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Bundessozialgericht
Beschl. v. 14.04.2025, Az.: B 2 U 15/23 BH

Ablehnung des Antrags auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts

Bibliographie

Gericht
BSG
Datum
14.04.2025
Aktenzeichen
B 2 U 15/23 BH
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 2025, 14182
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
ECLI:DE:BSG:2025:140425BB2U1523BH0

Verfahrensgang

vorgehend
SG Dortmund - 19.12.2022 - AZ: S 21 U 944/18
LSG Nordrhein-Westfalen - 28.08.2023 - AZ: L 15 U 97/23

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Auf eine Verletzung des § 103 SGG kann eine Nichtzulassungsbeschwerde nur gestützt werden, wenn sie sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Dafür ist entscheidend, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den ihm vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner sachlich-rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind.

  2. 2.

    Die Garantie rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte lediglich, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch, ihnen inhaltlich zu folgen.

Der 2. Senat des Bundessozialgerichts hat am 14. April 2025 durch den Richter Karmanski als Vorsitzenden, die Richterin Dr. Karl und den Richter Dr. Wahl
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. August 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten im wiederholten Überprüfungsverfahren über die Feststellung von Folgen des Arbeitsunfalls vom 9.6.1984 und die Gewährung einer Verletztenrente. Die Rücknahme des bestandskräftig gewordenen Ablehnungsbescheids lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 24.8.2018, Widerspruchsbescheid vom 5.12.2018). Das SG hat die Klage abgewiesen, das LSG die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom 19.12.2022, Beschluss vom 28.8.2023).

2

Für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des LSG beantragt der Kläger, ihm Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zu bewilligen.

II

3

Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von PKH und Beiordnung eines Rechtsanwalts ist abzulehnen, weil eine Nichtzulassungsbeschwerde keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs 1 Satz 1, § 121 Abs 1 ZPO).

4

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das angefochtene Urteil von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder vom Kläger aufgezeigt noch nach Durchsicht der Akten aufgrund der im PKH-Verfahren gebotenen summarischen Prüfung des Streitstoffs zu erblicken. Es ist nicht erkennbar, dass ein nach § 73 Abs 4 SGG zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen.

5

1. Es ist nicht ersichtlich, dass eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision auf eine Grundsatzrüge (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) gestützt werden könnte. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine Rechtsfrage aufwirft, die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung hat. Die Frage muss außerdem klärungsbedürftig sein. Das ist grundsätzlich nicht der Fall, wenn die Antwort darauf von vornherein praktisch außer Zweifel steht oder die Frage bereits höchstrichterlich entschieden ist (zum Ganzen vgl BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 70). Rechtsfragen, die in diesem Sinne grundsätzliche Bedeutung haben könnten, sind nicht erkennbar. Dies gilt auch hinsichtlich der im Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung (BSG Urteil vom 9.5.2006 - B 2 U 1/05 R - BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr 17, RdNr 13 ff).

6

2. Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) könnte ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Divergenz (Abweichung) bedeutet Widerspruch im Rechtssatz oder - anders ausgedrückt - das Nichtübereinstimmen tragender abstrakter Rechtssätze, die den miteinander zu vergleichenden Entscheidungen zugrunde gelegt worden sind. Sie kommt nur dann in Betracht, wenn das LSG einen tragenden abstrakten Rechtssatz in Abweichung von einem vorhandenen abstrakten Rechtssatz des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat (BSG Beschluss vom 25.9.2002 - B 7 AL 142/02 B - SozR 3-1500 § 160a Nr 34 S 72 mwN). Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Der angefochtene Beschluss des LSG stellt sich auf den Boden der Rechtsprechung des BSG und lässt keinen Willen zur Abweichung erkennen.

