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Bundessozialgericht
Beschl. v. 13.12.2018, Az.: B 10 ÜG 6/18 BH
Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens; Versäumung der Klagefrist; Keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist
Gericht: BSG
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 13.12.2018
Referenz: JurionRS 2018, 51911
Aktenzeichen: B 10 ÜG 6/18 BH
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LSG Hessen - 01.08.2018 - AZ: L 6 SF 20/17 EK AS

BSG, 13.12.2018 - B 10 ÜG 6/18 BH

Redaktioneller Leitsatz:

Parallelentscheidung zu BSG B 10 ÜG 4/18 BH v. 13.12.2018

in dem Rechtsstreit

BSG Az.: B 10 ÜG 6/18 BH

Hessisches LSG 01.08.2018 - L 6 SF 20/17 EK AS

..............................................,

Kläger und Antragsteller,

gegen

Land Hessen,

vertreten durch die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main,

Zeil 42, 60313 Frankfurt am Main,

Beklagter.

Der 10. Senat des Bundessozialgerichts hat am 13. Dezember 2018 durch die Vorsitzende Richterin Dr. R o o s sowie die Richter O t h m e r und Dr. R ö h l

beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers, ihm für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 1. August 2018 - L 6 SF 20/17 EK AS - Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Gründe

I

1

Das LSG hat als Entschädigungsgericht mit Urteil vom 1.8.2018 einen Anspruch des Klägers auf mindestens 4100 Euro Entschädigung wegen der überlangen Dauer eines Bewilligungsverfahrens für Prozesskostenhilfe vor dem SG Marburg zum dortigen Klageverfahren mit den S 8 AS 14/13 verneint. Die Entschädigungsklage bezüglich eines PKH-Bewilligungsverfahrens, das gleichzeitig neben einem rechtshängigen Hauptsachenverfahren geführt werde, sei unstatthaft. Die Vorschrift des § 198 GVG gehe von einem an der Hauptsache orientierten Verfahrensbegriff aus. Die Definition des Gerichtsverfahrens in § 198 Abs 6 Nr 1 GVG umfasse nicht nur das isolierte PKH-Verfahren, sondern erkläre gleichzeitig das PKH-Verfahren zum Bestandteil des Hauptsacheverfahrens, wenn wegen der Hauptsache Entschädigung begehrt werde. Ob Verzögerungen im PKH-Bewilligungsverfahren während der Dauer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen seien, sei im Rahmen des § 198 Abs 1 S 2 GVG im Entschädigungsklageverfahren bezüglich des Hauptsacheverfahrens zu bewerten (Hinweis auf Senatsurteile vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 3/16 R und vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R). Der Kläger sei daher auf die anhängige Entschädigungsklage zum Hauptsacheverfahren zu verweisen.

2

Der Kläger hat mit Schreiben vom 24.9.2018, beim BSG eingegangen per Telefax am selben Tag, für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision in dem genannten Urteil des Entschädigungsgerichts PKH unter Beiordnung eines postulationsfähigen Rechtsbeistands beantragt. Das Entschädigungsgericht habe sein Recht auf ein faires Verfahren und die ihm obliegende Fürsorgepflicht verletzt sowie gegen das Willkürverbot verstoßen, weil es die parallellaufenden Verfahren nicht verbunden habe. Zudem weiche das LSG von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgericht ab.

II

3

Der Antrag des Klägers auf PKH ist abzulehnen, weil die beabsichtigte Rechtsverfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 114 Abs 1 S 1 ZPO).

4

Das gegen die angefochtene Entscheidung des Entschädigungsgerichts zulässige Rechtsmittel ist allein die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 160a SGG). In einem solchen Verfahren geht es nicht darum, ob die Entscheidung des Entschädigungsgerichts inhaltlich richtig oder falsch ist. Vielmehr darf gemäß § 160 Abs 2 SGG die Revision nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des Entschädigungsgerichts von einer Entscheidung des BSG, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist nach Prüfung des Streitstoffs nicht ersichtlich.

