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Bundesverfassungsgericht
Urt. v. 24.09.2003, Az.: 2 BvR 1436/02

Abweichende Meinung zur "Kopftuchentscheidung" des Zweiten Senats vom 24. September 2003; Tragen eines Kopftuches durch eine Lehrerin an einer öffentlichen Schule; Ausdruck der Zugehörigkeit zur islamischen Religionsgemeinschaft als Eignungsmangel für das Amt eines Lehrers an einer öffentlichen Schule; Dienstpflichten eines Beamten und dessen Religionsfreiheit oder Weltanschauungsfreiheit ; Anspruch auf Einstellung in den Schuldienst des Landes Baden-Württemberg; Eignungskriterien für einöffentliches Amt; Wirkung der Grundrechte im Beamtenverhältnis; Neutralitätspflicht eines Beamten; Grundrecht der Glaubensfreiheit; Mäßigungsgebot und Neutralitätsgebot eines Beamten; Grundrechte bei der Ausübung einesÖffentlichen Amtes

Bibliographie

Gericht
BVerfG
Datum
24.09.2003
Aktenzeichen
2 BvR 1436/02
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 2003, 25580
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
VG Stuttgart - 24.03.2000 - AZ: 15 K 532/99
VGH Baden-Württemberg - 26.06.2001 - AZ: 4 S 1439/00
VGH Baden-Wrttemberg - 26.06.2001 - AZ: 4 S1439/00
BVerwG - 04.07.2002 - AZ: 2 C 21/01
nachfolgend
BVerfG - 24.09.2003 - AZ: 2BvR 1436/02
BVerfG - 15.03.2004 - AZ: 2 BvR 1436/02
BVerfG - 15.03.2004 - AZ: 2BvR 1436/02
BVerwG - 24.06.2004 - AZ: 2 C 45.03

Fundstellen

  • AuR 2004, 27-31 (Volltext mit amtl. LS)
  • DSB * 2003, 20 (red. Leitsatz)
  • DVBl 2003, 1526-1541 (Volltext mit amtl. LS)
  • DÖV 2004, 30-38 (Volltext mit amtl. LS)
  • JuS 2003, 1220-1224 (Volltext mit amtl. LS)
  • JuS 2003, XXII Heft 11 (Pressemitteilung)
  • MDR 2003, 1296 (amtl. Leitsatz)
  • NJ 2003, III Heft 11 (Pressemitteilung)
  • NJW 2003, 3111-3122 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 2003, 3297-3301 (Urteilsbesprechung von RAin Dr.Ute Sacksofsky)
  • NVwZ 2003, 1210-1213
  • NVwZ 2003, 1248 (amtl. Leitsatz)
  • SchuR 2003, 2-9 (Urteilsbesprechung von Thomas Böhm)
  • ZAR 2003, 365-366 (amtl. Leitsatz)

Abweichende Meinung

der Richter Jentsch, Di Fabio und Mellinghoff

zum Urteil des Zweiten Senats vom 24. September 2003

- 2 BvR 1436/02 -

Gründe

1

Die Senatsmehrheit nimmt an, bestimmte Dienstpflichten eines Beamten dürften nur durch parlamentarisches Gesetz begründet werden, wenn sie in Zusammenhang mit dessen Religions- oder Weltanschauungsfreiheit stehen. Dies wurde bislang weder in Rechtsprechung und Literatur noch von der Beschwerdeführerin selbst vertreten. Mit dieser Auffassung bleibt nicht nur die dem Gericht unterbreitete grundsätzliche Verfassungsfrage nach der staatlichen Neutralität im Bildungs- und Erziehungsraum der Schule unentschieden, sie führt auch zu einer im Grundgesetz nicht angelegten Fehlgewichtung im System der Gewaltenteilung sowie im Verständnis der Geltungskraft der Grundrechte beim Zugang zu öffentlichen Ämtern. Die Entscheidung geht über den ausdrücklich bekundeten Willen des baden-württembergischen Landtages hinweg, aus Anlass des Falles der Beschwerdeführerin kein formelles Gesetz zu erlassen; sie lässt zudem die Volksvertretung im Unklaren darüber, wie eine verfassungsgemäße Regelung getroffen werden kann. Schließlich gibt die Senatsmehrheit dem Landesgesetzgeber keine Möglichkeit, sich auf die von ihr angenommene neue Verfassungsrechtslage einzustellen und versäumt es, Rechtsprechung und Verwaltung zu sagen, wie sie bis zum Erlass eines Landesgesetzes verfahren sollen.

2

I.

Die Senatsmehrheit nimmt zu Unrecht einen schwerwiegenden Eingriff in die Religions- und Weltanschauungsfreiheit der Beschwerdeführerin an, um einen Gesetzesvorbehalt zu rechtfertigen. Damit verkennt sie die funktionelle Begrenzung des Grundrechtsschutzes für Beamte. Im Fall des Zugangs zu einem öffentlichen Amt gibt es keine offene Abwägungssituation gleichwertiger Rechtsgüter; das für die Grundrechtsverwirklichung wesentliche Rechtsverhältnis in der Schule wird in erster Linie durch den Grundrechtsschutz von Schülern und Eltern geprägt.

3

1.

Wer Beamter wird, stellt sich in freier Willensentschließung auf die Seite des Staates. Der Beamte kann sich deshalb nicht in gleicher Weise auf die freiheitssichernde Wirkung der Grundrechte berufen wie jemand, der nicht in die Staatsorganisation eingegliedert ist. In Ausübung seines öffentlichen Amtes kommt ihm deshalb das durch die Grundrechte verbürgte Freiheitsversprechen gegen den Staat nur insoweit zu, als sich aus dem besonderen Funktionsvorbehalt des öffentlichen Dienstes keine Einschränkungen ergeben. Der beamtete Lehrer unterrichtet auch im Rahmen seiner persönlichen pädagogischen Verantwortung nicht in Wahrnehmung eigener Freiheit, sondern im Auftrag der Allgemeinheit und in Verantwortung des Staates. Beamtete Lehrer genießen deshalb bereits vom Ansatz her nicht denselben Grundrechtsschutz wie Eltern und Schüler: Die Lehrer sind vielmehr an Grundrechte gebunden, weil sie teilhaben an der Ausübung öffentlicher Gewalt.

4

Mit der Formulierung von Dienstpflichten für die Beamten genügt die staatliche Verwaltung auch ihrer Bindung aus Art. 1 Abs. 3 GG; die Dienstpflicht des Beamten ist die Kehrseite der Freiheit desjenigen Bürgers, dem die öffentliche Gewalt in der Person des Beamten gegenübertritt. Werden dem Lehrer Dienstpflichten für die Ausübung seines Amts auferlegt, geht es daher nicht um Eingriffe in die staatsfreie Gesellschaft und die dadurch begründete Forderung nach dem parlamentarischen Gesetz zum Schutz des Bürgers. Mit Dienstpflichten sichert der Staat in seiner Binnensphäre die gleichmäßige, gesetzes- und verfassungstreue Verwaltung.

5

Die Senatsmehrheit hat diesen Strukturunterschied nicht ausreichend berücksichtigt. Dadurch wird die grundrechtlich unterschiedliche Lage des Lehrers einerseits sowie der Schüler und Eltern andererseits nicht zutreffend erfasst. Insbesondere die Rechtsstellung des Bewerbers, dem es an einem Rechtsanspruch auf den begehrten Eintritt in die Organisationswelt des Staates fehlt, darf nicht aus der Abwehrperspektive eines Grundrechtsträgers gegen den Staat gesehen werden. Der freiwillige Eintritt in das Beamtenverhältnis ist eine vom Bewerber in Freiheit getroffene Entscheidung für die Bindung an das Gemeinwohl und die Treue zu einem Dienstherren, der in der Demokratie für das Volk und kontrolliert durch das Volk handelt. Wer Beamter werden will, darf deshalb das Gebot der Mäßigung und der beruflichen Neutralität nicht ablehnen, weder generell noch in Bezug auf bestimmte, vorweg erkennbare dienstliche oder außerdienstliche Konstellationen. Mit diesen Pflichten ist jedenfalls nicht zu vereinbaren, dass der Beamte den Dienst im Innenverhältnis prononciert als Aktionsraum für Bekenntnisse, gleichsam als Bühne grundrechtlicher Entfaltung nutzt. Die ihm übertragene Aufgabe besteht darin, dem demokratischen Willen, d.h. dem Gesetzeswillen und dem der verantwortlichen Regierung fachlich, sachlich, nüchtern und neutral zur Wirksamkeit zu verhelfen und als Individuum dort zurückzustehen, wo seine Ansprüche auf Verwirklichung der Persönlichkeit geeignet sein können, Konflikte im Dienstverhältnis und damit Hindernisse für die Verwirklichung demokratisch gebildeten Willens zu erzeugen.

6

2.

