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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 29.10.2021, Az.: AnwSt (B) 3/21
Wiederholter Verstoß eines Rechtsanwalts gegen seine anwaltlichen Pflichten, insbesondere gegen das Sachlichkeitsgebot
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 29.10.2021
Referenz: JurionRS 2021, 48619
Aktenzeichen: AnwSt (B) 3/21
ECLI: ECLI:DE:BGH:2021:291021BANWST.B.3.21.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

ANWG Frankfurt am Main - 02.11.2018 - AZ: III AG 27/18

AGH Frankfurt - 12.08.2019 - AZ: I AGH 2/19

Rechtsgrundlage:

§ 43a Abs. 3 BRAO

Verfahrensgegenstand:

Verletzung anwaltlicher Berufspflichten

BGH, 29.10.2021 - AnwSt (B) 3/21

Redaktioneller Leitsatz:

§ 356a StPO enthält eine gegenüber § 33a StPO vorrangige speziellere Regelung für das Revisionsverfahren, deren Frist- und Formvorschriften nicht durch den Rückgriff auf § 33a StPO unterlaufen werden dürfen.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert und die Richterin Grüneberg sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Lauer
am 29. Oktober 2021
beschlossen:

Tenor:

Die Rüge des Rechtsanwalts vom 1. September 2021, durch den Beschluss des Senats vom 12. Juli 2021 in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt worden zu sein, wird auf seine Kosten verworfen.

Gründe

I.

1

Das Anwaltsgericht hat gegen den Rechtsanwalt wegen wiederholten Verstoßes gegen seine anwaltlichen Pflichten, insbesondere gegen das Sachlichkeitsgebot des § 43a Abs. 3 BRAO, einen Verweis ausgesprochen und eine Geldbuße in Höhe von 1.500 € verhängt. Der Anwaltsgerichtshof hat die Berufung des Rechtsanwalts gegen dieses Urteil wegen unentschuldigten Nichterscheinens zur mündlichen Verhandlung verworfen. Gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Anwaltsgerichtshofs hat der Rechtsanwalt Beschwerde eingelegt, die der Senat durch einstimmigen Beschluss vom 12. Juli 2021, dem Rechtsanwalt zugestellt am 19. August 2021, gemäß § 145 Abs. 5 Satz 1 und 2 BRAO als unzulässig verworfen hat. Dagegen richtet sich die mit Schreiben vom 1. September 2021 erhobene Anhörungsrüge.

II.

2

1. Die Anhörungsrüge ist nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 356a StPO statthaft. Sie ist aber unzulässig, da sie nicht fristgerecht erhoben wurde.

3

Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 356a Satz 2 StPO ist eine Anhörungsrüge binnen einer Woche nach Kenntnis von der vermeintlichen Verletzung des rechtlichen Gehörs zu erheben. Maßgeblich ist allein die Kenntnis der tatsächlichen Umstände, aus denen sich der behauptete Verstoß ergibt (vgl. BGH, Beschluss vom 9. August 2016 - 1 StR 52/16, NStZ-RR 2016, 318, 319 mwN). Das ist hier der Senatsbeschluss vom 12. Juli 2021. Da der Beschluss dem Rechtsanwalt am 19. August 2021 zugestellt worden ist, ist die Einlegungsfrist am 26. August 2021 und damit vor Eingang der Anhörungsrüge am 1. September 2021 abgelaufen.

4

Dagegen macht der Rechtsanwalt ohne Erfolg geltend, dass eine Gehörsrüge nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 33a StPO fristlos erhoben werden könne. § 356a StPO enthält eine gegenüber § 33a StPO vorrangige speziellere Regelung für das Revisionsverfahren, deren Frist- und Formvorschriften nicht durch den Rückgriff auf § 33a StPO unterlaufen werden dürfen (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Mai 2006 - 4 StR 110/05, NStZ 2007, 236; OLG Nürnberg, NStZ 2007, 237 [OLG Nürnberg 18.10.2006 - 2 St OLG Ss 170/06]; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 33a Rn. 1, § 356a Rn. 1a, 6).

5

Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 44 StPO hat der Rechtsanwalt nicht gestellt, geschweige denn dessen Voraussetzungen dargetan und glaubhaft gemacht (zu den dafür bestehenden Anforderungen siehe BGH, Beschluss vom 9. August 2016 - 1 StR 52/16, NStZ-RR 2016, 318, 319).

