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Bundesgerichtshof
Urt. v. 14.10.2021, Az.: RiZ (R) 2/20
Anforderungen an die Regelbeurteilung eines Richters am Arbeitsgerichts
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 14.10.2021
Referenz: JurionRS 2021, 43877
Aktenzeichen: RiZ (R) 2/20
ECLI: ECLI:DE:BGH:2021:141021URIZ.R.2.20.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Leipzig - 02.12.2019 - AZ: 66 DG 1/18

Rechtsgrundlage:

§ 26 Abs. 3 DRiG

Verfahrensgegenstand:

Anfechtung einer Maßnahme der Dienstaufsicht

BGH, 14.10.2021 - RiZ (R) 2/20

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Die richterliche Unabhängigkeit ist bereits dann verletzt, wenn eine Maßnahme der Dienstaufsicht durch eine unzuständige Person vorgenommen wird.

  2. 2.

    Die Dienstaufsicht über Richter kannnicht von einem Beamten des Ministeriums kraft seiner Dienststellung, sondern nur vom Minister selbst oder in seinem Namen ausgeübt werden.

Der Bundesgerichtshof - Dienstgericht des Bundes - hat auf die mündliche Verhandlung vom 14. Oktober 2021 durch den Vorsitzenden Richter am Bundesgerichtshof Pamp, den Richter am Bundesgerichtshof Prof. Dr. Karczewski, die Richterin am Bundesgerichtshof Dr. Menges und die Richter am Bundesarbeitsgericht Reinfelder und Prof. Dr. Spinner
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Dienstgerichts für Richter beim Landgericht Leipzig vom 2. Dezember 2019 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Der Antragsteller wendet sich - neuerlich - gegen seine Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 nunmehr in der Fassung vom 9. Januar 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2018.

2

Der Antragsteller steht seit 1991 im richterlichen Dienst des Antragsgegners und ist als Vorsitzender einer Kammer am Arbeitsgericht tätig.

3

Am 8. Februar 2006 erstellte der damalige Präsident des Arbeitsgerichts und spätere Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts über den Antragsteller eine Beurteilung für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005. Mit rechtskräftigem Urteil vom 3. Juli 2008 hob das Verwaltungsgericht Leipzig die Beurteilung auf und verpflichtete den Antragsgegner, eine neue dienstliche Beurteilung zu erstellen.

4

Mit Urteil des Landgerichts Leipzig - Dienstgericht für Richter - (im Folgenden Dienstgericht) vom 3. Juli 2008 wurden einzelne Passagen der dienstlichen Beurteilung vom 8. Februar 2006 für unzulässig erklärt, weil sie geeignet seien, die richterliche Unabhängigkeit zu beeinträchtigen. Der Bundesgerichtshof wies die Revision des Antragsgegners gegen das Urteil des Dienstgerichts zurück und stellte auf die begründete Revision des Antragstellers die Unzulässigkeit weiterer Passagen in der dienstlichen Beurteilung vom 8. Februar 2006 fest (BGH, Urteil vom 4. Juni 2009 - RiZ(R) 5/08, BGHZ 181, 268).

5

Der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts erstellte unter dem 5. Januar 2011 über die richterliche Tätigkeit des Antragstellers für den genannten Zeitraum neuerlich eine Beurteilung. Das Dienstgericht erklärte zwei Formulierungen der Beurteilung für unzulässig. Der Bundesgerichtshof wies die Revision des Antragsgegners zurück (BGH, Urteil vom 13. Februar 2014 - RiZ(R) 4/13, juris). Das Verwaltungsgericht Leipzig hob die Beurteilung wegen Voreingenommenheit des Beurteilers auf. Die Berufung des Antragsgegners wies das Sächsische Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 8. Dezember 2016 zurück.

6

Der Präsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts, vertreten durch den Vizepräsidenten, erstellte schließlich am 9. Januar 2017 für den Beurteilungszeitraum vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005 die vorliegend streitbefangene Regelbeurteilung.

7

Mit Prüfungsvermerk vom 5. Mai 2017 erklärte sich der Referatsleiter im Sächsischen Staatsministerium der Justiz Ministerialrat L . als "überprüfender Dienstvorgesetzter" mit der Regelbeurteilung "einverstanden". Den gegen die dienstliche Beurteilung gerichteten Widerspruch des Antragstellers vom 12. Dezember 2017 wies das Sächsische Landesarbeitsgericht - Der Präsident - am 1. März 2018 zurück.

8

Hiergegen erhob der Antragsteller Klage zum Verwaltungsgericht Leipzig, das die Beurteilung nebst Widerspruchsbescheid mit inzwischen rechtskräftigem Urteil aufhob.

