Bundesverwaltungsgericht
Urt. v. 12.09.1989, Az.: BVerwG 1 A 32.87
Zeitnahe Zuteilung von Überschußanteilen; in der Lebensversicherung; Wahrung der Belange von Versicherten; Genehmigungspflichtige Geschäftspläne
Bibliographie
- Gericht
- BVerwG
- Datum
- 12.09.1989
- Aktenzeichen
- BVerwG 1 A 32.87
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 12403
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlagen
- § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG
- § 13 Abs. 1 VAG
- § 56 a VAG
- § 81 Abs. 2 VAG
- § 81 c VAG
- § 21 Abs. 2 KStG
Fundstellen
- BVerwGE 82, 303 - 312
- BB 1990, 32 (amtl. Leitsatz)
- BB 1990, 177-178 (Volltext mit amtl. LS)
- DVBl 1990, 220 (amtl. Leitsatz)
- DÖV 1991, 216 (amtl. Leitsatz)
- NJW 1990, 1003-1005 (Volltext mit amtl. LS)
- VerBAV 1990, 157-161
- VersR 1990, 805-808 (Urteilsbesprechung von Richter Dr. Jürgen Kagelmacher)
- VersR 1990, 73-75 (Volltext mit amtl. LS)
- VersR 1990, 257 (amtl. Leitsatz)
- VuR 1990, 142-143 (amtl. Leitsatz mit Anm.)
Amtlicher Leitsatz
Die Belange der Versicherten sind nicht im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG ausreichend gewahrt, wenn ein Lebensversicherungsunternehmen die Überschüsse, die es in die Rückstellung für Beitragsrückerstattung eingestellt hat, nicht zeitnah und damit verursachungsgerecht endgültig an die Versicherten ausschüttet.
Redaktioneller Leitsatz
Erfolgt keine zeitnahe Zuteilung von Überschußanteilen in der Lebensversicherung, so stellt die ein Verstoß gegen das Gebot, die Belange der Versicherten zu wahren i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG, dar. Dieses wurde im vorliegenden Fall für genehmigungspflichtige Geschäftspläne nach § 13 VAG entschieden.
In der Verwaltungsstreitsache
hat der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 12. September 1989
durch
den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht Meyer,
den Richter am Bundesverwaltungsgericht Dr. Diefenbach,
die Richterin am Bundesverwaltungsgericht Dr. Scholz-Hoppe und
die Richter am Bundesverwaltungsgericht Gielen und Dr. Kemper
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
I.
Die Klägerin, eine Versicherungsgesellschaft, beantragte bei dem Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen (BAV) mit Schreiben vom 8. Juli 1986 die Genehmigung eines neuen Geschäftsplans für die Großlebensversicherung und mit Schreiben vom 24. September 1986 die Genehmigung eines neuen Geschäftsplans für die Vermögensbildungsversicherung. Diese Geschäftspläne sehen gegenüber den entsprechenden bisherigen Geschäftsplänen u.a. eine Erhöhung des Rechnungszinses auf 3,5 % sowie die Geltung günstigerer Sterbetafeln vor. Mit Inkrafttreten dieser neuen Geschäftspläne sollen die bisherigen Geschäftspläne für den Neuzugang geschlossen werden.
Die beiden neuen Geschäftspläne sehen wie die bisherigen eine Überschußbeteiligung der Versicherten vor. Entsprechend der Satzung der Klägerin sollen zu diesem Zweck mindestens 90 % des auf den betreffenden Abrechnungsverband entfallenden Überschusses vor Dotierung von Rücklagen der "Rückstellung für Beitragsrückerstattung" (RfB) dieses Abrechnungsverbandes zugewiesen werden. Die den Versicherten daraus zugeteilten Überschußanteile werden verzinslich angesammelt.
Das B. beanstandete an den Geschäftsplänen, daß diese - entgegen den in Verlautbarungen des Amtes gestellten Anforderungen - keine Direktgutschrift in Höhe von 1,5 % des jeweiligen Guthabens und keine Obergrenze für die RfB einführten.