Beamte unterscheiden sich grundsätzlich von denjenigen Bürgern, die durch Maßnahmen der öffentlichen Gewalt einem Sonderstatusverhältnis unterworfen werden, dabei aber nicht etwa in die Sphäre des Staates wechseln, sondern nur in eine rechtliche Sonderbeziehung treten, wie Schüler und deren erziehungsberechtigte Eltern in der staatlichen Pflichtschule (BVerfGE 34, 165 (192 f.); 41, 251 (259 f. [BVerfG 27.01.1976 - 1 BvR 2325/73]); 45, 400 (417 f.); 47, 46 (78 ff.)) oder Strafgefangene im Vollzug (BVerfGE 33, 1 (11) [BVerfG 14.03.1972 - 2 BvR 41/71]). Es ist deshalb ein Irrtum zu glauben, mit der Betonung grundrechtlicher Positionen im innerdienstlichen Bereich könne ein weiteres Mal - nach dem Kampf gegen das Institut des besonderen Gewaltverhältnisses - eine Schlacht für die Freiheitsidee des Grundgesetzes geschlagen werden. Das Gegenteil ist der Fall. Wer den grundrechtsverpflichteten Lehrer primär als Grundrechtsträger begreift und seine Freiheitsansprüche damit gegen Schüler und Eltern richtet, verkürzt die Freiheit derer, um derentwillen mit der Wesentlichkeitstheorie der Gesetzesvorbehalt im Schulrecht ausgedehnt wurde.

7

Das Verhältnis des Beamten zum Staat ist eine besondere Nähebeziehung, die von der Verfassung anerkannte und als bewahrenswert angesehene Sachgesetzlichkeiten aufweist. Beamte sollen nach der ausgewogenen Konzeption des Grundgesetzes durchaus freiheitsbewusste Staatsbürger sein - anders wäre die Treue zur freiheitlichen Verfassung nur ein Lippenbekenntnis -, sie sollen zugleich aber den grundsätzlichen Vorrang der Dienstpflichten und den darin verkörperten Willen der demokratischen Organe achten. Der Beamte ist als Persönlichkeit kein bloßes "Vollzugsinstrument", auch wenn er sich zum Dienst am Gemeinwohl entschließt. Wer Beamter werden will, muss sich jedoch mit dem Verfassungsstaat in wichtigen Grundsatzfragen und bei der Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben loyal identifizieren, weil umgekehrt auch der Staat durch seinen öffentlichen Dienst repräsentiert und deshalb mit dem konkreten Bediensteten identifiziert wird. Von dieser Idee der Gegenseitigkeit und der Nähe sind alle Grundsätze des Berufsbeamtentums beherrscht.

8

Grundrechtliche Freiheitsansprüche eines Beamten oder des Bewerbers um ein öffentliches Amt sind deshalb von vornherein nur insoweit gewährleistet, als sie mit diesen Sachgesetzlichkeiten vereinbar sind. Sie fügen sich in diese Notwendigkeiten des öffentlichen Amts ein, wenn keine Hindernisse für den Dienstbetrieb befürchtet werden müssen. Alles andere als ein solcher Funktionsvorbehalt für Grundrechtsansprüche der Beamten im Dienst wäre mit der Konkordanz der Verfassung nicht zu vereinbaren. Andernfalls würde die Verfassungsinterpretation einen Widerspruch eröffnen, der im Grundgesetz selbst nicht angelegt ist. Die Grundrechte mit ihrer Bestimmung, Distanz zwischen politischer Herrschaft und staatsfreier Gesellschaft zu gewährleisten, sollen sich nicht gerade dort entfalten, wo die Verfassung ein besonderes Näheverhältnis will und deshalb wechselseitige Distanzierung grundsätzlich ausschließt.

9

Die Grundrechte wahren Distanz zwischen Bürger und Staatsgewalt gerade um der Begrenzung staatlicher Herrschaft willen (Loschelder, in: Isensee/Kirchhof (Hrsg.), Handbuch des Staatsrechts, Band V, 2. Aufl., 2000, § 123, Rn. 16; Di Fabio, VVDStRL 56, S. 235 (253 f.)). Diese vornehmste Funktion der Grundrechte darf sich aber nicht dort uneingeschränkt entfalten, wo die Distanz gerade durch die Staatseingliederung aufgehoben werden soll und deshalb von der Verfassung der Abstand nicht gewollt ist. Im Rahmen einer von der Verfassung institutionell gewollten Nähebeziehung kann sich daher die ursprünglichste Grundrechtsfunktion nicht Geltung verschaffen, ohne die Nähebeziehung und die Verfassungsentscheidung für einen demokratisch dirigierten öffentlichen Dienst in Frage zu stellen.

10

3.

Die Eignungsbeurteilung im Rahmen des speziellen Gleichheitsrechts aus Art. 33 Abs. 2 GG darf nicht mit einem Eingriff in die Freiheitssphäre des Art. 4 Abs. 1 GG verwechselt werden.

11

Voraussetzung und gleichsam Normalfall klassischer Freiheitsrechte ist ein Eindringen der öffentlichen Gewalt in die Sphäre des Bürgers. Davon weichen diejenigen Konstellationen ab, in denen der Bürger auf den Staat zugeht, von der Allgemeinheit Leistungen einfordert oder ihr seine Dienste anbietet. Nicht die öffentliche Gewalt dringt hier in die Gesellschaft ein, sondern Grundrechtsträger suchen die Nähe zur staatlichen Organisation, erstreben deren Handeln, suchen eine Rechtsbeziehung.

12

Die Verfassungsbeschwerde rügt die Verletzung von Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 33 Abs. 3 GG und beruft sich mithin auf ein spezielles Gleichheitsrecht. Für isoliert geltend gemachte oder mit einem Leistungsanspruch verbundene Gleichheitsrechte kann aber der Gesetzesvorbehalt nicht eingreifen. Der Gleichheitsverstoß führt nicht zu einem Eingriff in ein Freiheitsrecht, der den Gesetzesvorbehalt auslösen könnte. Die Eingriffskonstellation verläuft anders: Die Ernennung eines Lehrers, der in seiner Person keine Gewähr für eine neutrale Amtsführung im Unterricht bietet, beeinträchtigt mittelbar Grundrechte der Schüler und ihrer Eltern; insofern könnte allenfalls über die Erforderlichkeit eines Gesetzes im Hinblick auf den Freiheitsschutz der Schüler und Eltern diskutiert werden.

13

Verbietet der Staat jemandem das zumindest auch religiös motivierte Tragen des Kopftuches auf einem öffentlichen Platz, greift er zweifellos in das Grundrecht der Religionsfreiheit ein. Möchte der Beamte dagegen in einem bereits von der Verfassung als neutral bestimmten Bereich - hier im Unterricht einer staatlichen Pflichtschule - und als Repräsentant der Allgemeinheit religiös begriffene Zeichen setzen, so übt er nicht eine ihm als Individuum zustehende Freiheit im gesellschaftlichen Raum aus. Die Freiheitsentfaltung des Beamten im Dienst ist von vornherein durch die Sachnotwendigkeiten und vor allem die verfassungsrechtliche Ausgestaltung des Amtes begrenzt - anders würde die Verwirklichung des Volkswillens an einem Übermaß an Freiheitsansprüchen der Repräsentanten des Staates scheitern. Bei der Wahrnehmung des Schuldienstes hat der Lehrer die Grundrechte der Schüler und ihrer Eltern zu achten, er steht nicht nur auf der Seite des Staates, der Staat handelt durch ihn. Wer den Beamten, abgesehen von Statusfragen, als uneingeschränkt grundrechtsberechtigt gegenüber seinem Dienstherren sieht, löst die um der Freiheit von Kindern und Eltern willen gezogene Grenze zwischen Staat und Gesellschaft auf. Er nimmt damit in Kauf, dass die Durchsetzung demokratischer Willensbildung erschwert wird und ebnet stattdessen einer schwer kontrollierbaren juristischen Abwägung zwischen Grundrechtspositionen von Lehrern, Eltern und Schülern den Weg.

14

4.

Eines Gesetzes bedarf es schließlich auch nicht deshalb, weil die Eignungsbeurteilung eines Beamten mittelbare Wirkungen in einem für die Grundrechte wesentlichen Rechtsverhältnis entfaltet. Zwar ist die Geltung des Gesetzesvorbehalts im Schulrecht in der Vergangenheit um der Eltern und Schüler willen ausgeweitet worden, nicht jedoch zum Schutze der beamteten Lehrer. Das Beamtenverhältnis als eine besondere Nähebeziehung zwischen Bürger und Staat wurde im Gegensatz zum Schulrecht mit seinem nach außen gerichteten und in das Elternrecht einwirkenden Leistungscharakter gerade nicht als Rechtsbeziehung verstanden, die vom Grundrechtsanspruch des Beamten geprägt wird (vgl. Oppermann, Verhandlungen des 51. Deutschen Juristentages, 1976, Band I, Teil C Gutachten, Nach welchen rechtlichen Grundsätzen sind das öffentliche Schulwesen und die Stellung der an ihm Beteiligten zu ordnen?, C 46 f.).

