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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 06.06.2023, Az.: BVerwG 8 B 48.22
Anfechtungsklage gegen einen Bescheid der Industrie- und Handelskammer betreffend den Grundbeitrag
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 06.06.2023
Referenz: JurionRS 2023, 26442
Aktenzeichen: BVerwG 8 B 48.22
ECLI: ECLI:DE:BVerwG:2023:060623B8B48.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

VGH Baden-Württemberg - 20.06.2022 - AZ: 6 S 3380/19

BVerwG, 06.06.2023 - BVerwG 8 B 48.22

In der Verwaltungsstreitsache
hat der 8. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 6. Juni 2023
durch die Vorsitzende Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Held-Daab,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Hoock und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Meister
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 20. Juni 2022 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 220 € festgesetzt.

Gründe

1

Die Klägerin wendet sich gegen einen Bescheid der beklagten Industrie- und Handelskammer, soweit dieser den Grundbeitrag für das Jahr 2013 betrifft. Das Verwaltungsgericht hat die Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Die Anfechtungsklage sei unzulässig, da es an einem belastenden Verwaltungsakt fehle. Dem Bescheid vom 12. Februar 2016 komme keine Regelungswirkung zu, soweit darin der von der Klägerin beanstandete Grundbeitrag in Höhe von 220 € für das Jahr 2013 aufgeführt sei. Dabei handele es sich lediglich um eine nachrichtliche Mitteilung eines bereits mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Februar 2013 festgesetzten Jahresbeitrags oder allenfalls eine wiederholende Verfügung. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen.

2

Die Beschwerde, die sich auf sämtliche Zulassungsgründe beruft, hat keinen Erfolg.

3

1. Der Rechtssache kommt keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Die Grundsatzrüge setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die Revisionsentscheidung erheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus, der eine allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (stRspr, vgl. nur Beschluss vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n. F.> VwGO Nr. 26 S. 14). Diese Voraussetzungen legt die Klägerin nicht dar.

4

Die von der Klägerin aufgeworfenen Fragen:

"Ist die Beklagte verpflichtet, nach erfolgter vorläufiger Veranlagung im Wege eines Vorauszahlungsbescheides unter Berücksichtigung der tatsächlichen Bemessungsgrundlage abschließend den Jahresbeitrag festzusetzen, aus dem sich dann die Beitragsforderung ergeben kann?"

"Handelt es sich bei der Beitragsveranlagung mit Bescheid vom 15. Februar 2013 uneingeschränkt [...] um eine vorläufige Veranlagung für das Jahr 2013?"

"Handelt es sich bei dem Bescheid vom 15. Februar 2013 hinsichtlich der vorläufigen Veranlagung für das Jahr 2013 um einen Vorauszahlungsbescheid?"

"Muss einem Vorauszahlungsbescheid - hier gemäß § 16 BO - immer eine endgültige Verfügung folgen, die diesen Vorauszahlungsbescheid ersetzt?"

"Kann ein Beitragsbescheid, der nach den Satzungsbestimmungen eine vorläufige Veranlagung im Wege eines Vorauszahlungsbescheides vornimmt, in Teilen kein Teil eines Vorauszahlungsbescheids sein?"

"Soweit die [vorgenannte Frage] bejaht wird: kann ein Beitragsbescheid, der nach den Satzungsbestimmungen eine vorläufige Veranlagung im Wege eines Vorauszahlungsbescheides vornimmt und in Teilen endgültig sein könnte, tatsächlich endgültig sein, wenn weder in den Satzungsbestimmungen noch auf dem Bescheid selbst entsprechende Hinweise zu einer solchen Möglichkeit zu finden sind?"

"Ist es rechtlich zulässig, dass sich eine - zumindest anteilige - Endgültigkeit in einer entsprechend der Satzungsbestimmungen im Wege eines Vorauszahlungsbescheids vorgenommenen vorläufigen Veranlagung mangels entsprechender rechtlicher Bestimmungen nur aus der individuellen Beitragshöhe ergibt? Anders gefragt: kann der gleiche Bescheid für ein IHK-Mitglied in der niedrigsten Grundbeitragsstaffel endgültig sein, während er für ein Mitglied in einer höheren Beitragsstaffel nicht endgültig ist? Oder nochmals anders gefragt: Kann es zulässig sein, dass die Frage, ob der Vorauszahlungsbescheid in Teilen endgültig ist, davon abhängen, ob bei dem jeweiligen IHK-Mitglied der vorläufig veranlagte Beitrag in Teilen variabel ist?"

