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Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 30.06.1998, Az.: BVerwG 9 C 6/98

Berufungsbegründung im Asylverfahren; Berufungsbegründungspflicht; Berufungsbegründungsschriftsatz; Berufungsbegründungsfrist; Rechtsmittelbelehrung

Bibliographie

Gericht
BVerwG
Datum
30.06.1998
Aktenzeichen
BVerwG 9 C 6/98
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1998, 13940
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
I. VG Stuttgart vom 18.03.1997 - VG A 13 K 14202/96
II. VGH Mannheim vom 27.11.1997 - VGH A 16 S 1936/97

Fundstellen

  • BVerwGE 107, 117 - 123
  • AUAS 1998, 249-252
  • AuAS 1998, 249
  • DVBl 1999, 95-97 (Volltext mit amtl. LS)
  • NVwZ 1998, 1311-1313 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

1. § 124 a Abs. 3 VwGO gilt auch in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz.

2. Der Berufungsführer muß nach Zulassung der Berufung einen Schriftsatz zur Berufungsbegründung einreichen; es genügt nicht, wenn sich die Begründung und der Antrag dem Vorbringen im Zulassungsverfahren entnehmen lassen. Eine Bezugnahme auf das Zulassungsvorbringen im Begründungsschriftsatz ist dagegen zulässig und kann - je nach den Umständen des Einzelfalles - für eine ordnungsgemäße Begründung ausreichen.

3. Die Monatsfrist des § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO beginnt nur zu laufen, wenn der Berufungsführer gemäß § 58 Abs. 1 VwGOüber das Erfordernis der Berufungsbegründung belehrt worden ist; bei fehlender oder mangelhafter Belehrung gilt die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO.

Tenor:

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg vom 27. November 1997 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Gründe

1

I.

Die im Jahre 1976 geborene Klägerin ist albanische Staatsangehörige. Sie reiste im Juli 1990 als sog. "Botschaftsflüchtling" nach Deutschland ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) erkannte die Klägerin im November 1990 gemeinsam mit ihren Eltern und einem jüngeren Bruder als Asylberechtigte an.

2

Im August 1996 widerrief das Bundesamt nach Anhörung der Klägerin unter Berufung auf die Änderung der politischen Verhältnisse in Albanien die Asylanerkennung und die Feststellung der Voraussetzungen des § 51 AuslG (Nr. 1 des Bescheides) und stellte zugleich fest, daß Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen (Nr. 2 des Bescheides).

3

Das Verwaltungsgericht hat auf die dagegen gerichtete Klage die Beklagte unter teilweiser Aufhebung des Bescheides verpflichtet, zugunsten der Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG hinsichtlich Albaniens festzustellen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die extrem schwierige Sicherheitslage und die ebenfalls schwierige Versorgungs- und Arbeitsmarktlage in Albanien stellten für die Klägerin, die dort keine nahen Angehörigen mehr habe, eine schwere Existenzbedrohung dar. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen.

4

Auf Antrag des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung hinsichtlich der Feststellungen zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zugelassen. Der nicht mit einer Rechtsmittelbelehrung versehene Zulassungsbeschluß ist dem Bundesbeauftragten am 11. Juli 1997 zugestellt worden. Nach einem gerichtlichen Hinweis darauf, daß die Berufung möglicherweise am Fehlen einer fristgerechten Begründung nach § 124 a Abs. 3 VwGO scheitern könne, hat der Bundesbeauftragte mit Schriftsatz vom 30. September 1997 vorsorglich sein bereits im Zulassungsantrag formuliertes Berufungsbegehren wiederholt und sich zur Begründung in vollem Umfang auf die Ausführungen in der Antragsschrift und im Zulassungsbeschluß bezogen.

