. Dawin/Panzer, in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand August 2022, § 86 Rn. 26). Eine für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts relevante Tatsache, deren Bewertung durch das Verwaltungsgericht aus Sicht des Klägers besonderes Fachwissen voraussetzt, zeigt die Beschwerde aber nicht konkret auf.

13

Soweit der Vortrag zum angeblichen ersten Gehörsverstoß die Beweiswürdigung betrifft, legt er keinen als Verfahrensfehler einzuordnenden Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz dar.

14

2. Die Ausführungen im Abschnitt "Gehörsverstoß 2", die im Wesentlichen geltend machen, das Verwaltungsgericht habe den Regelungsgehalt der Wiederaufnahmevorschriften verkannt, bezeichnen ebenfalls keine Verletzung rechtlichen Gehörs. Soweit der Kläger rügt, das Verwaltungsgericht habe aus der notariell beurkundeten Erklärung des Bruders des F. vom 19. Februar 1945, dem Schreiben des SS-Sturmbannführers B. vom 3. März 1945 und dem Runderlass des "Reichsführers-SS" und Chefs der Deutschen Polizei vom 20. Oktober 1943 über die "Verwaltung und Verwertung beschlagnahmten Vermögens" nicht bereits gefolgert, dass die Restitutionsklage Erfolg habe, und Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Verpflichtung der Beklagten vermisst, das Verfahren wegen einer vom Kläger angenommenen Unterdrückung der Akte Nr. 70436 des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg in Berlin wiederaufzunehmen, benennt er weder Umstände, zu denen er sich nicht habe äußern können, noch zeigt er eigenen Vortrag auf, den das Verwaltungsgericht übergangen haben soll. Vielmehr richtet sich das Vorbringen gegen die materiell-rechtliche Rechtsanwendung der Vorinstanz, die nicht Gegenstand einer Verfahrensrüge sein kann.

15

Soweit der Kläger darüber hinausgehend rügt, das Verwaltungsgericht habe rechtsfehlerhaft Tatsachen in den Blick genommen, die es erst nach einer Wiederaufnahme hätte in den Blick nehmen dürfen, und ihm zu diesen Tatsachen keine Stellungnahme ermöglicht, benennt er diese Tatsachen schon nicht hinreichend konkret und führt auch nicht aus, wie er dazu Stellung genommen hätte und inwieweit dieses Vorbringen entscheidungserheblich gewesen wäre.

16

Schließlich genügt auch der Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe seine Einwände gegen eine restriktive Anwendung der Wiederaufnahmevorschriften übergangen, den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht. Dabei kann offen bleiben, ob zur Bezeichnung des angeblich unberücksichtigten Vortrags der Hinweis genügt, dieser finde sich "überwiegend" und "unter anderem" auf verstreuten Seitenzahlen eines bestimmten Schriftsatzes. Jedenfalls fehlt die erforderliche substantiierte Darlegung, dass der angeblich übergangene Vortrag zu dem aus der Sicht der Vorinstanz entscheidungserheblichen Kern des Klägervorbringens gehörte und deshalb ausdrücklich hätte beschieden werden müssen.

17

3. Die als "Gehörsverstoß 3" bezeichnete Rüge, mit der der Kläger die Nichtberücksichtigung seines Vortrags zur Vernichtung der Grundbuchblätter für den verfahrensgegenständlichen Grundbesitz beanstandet, ist ebenfalls unzulässig. Der Kläger legt nicht dar, inwieweit sein Vorbringen zur Vernichtung der Grundbuchblätter, der Tinten auf den Grundbuchblättern und der Untersuchung hierzu auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts entscheidungserheblich wäre.

18

4. Auch der unter der Überschrift "Gehörsverstoß 4" erhobene Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe den rechtlich relevanten Bezugspunkt für die Beurteilung der Gesamtwirkung aller Tatsachen und gegen F. gerichteten Maßnahmen verkannt, genügt den Darlegungsanforderungen an eine Gehörsrüge nicht. Der Kläger benennt weder einen Umstand, zu dem er sich nicht habe äußern können, noch bezeichnet er Vortrag, den das Verwaltungsgericht übergangen haben soll. Gerügt wird lediglich eine fehlerhafte Anwendung des einschlägigen materiellen Rechts durch das Verwaltungsgericht.

