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Bundessozialgericht
Beschl. v. 27.02.2024, Az.: B 8 SO 40/23 BH
Ablehnung von Prozesskostenhilfe für eine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in einem durch einen Vergleich beendeten Verfahren
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 27.02.2024
Referenz: JurionRS 2024, 13002
Aktenzeichen: B 8 SO 40/23 BH
ECLI: ECLI:DE:BSG:2024:270224BB8SO4023BH0

Verfahrensgang:

vorgehend:

SG München - 30.03.2022 - AZ: S 46 SO 453/18

LSG Bayern - 31.05.2023 - AZ: L 8 SO 114/22

Rechtsgrundlage:

§ 160 Abs. 2 SGG

BSG, 27.02.2024 - B 8 SO 40/23 BH

Redaktioneller Leitsatz:

PKH ist im sozialgerichtlichen Verfahren gemäß § 73a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 114 ZPO lediglich dann zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Dies ist nur dann zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs. 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten mit Erfolg geltend gemacht werden könnte. Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein gerichtlicher Vergleich wirksam zustande kommt und unter welchen Voraussetzungen er erfolgreich angefochten werden kann.

Der 8. Senat des Bundessozialgerichts hat am 27. Februar 2024 durch
die Vorsitzende Richterin Krauß sowie die Richter Prof. Dr. Bieresborn
und Stäbler
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 31. Mai 2023 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob zwei Klageverfahren beim Sozialgericht (SG) München durch einen Vergleich beendet wurden.

2

Der Kläger bezog von 2005 bis zum 29.2.2008 von der Beklagten Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung (Grundsicherungsleistungen) nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII). Weitere Leistungen versagte die Beklagte. Wegen der Versagung für die Zeit vom 1.12.2008 bis 29.11.2017 (Bescheid vom 18.1.2018, Widerspruchsbescheid vom 22.8.2018) hat der Kläger Klage zum SG erhoben (S 46 SO 453/18). Eine weitere Klage (S 46 SO 405/19) hat sich gegen die Versagung betreffend Leistungen ab 1.1.2019 (Bescheid vom 23.4.2019, Widerspruchsbescheid vom 30.7.2019) gerichtet. In dem zuerst genannten Verfahren (S 46 SO 453/18) haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung am 10.11.2021 einen Vergleich geschlossen. Dabei haben sie in Ziffer 4 des Vergleichs Einigkeit darüber erklärt, dass mit dem Vergleich die Klageverfahren S 46 SO 453/18 und S 46 SO 405/19 und alle Leistungsansprüche für die Zeit ab Juli 2007 bis aktuell endgültig und abschließend er - ledigt seien; ebenso würden auch Überprüfungsverfahren für die Zeit bis aktuell ausgeschlossen. Der Kläger hat den Vergleich in der Folge beim SG widerrufen und eine Neufassung beantragt. Das SG hat festgestellt, dass die Klageverfahren S 46 SO 453/18 sowie S 46 SO 405/19 durch Vergleich beendet worden seien (Gerichtsbescheid vom 30.3.2022). Einen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung hat es sodann abgelehnt (Gerichtsbescheid vom 13.4.2022). Der Kläger hat gegen beide Gerichtsbescheide Berufung beim Bayerischen Landessozialgericht (LSG) eingelegt, die das LSG nach Verbindung der Sachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung zurückgewiesen hat (Urteil vom 31.5.2023). Zur Begründung hat es ausgeführt, dass ein prozessual wirksamer Vergleich mit der Beklagten abgeschlossen worden sei, der mit der darin enthaltenen Erledigungserklärung das Klageverfahren in der Sache beendet habe. Eine wirksame Anfechtung mit Folge des rückwirkenden Wegfalls der materiell-rechtlichen Wirksamkeit des Vergleichs scheide vorliegend aus. Es fehle bereits an einer unverzüglichen Anfechtungserklärung, da diese erstmals knapp drei Monate nach Kenntnis der Höhe der ihm von der Beklagten auszuzahlenden Leistung erklärt worden sei. Darüber hinaus habe der bei Vergleichsschluss selbst anwesende und anwaltlich vertretene Kläger weder einem Inhalts-, noch einem Erklärungsirrtum unterlegen. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sei ebenfalls zu Recht abgelehnt worden, weil im vorliegenden Fall eine zulässige Berufung eingelegt worden sei.

3

Für die Durchführung eines Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im bezeichneten Urteil beantragt der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) und die Beiordnung einer anwaltlichen Vertretung.

