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Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.02.2024, Az.: VIa ZR 1678/22
Schadensersatzanspruch eines Käufers eines Neufahrzeugs gegen den Hersteller wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen; Wirksamkeit der in der Sicherungsabrede zwischen dem Käufer und der Bank enthaltenen Abtretungsklausel
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 27.02.2024
Referenz: JurionRS 2024, 11764
Aktenzeichen: VIa ZR 1678/22
ECLI: ECLI:DE:BGH:2024:270224UVIAZR1678.22.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Stuttgart - 30.09.2021 - AZ: 7 O 298/20

OLG Stuttgart - 30.11.2022 - AZ: 23 U 4167/21

BGH, 27.02.2024 - VIa ZR 1678/22

Der VIa. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 27. Februar 2024 durch die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. C. Fischer als Vorsitzende, die Richterinnen Möhring, Dr. Krüger, Wille und den Richter Liepin
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das Urteil des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 30. November 2022 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als der Berufungsantrag zu I in Höhe von 59.014,34 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30. April 2021 Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des erworbenen Fahrzeugs sowie der Berufungsantrag zu IV betreffend die deliktische Schädigung der Klägerin durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs zurückgewiesen worden sind.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die Beklagte wegen der Verwendung unzulässiger Abschalteinrichtungen in einem Kraftfahrzeug auf Schadensersatz in Anspruch.

2

Die Klägerin kaufte am 22. Juli 2016 von der Beklagten einen von dieser hergestellten neuen Mercedes-Benz V 250 D "V-Klasse", der mit einem Dieselmotor der Baureihe OM 651 (Schadstoffklasse Euro 6) ausgerüstet ist. Das Fahrzeug verfügt über ein sogenanntes "Thermofenster", eine Kühlmittel-Solltemperatur-Regelung und ein SCR-System.

3

Die Klägerin finanzierte den Kaufpreis teilweise über ein Darlehen der Mercedes-Benz Bank AG (im Folgenden Bank). Dem Darlehensvertrag lagen die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Bank zugrunde, die folgende Regelungen enthielten:

"II. Sicherheiten

Der Darlehensnehmer räumt der Bank zur Sicherung aller gegenwärtigen und bis zur Rückzahlung des Darlehens noch entstehenden sowie bedingten und befristeten Ansprüche der Bank aus der Geschäftsverbindung einschließlich einer etwaigen Rückabwicklung,gleich aus welchem Rechtsgrund, Sicherheiten gemäß nachstehender Ziffern 1 und 2 ein.

[...]

2. Abtretung von sonstigen Ansprüchen

Der Darlehensnehmer tritt ferner hiermit folgende - gegenwärtigeund zukünftige - Ansprüche an die Bank ab, die diese Abtretung annimmt:

- [...]

- [...]

- [...]

- gegen die [Beklagte] [...], gleich aus welchem Rechtsgrund. Ausgenommen von der Abtretung sind Gewährleistungsansprücheaus Kaufvertrag des Darlehensnehmers gegen die [Beklagte] odereinen Vertreter der [Beklagten]. [...].

[...]

5. Rückgabe der Sicherheiten

Die Bank verpflichtet sich, nach Wegfall des Sicherungszweckes(alle Zahlungen unanfechtbar erfolgt) sämtliche Sicherungsrechte(Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurückzuübertragen [...]. [...]"

4

Die Klägerin hat die Beklagte unter den Gesichtspunkten des gewährleistungsrechtlich gerechtfertigten Rücktritts vom Kaufvertrag und ihrer deliktischen Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs in Anspruch genommen. Sie hat die Erstattung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übereignung und Herausgabe des Fahrzeugs (Berufungsantrag zu I), die Zahlung von Deliktszinsen (Berufungsantrag zu II), die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten (Berufungsantrag zu III) und die Freistellung von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten (Berufungsantrag zu IV) begehrt.

5

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin ist erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht insoweit zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Berufungsanträge zu I und zu IV weiter, soweit sie diese auf ihre deliktische Schädigung durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs stützt. Hinsichtlich der zunächst ebenfalls weiterverfolgten Berufungsanträge zu II und zu III hat sie die Revision zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

6

Die - entsprechend der eingeschränkten Zulassung durch das Berufungsgericht - wirksam auf deliktische Schadensersatzansprüche beschränkte Revision (vgl. BGH, Urteil vom 24. April 2023 - VIa ZR 1517/22, VersR 2023, 854 Rn. 4 ff., insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 237, 59) hat im Umfang des nachträglich weiter eingegrenzten Rechtsmittelangriffs weitgehend Erfolg.

I.

