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Bundessozialgericht
Beschl. v. 29.02.2024, Az.: B 1 KR 1/23 B
Nichtzulassung der Revision in einem Verfahren wegen der Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.02.2024
Referenz: JurionRS 2024, 13602
Aktenzeichen: B 1 KR 1/23 B
ECLI: ECLI:DE:BSG:2024:290224BB1KR123B0

Verfahrensgang:

vorgehend:

SG Gotha - 08.01.2019 - AZ: S 50 KR 3451/17

LSG Thüringen - 23.09.2022 - AZ: L 6 KR 169/19

Rechtsgrundlage:

§ 160a Abs 2 S. 3 SGG

BSG, 29.02.2024 - B 1 KR 1/23 B

Der 1. Senat des Bundessozialgerichts hat am 29. Februar 2024 durch den Richter Dr. Scholz als Voristzenden sowie den Richter Dr. Bockholdt und die Richterin Dr. Matthäus
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 23. September 2022 wird als unzulässig verworfen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 1704,66 Euro festgesetzt.

Gründe

I

1

Die Beteiligten streiten über die Vergütung stationärer Krankenhausbehandlung. Im klägerischen Krankenhaus wurde eine Versicherte der beklagten Krankenkasse (KK) nach notfallmäßiger Aufnahme wegen seit vier Tagen bestehender rechtsseitiger Flankenschmerzen und schmerzhaftem Harndrang am 16.8.2015 und zwischenzeitlicher Entlassung auf eigenen Wunsch der Versicherten vom 16. bis 23.8.2015 stationär behandelt. Das Schockraumprotokoll vom 16.8.2015 wies als Körpertemperatur 37,2 Grad Celsius, als Atemfrequenz 21/min und als Herzfrequenz 102/min aus. Die noch am selben Tag durchgeführte Urindiagnostik ergab eine Leukozytenzahl von 24,1 Gpt/l. Ein Blutbild wurde am 17.8.2015 erstellt (Ergebnis: negativ). Eine Blutkulturuntersuchung (die negativ war) erfolgte am 17.8.2015, nachdem das Fieber auf über 38 Grad gestiegen war. Das Krankenhaus berechnete für den stationären Aufenthalt 3519,80 Euro nach Diagnosis Related Group (DRG) T60E (Sepsis ohne komplizierte Konstellation, außer bei Zustand nach Organtransplantation, ohne komplexe Diagnose, ohne äußert schwere CC, Alter > 9 Jahre) und kodierte hierbei ua die Hauptdiagnose A41.8 (Sonstige näher bezeichnete Sepsis) nach ICD-10. Die KK beglich den Rechnungsbetrag zunächst vollständig, verrechnete später jedoch einen Betrag von 1704,66 Euro unter Verweis auf ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK): Eine Sepsis habe bei Aufnahme (noch) nicht bestanden, da die formalen Sepsis-Kriterien mit nur zwei Parametern nicht erfüllt gewesen seien. Die Sepsis sei erst während des stationären Aufenthalts aufgetreten. Daher sei der ICD-Kode A41.8 nur als Nebendiagnose zu kodieren. Als Hauptdiagnose sei stattdessen der ICD-Kode N10 (Akute tubulointerstitielle Nephritis, Inkl.: infektiöse interstitielle Nephritis, Pyelitis, Pyelonephritis) zu kodieren, sodass die DRG L63F (Infektion der Harnorgane ohne äußerst schwere CC, ohne Komplexbehandlung bei multiresistenten Erregern, Alter > 5 Jahre oder Alter < 90 Jahre) angesteuert werde. Mit seiner Klage auf Vergütung des restlichen Rechnungsbetrags ist das Krankenhaus bei den Vorinstanzen ohne Erfolg geblieben. Das LSG hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt: Die Sepsis habe bei Aufnahme (noch) nicht vorgelegen, und sei daher nicht als Hauptdiagnose zu kodieren. Soweit das Krankenhaus geltend mache, dass der einweisende Arzt in seiner Verordnung zur Krankenhausbehandlung Temperaturen von bis 40 Grad sowie unter Medikation das Medikament Metamizol, das fiebersenkend wirke, angegeben habe und es daher nicht verwundere, dass im Schockraumprotokoll eine Temperatur von 37,2 Grad festgestellt worden sei, sei dem entgegenzuhalten, dass hierbei lediglich Angaben der Versicherten wiedergegeben worden seien, ohne dass insoweit eine zeitliche Einordnung möglich wäre und ohne dass der Arzt eine eigene Temperaturmessung vorgenommen habe (Urteil vom 23.9.2022).