"Führt die Bezugnahme auf aus Vorjahren bekannte Gewerbeerträge bei einer vorläufigen Veranlagung im Wege eines Vorauszahlungsbescheides gemäß § 15 Abs. 3 BO der Beklagten dazu, dass es sich bei daraus folgenden Festsetzungen nicht mehr um solche auf der Grundlage einer Schätzung handelt?"

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Sie wären in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig, weil sie von einem Sachverhalt ausgehen, den das Berufungsgericht nicht festgestellt hat. Es hat im Gegensatz zur Klägerin angenommen, dass die Festsetzung des Grundbeitrags für das Beitragsjahr 2013 mit bestandskräftigem Bescheid vom 15. Februar 2013 nicht der Vorläufigkeit unterlag und es sich auch nicht um eine Vorauszahlung handelte. Die Vorläufigkeit dieses Bescheids habe sich nur auf die variablen Berechnungsparameter bezogen, deren Höhe im Zeitpunkt des Erlasses des Bescheids noch nicht festgestanden habe. Dies betreffe die regelmäßig erst Jahre später feststehende Höhe des Gewerbeertrags. Die Variabilität aufgrund des noch nicht feststehenden Gewerbeertrags habe hinsichtlich des Grundbeitrags nur dahingehend bestanden, dass ein höherer, nicht aber ein niedrigerer Grundbeitrag zu entrichten gewesen wäre. Für eine erneute Festsetzung des Mindestgrundbeitrags durch den angegriffenen Bescheid vom 12. Februar 2016 habe ersichtlich keine Veranlassung bestanden (vgl. UA S. 14).

5

Fragen der Auslegung und Anwendung des Satzungsrechts der Beklagten können keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache begründen, weil dieses Satzungsrecht zum nicht revisiblen Landesrecht gehört.

6

Die weitere Frage:

"Kann die Vorläufigkeit der Veranlagung zwischen Grundbeitrag und Umlage unterschiedlich betrachtet werden?"

war für das angegriffene Urteil nicht erheblich, weil das Berufungsgericht nicht von einer vorläufigen Veranlagung des Grundbeitrags ausgegangen ist.

7

Auch die weiteren Fragen:

"Treffen die Formulierungen/Bestimmungen in der Rechtsbehelfsbelehrung oder den Begleitschreiben, gegen bereits veranlagte und unanfechtbar gewordene Beiträge sei der Rechtsbehelf nicht erneut gegeben, überhaupt auf den vorliegenden Fall zu, weil es sich tatsächlich hier um einen Rechtsbehelf gegen einen Bescheid handelt, der den vorhergegangenen (unanfechtbaren) vollständig ersetzt hat?"

"Soweit die [vorgenannte Frage] bejaht wird: Können Formulierungen/Bestimmungen in der Rechtsbehelfsbelehrung oder den Begleitschreiben an die Stelle von Satzungsbestimmungen treten bzw. vorliegende Satzungsbestimmungen wirksam überlagern?"

führen nicht zur Zulassung der Revision. Sie beziehen sich auf die Rechtsanwendung im Einzelfall der Klägerin, ohne einen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf von grundsätzlicher Bedeutung aufzuzeigen. Zudem wären sie in dem angestrebten Revisionsverfahren nicht klärungsfähig. Sie legen einen Sachverhalt zugrunde, den das Berufungsgericht nicht festgestellt hat. Es ist im Gegensatz zur Klägerin nicht davon ausgegangen, dass der Bescheid vom 12. Februar 2016 den bestandskräftigen Bescheid vom 15. Februar 2013 in Bezug auf das Beitragsjahr 2013 vollständig ersetzt hat (UA S. 15).