15

Unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit könnte daher lediglich von Bedeutung sein, wenn ein Land die Verwendung des Kopftuchs oder anderer konfliktgeeigneter religiöser oder weltanschaulicher Symbole im Unterricht zulassen würde. Denn dann wäre auch ohne den bereits konkret geltend gemachten Grundrechtseingriff in Schüler- und Elternrechte eine grundrechtliche Gefahrenlage entstanden, die der gesetzlichen Regelung bedürfte. Eine Ausdehnung des Gesetzesvorbehalts unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit auf Freiheitsansprüche des Lehrers bei der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit dagegen ist bislang noch nicht vertreten worden.

16

II.

Die Neutralitätspflicht des Beamten ergibt sich aus der Verfassung selbst, sie bedarf keiner zusätzlichen landesgesetzlichen Grundlegung. Der Beamte, der keine Gewähr für eine in seinem Gesamtverhalten neutrale, den jeweiligen dienstlichen Anforderungen angemessene Amtsführung bietet, ist ungeeignet im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 92, 140 (151) [BVerfG 21.02.1995 - 1 BvR 1397/93]; 96, 189 (197)).

17

Die Begründung der Senatsmehrheit schiebt den grundrechtlichen Freiheitsanspruch weit in das öffentliche Dienstrecht, ohne die vom Grundgesetz in Art. 33 GG getroffene Strukturentscheidung angemessen zu gewichten. Sie ist deshalb mit grundlegenden Aussagen der Verfassung zum Verhältnis von Gesellschaft und Staat nicht in Einklang zu bringen. Verkannt wird insbesondere die Stellung des öffentlichen Dienstes bei der Verwirklichung des demokratischen Willens.

18

1.

Wer ein öffentliches Amt erstrebt, sucht im status activus die Nähe zur öffentlichen Gewalt und begehrt - wie die Beschwerdeführerin - die Begründung eines besonderen Dienst- und Treueverhältnisses zum Staat. Diese besondere, durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich abgesicherte Pflichtenstellung überlagert den grundsätzlich auch für Beamte geltenden Schutz der Grundrechte (vgl. BVerfGE 39, 334 (366 f.) [BVerfG 22.05.1975 - 2 BvL 13/73]), soweit Aufgabe und Zweck des öffentlichen Amts dies erfordern. Dementsprechend gewährt auch der aus Art. 33 Abs. 2 GG folgende staatsbürgerliche Anspruch gleichen Zugang zu öffentlichen Ämtern nur, wenn der Bewerber die Tatbestandsvoraussetzungen des grundrechtsgleichen Rechts - Eignung, Befähigung, fachliche Leistung - erfüllt. Der Dienstherr ist befugt und von Verfassungs wegen verpflichtet, die Eignung eines Bewerbers für ein öffentliches Amt festzustellen (Art. 33 Abs. 2 GG).

19

Die im Rahmen der Ermessensentscheidung vorzunehmende Beurteilung von Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der vom Gericht nur beschränkt darauf zu überprüfen ist, ob die Verwaltung der Beurteilung einen unrichtigen Sachverhalt zu Grunde gelegt und ob sie den beamtenrechtlichen und verfassungsrechtlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat. Im Übrigen ist die Nachprüfung, da es keinen Anspruch auf Übernahme in das Beamtenverhältnis gibt, auf die Willkürkontrolle beschränkt (vgl. BVerfGE 39, 334 (354) [BVerfG 22.05.1975 - 2 BvL 13/73]). Die Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs der Eignung erfordert eine Prognoseentscheidung, wobei der Dienstherr die Gesamtheit der Eigenschaften, die das jeweilige Amt von seinem Inhaber fordert, umfassend zu bewerten hat (vgl. BVerfGE 4, 294 (296 f.) [BVerfG 05.10.1955 - 1 BvR 103/52]; BVerwGE 11, 139 (141) [BVerwG 29.09.1960 - II C 79/59]).

20

Hierbei hat der Dienstherr auch zu prognostizieren, ob der Bewerber zukünftig seine Dienstpflichten in dem angestrebten Amt erfüllen wird. Zur Eignung zählt nicht nur die Gewähr, dass der Beamte den fachlichen Aufgaben gewachsen ist, sondern auch, dass er in seiner Person die grundlegenden Voraussetzungen erfüllt, die für die Wahrnehmung eines übertragenen öffentlichen Amtes unabdingbar sind. Zu diesen Voraussetzungen, die Art. 33 Abs. 5 GG mit Verfassungsrang schützt, rechnet die Gewähr für eine neutrale Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben des Beamten. Welches Maß an Zurückhaltung und Neutralität vom Beamten im Einzelfall verlangt werden darf, bestimmt sich nicht nur aus allgemeinen Grundsätzen, sondern auch aus den konkreten Anforderungen des Amtes.

21

2.

Der vom Grundgesetz verfasste Staat braucht den öffentlichen Dienst, damit der Wille des Volkes praktisch wirksam werden kann. Der öffentliche Dienst verwirklicht die Entscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers und der verantwortlichen Regierung; er konkretisiert das Demokratie- und Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG). Die Konzeption der Verfassung zielt auf eine demokratische Herrschaft in Rechtsform. Sowohl das parlamentarische Gesetz als auch die politische Leitung der Regierung bedürfen deshalb des sachkundigen, neutralen öffentlichen Dienstes (vgl. BVerfGE 7, 155 (163) [BVerfG 17.10.1957 - 1 BvL 1/57]). Gesetz und Recht sind Formversprechen für den der öffentlichen Gewalt unterworfenen Bürger, mit dem ein Sachverhalt ohne Ansehen der Person abstrakt-generell geregelt wird. Dem entspricht es, dass auch der öffentliche Bedienstete, der zur Umsetzung des Gesetzes und zur rechtsförmlichen Verwirklichung des politischen Willens der Regierung berufen ist, dem Bürger als neutraler Sachwalter gegenüber tritt.

22

Die Entscheidung für den Rechtsstaat verlangt den gesetzesgebundenen Beamten als Gegengewicht zur politischen Führung der Regierung. Er verwirklicht den demokratischen Willen. Nach der Konzeption des Grundgesetzes werden hoheitliche Aufgaben in der Regel auf Beamte übertragen (Art. 33 Abs. 4 GG). Das Berufsbeamtentum soll, gegründet auf Sachwissen, fachliche Leistung und loyale Pflichterfüllung, eine stabile Verwaltung sichern und damit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften bilden (vgl. BVerfGE 7, 155 (162) [BVerfG 17.10.1957 - 1 BvL 1/57]; 11, 203 (216 f. [BVerfG 08.06.1960 - 1 BvR 580/53])). Der Beamte hat seine Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen, bei seiner Amtsführung auf das Wohl der Allgemeinheit Bedacht zu nehmen, loyal zum Staat zu stehen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes so zu verhalten, dass er der Achtung und dem Vertrauen gerecht wird, die sein Beruf erfordert (vgl. § 35 Abs. 1 BRRG; § 73 Landesbeamtengesetz Baden-Württemberg - LBG -). Sein dienstliches Verhalten muss sich allein an Sachrichtigkeit, Rechtstreue, Gerechtigkeit, Objektivität und dem Allgemeinwohl orientieren. Diese Verpflichtungen bilden eine wesentliche Grundlage für das Vertrauen der Bürger in die Erfüllung der Aufgaben des demokratischen Rechtsstaats.

23

3.

Das hieraus folgende Neutralitäts- und Mäßigungsgebot der Beamten gehört zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums (Art. 33 Abs. 5 GG); es hat in den §§ 35 Abs. 1 und 2, 36 BRRG und den Beamtengesetzen der Länder (vgl. § 72 LBG) seine einfachgesetzliche Ausprägung erfahren (vgl. BVerfGE 7, 155 (162) [BVerfG 17.10.1957 - 1 BvL 1/57]; Battis in: Sachs, GG 3. Aufl., 2003, Art. 33, Rn. 71; Lübbe-Wolff in: Dreier, GG, Band II, 1998, Art. 33, Rn. 78). Diese korrespondiert mit der grundsätzlichen Neutralitätspflicht des Staates auch für den religiösen und weltanschaulichen Bereich, die gerade aus der Glaubensfreiheit des Art. 4 GG in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3, Art. 33 Abs. 3 GG sowie aus Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1, 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV abzuleiten ist (vgl. BVerfGE 19, 206 (216); 93, 1 (16 f. [BVerfG 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91]); 105, 279 (294)). Insoweit begründen die Grundsätze des Berufsbeamtentums aus Art. 33 Abs. 5 GG einen verfassungsunmittelbaren Vorbehalt, der den Raum für eine Grundrechtsausübung des Beamten von vornherein begrenzt: zum Schutz der Grundrechte derjenigen, die nicht in die staatliche Organisation eingegliedert sind.