Das B. hatte bereits in seinem Geschäftsbericht 1982 die Forderung nach einer Verminderung der "freien" Mittel in der R. und nach Einführung der Direktgutschrift erhoben, um sicherzustellen, daß die den Versicherten zuzuführenden Überschüsse nicht unnötig lange in der R. angesammelt, sondern angemessen schnell gutgeschrieben werden. Ebenso wie an andere Versicherungsunternehmen hatte es an die Klägerin mit Schreiben vom 20. Dezember 1984 eine Aufforderung zu verstärkter Ausschüttung gerichtet, nachdem sich die "freien" Mittel ihrer R. zum 31. Dezember 1983 trotz der für 1984 vorgesehenen Sonderausschüttungen auf 516 % der Entnahme des Jahres 1983 belaufen hatten. In der Folgezeit haben - außer der Klägerin - alle Versicherungsunternehmen, die die kapitalbildende Lebensversicherung anbieten, die Einführung der Direktgutschrift akzeptiert. Da trotz dieser Maßnahmen die "freien" Mittel in den RfB allgemein weiterhin anwuchsen, erklärte das B. in einer Verlautbarung zur Einführung neuer Tarife in der Lebensversicherung (VerBAV 1986, S. 200), daß die R. künftig nicht mehr Mittel enthalten dürfe als gebundene Mittel für die Zuteilung im Folgejahr, den Schlußüberschußanteilfonds, die Zuweisung zur R. des Geschäftsjahres und 50 % der Zuweisung des Vorjahres.
Dementsprechend machte das B. die Genehmigung der neuen Geschäftspläne davon abhängig, daß diese die R. in der geforderten Weise nach oben begrenzen und Direktgutschriften zugunsten der Versicherten einführen. Die Klägerin weigerte sich, in ihren Geschäftsplänen die Direktgutschrift und die Begrenzung der R. vorzusehen. Sie machte geltend, sie wolle sich durch das Ansammeln der derzeit hohen Überschußbeträge die Möglichkeit schaffen, die Ausschüttungen an die Versicherten langfristig auf einem gleich hohen Niveau zu halten.
Die Beschlußkammer des B. lehnte daraufhin durch Entscheidung vom 26. März 1987 die Anträge den Klägerin ab (VerBAV 1987, S. 255). Zur Begründung führte sie im wesentlichen aus, daß die Genehmigung der neuen Geschäftspläne zu versagen sei, weil ohne die Einführung der Direktgutschrift und die Begrenzung der R. die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt seien, wie § 13 Abs. 1 in Verbindung mit § 8 Abs. 1 Nr. 2 des Versicherungsaufsichtsgesetzes (VAG) u.a. voraussetze. Die vom B. verlangten Maßnahmen seien erforderlich, um eine zeitnahe und damit verursachungsgerechte endgültige Zuteilung der Überschüsse an die Versicherten zu gewährleisten. Anderenfalls erhielten die Versicherungsnehmer einen unwiderruflichen Anspruch auf den ihnen zustehenden Überschußanteil, der erst mit der Gutschrift entstehe, ohne sachgerechten Grund verspätet. Dabei bestehe die Gefahr, daß die zurückgestellten Beträge zwischenzeitlich anderweit, nämlich für eine außerordentliche Verlustdeckung, verwendet und daß die Versicherungsnehmer, die zwischenzeitlich ausschieden, nicht voll an den von ihnen mitverursachten hohen Überschüssen beteiligt würden.
Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin die Aufhebung der Beschlußkammerentscheidung und die Verpflichtung der Beklagten zur Genehmigung der beiden Geschäftspläne. Sie führt im wesentlichen aus: Für die Versagung der Genehmigung und für die Forderung des B. nach Einführung der Direktgutschrift und nach Begrenzung der R. fehle es an einer Rechtsgrundlage. Nach § 56 a VAG obliege ihr, der Klägerin, die Entscheidung über die Verwendung der Überschüsse, zumal sie die bisher angesammelten Beträge durch eine erfolgreiche Anlage- und Kostenpolitik erwirtschaftet habe. Sie dürfe daher auch über die Art und den Zeitpunkt der Zuteilung entscheiden. Für die Höhe der R. sei allein die Obergrenze des § 21 Abs. 2 KStG maßgeblich. Die Aufsichtsbehörde könne allerdings nach Maßgabe des § 81 c VAG, dessen Voraussetzungen hier jedoch nicht erfüllt seien, auf eine angemessene Stärkung der R. hinwirken. Sie könne ferner im Einzelfall Anordnungen nach § 81 Abs. 2 VAG treffen, wenn ein Versicherungsunternehmen keine genügende Überschußbeteiligung ausschütte. Generelle Regelungen wie die hier in Rede stehenden dürfe sie jedoch nicht fordern. Eine Beeinträchtigung der Belange der Versicherten im Sinne von § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG sei auch deswegen nicht gegeben, weil sie, die Klägerin, eine vergleichsweise hohe Überschußbeteiligung gewähre und ihre Praxis die Versicherten nicht schlechter stelle als die verlangten Maßnahmen. Das von ihr praktizierte Zurückhalten der Rückerstattungsbeträge sei sachlich gerechtfertigt, da es für die - von den Versicherungsnehmern erwartete - langfristig gleichbleibende Zuteilung erforderlich sei und da es dem Gedanken der Gefahrengemeinschaft der Versicherungsnehmer und dem Prinzip der dauernden Erfüllbarkeit der Versicherungsverträge Rechnung trage.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Beschlußkammerentscheidung des Bundesaufsichtsamtes für das Versicherungswesen vom 26. März 1987 die Beklagte für verpflichtet zu erklären, den Anträgen der Klägerin vom 8. Juli 1986 auf Genehmigung eines Geschäftsplans für die Großlebensversicherung und vom 24. September 1986 auf Genehmigung eines Geschäftsplans für die Vermögensbildungsversicherung stattzugeben.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie wiederholt und vertieft die Ausführungen in der Beschlußkammerentscheidung.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten betreffend die Anträge der Klägerin Bezug genommen.
II.
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Der angegriffene Bescheid ist rechtmäßig. Die Klägerin wird durch die Ablehnung der erstrebten Genehmigungen nicht in ihren Rechten verletzt.
1.
Nach § 13 Abs. 1 VAG darf die Klägerin Änderungen von Geschäftsplänen erst in Kraft setzen, wenn diese von dem BAV genehmigt worden sind. Gegenstand des Genehmigungsverfahrens sind die beiden neuen Geschäftspläne in ihrer Gesamtheit. Zwar sind in die neuen Geschäftspläne große Teile der bisherigen Geschäftspläne übernommen worden. Es ist aber insgesamt ein neues einheitliches Regelwerk mit einem neuen Preis-Leistungsverhältnis entstanden, so daß die Genehmigung eine Überprüfung der gesamten Pläne einschließlich der gegenüber den bisherigen Plänen unveränderten Regelungen über die Überschußbeteiligung zuläßt und erfordert.
2.
Für die Genehmigung nach § 13 Abs. 1 VAG gilt § 8 VAG entsprechend. Nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG darf die Genehmigung u.a. versagt werden, wenn die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt sind.
Das B. hat die begehrten Genehmigungen fehlerfrei versagt, weil die neuen Geschäftspläne hinsichtlich der Ausschüttung der R. die Belange der Versicherten nicht ausreichend wahren. Eine nicht ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten ist dann gegeben, wenn schutzwürdige Interessen der Versicherten beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigung unter Berücksichtigung der Gesamtheit der beteiligten Interessen und der Besonderheiten des betreffenden Versicherungszweiges als unangemessen anzusehen ist und so schwer wiegt, daß ein Eingreifen der Behörde gerechtfertigt ist (vgl. BVerwGE 11, 245 <247 f.>[BVerwG 22.11.1960 - I A 1/58]; 61, 59 <64 f. [BVerwG 08.10.1980 - 6 P 16/79]>). Eine Beeinträchtigung der Belange der Versicherten in dem dargelegten Sinne ist hier gegeben, weil die neuen Geschäftspläne der Klägerin nicht sicherstellen, daß den Versicherten die ihnen zustehenden Anteile an den Überschüssen hinreichend zeitnah und damit verursachungsgerecht endgültig zugeteilt werden.
a)
Nach der Satzung der Klägerin und den neuen Geschäftsplänen sollen die Versicherten in Höhe von mindestens 90 % des Gewinns an den Überschüssen beteiligt werden; dies hat, da eine Direktgutschrift in den Geschäftsplänen nicht vorgesehen ist, in der Weise zu geschehen, daß die betreffenden Überschüsse der R. zugeführt werden (§ 56 a S. 3 VAG). Hinsichtlich der weiteren Behandlung dieser Beträge fehlt es dagegen an einer Regelung. Es besteht danach keine angemessene Gewähr dafür, daß die in der R. angesammelten Beträge alsbald an die einzelnen Versicherten ausgeschüttet werden. Unter Geltung der bisherigen Geschäftspläne hat dies dazu geführt, daß die Klägerin die in die ... eingestellten Beträge zu einem erheblichen Teil für spätere Ausschüttungen zurückbehalten hat.
