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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 15.12.2023, Az.: AnwZ (Brfg) 20/23
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.12.2023
Referenz: JurionRS 2023, 50636
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 20/23
ECLI: ECLI:DE:BGH:2023:151223BANWZ.BRFG.20.23.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Nordrhein-Westfalen - 24.02.2023 - AZ: 1 AGH 32/22

Rechtsgrundlage:

§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO

BGH, 15.12.2023 - AnwZ (Brfg) 20/23

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Die Auslegung eines ausdrücklich als Berufung bezeichneten Rechtsmittels als Zulassungsantrag ist nicht möglich.

  2. 2.

    Eine Umdeutung des Rechtsmittels in einen Antrag auf Zulassung der Berufung setzt voraus, dass der Rechtsmittelführer diesen Antrag noch innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt oder innerhalb dieser Frist beantragt hat, das unstatthafte Rechtsmittel als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln.

  3. 3.

    Für die Glaubhaftmachungeine tatsächlicher Behauptungen genügt lediglich schriftsätzlicher Vortrag nicht.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Richterinnen Dr. Liebert und Ettl sowie den Rechtsanwalt Dr. Lauer und die Rechtsanwältin Niggemeyer-Müller
am 15. Dezember 2023
beschlossen:

Tenor:

Die Berufung des Klägers gegen das am 24. Februar 2023 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsmittelverfahrens.

Der Wert des Verfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit dem Jahr 2008 im Bezirk der Beklagten zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 18. Oktober 2022 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof des Landes Nordrhein-Westfalen mit Urteil vom 24. Februar 2023, dem Kläger zugestellt am 28. März 2023, als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 28. April 2023 Berufung gegen das Urteil eingelegt.

2

Mit Verfügungen vom 12. Juni 2023 und vom 31. Juli 2023 hat der Senat den Kläger auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hingewiesen und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die dem Kläger hierfür bis zum 28. August 2023 gesetzte Frist wurde - jeweils auf seinen Antrag - zweimal verlängert, zuletzt bis zum 8. November 2023. Eine inhaltliche Stellungnahme erfolgte nicht. Mit Schriftsatz vom 8. November 2023, beim Bundesgerichtshof eingegangen am selben Tag um 21.41 Uhr, hat der Kläger stattdessen ein weiteres Mal beantragt, die Stellungnahmefrist zu verlängern.

II.

3

Die Berufung des Klägers ist nicht statthaft. Eine Auslegung als oder eine Umdeutung in einen Antrag auf Zulassung der Berufung kommen vorliegend nicht in Betracht.

4

1. Gemäß § 112e Satz 1 BRAO steht den Beteiligten gegen ein Endurteil des Anwaltsgerichtshofs die Berufung zu, wenn sie vom Anwaltsgerichtshof oder vom Bundesgerichtshof zugelassen wird. Der Anwaltsgerichtshof hat in seinem Urteil die Berufung nicht zugelassen. Daher ist gegen diese Entscheidung gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO lediglich der Antrag auf Zulassung der Berufung statthaft.

5

2. Eine Auslegung des als Berufung bezeichneten Rechtsmittels als Zulassungsantrag ist nicht möglich (vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. März 2022 - AnwZ (Brfg) 34/21, juris Rn. 5 ff. mwN). In der Rechtsmittelschrift vom 28. April 2023 wurde das erhobene Rechtsmittel - trotz ordnungsgemäßer Belehrung über das statthafte Rechtsmittel durch den Anwaltsgerichtshof - vom Kläger optisch hervorgehoben ausdrücklich als "Berufung" bezeichnet. Von einer Zulassung des Rechtsmittels ist an keiner Stelle des Schriftsatzes die Rede. Auch im Schriftsatz vom 30. Mai 2023, in dem der Kläger ausdrücklich auf die von ihm eingelegte "Berufung" Bezug nimmt, geht er auf keinen der in § 124 Abs. 2 Nr. 1-5 VwGO (i.V.m. § 112e Satz 2 BRAO) genannten Zulassungsgründe ein.