24

Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG Rechte und Pflichten des Beamten entnommen. Einfachgesetzliche Regelungen der Rechte und Pflichten des Beamten sind dabei möglich und in gewissem Maße sinnvoll, verfassungsrechtlich aber nicht gefordert (BVerfGE 43, 154 8169 f.)). Zu den unmittelbar aus Art. 33 Abs. 5 GG begründeten Pflichten des Beamten gehört die Mäßigung und Zurückhaltung, insbesondere bei der Wahrnehmung seiner Dienstgeschäfte. Verhält sich der Beamte im Dienst politisch, weltanschaulich oder religiös nicht neutral, so verstößt er gegen die ihm obliegenden Dienstpflichten, wenn sein Verhalten objektiv geeignet ist, zu Konflikten oder Behinderungen bei der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben zu führen (vgl. BVerfGE 39, 334 (347) [BVerfG 22.05.1975 - 2 BvL 13/73]). Er muss gerade auch in religiösen und weltanschaulichen Angelegenheiten zurückhaltend sein, weil dies dem Staat, für den er handelt, um der Freiheit der Bürger willen abverlangt wird.

25

Der Staat und seine Organe sind nach Art. 4 Abs. 1 GG sowie aus Art. 3 Abs. 3 Satz 1, Art. 33 Abs. 3 und Art. 140 GG in Verbindung mit Art. 136 Abs. 1, 4 und Art. 137 Abs. 1 WRV verpflichtet, sich in Fragen des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses neutral zu verhalten und nicht den religiösen Frieden in der Gesellschaft zu gefährden (BVerfGE 105, 279 (294) [BVerfG 26.06.2002 - 1 BvR 670/91]). Auch deshalb muss der Beamte bereits beim Zugang zum öffentlichen Dienst von Verfassungs wegen die persönliche Gewähr für ein neutrales, nicht provozierendes oder herausforderndes Verhalten im Rahmen der künftigen Amtsführung bieten (Art. 33 Abs. 5 GG).

26

4.

Welches Maß an Zurückhaltung und Neutralität vom Beamten im Einzelfall verlangt werden darf, bestimmt sich nicht nur aus diesen allgemeinen Grundsätzen, sondern auch aus den konkreten und wechselnden Anforderungen des Amtes. Auch diese Anforderungen müssen nicht als Dienstpflichten vom Gesetz gesondert bestimmt werden, weil es gerade zum Kennzeichen des Berufsbeamtentums gehört, dass Dienstpflichten nicht als Freiheitsbeschränkungen des Beamten verstanden, sondern vom Dienstherren nach den jeweiligen Bedürfnissen einer rechtsstaatlichen und sachlich wirksamen Verwaltung festgelegt werden. Der Maßstab für die Eignungsbeurteilung ist für die Behörde auch insoweit in ihren wesentlichen Linien durch Art. 33 Abs. 5 GG hinsichtlich des Grundsatzes der Neutralität und der Mäßigung vorgezeichnet. Diese von Verfassungs wegen unmittelbar geltenden Prinzipien bedürfen auch im Schulverhältnis keiner weiteren gesetzlichen Konkretisierung. Die einfachgesetzlichen Gebote zur politischen Mäßigungspflicht des Beamten sind insofern deklaratorisch und nicht konstitutiv für die Eignungsbeurteilung beim Zugang zu öffentlichen Ämtern im Sinne der Art. 33 Abs. 2, Art. 33 Abs. 5 GG.

27

Die allgemeine Neutralitätspflicht gilt in besonderem Maße für Beamte, die das Amt des Lehrers an öffentlichen Schulen ausüben. Lehrer erfüllen den Bildungs- und Erziehungsauftrag des Staates (Art. 7 Abs. 1 GG). Sie haben dabei die unmittelbare pädagogische Verantwortung für den Unterricht und die Erziehung der Schüler. Auf Grund ihrer Funktion werden sie in die Lage versetzt, in einer den Eltern vergleichbaren Weise Einfluss auf die Entwicklung der anvertrauten Schüler zu nehmen. Damit verbunden ist eine Einschränkung des grundrechtlich garantierten Erziehungsrechts der Eltern (Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG), die nur hingenommen werden kann, wenn sich die Schule um größtmögliche Objektivität und Neutralität nicht nur im politischen, sondern auch im religiösen und weltanschaulichen Bereich bemüht. Dies gilt auch deshalb, weil den Eltern nach Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG das Recht zur Kindererziehung auch in religiöser und weltanschaulicher Hinsicht zusteht und diese für falsch empfundene Glaubensüberzeugungen grundsätzlich von ihren Kindern fern halten können (vgl. BVerfGE 41, 29 (48) [BVerfG 17.12.1975 - 1 BvR 63/68]; 41, 88 (107) [BVerfG 17.12.1975 - 1 BvR 428/69]). Die Beachtung dieser Rechte gehört zu den wesentlichen bereits vom Grundgesetz geforderten Aufgaben der Schule; sie bestimmen zugleich spiegelbildlich die von den Lehrern zu beachtenden Dienstpflichten.

28

III.

Eine Lehrerin an einer Grund- oder Hauptschule verstößt gegen Dienstpflichten, wenn sie im Unterricht mit ihrer Kleidung Symbole verwendet, die objektiv geeignet sind, Hindernisse im Schulbetrieb oder gar grundrechtlich bedeutsame Konflikte im Schulverhältnis hervorzurufen. Das von der Beschwerdeführerin begehrte kompromisslose Tragen des Kopftuchs im Schulunterricht ist mit dem Mäßigungs- und Neutralitätsgebot eines Beamten nicht zu vereinbaren.

29

1.

Grundrechte sind bei der Ausübung eines öffentlichen Amtes auch für den modernen, aufgeschlossenen und couragierten Staatsdiener nur insoweit von der Verfassung gewährleistet, als kein prägnanter Widerspruch zur politischen Willensbildung des Dienstherren und kein Funktionshindernis bei der Ausübung des übertragenen öffentlichen Amtes zu besorgen ist. Mit der Annahme, erst das Vorliegen greifbarer Anhaltspunkte einer "konkreten Gefährdung des Schulfriedens" reiche aus, um die Eignung eines Beamtenbewerbers verneinen zu können, verkennt die Senatsmehrheit den Maßstab der Eignungsbeurteilung.

30

Auch die Senatsmehrheit räumt ein, dass religiös motivierte Bekleidung von Lehrern Schulkinder beeinflussen, Konflikte mit Eltern hervorrufen und so die Störung des Schulfriedens bewirken kann. Insbesondere im Konfliktfall müsse dabei auch mit belastenden Auswirkungen auf jüngere Schülerinnen und Schüler gerechnet werden. Diese potenzielle Gefährdungslage könne einem Lehramtsanwärter aber nicht im Stadium der "abstrakten Gefahr" entgegengehalten werden, sondern erst, wenn greifbare Anhaltspunkte für die Gefährdung des Schulfriedens manifest geworden sind. Ohne handfest gewordene Konflikte kann danach ein Eignungsmangel von der Einstellungsbehörde nicht mehr konstatiert werden.

31

Damit wird der Beurteilungsmaßstab der Eignungsbeurteilung im Rahmen des Art. 33 Abs. 2 GG verkannt. Denn weil die Entfernung eines Beamten auf Lebenszeit aus dem Dienst wegen Verletzung seiner Dienstpflichten nach den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums nur eingeschränkt und im Wege des förmlichen Disziplinarverfahrens möglich ist, muss der Dienstherr bereits im Vorfeld Sorge dafür tragen, dass niemand Beamter wird, der nicht die Gewähr dafür bietet, die aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Dienstpflichten einzuhalten. Das verfassungsrechtlich legitime Mittel dazu ist die Prüfung und Entscheidung, ob der Bewerber für das angestrebte Amt die erforderliche Eignung besitzt. Nicht ausräumbare Zweifel hieran berechtigen die Einstellungsbehörde zu einer negativen Prognose, da insoweit die Eignung nicht positiv festgestellt werden kann (vgl. BVerfGE 39, 334 (352 f.) [BVerfG 22.05.1975 - 2 BvL 13/73]). Vorbeugende Maßnahmen zum Schutze von Kindern und des elterlichen Erziehungsrechts bedürfen im Übrigen grundsätzlich nicht des wissenschaftlich-empirischen Nachweises einer Gefahrenlage (vgl. BVerfGE 83, 130 (140) [BVerfG 27.11.1990 - 1 BvR 402/87]).

32

Die Bezugnahme auf die dem Polizeirecht entlehnte Figur der "abstrakten Gefahr" vermag daher die Konfliktlage der Eignungsbeurteilung nicht angemessen zu lösen. Dem freiheitlichen Verfassungsstaat ist vielmehr untersagt, Beamten die erforderliche Eignung erst dann abzusprechen, wenn durch ihr absehbares dienstliches Verhalten Schäden an bestimmten Rechtsgütern wahrscheinlich werden, wie dies der Gefahrbegriff impliziert. Mit der Abstufung von konkreter und abstrakter Gefahr vermag daher die klassische Eingriffsschwelle im Verhältnis von Bürger und Staat beschrieben werden, nicht aber der Maßstab für das der staatlichen Verwaltung obliegende Einstellungsermessen. Es kann dem beamtenrechtlichen Funktionsvorbehalt nicht entsprechen, wenn der Verfassungsstaat sich gegen seine eigenen Beamten, die ihn verkörpern und durch die er handelt, auf die polizeirechtliche Gefahrenschwelle berufen müsste, um deren Verhalten im Dienst zu reglementieren. Dies gilt umso mehr, als die Beschwerdeführerin in einer staatlichen Pflichtschule Grund- und Hauptschüler - also in einem für Schüler und Eltern grundrechtssensiblen Bereich - unterrichten will. Es kommt insofern nicht auf polizeirechtliche Gefahrenlagen oder -modalitäten an, sondern lediglich darauf, ob die Schulbehörde in Konkretisierung nicht nur landesrechtlicher Bestimmungen, sondern auch der verfassungskräftigen Grundsätze des Berufsbeamtentums im Sinne des Art. 33 Abs. 5 GG einen drohenden Pflichtverstoß in nachvollziehbarer Weise angenommen hat. Dies ist ersichtlich der Fall.

