Bundesverwaltungsgericht
Beschl. v. 12.03.1998, Az.: BVerwG 2 B 20.98
Umdeutung einer unzulässigerweise eingelegten Berufung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung; Austauschbarkeit der Berufung und dem Antrag auf Zulassung der Berufung; Grenzen der Umdeutung eines Rechtsmittels durch Anwaltszwang; Zurechnung eines Verschuldens des Prozessbevollmächtigten
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 12.03.1998
- Aktenzeichen
- BVerwG 2 B 20.98
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1998, 20604
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OVG Rheinland-Pfalz - 28.11.1997 - AZ: 10 A 12735/97
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- JuS 2000, 505 (Volltext mit amtl. LS)
- NVwZ 1999, 641-642 (Volltext mit red. LS)
Prozessgegner
Bundesrepublik Deutschland, ...
In der Verwaltungssstreitsache
hat der 2. Senat des Bundesverwaltungsgerichts am 12. März 1998
durch
die Vizepräsidentin des Bundesverwaltungsgerichts Dr. Franke und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Lemhöfer und Dr. Schmutzler
beschlossen:
Tenor:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluß des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 28. November 1997 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 43.900 DM festgesetzt.
Gründe
Die Beschwerde ist unbegründet. Die Voraussetzungen für die mit ihr begehrte Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) oder wegen eines Verfahrensmangels (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) sind nicht gegeben.
Der angefochtene Beschluß leidet an keinem Verfahrensmangel. Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Kläger ohne Zulassung eingelegte Berufung zu Recht als unzulässig verworfen. Es hat zutreffend angenommen, daß unter den hier gegebenen Umständen das unzulässige Rechtsmittel nicht als rechtzeitig gestellter Antrag auf Zulassung der Berufung nach § 124 a VwGO angesehen werden kann. Das aufgrund mündlicher Verhandlung vom 30. Juni 1997 ergangene, am selben Tage verkündete Urteil des Verwaltungsgerichts wurde den bevollmächtigten Rechtsanwälten des Klägers am 30. September 1997 zugestellt. Aus der dem Urteil beigefügten ordnungsgemäßen Rechtsmittelbelehrung ergab sich eindeutig, daß als Rechtsbehelf nur der Antrag auf Zulassung der Berufung gegeben und die Berufung ohne Zulassung durch das Oberverwaltungsgericht nicht statthaft war. Die Prozeßbevollmächtigten des Klägers legten mit Schriftsatz vom 30. Oktober 1997 ausdrücklich Berufung ein. Die in der Berufungsschrift enthaltenen Anträge und deren Begründung bieten keinen Anhalt für eine etwa bestehende Absicht der Prozeßbevollmächtigten des Klägers, entgegen ihrer Rechtsmittelerklärung nicht Berufung einzulegen, sondern die Zulassung der Berufung zu beantragen. Die gestellten Anträge betreffen die Hauptsache, und in ihrer Begründung werden die einzelnen Zulassungsvoraussetzungen des § 124 Abs. 2 VwGO weder genannt noch unter dem Gesichtspunkt der Zulassung erörtert.
Mangels entsprechenden Anhalts kann die unzulässige Berufung eines anwaltlich vertretenen Rechtsmittelführers nicht als (fristwahrender) Antrag auf Zulassung der Berufung angesehen werden. Die Berufung umfaßt entgegen dem Beschwerdevorbringen nicht zugleich auch den Antrag auf Zulassung dieses Rechtsmittels. Die beiden Rechtsbehelfe betreffen unterschiedliche Gegenstände. Der Antrag auf Zulassung der Berufung begehrt ausschließlich die Zulassung dieses Rechtsmittels durch das Oberverwaltungsgericht. Die Berufung richtet sich gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts in der Sache. Beide Rechtsbehelfe sind nicht austauschbar. Sie haben unterschiedliche Ziele und stehen in einem Stufenverhältnis selbständig nebeneinander. Erst ein erfolgreicher Antrag auf Zulassung der Berufung eröffnet die prozeßrechtliche Möglichkeit, dieses Rechtsmittel als nunmehr statthaft einzulegen.