7

3. Schließlich lässt sich auch kein Verfahrensmangel feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG in einem Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren zur Zulassung der Revision führen könnte. Nach Halbsatz 2 dieser Bestimmung kann der geltend gemachte Verfahrensmangel auf eine Verletzung der §§ 109 und 128 Abs 1 Satz 1 SGG nicht und auf eine Verletzung des § 103 SGG nur gestützt werden, wenn er sich auf einen Beweisantrag bezieht, dem das LSG ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Zwar hat der im Berufungsverfahren nicht rechtskundig vertretene Kläger ausweislich des angegriffenen Beschlusses bis zuletzt den Antrag aufrechterhalten, nach § 106 SGG sowohl ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten als auch ein chirurgisches Gutachten einzuholen. Doch selbst wenn dieser Antrag den verminderten Anforderungen an Präzisierung und Formulierung eines Beweisantrags bei unvertretenen Beteiligten genügen sollte (dazu BSG Beschlüsse vom 6.11.2023 - B 2 U 170/22 B - juris RdNr 17, vom 20.12.2016 - B 5 R 242/16 B - juris RdNr 14 und vom 2.6.2003 - B 2 U 80/03 B - juris RdNr 4), ließe sich nicht hinreichend substantiiert darlegen, dass das LSG ihm ohne hinreichende Begründung nicht gefolgt ist. Entscheidend hierfür ist, ob sich das LSG von seinem sachlich-rechtlichen Standpunkt aus hätte gedrängt fühlen müssen, den beantragten Beweis zu erheben, weil nach den ihm vorliegenden Beweismitteln Fragen zum tatsächlichen Sachverhalt aus seiner sachlich-rechtlichen Sicht erkennbar offengeblieben sind (BSG Beschlüsse vom 6.9.2023 - B 2 U 90/22 B - juris RdNr 14, vom 15.8.2022 - B 2 U 141/21 B - juris RdNr 15 und vom 31.7.1975 - 5 BJ 28/75 - SozR 1500 § 160 Nr 5 S 6 = juris RdNr 2). Auf chirurgischem Fachgebiet bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durch das LSG zwingend veranlasst gewesen wäre. Soweit der Kläger das im erstinstanzlichen Verfahren bei O nach § 109 SGG eingeholte Gutachten für besser geeignet hält als die vom LSG aus vorhergehenden Verwaltungs- und Gerichtsverfahren beigezogenen Gutachten von B und Dr. S, vermag sich hieraus kein weiterer Aufklärungsbedarf ergeben. Denn Dr. O ist nach den Ausführungen des LSG letztlich auch zu der Einschätzung gelangt, dass sich ein kausaler Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 9.6.1984 und dem Kreuzbandschaden aus medizinischer Sicht nicht herstellen lässt. Ein allgemeiner Anspruch auf Überprüfung durch ein Obergutachten besteht im Übrigen nicht (vgl BSG Beschluss vom 14.12.2022 - B 2 U 1/22 B - juris RdNr 7 mwN). Ebenso wenig bestehen Anhaltspunkte dafür, dass sich das LSG zu weiterer Sachaufklärung auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet hätte gedrängt fühlen müssen. Folgen des Arbeitsunfalls vom 9.6.1984 auf psychiatrischem Fachgebiet hatten sich erkennbar schon im vorhergehenden und von der Vorinstanz in Bezug genommenen Überprüfungsverfahren nicht nachweisen lassen (LSG Nordrhein-Westfalen Beschluss vom 6.11.2017 - L 4 U 442/17 - juris, nachfolgend BSG Beschluss vom 15.3.2018 - B 2 U 16/17 BH - juris). In den Berichten des behandelnden Psychiaters P, der behandelnden Psychotherapeutin G und des S-Hospitals ließ sich danach allenfalls ein Zusammenhang der psychischen Gesundheitsstörungen mit dem Arbeitsunfall vom 6.12.2003 herstellen. Der von K in einem für ein Rentenverfahren erstatteten Sachverständigengutachten nicht näher begründete Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall vom 9.6.1984 musste das LSG vor diesem Hintergrund nicht zu weiteren Ermittlungen veranlassen.

8

Eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art 103 Abs 1 GG, § 62 SGG) könnte mit einer Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht mit Erfolg geltend gemacht werden. Soweit der Kläger meint, in seinem Gehörsrecht dadurch verletzt zu sein, dass das LSG seinen Beweisanträgen nicht gefolgt sei, verkennt er, dass die Garantie rechtlichen Gehörs die Gerichte verpflichtet, die Ausführungen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen, nicht aber auch, ihnen inhaltlich zu folgen (BVerfG Kammerbeschluss vom 30.9.2022 - 2 BvR 2222/21 - juris RdNr 26 f mwN). Mit den Anträgen des Klägers, ein neurologisch-psychiatrisches und ein chirurgisches Gutachten einzuholen, hat sich das LSG in dem angegriffenen Beschluss auseinandergesetzt. Eine unzureichende Sachrüge könnte mit einer Gehörsrüge im Übrigen nicht umgangen werden (BSG Beschluss vom 19.4.2022 - B 2 U 70/21 B - juris RdNr 15 mwN). Für eine inhaltlich unzureichende Anhörung gemäß § 153 Abs 4 Satz 2 SGG bestehen zudem keine Anhaltspunkte.

9

Auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 Satz 1 SGG kann kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung ein Verfahrensmangel nicht - dh weder unmittelbar noch mittelbar - gestützt werden (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG), was verfassungsrechtlich unbedenklich ist (BVerfG Kammerbeschluss vom 12.9.1991 - 1 BvR 765/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 6 S 11). Soweit der Kläger die inhaltliche Richtigkeit der Berufungsentscheidung angreift, ließe sich hierauf nach dem eindeutigen Wortlaut des § 160 Abs 2 Nr 1 bis 3 SGG eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht stützen (vgl BSG Beschluss vom 26.6.1975 - 12 BJ 12/75 - SozR 1500 § 160a Nr 7).

10

Da dem Kläger somit mangels hinreichender Erfolgsaussicht einer Nichtzulassungsbeschwerde keine PKH zu bewilligen ist, hat er nach § 73a Abs 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 121 Abs 1 ZPO auch keinen Anspruch auf Beiordnung eines Rechtsanwalts.