33

2.

Die Schulverwaltung hat ausweislich des Protokolls der Eignungsgespräche und nach den Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht durchaus Verständnis für die Glaubensüberzeugung der Beschwerdeführerin gezeigt; die Beschwerdeführerin hat umgekehrt aber ersichtlich dem Neutralitätsanliegen des Dienstherren kein Verständnis entgegengebracht. Sie hat sich - abgesehen von Extremfällen wie unmittelbar drohender Gewalt - außer Stande gesehen, auf ein Symbol von starker religiöser und weltanschaulicher Aussagekraft im Dienst zu verzichten. Abgesehen davon, dass diese Rigidität Zweifel an der vorrangigen Loyalität der Beschwerdeführerin zu den politischen Zielen des Dienstherren und der Werteordnung des Grundgesetzes auch in einem möglichen Konflikt mit religiösen Überzeugungen des Islam hervorruft, sind damit bereits bei der Eignungsbeurteilung Umstände bekannt geworden, die eine allseitige Verwendung der Bewerberin im Schuldienst erheblich erschweren würden und die Landesstaatsgewalt in heute bereits voraussehbare Konflikte mit Schülern und deren Eltern, aber womöglich auch mit anderen Lehrern brächten.

34

Das von der Beschwerdeführerin getragene Kopftuch ist dabei nicht abstrakt oder aus der Sicht der Beschwerdeführerin zu beurteilen, sondern im konkreten Schulverhältnis. Zu den Anforderungen des Amtes einer Grund- und Hauptschullehrerin zählt die Pflicht, objektiv ausdrucksstarke politische, weltanschauliche oder religiöse Symbole für ihre Person zu vermeiden. Im Schuldienst hat der Lehrer die Verwendung solcher signifikanter Symbole zu unterlassen, die geeignet sind, Zweifel an seiner Neutralität und professionellen Distanz in politisch, religiös oder kulturell umstrittenen Themen zu wecken. Dabei kann es nicht darauf ankommen, welchen subjektiven Sinn der beamtete Lehrer mit dem von ihm verwendeten Symbol verbindet. Entscheidend ist vielmehr die objektive Wirkung des Symbols.

35

Eine solche Wirkung in konkret wechselnden Lagen jeweils einzuschätzen, ist grundsätzlich Sache des Dienstherren und kann von Gerichten nur in eingeschränktem Umfang auf Plausibilität und Schlüssigkeit überprüft werden. Für die Einschätzung ist die fachlich kompetente Verwaltung am besten geeignet, die Konkretisierung der Dienstpflichten ist traditionell eine Domäne des Dienstherren. Dabei hat er auf wechselnde Lagen zu reagieren. Die Verwendung von Symbolen verändert sich ebenso im Laufe der Zeit wie die Heftigkeit der durch sie hervorgerufenen Resonanz: mal stehen politische Plaketten (z.B. "Stoppt Strauß", "Atomkraft - nein danke"), mal religiös hergeleitete Zeichen wie die orangefarbene Kleidung der Bhagwan(Osho)-Anhänger im Vordergrund (BVerwG, NVwZ 1988, S. 937). Der Dienstherr - letztlich der zuständige Landesminister in seiner parlamentarischen und politischen Verantwortung - mit seiner besonderen Sachkunde für die Funktionsanforderungen im Schulverhältnis muss jeweils abschätzen, welche Verwendung von Symbolen durch den Beamten mit den allgemeinen beamtenrechtlichen und den besonderen Anforderungen im Schuldienst noch vereinbar oder zu unterbinden ist.

36

3.

Eine Unterscheidung zwischen abstrakter und konkreter Gefahr - wie sie von der Senatsmehrheit für bedeutsam gehalten wird - ist dabei ohne Belang und deshalb bisher auch weder für die Ermittlung von Dienstpflichten noch im Rahmen von Eignungsentscheidungen herangezogen worden. Es kommt für eine fachgerichtliche Beanstandung der Eignungsentscheidung nur darauf an, ob die Einschätzung, dass bestimmte Symbole mit dem beamtenrechtlichen Neutralitätsgebot unvereinbar sind, von einer ersichtlich fehlerhaften Tatsachengrundlage oder von nicht nachvollziehbaren Schlussfolgerungen getragen wurde.

37

Die die angegriffenen Entscheidungen tragende Annahme, dass bei einer Einstellung der Beschwerdeführerin in einer allgemeinen Grund- oder Hauptschule in Baden-Württemberg Beeinträchtigungen des Schulfriedens zu besorgen sind, ist nachvollziehbar. Auch die Senatsmehrheit geht davon aus, dass eine Lehrerin, die das Kopftuch als islamisches Symbol dauerhaft im Unterricht trägt, jedenfalls eine "abstrakte Gefahr" hervorruft. In der Tat ist ein von der Lehrerin getragenes - gegenwärtig - ausdrucksstarkes Symbol mit objektiven religiösen, politischen und kulturellen Sinngehalten geeignet, in die negative Religionsfreiheit von Schülern und Eltern und in das Erziehungsrecht der Eltern (Art. 6 Abs. 2 GG) einzugreifen. Gerade das Tragen eines Kleidungsstücks, das eindeutig auf eine bestimmte religiöse oder weltanschauliche Überzeugung eines Lehrers an öffentlichen Schulen hinweist, kann auf Unverständnis oder Ablehnung bei andersdenkenden Schülern oder deren Erziehungsberechtigten stoßen und diesen Personenkreis in seinem Grundrecht negativer Bekenntnisfreiheit treffen, weil sich die Schüler einer solchen Demonstration religiöser Überzeugung nicht entziehen können.

38

Unterricht und Erziehung an öffentlichen Schulen sind staatliche Leistungen, deren Inanspruchnahme den Kindern zur gesetzlichen Pflicht gemacht ist. Für Kinder und ihre Eltern ist deshalb die Teilnahme am Schulunterricht grundsätzlich unausweichlich. Zudem hängen vom Leistungsniveau und von der Fähigkeit schulischer Einrichtungen sowie ihrer Praxis zu sachgerechter Förderung und Erziehung die Lebenschancen der Kinder maßgeblich ab. Weder den Eltern noch dem Staat ist es deshalb zuzumuten, angesichts einer schon im Einstellungsgespräch erkennbaren künftigen Konfliktlage abzuwarten, ob und wie sich Konflikte im Einzelfall entwickeln. Überdies liegt nahe, dass einige Eltern von einem Protest absehen werden, weil sie deswegen Nachteile für ihr Kind befürchten. Die Möglichkeit einer Beeinträchtigung des Schulfriedens ist im Fall der Beschwerdeführerin im Übrigen auch schon konkret geworden, wie Erfahrungen im Vorbereitungsdienst und die ablehnende Reaktion von anderen Lehrerinnen zeigen.

39

4.

Die Annahme der Senatsmehrheit, das Schulkreuz an der Eingangstür einer Klasse und das Kopftuch der Lehrerin im Schulunterricht seien - zu Gunsten der Beschwerdeführerin - nicht zu vergleichen, verkennt die Grundrechtslage der betroffenen Schüler und Eltern. Maßgeblich ist hierfür, welchem Einfluss der einzelne Schüler in einer staatlichen Pflichtschule und unter staatlicher Verantwortung unterworfen wird. Hängt in einem christlich geprägten Umfeld ein Kreuz über der Schultür - kein großes Kruzifix im Rücken des Lehrers (vgl. BVerfGE 93, 1 (18) [BVerfG 16.05.1995 - 1 BvR 1087/91]) - kann dies kaum mehr als Eingriff in die negative Religionsfreiheit oder in das Erziehungsrecht der Eltern betrachtet werden. Zu wenig verbinden Kinder mit einem bloßen und alltäglichen Gegenstand an der Wand, der keine unmittelbare Beziehung zu einem konkreten Menschen oder Lebenssachverhalt aufweist. Zu sehr ist das Kreuz - über seine religiöse Bedeutung hinaus - ein allgemeines Kulturzeichen für eine aus jüdischen und christlichen Quellen gespeiste wertgebundene, aber offene und durch reiche, auch leidvolle historische Erfahrung tolerant gewordene Kultur.