5

Der Verwaltungsgerichtshof hat der Berufung stattgegeben und die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils auch hinsichtlich des Abschiebungshindernisses nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG abgewiesen. Zur Begründung hat er ausgeführt: Die Berufung des Bundesbeauftragten sei zulässig. Sie stehe im Einklang mit § 124 a Abs. 3 VwGO, der auch im Asylprozeß gelte. Die Berufungsbegründung im Schriftsatz des Bundesbeauftragten vom 30. September 1997 entspreche den inhaltlichen Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO und sei auch noch fristgerecht abgegeben worden, da die Monatsfrist des § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO mangels einer Belehrung über die Pflicht zur fristgerechten Berufungsbegründung nicht mit der Zustellung des Zulassungsbeschlusses zu laufen begonnen habe, sondern lediglich die Jahresfrist nach § 58 Abs. 2 VwGO zu beachten gewesen sei. Die Berufung sei auch begründet, weil die Klägerin nach der maßgeblichen Sachlage im Zeitpunkt der berufungsgerichtlichen Entscheidung keinen Anspruch auf Feststellung eines Abschiebungshindernisses hinsichtlich Albaniens nach § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG habe. Die Klägerin sei nicht anders zu behandeln als die Vielzahl anderer in ihre Heimat zurückkehrender albanischer Staatsangehöriger, die wie die gesamte albanische Bevölkerung von den nachteiligen Auswirkungen der derzeitigen politischen und wirtschaftlichen Lage im Lande betroffen seien. Die Nachteile seien allgemeiner Natur und könnten deshalb wegen der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG grundsätzlich keinen Abschiebungsschutz nach Satz 1 dieser Vorschrift begründen. Eine ausnahmsweise den Rückgriff auf § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zulassende extreme landesweite Gefahrenlage, in der gleichsam jeder Rückkehrer sehenden Auges dem Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt wäre, bestehe in Albanien derzeit und in absehbarer Zukunft bei Zugrundelegung neuester Erkenntnisse weder für Rückkehrer im allgemeinen noch für die Klägerin im besonderen.

6

Mit der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision macht die Klägerin geltend, die Berufung des Bundesbeauftragten hätte mangels Begründung gemäß § 124 a Abs. 3 VwGO als unzulässig verworfen werden müssen. Im übrigen seien die Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in ihrem Fall sowohl wegen der immer noch äußerst angespannten Sicherheitslage in Albanien als auch wegen ihrer individuellen Situation, insbesondere wegen ihrer gesundheitlichen Beeinträchtigungen, gegeben.

7

II.

Die Revision ist unbegründet.

8

Das Berufungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Berufung des Bundesbeauftragten für Asylangelegenheiten (Bundesbeauftragter) zulässig war (A.), und hat die Klage auf Verpflichtung der Beklagten, zugunsten der Klägerin das Vorliegen der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in bezug auf Albanien festzustellen, zu Recht abgewiesen (B.).

9

A. Entgegen der Ansicht der Revision war das Berufungsgericht nicht gehindert, über das Klagebegehren in der Sache zu entscheiden, denn die Berufung des Bundesbeauftragten war zulässig. Insbesondere hat der Bundesbeauftragte seine vom Verwaltungsgerichtshof zugelassene Berufung ordnungsgemäß und rechtzeitig im Sinne des § 124 a Abs. 3 VwGO begründet.

10

1. Das Berufungsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß die mit dem Sechsten Gesetz zur Änderung der Verwaltungsgerichtsordnung und anderer Gesetze (6. VwGOÄndG) vom 1. November 1996 (BGBl I S. 1626) in die Verwaltungsgerichtsordnung eingefügte Bestimmung des § 124 a VwGO in ihrem Absatz 3 auch in Streitigkeiten nach dem Asylverfahrensgesetz und damit im vorliegenden Fall anwendbar ist. Das in der Verwaltungsgerichtsordnung kodifizierte allgemeine Verwaltungsprozeßrecht gilt grundsätzlich auch für asylrechtliche Streitigkeiten, soweit nicht die Vorschriften des Asylverfahrensgesetzesüber das Gerichtsverfahren als speziellere Normen etwas anderes vorsehen. Dies ist in bezug auf das Erfordernis der Berufungsbegründung nicht der Fall. § 78 Abs. 2 bis 5 AsylVfG regelt lediglich das Antragsverfahren auf Zulassung der Berufung sowie die Form und Rechtswirkungen der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts über die Zulassung. Abgesehen von der mit § 124 a Abs. 2 Satz 4 VwGO wörtlich übereinstimmenden Bestimmung des § 78 Abs. 5 Satz 3 AsylVfG, wonach im Falle der Zulassung der Berufung das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt wird und es der Einlegung einer Berufung nicht bedarf, enthält § 78 AsylVfG keine Regelung über das weitere Berufungsverfahren und insbesondere auch nicht über die Berufungsbegründung. Hinsichtlich dieser Frage ist deshalb - ebenso wie hinsichtlich der übrigen allgemeinen Zulassungsvoraussetzungen - auch in Asylverfahren auf die jeweils geltenden einschlägigen Bestimmungen der Verwaltungsgerichtsordnung zurückzugreifen. Bis zum Inkrafttreten des 6. VwGOÄndG galt insoweit § 124 Abs. 3 Satz 2 VwGO (a.F.), wonach die zur Begründung der Berufung dienenden Tatsachen und Beweismittel angegeben werden sollten; das Ausbleiben einer solchen Berufungsbegründung hatte - abweichend vom Zivilprozeßrecht (§ 519 Abs. 3 ZPO) - keine für den Berufungsführer nachteiligen Rechtsfolgen. Nach der Neuregelung durch das 6. VwGOÄndG ist der an die Stelle dieser Vorschrift getretene § 124 a Abs. 3 VwGO nunmehr auch in Asylverfahren maßgeblich, der die Zulässigkeit der Berufung von einer form- und fristgerechten Begründung abhängig macht (so neben dem VGH Mannheim auch die überwiegende obergerichtliche Rechtsprechung: OVG Münster, 1. Senat, Beschlüsse vom 7. Juli 1997 - 1 A 5701/96.A - NVwZ-Beilage Nr. 1 1998, 2 = DVBl 1997, 1340 und vom 17. Februar 1998 - 1 A 1388/97.A -, 20. Senat, Beschluß vom 3. Juni 1998 - 20 A 2771/97.A -; OVG Thüringen, Urteil vom 24. Juli 1997 - 3 KO 87/97 - NVwZ-Beilage Nr. 12 1997, 91; OVG Lüneburg, Urteil vom 12. August 1997 - 12 L 3035/97 - NVwZ-Beilage Nr. 12 1997, 92; VGH Kassel, Urteile vom 18. Dezember 1997 - 3 UE 3400/97.A und 3402/97.A - und Beschluß vom 15. Januar 1998 - 6 UE 2729/97.A - = AuAS 1998, 93).