5

1. Es ist nicht erkennbar, dass eine Zulassung der Revision gegen das von dem Kläger angegriffene Urteil des Entschädigungsgerichts auf den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG) gestützt werden könnte. Die vom Kläger behauptete Abweichung des LSG von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegt fern. Der vom Kläger zitierte Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 4.9.2017 - 1 BvR 2443/16 - Juris RdNr 13 ff) trifft schon keine endgültige Aussage über die Auslegung von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG und dessen Anwendung auf PKH-Verfahren. Der Beschluss erklärt vielmehr gerade die durch die Auslegung der Vorschrift aufgeworfene Rechtsfrage als ungeklärt und schwierig und deshalb ihre Beantwortung im Rahmen eines PKH-Verfahrens anstelle des Hauptsacheverfahrens als verfassungswidrig. Ohnehin hat der Senat die Rechtsfrage der Anwendung von § 198 Abs 6 Nr 1 GVG auf PKH-Verfahren inzwischen geklärt. Isolierte Verfahren zur Bewilligung von Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe fallen demnach in den Anwendungsbereich des § 198 GVG und werden ua neben dem Klageverfahren zur Hauptsache erfasst (vgl Senat Urteil vom 10.7.2014 - B 10 ÜG 8/13 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 2 RdNr 16 ff, 22; Senatsbeschluss vom 18.5.2017 - B 10 ÜG 2/17 BH - Juris RdNr 6; Senatsbeschluss vom 25.10.2016 - B 10 ÜG 23/16 B - Juris RdNr 6). Dagegen führt ein PKH-Verfahren, welches - wie im Fall des Klägers - gleichzeitig neben einem rechtshängigen Hauptsacheverfahren geführt wird, nicht zu einem weiteren - eigenständigen - Entschädigungsanspruch. Ob Verzögerungen im Verfahren um die Bewilligung von PKH während der Dauer eines gleichzeitig rechtshängig gewordenen Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen sind, ist vielmehr im Rahmen des § 198 Abs 1 S 2 GVG im Rahmen der Einzelfallumstände zu bewerten, wenn ein Gericht wegen eines PKH-Verfahrens die Hauptsache nicht so zügig bearbeitet wie dies ggf erforderlich wäre (Senatsurteil vom 7.9.2017 - B 10 ÜG 3/16 R - SozR 4-1720 § 198 Nr 14 RdNr 29 mwN). Diese Grundsätze hat das LSG seiner Entscheidung zugrunde gelegt; für eine Divergenz ist daher nichts ersichtlich. Dahinstehen kann, ob das Entschädigungsgericht mit der Abweisung der Klage im Einzelfall als unstatthaft anstatt als unbegründet die richtigen Schlüsse aus diesen höchstrichterlichen Vorgaben gezogen hat (vgl allg BSG Beschluss vom 15.12.2016 - B 9 SB 32/16 B - Juris RdNr 10 mwN).

6

2. Ebenso wenig lässt sich ein Verfahrensfehler feststellen, der gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 SGG zur Zulassung der Revision führen könnte. Der Kläger macht insoweit geltend, das Entschädigungsgericht habe sein Recht auf ein faires Verfahren verletzt und gegen die ihm obliegende Fürsorgepflicht sowie gegen das Willkürverbot verstoßen, indem es zwei getrennte Aktenzeichen für die von ihm geltend gemachten Entschädigungsansprüche vergeben und die Verfahren nicht verbunden habe. Damit hat er keinen Verfahrensmangel benannt, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann. Der Kläger hat mit getrennten Schriftsätzen vom 28.2.2017 jeweils Prozesskostenhilfe für die Feststellung einer unangemessen langen Verfahrensdauer eines PKH-Bewilligungsverfahrens einerseits und einer Untätigkeitsklage andererseits beantragt. Er hat die beiden Anträge auch jeweils unterschiedlich begründet und (mit Schriftsatz vom 11.04.2018) nachgefragt, warum für sein - von ihm ausdrücklich so bezeichnetes - zweites Klagebegehren hinsichtlich der Dauer des Verfahrens über die Untätigkeitsklage zunächst kein eigenständiges Verfahren angelegt worden war. Erst daraufhin hat das Entschädigungsgericht die beiden Entschädigungsbegehren formell als zwei unterschiedliche Klagen behandelt. Allgemein und erst recht in dieser Konstellation begründet das Unterlassen einer Verbindung von getrennt anhängig gemachten Streitsachen keinen Verfahrensmangel, auf dem die Sachentscheidung zu den verschiedenen Streitgegenständen beruhen kann (vgl BSG Beschluss vom 17.6.2009 - B 6 KA 36/08 B - Juris RdNr 13 f). Das LSG war auch durch den Fürsorgegrundsatz nicht gehalten, den prozesserfahrenen Kläger vor den Folgen seiner bewussten Entscheidung zu schützen, zwei gesonderte Entschädigungsansprüche für eine Untätigkeitsklage und das damit verbundene PKH-Verfahren geltend zu machen.

7

Selbst wenn in der Abweisung der Entschädigungsklage als unstatthaft ein Verfahrensfehler liegen sollte (vgl BSG Beschluss vom 20.7.2011 - B 13 R 97/11 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 4 RdNr 11) käme gleichwohl eine Revisionszulassung nicht in Betracht, weil die geltend gemachte Verzögerung des verbundenen PKH-Verfahrens auch in der Sache - wie ausgeführt - keinen separaten Entschädigungsanspruch begründen könnte und das LSG-Urteil deshalb im Ergebnis Bestand haben würde (vgl BSG Beschluss vom 20.7.2011 - B 13 R 97/11 B - SozR 4-1500 § 158 Nr 4 RdNr 12).

8

Da dem Kläger keine PKH zusteht, kann er auch nicht die Beiordnung eines Rechtsanwalts beanspruchen (§ 73a Abs 1 S 1 SGG iVm § 121 Abs 1 ZPO).

Dr. Roos
Othmer
Dr. Röhl

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