Die von einem Rechtsanwalt gegen die Sachentscheidung des Verwaltungsgerichts ohne Zulassung eingelegte Berufung kann nach Ablauf der Antragsfrist des § 124 Abs. 1 Satz 1 VwGO auch nicht in einen Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels umgedeutet werden. Insoweit gilt nichts anderes als für die vergleichbare Frage der Umdeutung einer Revision in eine Nichtzulassungsbeschwerde oder umgekehrt einer Nichtzulassungsbeschwerde in eine Revision (vgl. Beschluß vom 13. Juni 1994 - BVerwG 9 B 374.94 - <Buchholz 310 § 125 Nr. 11> m.w.N.). Der Anwaltszwang (§ 67 VwGO) setzt der Zulässigkeit einer Umdeutung enge Grenzen (vgl. Weyreuther, Revisionszulassung und Nichtzulassungsbeschwerde in der Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte, 1971, Rn. 211). Eine Rechtsmittelerklärung, die ein Rechtsanwalt als Prozeßbevollmächtigter abgegeben hat, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer gerichtlichen Umdeutung grundsätzlich unzugänglich (vgl. etwa Beschlüsse vom 29. Januar 1962 - BVerwG 2 C 83.60 - <Buchholz 310 § 132 Nr. 27> und vom 12. September 1988 - BVerwG 6 CB 35.88 - <Buchholz 310 § 133 Nr. 83>). Ein von einem Anwalt eindeutig eingelegter Rechtsbehelf kann jedenfalls dann nicht in einen anderen umgedeutet werden, wenn die Rechtsbehelfe unterschiedlichen Zwecken dienen (vgl. Beschluß vom 2. August 1995 - BVerwG 9 B 303.95 - <Buchholz 310 § 124 Nr. 26 m.w.N.>). So verhält es sich hier. Den Antrag, die Berufungsschrift vom 30. Oktober 1997 als Antrag auf Zulassung der Berufung im Sinne des § 124 a VwGO zu behandeln und die Berufung zuzulassen, stellten die Prozeßbevollmächtigten des Klägers erst nach Ablauf der Antragsfrist des § 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO mit Schriftsatz vom 25. November 1997. Diesem Antrag konnte nicht stattgegeben werden, da das auf eine Umgehung der gesetzlichen Antragsfrist hinauslaufen würde.
Der mit Schriftsatz vom 25. November 1997 gestellte Antrag des Klägers auf Wiedereinsetzung in den vorherigen Stand kann keinen Erfolg haben. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung (§ 60 Abs. 1 VwGO) sind nicht gegeben. Die Versäumung der Frist für den Antrag auf Zulassung der Berufung beruht auf einem Verschulden der Prozeßbevollmächtigten des Klägers, das er sich gemäß § 173 VwGO i.V.m. § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muß. Die Einlegung eines unzulässigen Rechtsmittels statt des zulässigen Antrags auf Zulassung der Berufung fällt den Prozeßbevollmächtigten des Klägers als Verschulden zur Last, das für die Versäumung der Antragsfrist ursächlich war. Bei der gebotenen sorgfältigen Kenntnisnahme von der mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts erteilten zutreffenden und insoweit eindeutigen Rechtsmittelbelehrung hätten sie rechtzeitig die Zulassung der Berufung beantragen können.
Die Rechtssache hat auch nicht die ihr von der Beschwerde beigelegte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Da sich die Berufung des Klägers als unzulässig erweist, fehlt es an einer Sachurteilsvoraussetzung auch für die Entscheidung in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren. Das schließt eine Revisionszulassung zur Klärung vermeintlich grundsätzlich bedeutsamer Fragen des materiellen Rechts aus.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 43.900 DM festgesetzt.
Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 13 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 Satz 1 Buchst. b GKG, da Gegenstand des Verfahrens die Übernahme des Klägers in ein Beamtenverhältnis auf Probe ist.
Dr. Lemhöfer
Dr. Schmutzler