Eine vergleichbare Entwicklung ist nach Einführung der neuen Geschäftspläne zu erwarten. Zwar können die Erhöhung des Rechnungszinses und die günstigeren Sterbetafeln die in die R. einzustellenden Überschußbeträge künftig verringern. Da die Geschäftspolitik der Klägerin aber weiterhin darauf gerichtet ist, die in die R. eingestellten Beträge nicht alsbald auszuschütten, sondern so weit zurückzubehalten, daß über eine längere Zeit gleich hohe Zuteilungen möglich bleiben, ist auch nach Einführung der neuen Geschäftspläne mit dem Ansammeln großer Summen in der R. zu rechnen.
Ein solches Hinausschieben der Ausschüttung stellt eine Benachteiligung der Versicherten dar. Mit der Entscheidung der Organe der Klägerin, bestimmte Überschußanteile zum Zwecke der Beitragsrückerstattung in die R. einzustellen, erwirbt der einzelne Versicherte noch keinen Vermögenszuwachs. Er erlangt insbesondere keinen Rechtsanspruch auf baldige Zuteilung eines sich daraus ergebenden Anteils (vgl. BGHZ 87, 346 <354>[BGH 08.06.1983 - IVa ZR 150/81] = Versicherungsrecht 1983, 746 <747>). Er erhält lediglich eine nicht weiter konkretisierte Anwartschaft, die zudem nachträglich wieder entfallen oder gemindert werden kann. Sie kann einmal dadurch ganz oder teilweise entfallen, daß die Rückstellungen aufgelöst und zur außerordentlichen Verlustdeckung verwendet werden, da die Klägerin sich dies, wie branchenüblich, in ihrem Grundsatzgeschäftsplan für die Überschußbeteiligung vorbehalten hat (vgl. Prölss/Schmitt/Frey, VAG, 10. Aufl., § 56 a Rdnr. 6). Sie kann ferner unerfüllt bleiben, wenn das Versicherungsverhältnis endet, bevor die Zuteilung der während des Versicherungsverhältnisses angesammelten Rückstellungsbeträge begonnen hat oder abgeschlossen ist. Erst mit der Zuteilung erwirbt der Versicherte einen unmittelbaren unwiderruflichen Vermögenszuwachs, bei der Klägerin, die die Zuteilung im Wege der verzinslichen Ansammlung vornimmt, mithin eine unwiderrufliche Erhöhung seines an der Verzinsung teilnehmenden Guthabens.
b)
Der mit einer Verzögerung der Ausschüttung verbundene Nachteil beeinträchtigt schutzwürdige Belange der Versicherten. Die jeweiligen Versicherten haben ein berechtigtes Interesse daran, an den Überschüssen, die während ihrer Vertragszeit erwirtschaftet werden, angemessen beteiligt zu sein. Diese Überschüsse beruhen nämlich wesentlich auch darauf, daß in der Lebensversicherung die Beiträge hohe Sicherheitszuschläge enthalten, die die Unsicherheitsfaktoren, die mit der künftigen Entwicklung beim Risiko-, Zins- und Kostenverlauf verbunden sind, im Interesse der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge auffangen sollen. Als Ausgleich für die vorsorglich hohe Bemessung der Beiträge sind die Versicherten an den Überschüssen zu beteiligen (vgl. §§ 56 a, 81 c VAG, BT-Drucks. 9/1493, S. 27). Da die "Sicherheitszuschläge" der Beiträge in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation weitgehend nicht "benötigt" werden, sind die Beiträge somit zu Lasten der Versicherten an sich zu hoch bemessen. Die Versicherten haben daher ein schutzwürdiges Interesse daran, daß ihnen die für die Rückvergütung ihrer an sich zu hoch bemessenen Beiträge vorgesehenen Beträge auch zeitnah und damit verursachungsgerecht endgültig ausgeschüttet werden und daß die Geschäftspläne dies hinreichend gewährleisten.