11

Der teilweise vertretenen gegenteiligen Ansicht, die in § 78 AsylVfG eine die Anwendbarkeit von § 124 a Abs. 3 VwGO verbietende abschließende Sonderregelung sieht (VGH München, Beschluß vom 12. September 1997 - 25 B 97.33 256 - NVwZ-Beilage Nr. 1 1998, 3 = DVBl 1997, 1332[VGH Bayern 12.09.1997 - 25 B 33256/97] = AuAS 1997, 259; OVG Münster, 25. Senat, Beschluß vom 22. Dezember 1997 - 25 A 3247/97.A -), kann nicht gefolgt werden. Die Ansicht verkennt das grundsätzliche Verhältnis zwischen allgemeinem Prozeßrecht und fachgesetzlichem Sonderprozeßrecht, das nur bei ausdrücklich abweichender Bestimmung Vorrang vor dem allgemeinen Prozeßrecht hat und auch wegen des Prinzips der Einheit des Prozeßrechts im Zweifel eng auszulegen ist. Für die Annahme, daß die wenigen in den §§ 78, 79 AsylVfG enthaltenen Bestimmungen das asylrechtliche Berufungsverfahren oder auch nur die Frage der Zulässigkeit der Berufung abschließend regeln, läßt sich auch aus den Gesetzesmaterialien und dem Sinn und Zweck der asylverfahrensrechtlichen Regelung keinerlei Anhaltspunkt entnehmen. Der Gesetzgeber wollte mit der Neugestaltung des Berufungsverfahrens durch das 6. VwGOÄndG die verwaltungsgerichtlichen Verfahren durch Entlastung der Berufungsgerichte verkürzen und beschleunigen (BTDrucks 13/3993, S. 1) und hat ersichtlich auch die Notwendigkeit einer fristgebundenen Berufungsbegründung zu diesem Zweck eingeführt. Deshalb spricht nichts dafür, daß der Gesetzgeber die ohnehin dem Beschleunigungsgebot verpflichteten Asylverfahren von dieser Regelung ausnehmen wollte. Dies kann auch nicht aus dem Umstand hergeleitet werden, daß die Monatsfrist des § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO länger ist als die sonst im Asylverfahren geltenden Fristen, etwa die zweiwöchige Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung. Denn es ist nicht widersprüchlich, wenn dem Rechtsmittelführer, der die Hürde der Berufungszulassung überwunden hat, zum Zwecke der eingehenden Prozeßvorbereitung in zweiter Instanz auch in Asylverfahren nunmehr dieselbe Frist zugebilligt wird wie in allgemeinen Verwaltungsrechtsstreitigkeiten. So gelten auch im Revisionsrecht für Asylverfahren keine besonderen Fristen, da der Beschleunigungsgedanke hier ebenfalls hinter dem der sorgfältigen Entscheidungsvorbereitung zurücktritt.