7

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - im Wesentlichen wie folgt begründet:

8

Die Klägerin sei hinsichtlich etwaiger deliktischer Ansprüche nicht aktivlegitimiert, weil sie diese sicherungshalber an die Bank abgetreten habe. Die in den Darlehensvertrag einbezogene Abtretungsklausel in Ziffer II 2 vierter Spiegelstrich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen erfasse auch deliktische Ansprüche der Klägerin und halte einer Kontrolle nach den §§ 305 ff. BGB stand. Weder sei sie - weil bankenüblich - überraschend im Sinne von § 305c Abs. 1 BGB, noch benachteilige sie die Klägerin unangemessen im Sinne von § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB. Die Klausel sei auch nicht als unklar anzusehen. Aufgrund der Offenlegung der Sicherungsabtretung sei die Klägerin nicht berechtigt, eine Zahlung an sich zu verlangen. Eine Rückübertragung der abgetretenen eventuellen Ansprüche an sie sei nicht erfolgt.

II.

9

Diese Erwägungen halten der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung können die von der Klägerin mit den Berufungsanträgen zu I und zu IV geltend gemachten Ansprüche nicht abgelehnt werden. Die Klägerin ist als Käuferin des Fahrzeugs Inhaberin möglicher deliktischer Ansprüche gegen die Beklagte, weil die in der Sicherungsabrede zwischen ihr und der Bank enthaltene Abtretungsklausel nach gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung gemäß § 307 Abs. 1 und 2 Nr. 1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unwirksam ist (vgl. BGH, Urteile vom 26. Juni 2023 - VIa ZR 1141/22, juris Rn. 11 ff.; - VIa ZR 1619/22, juris Rn. 10 ff.; - VIa ZR 1657/22, BGHZ 237, 281 Rn. 10 ff.; Urteile vom 3. Juli 2023 - VIa ZR 1498/22, juris Rn. 10 ff.; - VIa ZR 155/23, NJW-RR 2023, 1583 [OLG Bamberg 24.08.2023 - 12 U 58/22] Rn. 10 ff.; Urteile vom 10. Juli 2023 - VIa ZR 1620/22, juris Rn. 11; - VIa ZR 1632/22, juris Rn. 7; - VIa ZR 318/23, juris Rn. 7; Urteile vom 11. September 2023 - VIa ZR 1693/22, juris Rn. 7; - VIa ZR 1707/22, juris Rn. 9).

III.

10

Das Berufungsurteil hat gleichwohl Bestand, soweit die Klägerin mit dem Berufungsantrag zu I vom 17. März 2020 bis zur Zustellung der Klageschrift am 29. April 2021 Zinsen begehrt hat. Die Beklagte ist durch die vorgerichtliche Mahnung der Klägerin nicht in Verzug geraten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Klägerin den Ersatz des gesamten Kaufpreises ohne die Berücksichtigung von Nutzungsvorteilen zuzüglich Deliktszinsen verlangt und hiervon die Übergabe und Übereignung des Fahrzeugs abhängig gemacht. Sie hat daher - selbst wenn ihr ein Anspruch aus §§ 826, 31 BGB auf großen Schadensersatz zustünde - einen weit übersetzten Betrag begehrt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, BGHZ 225, 316 Rn. 64 ff.; Urteil vom 30. Juli 2023 - VI ZR 354/19, BGHZ 226, 322 Rn. 17 ff.). Unter diesen Umständen scheidet ein Schuldnerverzug aus (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020, aaO, Rn. 86; Urteil vom 9. Oktober 2023 - VIa ZR 26/21, WM 2023, 2190 Rn. 12; Urteil vom 24. Oktober 2023 - VI ZR 131/20, WM 2024, 218 Rn. 34). Die Beklagte hat daher allenfalls Prozesszinsen seit dem 30. April 2021 zu entrichten (§§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB).

IV.

11

Im Übrigen ist das angefochtene Urteil in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang aufzuheben, § 562 Abs. 1 ZPO, weil es sich insoweit nicht aus anderen Gründen als richtig darstellt, § 561 ZPO. Das Berufungsgericht hat keine tragfähigen Feststellungen zu einer Haftung der Beklagten wegen einer deliktischen Schädigung der Klägerin durch das Inverkehrbringen des Fahrzeugs getroffen. Der Senat kann im Umfang der Aufhebung nicht in der Sache selbst entscheiden, weil diese nicht zur Endentscheidung reif ist, § 563 Abs. 3 ZPO. Sie ist daher insoweit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

C. Fischer

Möhring

Krüger

Wille

Liepin

Von Rechts wegen

Verkündet am: 27. Februar 2024

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