c)
Die Benachteiligung der Versichertenbelange, die durch ein längeres Hinauszögern der Ausschüttung der für die Beitragsrückerstattung bestimmten Beträge eintritt, ist in dem oben erwähnten Sinne unangemessen. Es bestehen keine schutzwürdigen Interessen der Klägerin, derentwegen ihr ein solches Zurückhalten der Überschußbeteiligung in der R. zu ermöglichen wäre.
Der Klägerin steht hinsichtlich der in die R. eingestellten Beträge keine völlig freie Entscheidung über die Art und Weise ihrer Behandlung zu. Die ff unterliegt einer grundsätzlich unabänderlichen Zweckbindung dahin, daß die in ihr angesammelten Beträge an die derzeitigen Versicherungsnehmer auszuschütten sind. Bei Berücksichtigung des Zwecks der Beitragsrückvergütung gebieten Treu und Glauben, die Ausschüttung ohne unbillige Verzögerung vorzunehmen. Der Einwand der Klägerin, die Überschüsse beruhten teilweise nicht auf überhöhten Beiträgen, sondern auf ihrer Unternehmerleistung, und ihre Organe hätten nach der bisherigen Praxis höhere Beträge in die R. eingestellt, als rechtlich erforderlich gewesen sei, greift demgegenüber nicht durch. Mit der Einstellung in die R. ist die Klägerin dahin gebunden, daß die Beträge als Ausgleich für zu hohe Beiträge den Versicherten zurückzuerstatten und folglich nach den dargelegten Grundsätzen auszuschütten sind; sie kann ihnen nachträglich keine andere Zweckbestimmung geben.
Das Anliegen der Klägerin, möglichst langfristig eine gleichhohe Überschußbeteiligung zu gewähren, ist nicht in dem von ihr beanspruchten Umfang schutzwürdig. Zwar ist einem Versicherungsunternehmen zuzubilligen, auf eine gewisse Stetigkeit der Höhe der Überschußbeteiligung über mehrere Jahre zu achten (vgl. BGHZ 87, 346 <355>[BGH 08.06.1983 - IVa ZR 150/81] = Versicherungsrecht 1983, 746 <747>). Gerade dies soll ihm mit ihrer "Pufferfunktion" die RfB ermöglichen, in die demgemäß die für die Versicherten bestimmten Überschußanteile zunächst eingestellt werden dürfen. Für eine solche Ausgleichsmöglichkeit benötigt die Klägerin aber nicht die von ihr beanspruchte Freiheit zur Entscheidung über die Höhe und den Zeitpunkt der Ausschüttung der R. Verringern sich die Überschüsse wesentlich und nachhaltig, so ist es angemessen, die Überschußbeteiligung herabzusetzen; angesichts der Möglichkeit einer solchen Verringerung ist es mit Blick auf die berechtigten Belange der Versicherten nicht gerechtfertigt, angefallene und für die Beitragsrückerstattung bestimmte Überschüsse in der von der Klägerin beabsichtigten Weise zurückzuhalten.
Desgleichen greift das Vorbringen der Klägerin nicht durch, Schwankungen in der Höhe der jährlichen Ausschüttung könnten die Erwartungen der Versicherten beeinträchtigen. Zum einen ermöglicht die Aufnahme der für die Überschußbeteiligung vorgesehenen Mittel in die R. daß gewisse Schwankungen ausgeglichen und demgemäß jährliche Änderungen der auszuschüttenden Sätze vermieden werden. Zum anderen ist nach der Lebenserfahrung davon auszugehen, daß die Versicherten bei einer an die jeweiligen Überschüsse geknüpften Beitragsrückerstattung mit Schwankungen rechnen. Es ist allgemein bekannt, daß Unternehmensgewinne vielfachem Wechsel unterliegen und daß auch im Bereich der Lebensversicherung - wie die Klägerin demgemäß in ihrer Werbung betont - keine festen Vorhersagen gemacht werden können.