6

3. Eine Umdeutung des Rechtsmittels in einen Antrag auf Zulassung der Berufung setzt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs u.a. voraus, dass der Kläger diesen Antrag noch innerhalb der Rechtsmittelfrist gestellt oder innerhalb dieser Frist beantragt hat, das unstatthafte Rechtsmittel als Antrag auf Zulassung der Berufung zu behandeln (vgl. nur Senat, Beschluss vom 2. März 2022 - AnwZ (Brfg) 34/21, juris Rn. 10 mwN). Daran fehlt es. Die Rechtsmittelfrist, die mit Zustellung des vollständigen Urteils am 28. März 2023 zu laufen begonnen hat, ist gemäß § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 Satz 1, 125 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 2 VwGO, § 222 Abs. 1 und 2 ZPO, § 187 Abs. 1, § 188 Abs. 2 Fall 1 BGB (feiertagsbedingt) am Dienstag, den 30. Mai 2023 abgelaufen, ohne dass entsprechende Anträge gestellt worden sind.

7

4. Dem Antrag des Klägers auf nochmalige Verlängerung der am 8. November 2023 abgelaufenen Frist zur Stellungnahme zu den Hinweisen des Gerichts war nicht stattzugeben.

8

Richterliche Fristen können nach § 224 Abs. 2 ZPO (i.V.m. § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO) auf Antrag verlängert werden, wenn erhebliche Gründe glaubhaft gemacht sind. Nach § 294 Abs. 1 ZPO (i.V.m. § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 173 Satz 1 VwGO) kann, wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. Lediglich schriftsätzlicher Vortrag genügt jedoch nicht (vgl. BGH, Beschluss vom 22. Oktober 2014 - XII ZB 257/14, NJW 2015, 171 Rn. 16; Beschluss vom 18. Mai 2011 - IV ZB 6/10, NJOZ 2011, 1809 Rn. 11; Geimer/Greger in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 294 Rn. 5). Danach fehlt es an einer Glaubhaftmachung der vom Kläger vorgetragenen Umstände.

9

Der Kläger hat weder die im Schriftsatz vom 8. November 2023 erwähnten "Bilder" noch andere Mittel der Glaubhaftmachung zur Akte gereicht. Soweit er im Schriftsatz vom 8. November 2023 angekündigt hat, auf etwaige Anforderung des Senats eine Versicherung an Eides statt anfertigen zu wollen, war dem nicht nachzugehen. Da auf der Grundlage des vor Ablauf der Frist gehaltenen Vorbringens über den Verlängerungsantrag nach § 224 Abs. 2 ZPO entschieden wird (vgl. BGH, Beschluss vom 18. März 1982 - GSZ 1/81, BGHZ 83, 217, 221; Feskorn in Zöller, ZPO, 34. Aufl., § 224 Rn. 7), sind die Gründe des Antrags nicht nur innerhalb der Frist vorzutragen, sondern auch glaubhaft zu machen (vgl. OLG Frankfurt am Main, BeckRS 2023, 10391 Rn. 12; vgl. auch BGH, Beschluss vom 24. November 2022 - I ZR 25/22, MDR 2023, 593 Rn. 9 [zur Glaubhaftmachung des Beschwerdewerts nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO innerhalb der Begründungsfrist des § 544 Abs. 4 ZPO] mwN).

10

Da der Kläger den Fristverlängerungsantrag zudem erst am letzten Tag der Frist und auch nicht mehr innerhalb der üblichen Geschäftszeit des Gerichts eingereicht hat, konnte er auch nicht erwarten, dass ihn eine Anforderung der - nach seinem Vortrag ohnehin erst noch anzufertigenden - eidesstattlichen Versicherung noch vor Fristablauf erreichen würde.

11

Außerdem konnte der Kläger schon deshalb nicht damit rechnen, dass seinem nochmaligen Fristverlängerungsantrag ohne weiteres stattgegeben würde, weil bereits die zweite Verlängerung ausdrücklich "letztmalig" gewährt worden ist.

III.

12

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Limperg

Liebert

Ettl

Lauer

Niggemeyer-Müller

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