9

Mit seinem Antrag im Prüfungsverfahren hat der Antragsteller daneben die Beeinträchtigung seiner richterlichen Unabhängigkeit geltend gemacht. Die dienstliche Beurteilung stelle eine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht im Sinne von § 26 Abs. 3 DRiG dar. Sowohl die Regelbeurteilung als auch der Prüfungsvermerk seien von unzuständigen Personen erstellt worden. Der Vizepräsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts sei am 9. Januar 2017 - vor Rechtskraft des Urteils des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 8. Dezember 2016 - (noch) nicht sein Dienstvorgesetzter und deshalb für die Erstellung der Beurteilung nicht zuständig gewesen. Im Übrigen verfüge er über keine eigenen Erkenntnisse. Ministerialrat L. habe als Referatsleiter im Sächsischen Staatsministerium der Justiz (im Folgenden Ministerium) den Prüfungsvermerk unter keinem denkbaren Gesichtspunkt anbringen dürfen. Die Dienstaufsicht über Richter obliege nur dem Minister selbst, nicht jedoch einem Beamten des Ministeriums.

10

Der Antragsteller hat beantragt,

  1. I.

    festzustellen, dass die über ihn erstellte Regelbeurteilung des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 9. Januar 2017 (Beurteilungsperiode 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2005, Beurteilungsstichtag: 31. Dezember 2005) sowie der Prüfungsvermerk vom 5. Mai 2017 und der Widerspruchsbescheid des Sächsischen Landesarbeitsgerichts - Der Präsident - vom 1. März 2018 (Aktenzeichen: 200-5/11 (084), zugestellt am 7. März 2018, unzulässige Maßnahmen der Dienstaufsicht im Sinne des § 26 Abs. 3 DRiG darstellen, die ihn in seiner richterlichen Unabhängigkeit beeinträchtigen,

  2. II.

    hilfsweise für den Fall der Zurückweisung des Antrags zu I.

    festzustellen, dass die in der dienstlichen Regelbeurteilung vom 9. Januar 2017 des Sächsischen Landesarbeitsgerichts und in dem zustimmenden Prüfungsvermerk des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz vom 5. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 1. März 2018 (Aktenzeichen: 200-5/11 (084) enthaltenen Passagen unzulässig sind und seine richterliche Unabhängigkeit beeinträchtigen:

    1. 1.

      "Von den insgesamt 217 streitigen Urteilen, den vier Teilurteilen sowie den elf Entscheidungen in BV-, GaBV- bzw. GaVerfahren hat Herr T. 185 Entscheidungen nicht innerhalb der Drei-Wochen-Frist des § 60 Abs. 1 ArbGG in vollständig abgesetzter Form der Geschäftsstelle übergeben."

    2. 2.

      "Eine Verhandlungsleitung durch Herrn T. war in den besuchten mündlichen Verhandlungen nicht erkennbar."

    3. 3.

      "Die Kenntnisse des Prozessrechts sind nicht ausreichend, wie sich allein aus der nicht an § 60 Abs. 1 ArbGG orientierten Aufgabenerledigung ergibt."

11

Der Antragsgegner hat beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

12

Das Dienstgericht hat mit Urteil vom 2. Dezember 2019 dem Hauptantrag stattgegeben und dazu im Wesentlichen ausgeführt, der Antragsteller sei in seiner richterlichen Unabhängigkeit verletzt, denn der Prüfungsvermerk vom 5. Mai 2017 sei von einem hierfür nicht zuständigen Amtsträger des Ministeriums angebracht worden. Deshalb sei die dienstliche Beurteilung insgesamt eine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht.

13

Mit der vom Dienstgericht zugelassenen Revision erstrebt der Antragsgegner die Abänderung des angefochtenen Urteils und die Zurückweisung der Anträge. Der Antragsteller begehrt die Zurückweisung der Revision.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Revision ist unbegründet. Das Dienstgericht hat dem Hauptantrag zu Recht entsprochen.

15

I. Die Revision ist gemäß § 45 Abs. 2 SächsRiG, § 80 Abs. 2 DRiG statthaft und auch im Übrigen zulässig.

16

II. Sie ist aber unbegründet. Der Hauptantrag ist zulässig und begründet und deshalb die Unzulässigkeit der Maßnahme nach §§ 83, 67 Abs. 4 DRiG iVm. § 50 Abs. 2 Satz 2 SächsRiG festzustellen.

17

1. Der Hauptantrag ist zulässig.

18

a) Nach § 26 Abs. 3 DRiG entscheidet auf Antrag des Richters ein Gericht, wenn dieser behauptet, dass eine Maßnahme der Dienstaufsicht seine Unabhängigkeit beeinträchtigt. Die Zulässigkeit eines solchen Prüfungsantrags setzt lediglich die schlichte - nachvollziehbare - Behauptung einer Beeinträchtigung der richterlichen Unabhängigkeit durch eine Maßnahme der Dienstaufsicht voraus. Die Frage, ob die beanstandete Maßnahme die richterliche Unabhängigkeit tatsächlich beeinträchtigt, ist eine Frage der Begründetheit (BGH, Urteile vom 30. Oktober 2017 - RiZ(R) 1/17, juris Rn. 13; vom 26. Juli 2017 - RiZ(R) 3/16, juris Rn. 15; vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, NVwZ-RR 2015, 826 [OVG Nordrhein-Westfalen 11.05.2015 - 6 A 2112/14] Rn. 13).