12

2. Der Bundesbeauftragte hat seine Berufung vorliegend den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 VwGO entsprechend begründet.

13

a) Dies ergibt sich allerdings nicht schon daraus, daß er bereits in seinem Antrag auf Zulassung der Berufung sein Berufungsbegehren formuliert und auch die wesentlichen Gründe hierfür vorgetragen hat. Denn nach § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO muß der Rechtsmittelführer nach Zulassung der Berufung in jedem Fall einen gesonderten Schriftsatz zur Berufungsbegründung einreichen. Dies ist - entgegen der Auffassung des Revisionsbeklagten - keine bloße Förmelei. Mit der Einreichung der Berufungsbegründungsschrift soll der Berufungskläger nämlich eindeutig zu erkennen geben, daß er nach wie vor die Durchführung eines Berufungsverfahrens erstrebt. Es genügt deshalb nicht, wenn sich die Begründung und der Antrag dem Vorbringen im Zulassungsverfahren entnehmen lassen. Der Senat hält insoweit an seiner im Beschluß vom 25. August 1997 - BVerwG 9 B 690.97 - (DVBl 1997, 1325) vertretenen Auffassung nicht mehr fest.

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§ 124 a Abs. 3 VwGO lehnt sich an die Regelungen aus dem Revisionsrecht und die Regelung für die Berufung in § 519 Abs. 3 ZPO an (vgl. BTDrucks 13/3993 S. 13) und erhebt wie diese die Begründung in den Rang einer Zulässigkeitsvoraussetzung. Die Vorschrift entspricht im wesentlichen den in § 139 Abs. 3 VwGO enthaltenen Bestimmungen über die Revisionsbegründung im Falle der Zulassung der Revision aufgrund einer Nichtzulassungsbeschwerde. Für die Revisionsbegründung ist aber nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts erforderlich, daß der Revisionsführer die zugelassene Revision schriftsätzlich begründet, auch wenn sein Vorbringen im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren den Anforderungen (auch) an eine Revisionsbegründung genügt; in diesem Fall reicht es allerdings aus, wenn in dem Begründungsschriftsatz auf dieses Vorbringen Bezug genommen wird, sofern hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht wird, hinsichtlich welcher Zulassungsgründe Bezug genommen wird (z.B. Urteil vom 25. Oktober 1988 - BVerwG 9 C 37.88 - BVerwGE 80, 321, 322 f.) [BVerwG 25.10.1988 - 9 C 37/88]. Entsprechendes ist nach Einführung des § 124 a Abs. 3 VwGO nunmehr auch vom Berufungsführer zu verlangen. Dabei kann offenbleiben, inwiefern wegen der Unterschiede zwischen Berufungs- und Revisionsverfahren an die inhaltliche Begründung der Berufung nach § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO andere Anforderungen zu stellen sind als bei der Revision nach § 139 Abs. 3 Satz 4 VwGO, denn hinsichtlich der äußeren formellen Anforderungen gelten angesichts der insoweit wortgleichen Bestimmungen jedenfalls dieselben Grundsätze.

15

Auch der vom Gesetzgeber mit Einführung des § 124 a Abs. 3 VwGO verfolgte Zweck spricht für diese Auffassung. Denn die Berufungsbegründungspflicht kann nur dann zu der angestrebten Verkürzung und Beschleunigung der Verfahren durch Entlastung der Berufungsgerichte beitragen, wenn sie es dem Berufungsgericht ermöglicht, anhand klarer prozessualer Kriterien, nämlich des Ausbleibens eines fristgerechten Begründungsschriftsatzes, ohne weitere Prüfung die Berufung gemäß § 125 Abs. 2 VwGO zu verwerfen. Dies wäre aber nicht mehr der Fall, wenn das Gericht hierfür regelmäßig auch noch das Vorbringen im Zulassungsverfahren auf seine Eignung für die Begründung der Berufung hin sichten und beurteilen müßte.