Auch soweit sich die Klägerin darauf beruft, daß sie entsprechend dem Wesen der Versicherung als einer auf Dauer angelegten Gefahrengemeinschaft die langfristigen Interessen der Versicherten zu wahren habe, legt sie keine Belange dar, die im vorliegenden Zusammenhang schutzwürdig wären. Bei der R. handelt es sich um Beträge, die nach vorheriger Absicherung der sonstigen Interessen der Versicherten, insbesondere hinsichtlich der dauernden Erfüllbarkeit der Verträge, als Überschüsse verbleiben und zurückzuerstatten sind. Sie sollen aber nicht davor schützen, daß sich im Laufe der Jahre die Überschüsse des Versicherungsunternehmens und damit die Beitragsrückerstattungsbeträge ändern. Eine Ausschüttungspraxis, bei der große Teile der R. zunächst gar nicht und möglicherweise erst anderen Generationen von Versicherten zugeteilt werden, entspricht nicht dem Sinn und Zweck der R.
Nicht durchschlagend ist auch der Vortrag der Klägerin, daß sie bisher überdurchschnittlich hohe Beträge in die R. eingestellt habe und diese Praxis ändern werde, wenn sie zu einer schnelleren Ausschüttung verpflichtet sein sollte. Im Genehmigungsverfahren sind diejenigen Versicherten zu schützen, die nach Einführung der neuen Geschäftspläne einen Versicherungsvertrag abschließen. Für sie ist sicherzustellen, daß sie ohne unangemessene Verzögerung die Beitragsrückerstattung erhalten; sie dürfen nicht deshalb durch Zurückhaltung angefallener und durch Aufnahme in die R. für die Rückerstattung bestimmter Überschüsse benachteiligt werden, damit später hinzukommende Versicherungsnehmer u.U. eine höhere Rückerstattung erhalten können, als während ihrer Vertragszeit erwirtschaftet wird. Der Spielraum der Klägerin bei der Zuführung von Überschüssen zur B. ist auch nicht so groß, daß eine erhebliche Verringerung der Rückgewährquote zu befürchten wäre. Ihre satzungsmäßige Bindung, die Eingriffsmöglichkeiten des B. und die Kontrolle durch den Wettbewerb engen insoweit ihre Entscheidungsfreiheit wesentlich ein und lassen es nicht als wahrscheinlich erscheinen, daß eine geschäftsplanmäßige Verpflichtung zur zeitnahen und damit verursachungsgerechten endgültigen Ausschüttung nicht in der beschriebenen Weise den Versicherten zugute käme, sondern sich sogar "kontraproduktiv" auswirkte.
d)
Die dargelegte Benachteiligung ist ferner so erheblich, daß ein Eingreifen des B. gerechtfertigt ist (vgl. BVerwGE 61, 59 <65>[BVerwG 14.10.1980 - 1 A 12/78]). Unter der Geltung der bisherigen Geschäftspläne hatte die Klägerin bereits im Jahre 1982 in der RfB rund 29 Millionen Deutsche Mark an "freien" Mitteln über die von der Beklagten jetzt für angemessen erachteten Obergrenze hinaus angesammelt. Dieser Betrag entsprach etwa 13 % des damaligen durchschnittlichen Guthabens ihrer Versicherten und hätte deswegen für mehr als sechs Jahre eine - zusätzliche - jährliche Gutschrift von 2 % ermöglicht. Es ist nicht zu erwarten, daß sich aufgrund der neuen Geschäftspläne insoweit eine wesentlich abweichende Entwicklung ergeben würde. Diese Pläne enthalten zwar eine Erhöhung des Rechnungszinses von 3 % auf 3,5 % und günstigere Sterbetafeln; es ist aber kein Anhalt dafür gegeben, daß dies ein unangemessenes Zurückhalten von Überschüssen in der R. verhindern könnte. Dagegen spricht auch, daß die Klägerin langfristig wie bisher eine gleichbleibende, relativ hohe Überschußbeteiligung gewährleisten will und somit selbst erwartet, daß sich die da für erforderlichen Beträge weiterhin in der R. ansammeln werden. Daß die Klägerin nach ihrem Vorbringen bisher ihren Versicherten jährlich Überschußbeteiligungen in einer Höhe gutgeschrieben hat, die eine Spitzenstellung in der Branche bedeuten, schließt nicht aus, daß die zur Genehmigung gestellten Geschäftspläne die Belange der Versicherten aus den dargelegten Gründen nicht ausreichend wahren. Der Umstand nämlich, daß die Höhe der von der Klägerin gewährten Überschußbeteiligung im Branchenvergleich nicht zu beanstanden ist und sein wird, steht nicht der Annahme entgegen, daß im Hinblick auf die Schnelligkeit der Ausschüttung die Belange der Versicherten erheblich beeinträchtigt werden.