19

5. Als "Gehörsverstoß 5" beanstandet der Kläger, das Verwaltungsgericht habe die Überschrift auf dem Aktendeckel der Domänen-Registratur fehlerhaft als "Verwaltung der Grundbücher" und nicht, wie es richtig gewesen wäre, als "Verwaltung des Grundbesitzes" entziffert. Damit werden Einwände gegen die Beweiswürdigung erhoben, die ihrerseits nicht den Anforderungen an die Substantiierung eines Verstoßes gegen den Überzeugungsgrundsatz genügen. Eine Verletzung des Rechts auf rechtliches Gehör ist auch nicht mit dem Vorwurf bezeichnet, bei Berücksichtigung des Vortrags zur Domänenregistratur hätte das Verwaltungsgericht zugunsten des Klägers entscheiden müssen. Die Kritik an der materiell-rechtlichen Rechtsanwendung ist nicht geeignet, ein Übergehen klägerischen Vorbringens darzutun. Sie zeigt auf, dass das Verwaltungsgericht ihm nicht gefolgt ist, ohne Umstände zu bezeichnen, die darauf schließen lassen, dass es bestimmte Argumente nicht zur Kenntnis genommen oder nicht erwogen hätte.

20

6. Unter der Überschrift "Gehörsverstoß 6" wirft der Kläger dem Verwaltungsgericht vor, es habe seinen tatsächlichen und wesentlichen Vortrag ausgeblendet, die zur Freilassung aus der Inhaftierung erpressten Erklärungen des F. stellten ein diesen ausschaltendes Rechtsgeschäft dar, das die Vermutungswirkung der Vermögensentziehung auslöse. Auch damit ist ein Gehörsverstoß nicht prozessordnungsgemäß dargelegt. Aus der weiteren Begründung dieser Rüge auf Seite 44 der Beschwerdebegründung ergibt sich nämlich, dass der Kläger dem Verwaltungsgericht nicht vorwirft, es habe seinen Vortrag nicht zur Kenntnis genommen und erwogen. Vielmehr beanstandet er, das Verwaltungsgericht sei ihm hinsichtlich der Interpretation der genannten Erklärungen nicht gefolgt.

21

7. Als "Gehörsverstoß 7" beanstandet der Kläger, die Ausführungen des Verwaltungsgerichts gingen am Kern seines Vortrags vorbei. Er versäumt jedoch, das angeblich übergangene Vorbringen zu bezeichnen, sondern kritisiert lediglich, dass das Verwaltungsgericht den Beweismitteln keine Treuhandstellung des Bruders von F. entnommen habe.

22

Auch der Vortrag des Klägers, das Verwaltungsgericht habe Inhalt und Bedeutung der als "Betreuer eingesetzten NS-Staatsforstmeister K. und des SA-Offiziers R." nicht beachtet, obwohl er hierzu in seinem Schriftsatz vom 27. August 2021 vorgetragen habe, wendet sich der Sache nach gegen die vorinstanzliche Beweiswürdigung. Zudem legt der Kläger nicht hinreichend dar, inwieweit der von ihm nur ansatzweise bezeichnete Vortrag nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz für das angegriffene Urteil erheblich war.

23

8. Auf der als "Gehörsverstoß 8" gerügten Ansicht des Verwaltungsgerichts, das Befehlsblatt des Chefs der Sicherheitspolizei und des SD vom 17. November 1943 mit dem darin abgedruckten Runderlass vom 20. Oktober 1943 sei keine Urkunde im Sinne von § 153 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO, und auf einem etwaigen Nichtberücksichtigen von Einwänden dagegen kann das angegriffene Urteil nicht beruhen. Es wird selbständig tragend auf die Erwägung gestützt, dass den Dokumenten nicht der vom Kläger angenommene Beweiswert zukomme. Dagegen werden keine wirksamen Verfahrensrügen erhoben.

24

Der weitere Vorwurf des Klägers, das Verwaltungsgericht habe entgegen seinem Vortrag und ohne darauf in der gebotenen Weise einzugehen die faktische oder tatsächliche Beschlagnahmewirkung des Handelns gegenüber F. und deren Entziehungswirkung verneint, benennt keine Umstände, zu denen der Kläger sich nicht hätte äußern können und bezeichnet keinen Vortrag, den das Verwaltungsgericht übergangen hätte, obwohl er nach seiner Rechtsauffassung - und nicht nur nach der des Klägers - entscheidungserheblich war. Dieser rügt der Sache nach nur, dass das Verwaltungsgericht seinen Argumenten nicht gefolgt ist.

25

9. Mit dem unter der Überschrift "Gehörsverstoß 9" zusammengefassten Vorbringen zur verwaltungsgerichtlichen Würdigung der Unterlage aus dem Britischen Nationalarchiv vom 1. August 1945 wird ebenfalls keine Gehörsverletzung dargetan. Der Kläger rügt insoweit lediglich, die Argumentation des Verwaltungsgerichts sei unvertretbar. Hinsichtlich der Frage, ob aus der von ihm referierten Rechtswirklichkeit auf eine Beschlagnahme der Vermögenswerte des F. geschlossen werden müsse, räumt der Kläger selbst ein, dass es aus der Sicht des Verwaltungsgerichts nicht auf die abstrakte Rechtswirklichkeit, sondern auf die Ereignisse im konkreten Fall ankam.