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b) Der Bundesbeauftragte hat sich hier indes nicht auf seinen Zulassungsantrag beschränkt, sondern nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses mit Schriftsatz vom 30. September 1997 vorsorglich seinen Berufungsantrag wiederholt und wegen der Begründung auf die Ausführungen im Zulassungsantrag und im Zulassungsbeschluß Bezug genommen. Darin liegt eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung. Sie genügt den Anforderungen des § 124 a Abs. 3 Satz 4 VwGO, da sie einen bestimmten Antrag enthält und der Bundesbeauftragte mit der zulässigen Bezugnahme auf sein Zulassungsvorbringen und den Zulassungsbeschluß hier hinreichend deutlich dargelegt hat, warum das verwaltungsgerichtliche Urteil aus seiner Sicht keinen Bestand haben kann. Die Begründung ist, obwohl sie nicht innerhalb eines Monats nach Zustellung des Zulassungsbeschlusses eingegangen ist, auch nicht verspätet. Denn die Monatsfrist des § 124 a Abs. 3 Satz 1 VwGO ist mangels Belehrung über die Pflicht zur fristgerechten Berufungsbegründung gemäß § 58 Abs. 2 VwGO nicht in Lauf gesetzt worden.

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Über die Notwendigkeit der Berufungsbegründung nach § 124 a Abs. 3 VwGO ist der Berufungsführer gemäß § 58 Abs. 1 VwGO mit dem Beschluß über die Zulassung der Berufung zu belehren Nachdem für die Berufung in Anlehnung an die Bestimmungen über die nach erfolgreicher Nichtzulassungsbeschwerde zugelassene Revision eine an eine gesonderte Frist gebundene Begründung eingeführt worden ist, sind die von der Rechtsprechung für das Revisionsrecht entwickelten Grundsätze über die Notwendigkeit einer Belehrung nach § 58 VwGO auch hier maßgeblich. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei zweistufig aufgebauten Rechtsmitteln, bei denen auf die erste Stufe der Einlegung die zweite Stufe einer fristgebundenen Begründung folgt, jeweils auch über die zweite Stufe, d.h. die Begründungsfrist, zu belehren (vgl. grundlegend Beschluß des Großen Senats des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. Juli 1957 - BVerwG Gr.Sen. 1.57 - BVerwGE 5, 178 f.). Dies gilt erst recht, wenn von dem ursprünglich zweistufigen Rechtsmittel nur noch die zweite Stufe, nämlich die Begründung, übriggeblieben ist, weil es der Einlegung des Rechtsmittels selbst nicht mehr bedarf, wie dies schon nach bisher geltendem Recht bei der Revisionszulassung nach § 139 Abs. 2 VwGO der Fall war. Dementsprechend ist den Revisionszulassungsbeschlüssen des Bundesverwaltungsgerichts regelmäßig eine den Anforderungen des § 58 VwGO genügende Rechtsmittelbelehrung über das Erfordernis der Revisionsbegründung beigefügt. Ebenso ist nunmehr im Fall der Berufungszulassung nach § 124 a Abs. 2 VwGO zu verfahren (so auch Meissner in: Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 58 Rn. 18; Redeker/von Oertzen, VwGO, 12. Aufl., § 124 a Rn. 19). Fehlt es an einer solchen Belehrung, so wird mit der Zustellung des Zulassungsbeschlusses lediglich die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO in Lauf gesetzt. Geht - wie im vorliegenden Fall - innerhalb eines Jahres eine Berufungsbegründungsschrift ein, so ist die Berufung rechtzeitig begründet und damit - vorbehaltlich sonstiger, hier nicht zweifelhafter Sachurteilsvoraussetzungen - zulässig.