3.
Der Beklagten ist auch darin zuzustimmen, daß die Genehmigungsfähigkeit der neuen Geschäftspläne nur durch die Aufnahme einer Obergrenze für die R. erreicht werden kann, solange die Klägerin, was ihr freisteht, die Mittel für die den einzelnen Versicherungsnehmern gutzuschreibenden Beträge ausschließlich der R. entnehmen will. Ein anderes Mittel, durch das die Belange der Versicherten insoweit ausreichend gewahrt werden könnten, ist nicht ersichtlich.
Das B. hat die Obergrenze jedenfalls nicht zu niedrig angesetzt. Hierfür ist unbeachtlich, daß diese Grenze unter derjenigen liegt, die § 21 Abs. 2 KStG als Obergrenze der R. in der Lebensversicherung festsetzt; denn diese Norm ist im vorliegenden Zusammenhang nicht maßgebend. Der § 21 Abs. 2 KStG regelt die steuerliche Abzugsfähigkeit von Zuführungen zur R. und bestimmt, daß die R. aufzulösen ist, soweit sie die aufgeführte Summe übersteigt. Damit soll - wie sich aus der Begründung des Regierungsentwurfs ergibt - "sichergestellt werden, daß die Rückstellung nur Beträge enthält, die ausschließlich für die Beitragsrückerstattung verwendet werden, nicht dagegen Mittel, die zur Kapitalverstärkung dienen und daher den Charakter einer Rücklage haben" (BT-Drucks. 7/1470, S. 358). Die in § 21 Abs. 2 KStG festgelegte Grenze dient somit lediglich dem steuerrechtlichen Ziel, eine zweckwidrige Verwendung der RfB als bloße Vermögensansammlung auszuschließen. Die Belange der Versicherten im Sinne des § 8 Abs. 1 Nr. 2 VAG verlangen dagegen eine Obergrenze, die zeitnahe und damit verursachungsgerechte endgültige Ausschüttungen sichert. Sie können es deswegen erforderlich machen, in den Geschäftsplänen eine niedrigere Obergrenze anzusetzen.
Das B. will die Mittel, die in der R. zurückbehalten werden dürfen, auf einen Betrag begrenzen, der sich aus folgenden Posten ergibt: Gebundene Mittel für die Zuteilung im Folgejahr, Schlußüberschußanteilfonds, Zuweisung zur R. des Geschäftsjahres und 50 % der Zuweisung zur R. des Vorjahres. Mit dieser Reserve ist regelmäßig eine gleichbleibende Ausschüttung für mehrere Jahre gewährleistet. Damit ist der "Pufferfunktion" der R. Rechnung getragen; die Möglichkeit eines weitergehenden Zurückhaltens der zur Rückerstattung bestimmten Beträge wäne im Hinblick auf das schutzwürdige Interesse der Versicherten an einer zeitnahen und damit verursachungsgerechten endgültigen Beitragsrückerstattung nicht mehr angemessen.
