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Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 19.10.2010, Az.: BVerwG 1 WB 7.10
Verweisung wegen fehlender Rechtswegzuständigkeit durch Beschluss; Truppendienstliche Angelegenheiten und Zuständigkeit der Wehrdienstgerichte; Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte bei Schadensersatzansprüchen aus (früheren) Wehrdienstverhältnissen
Gericht: BVerwG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 19.10.2010
Referenz: JurionRS 2010, 26425
Aktenzeichen: BVerwG 1 WB 7.10
ECLI: [keine Angabe]

BVerwG, 19.10.2010 - BVerwG 1 WB 7.10

Redaktioneller Leitsatz:

Für den Schadensersatzanspruch eines ehemaligen Soldaten aus seinem früheren Wehrdienstverhältnis wegen einer erlittenen Benachteiligung bei Entscheidungen über förderliche Verwendungen und Beförderungen ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet.

In dem Wehrbeschwerdeverfahren
...
hat der 1. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Golze,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Frentz und
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Langer
am 19. Oktober 2010
beschlossen:

Tenor:

Der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten ist unzulässig.

Der Rechtsstreit wird an das Verwaltungsgericht A. verwiesen.

Gründe

I

1

Der Rechtsstreit betrifft Fragen der sog. Laufbahnnachzeichnung für einen Soldaten, der als Personalratsmitglied vom Dienst freigestellt war.

2

Der 1951 geborene Antragsteller war Berufssoldat; seine Dienstzeit endete mit Ablauf des 28. Februar 20.... Zuletzt war er am 13. Oktober 1992 zum Oberstleutnant befördert und mit Wirkung vom 9. Oktober 1995 in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 15 eingewiesen worden. Seit dem 15. Mai 20... wurde er als freigestelltes Mitglied des Bezirkspersonalrats des Streitkräfteamts auf einer Planstelle des z.b.V.-Etats geführt.

3

Mit Schreiben vom 7. März 2007 beantragte der Antragsteller eine "Laufbahnnachzeichnung nach § 46 Abs. 3 Satz 6 BPersVG". Er bat insbesondere mitzuteilen, warum die in seinen Beurteilungen vorhandenen Verwendungsvorschläge in die A 16-Ebene nicht zu einer weiteren Förderung geführt hätten.

4

Mit Bescheid vom 4. Mai 2009, ausgehändigt am 4. Juni 2009, teilte das Personalamt der Bundeswehr dem Antragsteller mit, dass es dessen Antrag dahin ausgelegt habe, dass er seine Versetzung (fiktiv) auf einen nach Besoldungsgruppe A 16 dotierten Dienstposten begehre; dieser Antrag werde abgelehnt. Für den Antragsteller sei rückwirkend eine Vergleichsgruppe erstellt worden, in die diejenigen Offiziere eingestellt worden seien, die wie der Antragsteller im Jahre 1995 auf einen A 15-Dienstposten versetzt worden seien, der Ausbildungs- und Verwendungsreihe 23911 "Personal, Innere Führung, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit" angehörten und eine Verwendung als Bataillonskommandeur durchlaufen hätten. Im Vergleich habe sich für den Antragsteller der Rangplatz 6 unter acht Offizieren ergeben. Von diesen Offizieren seien erst zwei, die beide vor dem Antragsteller platziert seien, auf einen Dienstposten der A 16-Ebene versetzt worden. Der Antragsteller stehe deshalb für eine fiktive Förderung nicht an.

5

Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 7. August 2009 Beschwerde ein. Mit Bescheid vom 7. Dezember 2009 wies der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - die Beschwerde als unzulässig, weil verspätet eingelegt, zurück. Im dienstaufsichtlichen Teil des Bescheids wurde ausgeführt, dass die Ablehnung des Antrags auch in der Sache nicht zu beanstanden sei.

6

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 11. Januar 2010 beantragte der Antragsteller daraufhin die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte den Antrag mit seiner Stellungnahme vom 12. Januar 2010 dem Senat vor.

7

Der Antragsteller beantragte ursprünglich, das Personalamt der Bundeswehr unter Aufhebung der Entscheidung vom 4. Mai 2009 in der Fassung der Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 7. Dezember 2009 zu verpflichten, seinem, des Antragstellers, Antrag vom 7. März 2007 auf Laufbahnnachzeichnung zu entsprechen, hilfsweise festzustellen, dass der von ihm gegen die Entscheidung des Personalamts der Bundeswehr vom 4. Mai 2009 am 7. August 2009 eingelegte Rechtsbehelf nicht wegen Versäumung einer Rechtsbehelfsfrist unzulässig war. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - legte diesen Antrag dahingehend aus, dass der Antragsteller seine fiktive Versetzung auf einen nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten begehre. Das Gericht hat den Antragsteller mit Schreiben vom 24. August 2010 auf Bedenken gegen die Zulässigkeit eines so zu verstehenden Antrags hingewiesen und mit Schreiben vom 22. September 2010 um eine Klarstellung der Sachanträge gebeten.