8

2. Die Klägerin legt keine Divergenz des angegriffenen Urteils zu den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. März 1971 - 7 C 44.68 - (BVerwGE 37, 293) oder vom 19. Dezember 1997 - 8 B 244.97 - (Buchholz 310 § 42 VwGO Nr. 251) dar. Der Zulassungsgrund der Divergenz ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO genannten Gerichte aufgestellten ebensolchen abstrakten Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. nur BVerwG, Beschluss vom 27. Juli 2022 - 8 B 22.22 - Buchholz 310 § 12 VwGO Nr. 4 Rn. 5). Diese Anforderungen sind nicht erfüllt. Die von der Klägerin angeführten vermeintlichen Divergenzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts betreffen nicht die Auslegung und Anwendung einer im angegriffenen Urteil herangezogenen Rechtsvorschrift.

9

3. Die Revision ist nicht wegen eines Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

10

a) Die Klägerin legt einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen die gerichtliche Aufklärungspflicht des § 86 Abs. 1 VwGO nicht in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise dar. Wird die Verletzung des § 86 Abs. 1 VwGO geltend gemacht, muss der Rechtsmittelführer substantiiert darlegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei der Durchführung der vermissten Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern das unterstellte Ergebnis zu einer ihm günstigeren Entscheidung hätte führen können. Weiterhin muss er aufzeigen, dass er im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben er nunmehr beanstandet, hingewirkt hat oder dass sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von sich aus hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 17. Oktober 2019 - 4 CN 8.18 - BVerwGE 166, 378 Rn. 29). Das leistet die Beschwerde nicht. Ihre Ausführungen erschöpfen sich in der Kritik an der materiellen Rechtsauffassung des angegriffenen Urteils, ohne einen Verfahrensmangel aufzeigen. Sie benennt weder, welche tatsächlichen Umstände der Aufklärung bedurft hätten, noch welche Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären.

11

b) Der behauptete Verstoß gegen § 138 Nr. 6 VwGO liegt nicht vor. Die Klägerin macht geltend, das angegriffene Urteil verletze § 138 Nr. 6 VwGO, weil es auf den von ihr vorgetragenen "zentralen Gesichtspunkt des Charakters des Bescheides vom 15. Februar 2013 als Vorauszahlungsbescheid für das Jahr 2013" nicht eingegangen sei. Nach § 138 Nr. 6 VwGO liegt ein absoluter Revisionsgrund - und damit zugleich ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO - vor, wenn die Entscheidung nicht mit Gründen versehen ist. Das ist nicht nur dann der Fall, wenn dem Tenor der Entscheidung überhaupt keine Gründe beigegeben sind, sondern auch dann, wenn die Begründung völlig unverständlich und verworren ist, so dass sie in Wirklichkeit nicht erkennen lässt, welche Überlegungen für die Entscheidung maßgebend gewesen sind. § 138 Nr. 6 VwGO ist verletzt, wenn die Entscheidungsgründe rational nicht nachvollziehbar, sachlich inhaltslos oder aus sonstigen Gründen derart unbrauchbar sind, dass die angeführten Gründe unter keinem denkbaren Gesichtspunkt geeignet sind, den Urteilstenor zu tragen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 15. Juli 2010 - 8 B 94.09 - juris Rn. 13 m. w. N.). Ein solcher Fall liegt hier nicht vor.

12

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung nachvollziehbar und schlüssig begründet. Mit der Frage, ob es sich bei dem Bescheid vom 15. Februar 2013 um einen Vorauszahlungsbescheid handelt, hat es sich ausführlich befasst, ohne der rechtlichen Bewertung der Klägerin zu folgen. Deren Vorbringen richtet sich der Sache nach gegen die von ihr nicht geteilte Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, zeigt aber einen Begründungsmangel des Berufungsurteils nicht auf.

13

Sollte die Klägerin mit dem Vorbringen, das Berufungsgericht sei auf den von ihr für zentral gehaltenen Gesichtspunkt des Charakters des Bescheides vom 15. Februar 2013 als Vorauszahlungsbescheid nicht eingegangen, sinngemäß eine Verletzung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO) rügen wollen, läge eine solche nicht vor, weil sich das Berufungsgericht mit diesem Aspekt ausführlich befasst hat.

14

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO). Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Dr. Held-Daab

Hoock

Dr. Meister

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