Dagegen darf das B. die begehrten Genehmigungen nicht von der Einführung einer Direktgutschrift abhängig machen, durch die den Versicherten Überschußanteile des Geschäftsjahres ohne vorherige Einstellung in die R. direkt gutgeschrieben werden sollen. Da das Gesetz in § 56 a Satz 3 VAG vorsieht, daß die für die Überschußbeteiligung der Versicherten bestimmten Beträge in die R. eingestellt werden, kann es der Klägerin nicht verwehrt werden, in dieser Weise zu verfahren, übrigens erlangen die Versicherten durch die vom B. für erforderlich gehaltene Direktgutschrift in Höhe von 1,5 % des jeweiligen Guthabens unter Anrechnung auf die Auschüttung aus der R. keine wesentlichen Vorteile. Das entscheidende Anliegen, daß die Überschüsse zeitnah und damit verursachungsgerecht endgültig ausgeschüttet werden, kann durch die oben erörterte Begrenzung der R. sichergestellt werden; denn diese bewirkt bereits, daß die für die Beitragsrückerstattung bestimmten Beträge alsbald zugeteilt werden. Hinzu kommt, daß sich die Klägerin in den zur Genehmigung gestellten Geschäftsplänen verpflichten will, die Zinsüberschußanteile für das folgende Geschäftsjahr - entsprechend den Modalitäten der von der Beklagten geforderten Direktgutschhift - nur dann unter 1,5 % zu senken, wenn die Klägerin diesen Prozentsatz voraussichtlich nicht mehr erwirtschaften kann.
4.
Zu Unrecht wendet die Klägerin demgegenüber schließlich ein, aus mehreren Vorschriften des Versicherungsaufsichtsgesetzes sei herzuleiten, daß die Beklagte nicht berechtigt sei, zur Wahrung der Belange der Versicherten auf eine Gestaltung der Geschäftspläne hinzuwirken, die eine raschere Ausschüttung der Überschußbeteiligung gewährleistet.
Die von der Klägerin herangezogene Vorschrift des § 81 c VAG, die Maßnahmen zur Sicherstellung angemessener Zuführungen zur R. vorsieht, schließt das Vorgehen des E. nicht aus. Sie regelt nur die Zuführungen zur R. nicht aber die Verwendung der zugeführten Mittel. Sie verbietet somit nicht, daß auf einer anderen Rechtsgrundlage auch die Zuteilung der in der R. angesammelten Beträge an die Versicherten kontrolliert wird.
Auch der § 56 a VAG, der die Bemessung der in die B. einzustellenden Beträge den Organen der Versicherungs-Aktiengesellschaft überträgt, steht den hien zu beurteilenden Maßnahmen des B. nicht entgegen. Diese Bestimmung betrifft wiederum nur die Zuführung von Überschüssen in die R. Hinsichtlich der Verwendung, insbesondere der Ausschüttung dieser Mittel, trifft sie keine Regelung; sie überläßt sie insbesondere nicht der freien, von den versicherungsaufsichtsrechtlichen Bindungen ausgenommenen Entscheidung der dort genannten Organe.
Die Regelung des § 81 Abs. 2 Satz 1 VAG, nach der das BAV u.a. geeignete Anordnungen zur Beseitigung von Mißständen, welche die Belange der Versicherten gefährden, treffen kann, ist hier ebenfalls nicht einschlägig. Zwar mag diese Bestimmung auch dazu dienen, bevorstehenden Beeinträchtigungen der Versichertenbelange vorzubeugen. Im Rahmen eines Genehmigungsverfahrens nach § 13 Abs. 1 VAG ist jedoch die Versagung der Genehmigung zur Verhinderung einer unangemessenen Benachteiligung der Versichertenbelange die speziellere und damit vorrangige Maßnahme, wenn schon nach dem zur Genehmigung gestellten Geschäftsplan die Belange der Versicherten nicht ausreichend gewahrt sind.
Die Versagung der Genehmigung im vorliegenden Fall ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, daß § 13 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 8 Abs. 2 VAG die Erteilung der Genehmigung unter Auflagen vorsieht. Eine Auflage kommt nur in Betracht, um bei der im übrigen antragsgemäßen Erteilung eines Verwaltungsaktes ein zusätzliches Verhalten zu bewirken (§ 36 Abs. 2 Nr. 4 VwVfG). Hier verneint die Beklagte - wie dargelegt zu Recht - bereits solche Genehmigungsvoraussetzungen, die nicht durch eine Auflage zu den vorgelegten Plänen, sondern nur durch eine - von der Klägerin gerade abgelehnte - Änderung der Pläne selbst geschaffen werden könnten.
5.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
Streitwertbeschluss:
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.000.000 DM festgesetzt.
Dr. Diefenbach
Dr. Scholz-Hoppe
Richter am Bundesverwaltungsgericht Gielen ist infolge Urlaubsabwesenheit verhindert, seine Unterschrift beizufügen. Meyer
Dr. Kemper