2

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision im LSG-Urteil.

II

3

Die Beschwerde ist unzulässig und daher gemäß § 160a Abs 4 Satz 1 Halbsatz 2 iVm § 169 Satz 3 SGG zu verwerfen. Ihre Begründung entspricht nicht den aus § 160a Abs 2 Satz 3 SGG abzuleitenden Anforderungen an die Darlegung des allein geltend gemachten Revisionszulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung.

4

1. Wer sich auf den Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache beruft, muss eine Rechtsfrage klar formulieren und ausführen, inwiefern diese Frage im angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie klärungsbedürftig und über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist (vgl zB BSG vom 17.4.2012 - B 13 R 347/11 B - SozR 4-2600 § 72 Nr 5 RdNr 17 mwN; zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 14.4.2010 - 1 BvR 2856/07 - SozR 4-1500 § 160a Nr 24 RdNr 5 ff mwN). Dem wird das Beschwerdevorbringen nicht gerecht.

5

Die Klägerin formuliert die Frage:

"Sind Vorbefunde und anbehandelte Erkrankungen durch ambulant tätige Ärzte vom Krankenhausarzt zu überprüfen?"

6

Unabhängig davon, ob es sich hierbei überhaupt um eine der höchstrichterlichen Klärung zugängliche abstrakte Rechtsfrage handelt, fehlt es jedenfalls an Darlegungen zur Klärungsfähigkeit.

7

Klärungsfähig ist eine Rechtsfrage nur dann, wenn das BSG im angestrebten Revisionsverfahren überhaupt hierüber entscheiden müsste, die Frage also entscheidungserheblich ist (vgl BSG vom 13.1.2017 - B 12 R 23/16 B - juris RdNr 20; vgl zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieses Maßstabs BVerfG vom 18.12.1991 - 1 BvR 1411/91 - SozR 3-1500 § 160a Nr 7 S 14 = juris RdNr 8). Wie das Vorliegen grundsätzlicher Bedeutung insgesamt, ist dies auf der Tatsachengrundlage der Vorinstanz zu beurteilen. Auch Darlegungen zur Klärungsfähigkeit müssen sich also auf die Tatsachen beziehen, die das LSG im angegriffenen Urteil mit Bindungswirkung für das BSG (§ 163 SGG) festgestellt hat (vgl BSG vom 12.8.2020 - B 1 KR 46/19 B - juris RdNr 10 mwN).

8

Die Klägerin legt nicht dar, welche Relevanz die Antwort auf die von ihr aufgeworfene Frage unter Zugrundelegung der von ihr nicht mit Rügen angegriffenen Feststellungen des LSG für die Lösung des vorliegenden Falls haben soll. Sie setzt sich insbesondere nicht damit auseinander, dass der geltend gemachte Anspruch auf höhere Vergütung hier nach den - von ihr nicht mit Rügen angegriffenen - Feststellungen des LSG daran scheitert, dass bei Aufnahme der Versicherten in das Krankenhaus keine Sepsis vorgelegen hat.

9

Der Sache nach wendet sich die Klägerin gegen die richterliche Überzeugungsbildung des LSG, dass bei Aufnahme der Versicherten in das klägerische Krankenhaus keine Sepsis vorlag, und damit gegen die Beweiswürdigung des LSG. Damit kann sie aber im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde wegen des ausdrücklichen Ausschlusses einer Rüge der Verletzung von § 128 Abs 1 Satz 1 SGG durch § 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 2 SGG von vornherein nicht durchdringen. Die gesetzliche Beschränkung der Verfahrensrüge kann die Klägerin nicht dadurch erfolgreich umgehen, dass sie die Rüge in eine Frage von (vermeintlich) grundsätzlicher Bedeutung kleidet (vgl BSG vom 28.2.2018 - B 1 KR 65/17 B - RdNr 5 mwN).

10

2. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 160a Abs 4 Satz 2 Halbsatz 2 SGG).

11

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO, diejenige über den Streitwert auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 Satz 1, § 52 Abs 3, § 47 Abs 1 und 3 GKG.

Scholz

Bockholdt

Matthäus

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