8

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 5. Oktober 2010 beantragte der Antragsteller daraufhin,

das Personalamt der Bundeswehr unter Aufhebung seiner Entscheidung vom 4. Mai 2009 in der Fassung der Beschwerdeentscheidung des Bundesministers der Verteidigung vom 7. Dezember 2009 zu verpflichten, ihn, den Antragsteller, so zu stellen, als sei er zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf einen Dienstposten A 16 versetzt worden.

9

Der Hilfsantrag werde aufrechterhalten.

10

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010 hat das Gericht die Beteiligten darüber unterrichtet, dass der zuletzt gestellte Hauptantrag einen Schadensersatzanspruch wegen Verletzung der Fürsorgepflicht betreffen dürfte, für dessen Geltendmachung nicht der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten, sondern der zu den Verwaltungsgerichten eröffnet sei, und den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme zu einer möglichen Verweisung des Rechtsstreits an das Verwaltungsgericht A. gegeben. Der Antragsteller (Schriftsatz vom 13. Oktober 2010) und der Bundeswehrdisziplinaranwalt (Schreiben vom 7. Oktober 2010) haben sich für eine Verweisung an das Verwaltungsgericht A. ausgesprochen. Der Bundesminister der Verteidigung - PSZ I 7 - bat mit Schreiben vom 7. Oktober 2010, das Verfahren nicht zu verweisen, sondern im Wege der Fortsetzungsfeststellung zu klären, ob das ursprüngliche Begehren des Antragstellers, auf einen nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten versetzt zu werden, rechtmäßig abgelehnt worden sei.

11

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen. Die Beschwerdeakte des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 - Az.: ... - und die Personalgrundakte des Antragstellers, Hauptteile A bis D, haben dem Senat bei der Beratung vorgelegen.

II

12

Für den Antrag auf gerichtliche Entscheidung, der einen Schadensersatzanspruch aus dem früheren Wehrdienstverhältnis des Antragstellers zum Gegenstand hat, ist der Rechtsweg nicht zu den Wehrdienstgerichten, sondern zu den allgemeinen Verwaltungsgerichten eröffnet. Die Sache ist deshalb an das zuständige Verwaltungsgericht A. zu verweisen. Über die Verweisung entscheidet der Senat in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter (vgl. Beschluss vom 17. März 2009 - BVerwG 1 WB 77.08 - Buchholz 449 § 82 SG Nr. 4 = NVwZ-RR 2009, 541).

13

1.

Die Beendigung des Dienstverhältnisses des Antragstellers steht der Fortführung des Wehrbeschwerdeverfahrens nicht entgegen (§ 15 WBO). Für die Beurteilung des Rechtsschutzbegehrens ist der zuletzt gestellte, im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts vorliegende Sachantrag, hier also derjenige aus dem Schriftsatz vom 5. Oktober 2010, maßgeblich (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Aufl. 2009, § 82 Rn. 10 a.E.). Eine Entscheidung über das ursprüngliche Verpflichtungsbegehren oder - nach dessen Erledigung - einen entsprechenden Fortsetzungsfeststellungsantrag ist deshalb, entgegen dem Wunsch des Bundesministers der Verteidigung - PSZ I 7 -, nicht möglich.

14

2.

Gemäß § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO ist der Verwaltungsrechtsweg in allen öffentlich-rechtlichen Streitigkeiten nichtverfassungsrechtlicher Art gegeben, soweit die Streitigkeit nicht durch Bundesgesetz einem anderen Gericht ausdrücklich zugewiesen ist. Der Verwaltungsrechtsweg ist nach § 82 Abs. 1 SG auch für Klagen der Soldaten aus dem Wehrdienstverhältnis eröffnet, soweit nicht ein anderer Rechtsweg gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 WBOfür die Fälle vorgesehen, in denen Gegenstand der Beschwerde des Soldaten eine Verletzung seiner Rechte oder eine Verletzung von Pflichten eines Vorgesetzten ihm gegenüber ist, die im Zweiten Unterabschnitt des Ersten Abschnitts des Soldatengesetzes mit Ausnahme der §§ 24, 25, 30 und 31 geregelt sind. Die Wehrdienstgerichte haben hiernach über die Verletzung solcher Rechte und Pflichten zu entscheiden, die auf dem Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung beruhen, also in truppendienstlichen Angelegenheiten (stRspr, vgl. Beschluss vom 6. April 2005 - BVerwG 1 WB 61.04 - m.w.N. <insoweit nicht veröffentlicht in NZWehrr 2005, 212>). Für die Bestimmung, ob es sich um eine truppendienstliche Angelegenheit oder um eine Verwaltungsangelegenheit handelt, für die der Rechtsweg zu den Verwaltungsgerichten eröffnet ist, ist auf die wahre Natur des geltend gemachten Anspruchs und auf die daraus abzuleitende Rechtsfolge abzustellen (Beschlüsse vom 15. Mai 2003 - BVerwG 1 WB 7.03 - m.w.N. und vom 6. April 2005 a.a.O.).