6

2. Die Anhörungsrüge wäre zudem auch unbegründet. Der Senat hat bei seiner Entscheidung weder Tatsachen oder Beweisergebnisse verwertet, zu denen der Rechtsanwalt nicht hätte Stellung nehmen können, noch hat er entscheidungserhebliches Vorbringen des Rechtsanwalts im Rahmen seiner Nichtzulassungsbeschwerde, seinen ergänzenden Stellungnahmen und seinen Gegenerklärungen zur Antragsschrift des Generalbundesanwalts übergangen oder in sonstiger Weise den Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt. Vielmehr hat der Senat bei seiner Entscheidung das Vorbringen des Rechtsanwalts - insbesondere die von ihm mit der Anhörungsrüge nochmals aufgeführten Fragen aus seiner Nichtzulassungsbeschwerde und deren Präzisierung im Schriftsatz vom 12. April 2021 - in vollem Umfang bedacht und gewürdigt, es aber für nicht durchgreifend erachtet.

7

Dass der Senat, wie der Rechtsanwalt beanstandet, nicht im Einzelnen angegeben hat, welche der von dem Rechtsanwalt in der Nichtzulassungsbeschwerde aufgeworfenen Fragen er als nicht ungeklärt und welche als nicht entscheidungserheblich oder nur die Rechtsanwendung im konkreten Einzelfall betreffend ansieht, begründet keinen Gehörsverstoß. Wird die Nichtzulassungsbeschwerde - wie hier - einstimmig verworfen, bedarf der Verwerfungsbeschluss nach § 145 Abs. 5 Satz 2 BRAO keiner Begründung. Allein der Umstand, dass der Senat weder zu der Begründung des Generalbundesanwalts noch zu der davon abweichenden Rechtsauffassung des Rechtsanwalts in seinen Gegenerklärungen Stellung genommen hat, rechtfertigt daher nicht die Annahme, der Senat hätte das Vorbringen des Rechtsanwalts nicht zur Kenntnis genommen und in Erwägung gezogen (vgl. BVerfG, StraFo 2007, 463 [BVerfG 17.07.2007 - 2 BvR 496/07] zu § 349 Abs. 2 StPO).

8

Soweit der Rechtsanwalt mit der Anhörungsrüge geltend macht, das Bundesverfassungsgericht habe „den Ursprung aller Übel“ durch einstimmigen Beschluss vom 1. Juli 2021 aufgehoben, hat er dies im hiesigen Verfahren vor Erlass des Senatsbeschlusses vom 12. Juli 2021 nicht vorgetragen; unabhängig davon lässt dieses Vorbringen aber auch keinen Bezug zum vorliegenden Verfahren erkennen. Dem mit der Anhörungsrüge in Ablichtung vorgelegten Tenor eines Beschlusses des Bundesverfassungsgerichts vom 1. Juli 2021 ist lediglich zu entnehmen, dass auf die Verfassungsbeschwerde des Rechtsanwalts ein Beschluss des Niedersächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 17. September 2019 wegen Verletzung von Art. 103 Abs. 1 GG aufgehoben wurde. Gegenstand der Verfassungsbeschwerde war demnach ein verwaltungsrechtliches und kein - wie hier - nach § 145 BRAO und gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO nach strafprozessualen Grundsätzen zu beurteilendes Verfahren. Eine Vorgreiflichkeit dieses Verfahrens für die hiesige Entscheidung legt sich schon deshalb nicht nahe.

9

Soweit der Rechtsanwalt sich mit der Anhörungsrüge gegen die rechtliche Würdigung seines Vorbringens durch den Senat wendet, macht er keine Verletzung seines Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend, sondern die sachliche Unrichtigkeit der Entscheidung. Dies ist nicht Gegenstand der Überprüfung im Rügeverfahren nach § 356a StPO (vgl. Senat, Beschlüsse vom 14. Dezember 2010 - AnwSt (B) 7/10, juris Rn. 3 und vom 16. Dezember 2011 - AnwSt (B) 10/11, juris Rn. 3).

10

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 465 Abs. 1 StPO analog. Eine entsprechende Kostenentscheidung ist veranlasst, weil die Entscheidung, durch die ein Rechtsbehelf nach § 116 Abs. 1 Satz 2 BRAO i.V.m. § 356a StPO verworfen oder zurückgewiesen wird, im anwaltsgerichtlichen Verfahren den Gebührentatbestand Nr. 1400 des Kostenverzeichnisses (Anlage zu § 195 Satz 1 BRAO) und damit eine Gebühr auslöst (vgl. jeweils zu § 356a StPO: BGH, Beschlüsse vom 8. März 2006 - 2 StR 387/91, BeckRS 2006, 4295 Rn. 5 und vom 24. Januar 2019 - 1 StR 596/18, juris Rn. 6 mwN; Schmitt in Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 64. Aufl., § 356a Rn. 9).

Limperg

Remmert

Grüneberg

Schäfer

Lauer

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