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Bundessozialgericht
Beschl. v. 14.04.2025, Az.: B 2 U 17/24 BH

Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
14.04.2025
Aktenzeichen
B 2 U 17/24 BH
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 14183
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2025:140425BB2U1724BH0

Verfahrensgang

vorgehend
SG Dortmund - 22.08.2022 - AZ: S 21 U 257/18
LSG Nordrhein-Westfalen - 26.04.2024 - AZ: L 4 U 556/23

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dafür ist entscheidend, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den ihm vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner sachlich-rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind.

  2. 2.

    Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte lediglich, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch, ihnen inhaltlich zu folgen.

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. April 2025 durch den Richter Karmanski als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Karl und den Richter Dr. Wahl
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 26. April 2024 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und Rechtsanwältin B, K, beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten im wiederholten Überprüfungsverfahren über die Feststellung weiterer Folgen des Arbeitsunfalls vom 6.2.1988 und die Gewährung einer Verletztenrente. Die Beklagte erkannte als Folgen dieses Unfalls feine Hornhautnarben des rechten Auges sowie leicht trockene Augen beidseits an und lehnte die Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von wenigstens 10 vH ab (Bescheid vom 14.1.2008, Widerspruchsbescheid vom 28.5.2008). Die nach Ablehnung des erneuten Überprüfungsantrags (Bescheid vom 10.11.2017, Widerspruchsbescheid vom 7.3.2018) erhobene Klage hat das SG abgewiesen (Urteil vom 22.8.2022); das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Beschluss vom 26.4.2024).

2

Für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG beantragt der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung unter Beiordnung von Rechtsanwältin B, K, zu bewilligen.

II

3

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 ZPO).

4

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder vom Kläger aufgezeigt noch nach Durchsicht der Akten aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs zu erblicken. Es ist nicht erkennbar, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.

5

1. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision auf eine Grundsatzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar. Dies gilt auch hinsichtlich der im Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 ff).

6

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Der angefochtene Beschluss des LSG stellt sich auf den Boden der Rechtsprechung des BSG und lässt keinen Willen zur Abweichung erkennen.

7

3. Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zwar hat der im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertretene Kläger im Rahmen der Anhörung nach § 153 Abs 4 SGG beantragt, zu weiteren Folgen des Unfalls vom 6.2.1988 Gutachten auf augenärztlichem und psychiatrischem Fachgebiet einzuholen. Doch selbst wenn dieser Antrag den verminderten Anforderungen an Präzisierung und Formulierung eines Beweisantrags bei unvertretenen Beteiligten genügen sollte (dazu BSG Beschlüsse vom 6.11.2023 - B 2 U 170/22 B - juris RdNr 17, vom 20.12.2016 - B 5 R 242/16 B - juris RdNr 14 und vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - juris RdNr 4), ließe sich nicht hinreichend substantiiert darlegen, dass das LSG ihm ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidend hierfür ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den ihm vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner sachlich-rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind (BSG Beschlüsse vom 6.9.2023 - B 2 U 90/22 B - juris RdNr 14, vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 15 und vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6 = juris RdNr 2). Auf augenärztlichem Fachgebiet bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch das LSG zwingend veranlasst gewesen wäre. Die linksseitige Sehschwäche haben nicht nur sämtliche in den vorhergehenden Verwaltungs- und Gerichtsfahren gehörte augenärztliche Sachverständige, sondern auch der behandelnde Augenarzt K für nicht unfallbedingt gehalten. Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich das LSG zu Sachaufklärung auf psychiatrischem Fachgebiet hätte gedrängt fühlen müssen. Es sind schon keine Befunde oder Berichte von Ärzten oder Psychotherapeuten aktenkundig, die einen Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 6.2.1988 und den später diagnostizierten psychischen Gesundheitsstörungen herstellen. Zu Ermittlungen "aufs Geratewohl" oder "ins Blaue hinein" besteht indes keine Verpflichtung (BSG Beschluss vom 24.2.2021 - B 13 R 79/20 B - juris RdNr 14, Urteil vom 26.2.2019 - B 11 AL 3/18 R - juris RdNr 22 und Beschluss vom 17.10.2018 - B 9 V 20/18 B - juris RdNr 19).

8

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) könnte mit einer Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte nur, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch, ihnen inhaltlich zu folgen (BVerfG Kammerbeschluss vom 30.9.2022 - 2 BvR 2222/21 - juris RdNr 26 f mwN). Mit dem Begehren des Klägers nach weiterer Sachaufklärung hat sich das LSG in dem angegriffenen Beschluss auseinandergesetzt. Eine unzureichende Sachrüge könnte mit einer Gehörsrüge im Übrigen nicht umgangen werden (BSG Beschluss vom 19.4.2022 - B 2 U 70/21 B - juris RdNr 15 mwN).

9

Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ein Verfahrensmangel nicht - dh weder unmittelbar noch mittelbar - gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG), was verfassungsrechtlich unbedenklich ist (BVerfG Kammerbeschluss vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 11). Soweit der Kläger die inhaltliche Richtigkeit der Berufungsentscheidung angreift, ließe sich hierauf nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

10

Ein Verfahrensmangel könnte auch nicht erfolgreich mit einem Verstoß gegen das Gebot des gesetzlichen Richters (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG) begründet werden. Die Entscheidung des LSG über das Ablehnungsgesuch des Klägers mit Beschluss vom 16.2.2024 ist unanfechtbar (§ 177 SGG) und unterliegt damit grundsätzlich nicht der Beurteilung durch das Revisions- bzw Beschwerdegericht (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 557 Abs 2 ZPO). Die Rüge der rechtswidrigen Ablehnung eines Befangenheitsantrags ist nur ausnahmsweise in dem Maße beachtlich, in dem mit ihr die vorschriftswidrige Besetzung des Gerichts (Art 101 Abs 1 Satz 2 GG, § 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 547 Nr 1 ZPO) geltend gemacht wird. Erfolg kann eine solche Rüge nur haben, wenn die Ablehnungsentscheidung auf Willkür oder einem vergleichbar schweren Mangel des Verfahrens beruht, der in der Sache die Rüge einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Gerichts rechtfertigen könnte (vgl BSG Beschlüsse vom 27.4.2021 - B 9 V 35/20 B - juris RdNr 8, vom 23.1.2019 - B 5 R 12/18 BH - juris RdNr 11 und vom 3.7.2018 - B 12 KR 4/18 BH - juris RdNr 8). Voraussetzung hierfür ist, dass der abgelehnte Richter der Vorinstanz tatsächlich und so eindeutig die gebotene Distanz und Neutralität hat vermissen lassen, dass jede andere Würdigung als die einer Besorgnis der Befangenheit willkürlich erscheint (BSG Beschluss vom 13.7.2022 - B 7 AS 21/22 B - juris RdNr 4). Dafür ist hier nichts ersichtlich. Richterliche Hinweise des Vorsitzenden zu den Erfolgsaussichten der Klage oder des Rechtsmittels gehören zu dessen Aufgaben nach § 106 Abs 1 SGG und rechtfertigen grundsätzlich nicht die Besorgnis der Befangenheit (Jung in Roos/Wahrendorf/Müller, SGG, 3. Aufl 2023, § 60 RdNr 40).

11

Da dem Kläger somit mangels hinreichender Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde keine PKH zu bewilligen ist, hat er nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.