15

Danach liegt hier keine den Wehrdienstgerichten zugewiesene truppendienstliche Angelegenheit vor. Der für die vorliegende Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtswegs maßgebliche Hauptantrag (zur Bindungswirkung der Verweisung im Verhältnis von Haupt- und Hilfsantrag vgl. Ziekow, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 17a GVG Rn. 19), betrifft einen Schadensersatzanspruch aus dem früheren Wehrdienstverhältnis, der im Streitfall vor den Verwaltungsgerichten geltend zu machen ist.

16

Die Dienstzeit des Antragstellers endete mit Ablauf des 28. Februar 20.... Mit Eintritt in den Ruhestand ist die vom Antragsteller ursprünglich begehrte Versetzung auf einen höherwertigen, nach Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten rechtlich nicht mehr möglich. Dasselbe gilt für die vom Antragsteller letztlich angestrebte Beförderung zum Oberst und Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 16. Sein Hauptantrag, ihn so zu stellen, als sei er zum nächstmöglichen Zeitpunkt auf einen nach der Besoldungsgruppe A 16 bewerteten Dienstposten versetzt worden, kann deshalb sachgerecht nur so verstanden werden, dass es dem Antragsteller um Schadensersatz in Geld für die seiner Ansicht nach zu Unrecht erlittene Benachteiligung bei Entscheidungen über förderliche Verwendungen und Beförderungen geht.

17

Für Streitigkeiten über einen derartigen Schadensersatzanspruch aus dem (früheren) Wehrdienstverhältnis sind nach § 40 Abs. 1 Satz 1 VwGO, § 82 Abs. 1 SG die Verwaltungsgerichte zuständig. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob als Rechtsgrundlage für den Schadensersatzanspruch eine Verletzung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (§ 31 Abs. 1 Satz 1 SG) anzusehen ist (vgl. Urteile vom 30. August 1973 - BVerwG 2 C 5.72 - BVerwGE 44, 52 <54 f.> = Buchholz 238.4 § 31 SG Nr. 4 = NZWehrr 1974, 73 und vom 13. Mai 1987 - BVerwG 6 C 32.85 - Buchholz 236.1 § 31 SG Nr. 21 = NVwZ-RR 1989, 32; Walz, in: Walz/Eichen/Sohm, SG, 2. Aufl. 2010, § 31 Rn. 29 f.) oder der Schadensersatzanspruch unmittelbar aus Art 33 Abs. 2 GG und § 3 Abs. 1 SG hergeleitet wird (vgl. für die entsprechende Rechtsprechung zum Beamtenrecht Urteile vom 25. August 1988 - BVerwG 2 C 51.86 - BVerwGE 80, 123 <124 f.> = Buchholz 237.7 § 7 NWLBG Nr. 5, vom 28. Mai 1998 - BVerwG 2 C 29.97 - BVerwGE 107, 29 <31 f.> = Buchholz 232 § 23 BBG Nr. 40, vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <101 f.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 sowie zuletzt vom 25. Februar 2010 - BVerwG 2 C 22.09 - [...] Rn. 13 <zur Veröffentlichung in Buchholz unter 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 45 vorgesehen>). Abgesehen davon, dass die Vorschrift des § 31 SG ausdrücklich von der Rechtswegzuweisung an die Wehrdienstgerichte ausgenommen ist, richtet sich der Schadensersatzanspruch im einen wie im anderen Fall gegen den Dienstherrn und kann nur von diesem erfüllt werden; er berührt nicht das für truppendienstliche Angelegenheiten kennzeichnende (Vorgesetzten-)Verhältnis der militärischen Über- und Unterordnung.

18

3.

Ist demnach der Rechtsweg zu den Wehrdienstgerichten nicht eröffnet, war das Verfahren nach Anhörung der Beteiligten (§ 23a Abs. 2 WBO i.V.m. § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG) gemäß § 21 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 18 Abs. 3 WBO an das zuständige Gericht des Verwaltungsrechtswegs zu verweisen.

19

Nach § 45 und § 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO ist sachlich und örtlich zuständig das Verwaltungsgericht A. Der Antragsteller, der nach Ende seiner Dienstzeit keinen dienstlichen Wohnsitz besitzt, hat seinen Wohnsitz in E. und damit im Bezirk des Verwaltungsgerichts A. (§ 1 Abs. 2 Buchst. a des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung ...).

Golze
Dr. Frentz
Dr. Langer

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