40

Lehrerinnen und Lehrer prägen demgegenüber als Person und als Persönlichkeit - gerade in der Grundschule und in der Funktion des Klassenleiters - die Kinder maßgeblich. Trägt eine Lehrerin auffällige Kleidung, ruft dies Eindrücke hervor, gibt zu Fragen Anlass und spornt zur Nachahmung an. Der Sachverständige Professor Bliesener hat in der mündlichen Verhandlung dazu ausgeführt, dass das Lehrerverhalten die Kinder zur Nachahmung anregt: dies geschähe auf Grund der oft engen emotionalen Bindung der Grundschülerinnen und Grundschüler, die von der Lehrkraft aus pädagogischen Gründen auch angestrebt werden soll, sowie der eindeutigen Ausrichtung der kindlichen Aufmerksamkeit auf die Lehrkraft und der ebenfalls wahrgenommenen Autorität der Lehrkraft im Kontext der Schule.

41

Die Erklärung der Beschwerdeführerin, sie würde durch das Kopftuch ausgelöste Fragen wahrheitswidrig beantworten und wider ihrer Glaubensüberzeugung behaupten, es handele sich nur um ein Modeaccessoire, ist nicht geeignet, einen Grundrechtskonflikt zu vermeiden. Denn auch Kinder wissen um die religiöse Bedeutung eines ständig, also auch in geschlossenen Räumen getragenen Kopftuchs. Überdies interagieren Schulkinder nicht nur mit der Lehrerin, sondern auch mit ihren Eltern und einem weiteren sozialen Umfeld. Eltern, die im Rahmen ihrer Erziehungsvorstellung Fragen ihrer Kinder wahrheitsgemäß beantworten, werden nicht umhin können zu erläutern, die Lehrerin trage das Kopftuch, weil sie anders ihre Würde als Frau in der Öffentlichkeit nicht wahren könne. Damit ist aber bei Schülern mit nichtislamischen, möglicherweise auch bei islamischen Eltern, die nicht von einem Verhüllungsgebot der Frau in der Öffentlichkeit ausgehen, ein Konflikt mit ihren Wertvorstellungen angelegt. Die objektive Reizwirkung eines auch politisch-kulturellen Symbols kann sich über Reaktionen im sozialen Umfeld leicht auf das Kind übertragen und es zu der Frage führen, ob es sich in einem Wertedisput, den es nicht beurteilen kann, auf die Seite der Lehrerin oder auf die Seite eines das Kopftuch dezidiert ablehnenden sozialen Umfeldes schlägt, zu dem auch die Eltern rechnen können. Der Sachverständige Bliesener hat in der mündlichen Verhandlung insoweit auf die mögliche emotionale Überforderung der Kinder im Grundschulalter hingewiesen, die eintreten könne, wenn sich zwischen der Lehrkraft auf der einen Seite und der Elternschaft oder einzelnen Eltern auf der anderen Seite ein dauerhafter Konflikt entwickelt.

42

5.

Damit eine Dienstpflicht, gerichtet auf Mäßigung in der Bekleidung des Beamten, vom Dienstherren in rechtmäßiger Weise konkretisiert werden kann, bedarf es keines empirischen Nachweises von "Gefahrenlagen", erst recht ist nicht gefordert, dass der Landesgesetzgeber durch wissenschaftliche Erhebungen die "Gefährdung" ermittelt. Ein Gesetzesvorbehalt mit Nachweispflichten des Gesetzgebers für die bloße Konkretisierung und Anordnung dienstlicher Pflichten ist nicht nur systemfremd, sondern führt den freiheitlichen Verfassungsstaat auch weiter in eine seine Wirksamkeit blockierende Unbeweglichkeit. Es reicht für die Eignungsbeurteilung völlig aus, dass durch die Verwendung signifikanter Bekleidungssymbole ein Konflikt in nachvollziehbarer Weise als möglich oder sogar naheliegend erscheint.

43

Dies ist der Fall, weil das Kopftuch offenkundig - das zeigen bereits die öffentlichen Reaktionen auf die von der Beschwerdeführerin angestrengten gerichtlichen Verfahren - jedenfalls auch als Symbol des politischen Islamismus mit starkem Symbolgehalt aufgeladen ist und entsprechende Abwehrreaktionen zu erwarten sind. Zu diesem objektiven Aussagegehalt gehört auch die Betonung eines sittlichen Unterschieds zwischen Frauen und Männern, die geeignet ist, Konflikte mit denjenigen hervorzurufen, die ihrerseits die Gleichberechtigung, Gleichwertigkeit und gesellschaftliche Gleichstellung von Frauen und Männern (Art. 3 Abs. 2 GG) als hohen ethischen Wert vertreten.

44

Die Einschätzung, dass das beständige Tragen eines Kopftuchs im Schulunterricht mit der Pflicht zur weltanschaulichen und religiösen Neutralität des Beamten unvereinbar ist, wurde durch alle drei verwaltungsgerichtliche Urteile überzeugend als fehlerfrei gekennzeichnet. Das Kopftuch als religiöses und weltanschauliches Zeichen für die Notwendigkeit der Verhüllung der Frau in der Öffentlichkeit ist jedenfalls zurzeit objektiv geeignet, Widerspruch und Polarisierung hervorzurufen.

45

6.

Die Beschwerdeführerin hat bekundet, sie fühle sich in ihrer Würde verletzt, wenn sie sich mit unbedecktem Haupthaar in der Öffentlichkeit zeige. Auch wenn die Beschwerdeführerin sich nicht ausdrücklich entsprechend eingelassen hat, so liegt doch im Umkehrschluss nahe, dass eine Frau, die sich nicht verhüllt, sich ihrer Würde begibt. Eine solche Unterscheidung ist objektiv geeignet, Wertkonflikte in der Schule hervorzurufen. Dies gilt schon im Verhältnis der Lehrer untereinander, aber erst recht im Verhältnis zu Eltern, deren Kinder gerade in der Grundschule erfahrungsgemäß eine besondere Beziehung zu ihrer Lehrerin aufbauen.

46

Ob es politisch oder pädagogisch richtig oder falsch ist, die Kinder möglichst früh mit anderen Wertmaßstäben oder einem gelebten anderen Verständnis von der Würde der Frau als derjenigen des Elternhauses zu konfrontieren, ist rechtlich unmaßgeblich. Es kommt nur darauf an, ob die Einschätzung der Einstellungsbehörde nachvollziehbar ist, dass Konflikte innerhalb der Schule zu besorgen sind, die durch eine entsprechende Mäßigung des Lehrers ohne weiteres zu vermeiden wären. Davon ist die zuständige Schulverwaltung fehlerfrei ausgegangen.

47

Das Kopftuch, getragen als kompromisslose Erfüllung eines von der Beschwerdeführerin angenommenen islamischen Verhüllungsgebotes der Frau, steht gegenwärtig für viele Menschen innerhalb und außerhalb der islamischen Religionsgemeinschaft für eine religiös begründete kulturpolitische Aussage, insbesondere das Verhältnis der Geschlechter zueinander betreffend (vgl. z.B. Nilüfer Göle, Republik und Schleier, 1995, S. 104 ff.; Erdmute Heller/Hassouna Mosbahi, Hinter den Schleiern des Islam, 1993, S. 108 ff.; Rita Breuer, Familienleben im Islam, 2. Aufl. 1998, S. 81 ff.; Tariq Ali, Fundamentalismus im Kampf um die Weltordnung, 2002, S. 97 ff.). Die Senatsmehrheit hat diesem Umstand keine ausreichende Bedeutung zugemessen. Sie hat sich deshalb auch nicht damit auseinander gesetzt, ob innerhalb der Anhänger islamischen Glaubens in Deutschland eine womöglich nicht unmaßgebliche oder gar wachsende Zahl von Menschen das Kopftuch und die Verschleierung als kulturelle Herausforderung einer von ihnen in ihrem Wertesystem abgelehnten Gesellschaft verstehen und vor allem, ob und mit welchen abwehrenden Reaktionen unter der Mehrheit der andersgläubigen Bürger zu rechnen ist. Immerhin wurzelt auch nach Meinung wichtiger Kommentatoren des Korans das Gebot der Verhüllung der Frau - unabhängig von der Frage, ob es überhaupt ein striktes Gebot in diese Richtung gibt - in der Notwendigkeit, die Frau in ihrer dem Mann dienenden Rolle zu halten. Diese Unterscheidung zwischen Mann und Frau steht dem Wertebild des Art. 3 Abs. 2 GG fern.

48

Es kommt insofern nicht darauf an, ob eine solche Meinung innerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft allein gültig oder auch nur vorherrschend ist oder ob die im Verfahren vorgetragene Auffassung der Beschwerdeführerin, das Kopftuch sei eher ein Zeichen für das wachsende Selbstbewusstsein und die Emanzipation islamisch gläubiger Frauen, zahlenmäßig stark vertreten wird. Es ist ausreichend, dass die Auffassung, eine Verhüllung der Frauen gewährleiste ihre Unterordnung unter den Mann, offenbar von einer nicht unbedeutenden Zahl der Anhänger islamischen Glaubens vertreten wird und deshalb geeignet ist, Konflikte mit der auch im Grundgesetz deutlich akzentuierten Gleichberechtigung von Mann und Frau hervorzurufen.