II

4

Der Antrag auf Bewilligung von PKH ist nicht begründet. PKH ist nur zu bewilligen, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint (§ 73a Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz <SGG> iVm § 114 Zivilprozessordnung <ZPO>); daran fehlt es hier. Hinreichende Aussicht auf Erfolg wäre nur zu bejahen, wenn einer der drei in § 160 Abs 2 SGG abschließend aufgeführten Zulassungsgründe durch einen zugelassenen Prozessbevollmächtigten (§ 73 Abs 4 SGG) mit Erfolg geltend gemacht werden könnte; denn nur diese Gründe können zur Zulassung der Revision führen. Dies ist vorliegend nicht der Fall.

5

Der Rechtssache kommt nach Aktenlage keine grundsätzliche Bedeutung zu (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG). Das LSG hat den vorliegenden Einzelfall unter Heranziehung der in der Rechtsprechung entwickelten Kriterien zu der Frage entschieden, wann ein Verfahren durch Vergleich wirksam beendet wird. Es ist bereits höchstrichterlich geklärt, unter welchen Voraussetzungen ein gerichtlicher Vergleich wirksam zustande kommt und unter welchen Voraussetzungen er erfolgreich angefochten werden kann (vgl nur BSG vom 7.7.2020 - B 12 KR 18/18 R - RdNr 13 ff, 19). Ob diese Voraussetzungen jeweils vorliegen, ist eine Frage der Umstände des Einzelfalles, wirft aber keine grundsätzlichen Rechtsfragen auf.

6

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Entgegen der Auffassung des Klägers hat das LSG keinen von der Rechtsprechung des BSG abweichenden abstrakten Rechtssatz aufgestellt. Vielmehr befindet es sich in Einklang mit den Maßstäben, die in den vom Kläger angeführten Urteilen des BSG enthalten sind.

7

Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG). Nach Aktenlage und auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers erweist sich die Entscheidung des LSG, die vom SG festgestellte Erledigung des ursprünglichen Rechtsstreits durch Vergleich zu bestätigen und damit (ebenfalls) ein Prozessurteil zu erlassen, als zutreffend. Es ergeben sich keine Hinweise dafür, dass der Vergleich nicht wirksam zustande gekommen sein könnte und insbesondere keine wirksame Zustimmungserklärung des Klägers durch eine entsprechende Erklärung vorliegt. Soweit der Kläger geltend macht, er sei zum Vergleichsschluss genötigt worden und fechte die Erklärung deshalb an, folgt schon aus seinem eigenen Vorbringen, mit dem er seine wirtschaftliche Zwangslage schildert, dass er nicht von einer anderen Person zum Vergleichsschluss genötigt worden ist. Auch die Voraussetzungen für eine Anfechtung wegen Irrtums liegen nach Aktenlage nicht vor. Dass der Prozessbevollmächtigte sich über die Bedeutung und Tragweite der Erklärung geirrt hätte, ist nicht erkennbar. Selbst wenn der Prozessbevollmächtigte fälschlich davon ausgegangen sein sollte, im Sinne des Klägers zu handeln, führt ein Motivirrtum nicht zur Möglichkeit der Anfechtung. Ein unbeachtlicher Motivirrtum liegt schließlich auch vor, soweit der Kläger geltend macht, selbst die Folgen des Vergleichsabschlusses nicht übersehen zu haben. Ein solcher Irrtum im Beweggrund wird von keinem der gesetzlichen Anfechtungsgründe erfasst.

8

Soweit der Kläger schließlich vorträgt, der Kammervorsitzende des SG sei befangen gewesen, ist nicht erkennbar, dass ein zugelassener Bevollmächtigter hierauf eine Nichtzulassungsbeschwerde mit Erfolg stützen könnte. Da sich die Zulassung der Revision gegen eine Entscheidung des LSG richtet (§ 160 SGG), kommen im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde nur Mängel des Verfahrens vor dem LSG und nicht vor dem SG in Betracht, es sei denn, dass der Verfahrensmangel fortwirkt und damit zugleich einen Mangel des Verfahrens vor dem LSG bildet (vgl nur BSG Beschluss vom 19.1.2011 - B 13 R 211/10 B - RdNr 15 mwN). Es fehlt hier aber schon an einem rechtzeitig beim SG angebrachten Gesuch wegen der Besorgnis der Befangenheit des Kammervorsitzenden, sodass für einen solchen Sachverhalt nichts ersichtlich ist.

9

Ein Verfahrensfehler, auf dem die Berufungsentscheidung beruhen kann, ergibt sich auch nicht daraus, dass das SG keine mündliche Verhandlung nach der Einlegung der Berufung anberaumt hat, weil nach § 105 Abs 2 Satz 2 SGG kein Wahlrecht zwischen statthafter Berufung und mündlicher Verhandlung besteht (BSG vom 6.1.2022 - B 4 AS 314/21 B - juris RdNr 6; BSG vom 14.10.2022 - B 4 AS 102/22 BH - juris RdNr 3).

10

Mit der Ablehnung von PKH entfällt zugleich die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Rahmen der PKH (§ 73a Abs 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Krauß

Stäbler

Bieresborn

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