Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 09.11.2005, Az.: BVerwG 4 B 67.05
Anforderungen an das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs; Eindruck der Geschlossenheit trotz vorhandener Baulücken
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 09.11.2005
- Aktenzeichen
- BVerwG 4 B 67.05
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2005, 25812
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- VGH Bayern - 15.07.2005
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BBB 2006, 47
- BRS-ID 2006, 1
- BauR 2006, 492-493 (Volltext mit red. LS)
- ZfBR 2006, 161-162 (Volltext mit red. LS)
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 4. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
am 9. November 2005
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Paetow,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Jannasch und
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Philipp
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 15. Juli 2005 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.
Gründe
1
Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die geltend gemachte Divergenz liegt nicht vor.
2
1.
Das Berufungsgericht hat keinen Rechtssatz aufgestellt, der in Widerspruch zu einem vom Senat im Urteil vom 19. September 1986 - BVerwG 4 C 15.84 - (BVerwGE 75, 34) formulierten Rechtssatz steht. Eine Abweichung kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil den Entscheidungen in baurechtlicher Hinsicht wesentlich verschiedene Sachverhalte zu Grunde lagen. Der Senat hat im Urteil vom 19. September 1986 die Frage erörtert, unter welchen Voraussetzungen eine aufeinander folgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit vermittelt. Es ging um die Abgrenzung zwischen einer den Bebauungszusammenhang nicht unterbrechenden Baulücke und einer "Außenbereichsinsel" im Innenbereich (vgl. BVerwGE 75, 34 <36>[BVerwG 19.09.1986 - 4 C 15/84]). In diesem Zusammenhang hat der Senat den von der Beschwerde herangezogenen Rechtssatz aufgestellt, dass ein bebautes Grundstück als ein den Bebauungszusammenhang unterbrechendes Grundstück ausscheidet, es sei denn, die Bebauung hat eine im Verhältnis zur Größe des Grundstücks völlig untergeordnete Bedeutung. Der Verwaltungsgerichtshof hatte sich nicht mit einer Lücke zwischen einer sich zu beiden Seiten fortsetzenden Bebauung, sondern mit der Frage zu befassen, ob ein am Rande eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils liegendes Grundstück diesem Bebauungszusammenhang noch zuzurechnen ist oder nicht. Ein an einen Bebauungszusammenhang angrenzendes bebautes Grundstück ist nach der insoweit maßgebenden Rechtsprechung des Senats im Regelfall als Teil des Bebauungszusammenhangs anzusehen; für die Annahme einer aufeinander folgenden Bebauung ausschlaggebend ist jedoch, inwieweit die Bebauung den Eindruck der Geschlossenheit und Zusammengehörigkeit vermittelt; hierfür kommt es auf die Verkehrsauffassung und damit jeweils auf die Lage des Einzelfalls an (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 - BVerwGE 31, 20; Urteil vom 15. Mai 1997 - BVerwG 4 C 23.95 - Buchholz 406.11 § 35 BauGB Nr. 329 = BRS 59 Nr. 90). Aus diesem Grundsatz kann sich - z.B. unter besonderen topographischen Verhältnissen - auch ergeben, dass die Bebauung auf einem an einen Bebauungszusammenhang angrenzenden Grundstück nicht mehr an diesem Bebauungszusammenhang teilnimmt (vgl. BVerwG, Urteil vom 15. Mai 1997, a.a.O.). Von dieser Rechtsprechung ist auch der Verwaltungsgerichtshof ausgegangen.
3
2.
Die behauptete Abweichung von dem Urteil des Senats vom 6. November 1968 - BVerwG 4 C 2.66 - (BVerwGE 31, 20) liegt schon deshalb nicht vor, weil der Senat nicht - wie die Beschwerde meint - den Rechtssatz aufgestellt hat, dass Flächen, die wegen ihrer natürlichen Beschaffenheit oder wegen ihrer besonderen Zweckbestimmung einer Bebauung entzogen sind, den Zusammenhang nicht unterbrechen können. Der Senat hat in dem genannten Urteil zu den Anforderungen an das Vorliegen eines Bebauungszusammenhangs ausgeführt, dass in den Vordergrund der Betrachtung das unbebaute, jedoch gleichwohl den Zusammenhang nicht unterbrechende Grundstück trete, d.h. einerseits und vor allem die Baulücke, andererseits freie Flächen, die einer Bebauung entzogen seien und die unter Umständen auch bei größerer Ausdehnung ohne Bedeutung seien, also den Zusammenhang nicht unterbrechen mögen(vgl. BVerwGE 31, 20 <21>[BVerwG 06.11.1968 - IV C 2/66]). Auch in Bezug auf die freien Flächen hat der Senat daran festgehalten, dass es zur Beurteilung, ob eine Unterbrechung des Zusammenhangs vorliegt, einer echten Wertung und Bewertung des konkreten Sachverhaltes bedarf und dass ausschlaggebend ist, inwieweit die aufeinander folgende Bebauung trotz vorhandener Baulücken den Eindruck der Geschlossenheit (Zusammengehörigkeit) vermittelt. Letztlich maßgebend für die Betrachtungsweise ist die Verkehrsauffassung mit der Folge, dass es entscheidend jeweils auf die Lage des Einzelfalls ankommt. Das gilt - wie der Senat in dem genannten Urteil hervorgehoben hat - auch dafür, ob etwa eine Straße oder Geländehindernisse irgendwelcher Art den Bebauungszusammenhang unterbrechen oder auf ihn ohne Einfluss sind (vgl. BVerwGE 31, 20 <22>[BVerwG 06.11.1968 - IV C 2/66]).
4
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, [...].
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 10 000 EUR festgesetzt.
[D]ieStreitwertfestsetzung [beruht] auf § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 1, § 72 Nr. 1 GKG.
Dr. Jannasch
Dr. Philipp