49

7.

Die Beschwerdeführerin bewegt sich mit dem von ihr geltend gemachten Anspruch, Schuldienst mit dem Kopftuch ableisten zu dürfen, in einem kulturell und rechtlich schwierigen und spannungsgeladenen Grenzraum. Schon ein weiterer Schritt hin zur gänzlichen Verhüllung des Gesichts, der ebenfalls in der islamischen Glaubensgemeinschaft praktiziert wird, könnte aus deutschem Verfassungsverständnis heraus als unvereinbar mit der Würde des Menschen angesehen werden: Der freie Mensch zeigt dem anderen sein Antlitz.

50

Dabei achtet das Grundgesetz - in der Sphäre der Gesellschaft - auch solche religiösen und weltanschaulichen Auffassungen, die ein mit der grundgesetzlichen Wertordnung schwer zu vereinbarendes Verhältnis der Geschlechterbeziehungen dokumentieren, solange sie nicht die Grenzen der staatlichen Friedens- und Rechtsordnung überschreiten. Das Wertesystem des Grundgesetzes einschließlich seines Verständnisses der Gleichheit von Mann und Frau schließt sich nicht vor allen Veränderungen ab, es stellt sich Herausforderungen, reagiert und bewahrt die Identität im Wandel.

51

Diese Offenheit und Toleranz geht aber nicht soweit, solchen Symbolen Eingang in den Staatsdienst zu eröffnen, die herrschende Wertmaßstäbe herausfordern und deshalb geeignet sind, Konflikte zu verursachen. Die grundsätzliche Offenheit und Toleranz in der Gesellschaft darf nicht auf das staatliche Binnenverhältnis übertragen werden. Es ist vielmehr von Verfassungs wegen geboten, die innere Organisation der staatlichen Verwaltung von der ersichtlichen Möglichkeit solch schwerwiegender Konflikte frei zu halten, damit - im konkreten Fall - Schulunterricht und schulische Erziehung störungsfrei erfolgen können und allgemein, weil der Staat handlungsfähig bleiben und mit einem Minimum an Einheitlichkeit auftreten können muss.

52

IV.

Die Senatsmehrheit dehnt den Gesetzesvorbehalt auf einen Sachbereich aus, der einer gesetzlichen Normierung wegen der Einzelfallabhängigkeit und der bestehenden verfassungsrechtlichen Bindungen praktisch nicht zugänglich ist (vgl. BVerfGE 105, 279 (304) [BVerfG 26.06.2002 - 1 BvR 670/91]).

53

1.

Die Volksvertretung des Landes Baden-Württemberg hat ausdrücklich und mit guten Gründen eine formellgesetzliche Regelung aus Anlass der hier vorliegenden Eignungsbeurteilung abgelehnt. Der Landtag hat sich in der für den Rechtsstreit maßgeblichen Zeit zweimal mit dem Problem von Lehrerinnen befasst, die im Unterricht ein Kopftuch tragen wollen (PlenarProt. 12/23 vom 20. März 1997, S. 1629 ff.; PlenarProt. 12/51 vom 15. Juli 1998, S. 3977 ff.). Der konkrete Fall der Beschwerdeführerin wurde in der Plenardebatte vom 15. Juli 1998 (PlenarProt. 12/51 vom 15. Juli 1998) ausführlich debattiert und es wurde über einen Antrag der Fraktion der Republikaner, der auf eine gesetzliche Regelung zielte (LTDrucks 12/2931 vom 9. Juni 1998), Beschluss gefasst. Die Volksvertretung hat mit großer Mehrheit - nur gegen die Stimmen der Fraktion der Republikaner - beschlossen, die Frage der Eignungsbeurteilung im Hinblick auf das Tragen religiöser Symbole im Schulunterricht nicht gesetzlich zu regeln. Die Entscheidung wurde damit begründet, eine weitere und detailliertere gesetzliche Regelung sei nicht nötig, eine gesetzliche Regelung erschwere die einzelfallangemessene Eignungsbeurteilung und damit auch eine freiheitsgerechte Ausübung des Beurteilungsspielraums bei der Vergabe öffentlicher Ämter.

54

Mit der aus der Bundesverfassung hergeleiteten Forderung nach einem förmlichen Gesetz wird insofern unter Wesentlichkeitsgesichtspunkten kein Gewinn für die demokratische Verankerung einer Verwaltungsentscheidung erzielt. In komplexen Fragen der Einzelbeurteilung von Bewerbern für ein öffentliches Amt kann die grundsätzlich freiheitsfördernde Wirkung des förmlichen Gesetzes vielmehr in eine freiheitsverkürzende Wirkung umschlagen, da einzelfallorientierte Maßnahmen so erschwert werden. Mit einer für die Statuierung von Dienstpflichten und für die beamtenrechtliche Eignungsbeurteilung ohnehin systemfremden allgemeinen gesetzlichen Regelung wird nicht mehr, sondern weniger an Einzelfallgerechtigkeit hergestellt. Nach der auf weltanschauliche und religiöse Neutralität ausgerichteten schulpolitischen Konzeption der Landesregierung und des Landtages wäre es durchaus möglich, im Einzelfall eine Lehrerin mit Kopftuch in den Schuldienst einzustellen, wenn die Bereitschaft erkennbar würde, nicht nur in Extremsituationen - wie von der Beschwerdeführerin in der mündlichen Verhandlung vorgetragen - auf das Kopftuch zu verzichten, sondern auch in alltäglichen Unterrichtssituationen einer Grundschule.

55

Schulbehörde, Ministerin und Landtag nahmen aber gerade Anstoß daran, dass die Beschwerdeführerin sich kategorisch weigerte, einer flexiblen Handhabung ihres Bekleidungswunsches näher zu treten. Daraus durfte die für die Eignungsbeurteilung zuständige Behörde den Schluss ziehen, dass im Falle von Konflikten mit der negativen Religionsfreiheit von Eltern und Kindern einzellfallgerechte Lösungen an christlichen Gemeinschaftsschulen (vgl. Art. 15 Abs. 1, 16 der Verfassung des Landes Baden-Württemberg) außerordentlich erschwert würden. Sie durfte auch den Schluss ziehen, dass die Beharrlichkeit der Weigerung Zweifel an der Neutralität und Mäßigung der Bewerberin wecken konnten, ohne dass dies als sachlich nicht mehr zu rechtfertigen und willkürlich erschiene.

56

2.

Die Senatsmehrheit gibt dem Landesgesetzgeber auf, verfassungsimmanente Schranken der Bundesverfassung zu konkretisieren, obwohl diese hinreichend konkret aus dem Grundgesetz zu ermitteln sind. Es ist deshalb bereits zweifelhaft, ob der Landesgesetzgeber überhaupt - über eine deklaratorische Bekräftigung oder Verdeutlichung hinausreichend - befugt ist, diese immanenten Schranken zu konkretisieren.

57

Letztverbindlich hat das Bundesverfassungsgericht über Umfang und Reichweite immanenter Grundrechtsschranken zu entscheiden. Es ist nicht die Aufgabe eines Landesgesetzgebers, die sich unmittelbar aus Verfassungsrecht ergebenden Beschränkungen deklaratorisch nachzuzeichnen. Dem Landesparlament wird auch nicht der angemessene Respekt erwiesen, wenn es zu einer Gesetzesformulierung gezwungen wird, die es einerseits ausdrücklich und wohlerwogen nicht wollte und die andererseits - nach Auffassung der Senatsmehrheit - verfassungsunmittelbare Schranken konkretisiert, die in späteren Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht erneut auf den Prüfstand gestellt werden. Ein zuständiges Gericht, das in einer so umstrittenen verfassungsrechtlichen Grundsatzfrage auf den Gesetzgeber verweist, muss diesem wenigstens sagen, wie er die ihm angesonnene Aufgabe der Konkretisierung verfassungsunmittelbarer Schranken bewältigen soll.

58

Im konkreten Fall bleiben aber alle Fragen offen, wie denn der Gesetzgeber seinen im Landtag schon deutlich bekundeten politischen Willen in Gesetzesform gießen soll. Reicht es, wenn er es dem Lehrer zur Dienstpflicht macht, religiöse und weltanschauliche Bekleidungssymbole zu vermeiden, die geeignet sind, Beeinträchtigungen des Schulfriedens hervorzurufen? Wäre es zulässig, die Verwendung solcher religiöser, weltanschaulicher oder politischer Symbole im Schuldienst zu untersagen, die geeignet sind, die Gleichberechtigung von Mann und Frau sowie deren tatsächliche Durchsetzung (Art. 3 Abs. 2 GG) zu gefährden? Darf das Lehrerdienstrecht so präzisiert werden, wie es die damalige Landtagsfraktion der Republikaner mit ihrem Antrag vom 9. Juni 1998 (LTDrucks 12/2931) verlangt hat, "dass das Tragen des Kopftuchs als Symbol des Islam im Unterricht eine unzulässige, einseitige, weltanschauliche und politische Stellungnahme darstellt"? Muss der Landesgesetzgeber - weil dies nach Meinung der Senatsmehrheit vom Grundgesetz geboten sein soll - im Hinblick auf mögliche Störungen empirische Untersuchungen anstellen und wenn ja, in welchem Umfang? Oder muss er von Verfassungs wegen und aus Gleichheitsgesichtspunkten ausnahmslos alle religiösen Symbole in der Bekleidung der Lehrer verbieten, auch wenn sie, wie etwa ein kleines Schmuckkreuz, gar keine signifikante Aussage beinhalten und deshalb von vornherein ungeeignet sind, Wertkonflikte in der Schule auszulösen? Wäre ein solches Verbot von Bekleidungssymbolen ohne jede objektiv provokante Aussagekraft überhaupt zu rechtfertigen?