26

10. Die Ausführungen zum "Gehörsverstoß 10", mit denen der Kläger beanstandet, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag zum Scheitern der Enteignung des F. im Rahmen der Bodenreform übergangen, genügen den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ebenfalls nicht. Sie legen nicht dar, dass dieses Vorbringen nach der materiell-rechtlichen Rechtsauffassung der Vorinstanz, die allein auf die Voraussetzungen des § 1 Abs. 6 VermG abstellt, für die Entscheidung erheblich waren.

27

11. Die Rüge des Klägers, das Verwaltungsgericht habe seinen Vortrag zur Ausschaltung durch Einsatz von Vertretern, den er schon vor dem Urteil von 2013 angebracht habe, und seinen Vortrag zum Vorliegen von Interessengegensätzen zwischen F. und seinem Bruder nicht gehört ("Gehörsverstoß 11"), ist unzulässig. Es fehlt schon an einer hinreichend konkreten Darlegung, an welcher Stelle des Verfahrens der Kläger welchen Vortrag zu den von ihm genannten Themen angebracht haben will.

28

12. Gleiches gilt für die Rüge des "Gehörsverstoßes 12". Mit dem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe übersehen, dass der Ort Krüden am 5. März 1945 bereits von alliierten Truppen besetzt gewesen sei, dass eine Vermögensentziehung nicht stets das gesamte Vermögen des Betroffenen umfassen müsse und dass das Deutsche Reich und die SS sowie deren Interessen nicht gleichgesetzt werden dürften, legt der Kläger nicht dar, dass dieser Vortrag aus der Sicht des Verwaltungsgerichts erheblich und dennoch von ihm übergangen worden wäre.

29

13. Das trifft auch auf den Vorwurf zu, das Verwaltungsgericht habe den umfangreichen Vortrag zum eindeutigen Aktenzeichen "Lie" nicht wahrgenommen, oder habe es unterlassen, die Akte Nr. 70436 des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg in Berlin zu vervollständigen ("Gehörsverstoß 13").

30

14. Die unter "Gehörsverstoß 14" zusammengefassten Einwände gegen die verwaltungsgerichtliche Gesamtbetrachtung der neuen Beweislage genügt ebenfalls nicht den Substantiierungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO. Sie erschöpfen sich in einer Kritik der materiell-rechtlichen Sachverhalts- und Beweiswürdigung.

31

Die Rüge, das Verwaltungsgericht habe in die Gesamtbetrachtung nicht alle Umstände aus dem Urteil vom 23. Mai 2013 einbezogen, verkennt, dass der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs sich im Wiederaufnahmeverfahren nur auf den Vortrag in diesem Verfahren bezieht. Der Kläger führt nicht aus, welche Umstände er dort erneut vorgetragen haben will und welche davon nicht in die Gesamtbetrachtung einbezogen worden sein sollen, obwohl sie nach der Rechtsauffassung der Vorinstanz entscheidungserheblich waren.

32

15. Schließlich genügt auch der unter der Überschrift "Gehörsverstoß 15" zusammengefasste Vortrag nicht den Anforderungen an eine Darlegung der Verletzung rechtlichen Gehörs. Zu den Rügen wegen der geltend gemachten Vernichtung von Grundbuchblättern, wegen der Auslegung der §§ 580 ff. ZPO und wegen der Akte Nr. 70436 des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg kann auf die Ausführungen oben unter 3., 8. und 13. verwiesen werden; hinsichtlich dieser Akte fehlt auch jede Darlegung konkreten Vorbringens, das vom Verwaltungsgericht übergangen worden wäre, obwohl es nach seiner materiell-rechtlichen Rechtsauffassung entscheidungserheblich gewesen wäre. Den Substantiierungsanforderungen an eine Aufklärungsrüge (§ 86 Abs. 1 und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt der Vortrag ebenfalls nicht.

33

Mit dem Vorwurf, das Verwaltungsgericht habe die Hinweise auf diese Akte und andere Dokumente im Vorprozess bereits als Wiederaufnahmeantrag verstehen müssen, rügt der Kläger einen angeblichen dortigen Verfahrensverstoß und keinen Mangel des nun anhängigen Verfahrens.

34

Hinsichtlich der vom Kläger angeführten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) fehlt es an jeglicher Darlegung, sodass eine darauf gestützte Zulassung der Revision nicht in Betracht kommt.

35

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 162 Abs. 3 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 1, Abs. 3, § 52 Abs. 1 GKG.

Dr. Held-Daab

Hoock

Dr. Seegmüller

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.