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B. Die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs ist auch in der Sache revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Der Verwaltungsgerichtshof hat ohne Verstoß gegen Bundesrecht einen Anspruch der Klägerin auf Feststellung der Voraussetzungen des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG in bezug auf Albanien verneint. Er ist im Ansatz zutreffend davon ausgegangen, daß eine Gefährdung wegen der allgemeinen Sicherheits- und Versorgungslage in Albanien infolge der Sperrwirkung des § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG nur dann eine Anwendung von § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG zuläßt, wenn es sich um eine extreme allgemeine Gefahrenlage im Sinne der Rechtsprechung des Senats handelt (Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 [BVerwG 17.10.1995 - 9 C 9/95] = DVBl 1996, 203 und vom 29. März 1996 - BVerwG 9 C 116.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 3). Eine solche Gefahrenlage hat der Verwaltungsgerichtshof auf der Grundlage der ihm zum Zeitpunkt seiner Entscheidung vorliegenden Erkenntnisse über Albanien ohne Rechtsfehler verneint. Nach den tatsächlichen Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs hat der auf den Wahlen im Sommer 1997 beruhende und im wesentlichen akzeptierte Machtwechsel die Gefahr eines Bürgerkrieges gebannt und zu einer deutlichen Beruhigung und Verstetigung der politischen Verhältnisse geführt. Dementsprechend habe sich auch die Sicherheitslage, die noch zum Zeitpunkt der verwaltungsgerichtlichen Entscheidung sehr angespannt gewesen sei, leicht entspannt. Jedenfalls im Norden Albaniens einschließlich der Hauptstadt Tirana seien Rückkehrer unter diesem Gesichtspunkt keiner extremen Gefahr ausgesetzt; sie seien auch nicht gezwungen, sich in die stärker gefährdeten Gebiete des Südens zu begeben oder diese zu durchqueren. Auch die Existenzbedingungen in Nord- und Mittelalbanien hätten sich nicht derart verschlechtert, daß von einer akuten Hungersnot oder ähnlichen Mangelerscheinungen in dem geforderten zugespitzten Ausmaß ausgegangen werden könne. Diese Feststellungen tragen den vom Verwaltungsgerichtshof gezogenen Schluß, daß die Schwelle einer extremen Gefahrenlage in Albanien weder für Rückkehrer allgemein noch für die inzwischen längst volljährige Klägerin im besonderen erreicht ist.

19

Durchgreifende Rügen werden dagegen von der Revision nicht erhoben. Ihr Einwand, die Sicherheitslage in Albanien sei nach wie vor äußerst angespannt, betrifft die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts, die mangels Verfahrensrügen für das Revisionsgericht bindend sind (§ 137 Abs. 2 VwGO). Soweit die Revision sich unter Vorlage einer ärztlichen Stellungnahme auf gesundheitliche Beeinträchtigungen der Klägerin beruft, handelt es sich überwiegend um neuen Tatsachenvortrag, der im Revisionsverfahren ebenfalls nicht berücksichtigt werden kann. Das einzige diesbezügliche Vorbringen, das bereits dem Verwaltungsgerichtshof bei seiner Entscheidung vorlag, war der erstinstanzliche Vortrag der Klägerin, in ihrem Körper befinde sich nach einem tätlichen Angriff ihres Stiefvaters noch eine abgebrochene Messerklinge, die derzeit wegen Lebensgefahr nicht operativ entfernt werden könne. Hierzu hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, daß sich daraus ebensowenig wie aus dem Umstand, daß die Klägerin alleinstehend sei, eine lebensgefährliche Bedrohung im Falle ihrer Rückkehr nach Albanien entnehmen lasse, zumal sie insoweit auch im Berufungsverfahren keine konkreten Befürchtungen mehr geäußert habe. Dies ist auch angesichts des unsubstantiierten Vortrags der Klägerin, aus dem sich nichts über eine Behandlungsbedürftigkeit oder sonstige Auswirkungen des behaupteten Gesundheitsschadens ergibt, revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Soweit der Verwaltungsgerichtshof ergänzend noch ausgeführt hat, daß der Abschiebung eventuell entgegenstehende gesundheitliche Gründe im übrigen nicht vom Bundesamt nach § 53 Abs. 6 AuslG, sondern von der Ausländerbehörde nach § 55 AuslG zu berücksichtigen wären, trifft dies zwar nicht uneingeschränkt zu, weil nach der Rechtsprechung des Senats jedenfalls solche Gesundheitsgefahren, die sich aus einer fehlenden oder mangelhaften Behandlungsmöglichkeit im Zielstaat der Abschiebung ergeben, unter § 53 Abs. 6 AuslG fallen können (Urteil vom 25. November 1997 - BVerwG 9 C 58.96 - zur Veröffentlichung in der Entscheidungssammlung vorgesehen (DVBl 1998, 284 = AuAS 1998, 62 = InfAuslR 1998, 189)). Da es sich hierbei aber ersichtlich nur um eine zusätzliche, die Entscheidung des Berufungsgerichts nicht tragende Erwägung handelt, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83 b Abs. 1 AsylVfG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 83 b Abs. 2 AsylVfG.

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Seebass

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Dr. Bender

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Richter am Bundesverwaltungsgericht Dawin ist wegen Ausscheidens aus dem Senat an der Beifügung seiner Unterschrift verhindert. Seebass

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Richter am Bundesverwaltungsgericht Hund ist wegen Urlaubs an der Beifügung seiner Unterschrift verhindert. Seebass

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Beck