59

3.

Der Aufgabe, eine verfassungsrechtliche Grundsatzfrage zu beantworten, ist der Senat nicht gerecht geworden, obwohl der Fall entscheidungsreif ist. Im Ergebnis muss der Landesgesetzgeber nunmehr ein - nach Ansicht der abweichenden Meinung gar nicht erforderliches - Gesetz erlassen, und dies, ohne eine Übergangsfrist für diese überraschende Notwendigkeit eingeräumt zu bekommen. Es wäre zudem mit dem Gleichheitsgrundsatz kaum zu vereinbaren, eine gesetzliche Grundlage für ein allgemeines Verbot signifikanter religiöser oder weltanschaulicher Symbole im Dienst - wie von der Senatsmehrheit vorgeschlagen - nur in das Schulgesetz und nicht allgemein in das Landesbeamtengesetz aufzunehmen; entsprechende Konfliktlagen können auch in anderen Bereichen des öffentlichen Dienstes auftreten, etwa im Rahmen der Jugendhilfe, der Sozialarbeit, der öffentlichen Sicherheit oder der Rechtspflege.

60

4.

Dem Gesetzgeber hätte von der Senatsmehrheit wenigstens eine Übergangsfrist eingeräumt werden müssen. Dies wäre unter Berücksichtigung früherer Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts zum Gesetzesvorbehalt geboten gewesen und hätte die Auswirkungen einer Überraschungsentscheidung gemindert.

61

a)

Das Bundesverfassungsgericht hat aus dem Gebot rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG das Verbot von Überraschungsentscheidungen abgeleitet. Die Verfahrensbeteiligten dürfen weder vom Ergehen einer gerichtlichen Entscheidung an sich (BVerfGE 34, 1 (7 f.) [BVerfG 19.07.1972 - 2 BvR 872/71]) noch von deren tatsächlichem (BVerfGE 84, 188 (190 f.) [BVerfG 29.05.1991 - 1 BvR 1383/90]) oder rechtlichem (BVerfGE 86, 133 (144 f.) [BVerfG 19.05.1992 - 1 BvR 986/91]) Inhalt überrascht werden. Einer gerichtlichen Entscheidung dürfen nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zu Grunde gelegt werden, zu denen sich die Parteien äußern konnten. Eine bloße Information der Verfahrensbeteiligten allein genügt nicht; es muss für diese auch eine konkrete Möglichkeit der Äußerung zum Sachverhalt bestehen (BVerfGE 59, 330 (333) [BVerfG 09.02.1982 - 1 BvR 799/78]). Der sachverhalts- und tatsachenbezogenen Äußerung als Voraussetzung der Gehörsgewährung im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG ist die Möglichkeit zur Äußerung zur Rechtslage gleichgestellt (BVerfGE 60, 175 (210); 64, 125 (134); 86, 133 (144) [BVerfG 19.05.1992 - 1 BvR 986/91]; 98, 218 (263)). Dem Beteiligten muss die Möglichkeit gegeben werden, sich im Prozess mit tatsächlichen und rechtlichen Argumenten zu behaupten. Dabei kann es in besonderen Fällen auch geboten sein, den Verfahrensbeteiligten auf eine Rechtsauffassung hinzuweisen, die das Gericht der Entscheidung zu Grunde legen will. Eine dem verfassungsrechtlichen Anspruch genügende Gewährung rechtlichen Gehörs setzt voraus, dass der Verfahrensbeteiligte bei Anwendung der von ihm zu verlangenden Sorgfalt zu erkennen vermag, auf welche Gesichtspunkte es für die Entscheidung ankommen kann. Es kann im Ergebnis der Verhinderung eines Vortrags zur Rechtslage gleichkommen, wenn das Gericht ohne vorherigen Hinweis auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellt, mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen nicht zu rechnen brauchte. Das gilt insbesondere, wenn die Rechtsauffassung des Gerichts bislang weder in der Rechtsprechung noch in der Literatur vertreten wurde, wenngleich grundsätzlich kein Anspruch auf ein Rechtsgespräch oder einen Hinweis auf die Rechtsauffassung besteht (BVerfGE 86, 133 (144 f.) [BVerfG 19.05.1992 - 1 BvR 986/91]; 96, 189 (204); 98, 218 (263)).

62

Die Senatsmehrheit berücksichtigt das auch dem Staat als Verfahrensbeteiligtem zustehende Prozessrecht auf rechtliches Gehör nicht hinreichend, wenn sie einen parlamentarischen Gesetzesvorbehalt für die Begründung von Dienstpflichten im Zusammenhang mit der Religions- und Weltanschauungsfreiheit des Beamten einführt, der bislang weder in Rechtsprechung und Literatur noch von der Beschwerdeführerin selbst gefordert und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nicht zum ernsthaften Gegenstand des Rechtsgesprächs gemacht wurde. Das Land Baden-Württemberg hatte weder Anlass noch Gelegenheit sich zu dieser für alle Verfahrensbeteiligten überraschenden und entscheidungstragenden Rechtsauffassung zu äußern. Zu diesem Gesichtspunkt hätte dem Land Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben werden müssen. Die Senatsmehrheit wirft dem Land ein Unterlassen vor. Es habe für den Eingriff in das Recht der Beschwerdeführerin aus Art. 33 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 4 Abs. 1 und 2 GG keine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage geschaffen. Auf diesen Vorwurf konnte das Land nicht eingehen, weil es ihn nicht kannte und auch nicht kennen musste.

63

b)

Angesichts dieses prozessualen Versäumnisses hätte die Senatsmehrheit dem Landesgesetzgeber zumindest eine angemessene Frist setzen müssen, innerhalb der er dem geforderten Gesetzesvorbehalt durch Schaffung einer - nach der Auffassung der Senatsmehrheit - der Verfassungsrechtslage gerecht werdenden Norm Rechnung tragen kann. In früheren Entscheidungen hat das Bundesverfassungsgericht diese Problematik anerkannt und bei einer neu aufgestellten Forderung nach einem Gesetzesvorbehalt für eine Übergangszeit der Exekutive eine Entscheidung mit Grundrechtseingriff ohne entsprechende gesetzliche Ermächtigung ermöglicht. So wurde etwa im Interesse von Strafvollzug und Schulbetrieb die Briefkontrolle bei Strafgefangenen auf Grund unzureichender untergesetzlicher Ermächtigung (vgl. BVerfGE 33, 1 (12 f.) [BVerfG 14.03.1972 - 2 BvR 41/71]; 40, 276 (283) [BVerfG 29.10.1975 - 2 BvR 630/73]) ebenso für übergangsweise zulässig erklärt, wie der nicht durch Parlamentsgesetz gedeckte Schulverweis (vgl. BVerfGE 58, 257 (280 f.) [BVerfG 20.10.1981 - 1 BvR 640/80]).

64

5.

Eine angemessene Übergangsfrist wäre nicht nur aus Gründen des Respekts vor dem Gesetzgeber erforderlich gewesen, sondern hätte den von der Senatsmehrheit angenommenen Gesetzesvorbehalt ernst genommen und dem Landesgesetzgeber die Möglichkeit gegeben, für den vorliegenden Fall eine wirksame gesetzliche Grundlage zu schaffen. Auch das Bundesverwaltungsgericht wird mit der Begründung der Senatsmehrheit in einer rechtsstaatlich bedenklichen Weise im Unklaren gelassen, wie es mit dem zurückverwiesenen Rechtsstreit weiter verfahren soll. Denn wenn - wie die Senatsmehrheit annimmt - die von der Beschwerdeführerin angegriffene Entscheidung verfassungswidrig ist, dann müsste das Bundesverwaltungsgericht der Klage zurzeit stattgeben. Da nur über die Frage des religiösen Symbols gestritten wurde, müsste demnach aber die Beschwerdeführerin vom Land Baden-Württemberg zur Beamtin ernannt werden. Dadurch würden beamtenrechtlich vollendete Tatsachen geschaffen, die der Gesetzgeber kaum noch korrigieren könnte. Die auch durch einzelne Begründungselemente der Senatsmehrheit nicht ausgeschlossene Alternative, die verwaltungsgerichtlichen Verfahren auszusetzen, bis der Landtag eine lehrerdienstrechtliche gesetzliche Grundlage geschaffen hat, hätte klar ausgesprochen werden müssen.

Jentsch
Di Fabio
Mellinghoff