19

b) Danach ist der Hauptantrag, mit dem sich der Antragsteller gegen die dienstliche Beurteilung vom 9. Januar 2017 einschließlich des Prüfungsvermerks vom 5. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 1. März 2018 wendet, zulässig.

20

aa) Der Begriff "Maßnahme der Dienstaufsicht" ist entsprechend dem auf einen umfassenden Rechtsschutz der richterlichen Unabhängigkeit gerichteten Zweck des § 26 Abs. 3 DRiG weit auszulegen. Eine dienstliche Beurteilung eines Richters stellt als solche einen tauglichen Gegenstand eines Prüfungsverfahrens nach § 78 Nr. 4 Buchst. e DRiG (entspricht § 34 Nr. 4 Buchst. f SächsRiG) dar (vgl. statt vieler nur BGH, Urteil vom 26. Juli 2017 - RiZ(R) 3/16, juris Rn. 15 f.).

21

bb) Mit seinen Beanstandungen, wonach weder der Vizepräsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts noch der den Prüfungsve rmerk verantwortende Referatsleiter im Ministerium für die Erstellung der dienstlichen Beurteilung über seine richterlichen Tätigkeiten zuständig gewesen seien, macht der Antragsteller im Prüfungsverfahren grundsätzlich beachtliche Gesichtspunkte geltend. Nach der Rechtsprechung des Dienstgerichts des Bundes ist die richterliche Unabhängigkeit bereits dann verletzt, wenn eine Maßnahme der Dienstaufsicht durch eine unzuständige Person vorgenommen wird (statt vieler BGH, Urteil vom 4. März 2015 - RiZ(R) 4/14, DRiZ 2016, 110 Rn. 38).

22

cc) Der Umstand, dass die dienstliche Beurteilung vom 9. Januar 2017 und der Widerspruchsbescheid vom 1. März 2018 durch mittlerweile rechtskräftiges Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig aufgehoben worden sind, entzieht dem dem Prüfungsverfahren nach § 26 Abs. 3 DRiG immanenten Rechtsschutzziel, das auf die Feststellung eines Eingriffs in die richterliche Unabhängigkeit gerichtet ist, nicht die Grundlage. Der Antragsteller steht weiterhin im richterlichen Dienst des Antragsge gners und hat infolge der Aufhebung der ihm zuletzt erteilten dienstlichen Beurteilung erneut die Erteilung einer Regelbeurteilung für den Zeitraum vom 1. Januar 2002 bis zum 31. Dezember 2005 zu gewärtigen.

23

2. Der Hauptantrag ist begründet. Das Dienstgericht hat die dienstliche Beurteilung zu Recht insgesamt als einen Eingriff in die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers angesehen, weil der Prüfungsvermerk zu Unrecht von einem Ministerialbeamten als überprüfendem Dienstvorgesetzten gezeichnet worden ist. Es kann deshalb dahinstehen, ob die weiteren Beanstandungen des Antragstellers, wonach der Vizepräsident des Sächsischen Landesarbeitsgerichts für die Erstellung der Beurteilung am 9. Januar 2017 (noch) nicht zuständig gewesen sei und er darüber hinaus mangels eigener Kenntnisse aus dem Beurteilungszeitraum eine dienstliche Beurteilung nicht erstellen könne, zutreffend sind.

24

a) Dienstliche Beurteilungen der Richter sind grundsätzlich mit ihrer verfassungsrechtlich garantierten Unabhängigkeit (Art. 97 Abs. 1 GG) vereinbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 14. Juni 1975 - 2 BvR 370/75, DRiZ 1975, 284 [BGH 25.06.1975 - VIII ZR 244/73]). Das Ministerium ist grundsätzlich befugt, in seinem Geschäftsbereich durch Verwaltungsvorschriften die periodische Beurteilung der Richter auf Lebenszeit zu bestimmten Stichtagen anzuordnen, um dem Dienstherrn ein umfassendes Bild von der Leistungsfähigkeit der Richter zu vermitteln. Es ist oberste Dienstbehörde der Richter des Freistaats Sachsen. Als solcher obliegt ihm auch die Dienstaufsicht über die Richter der Arbeitsgerichte (§ 29 Abs. 1 Nr. 3 SächsJG).

25

b) Zu Recht ist das Dienstgericht jedoch zu dem Ergebnis gelangt, dass der von dem Referatsleiter im Ministerium gezeichnete Prüfungsvermerk vom 5. Mai 2017 zur dienstlichen Beurteilung vom 9. Januar 2017 die richterliche Unabhängigkeit des Antragstellers beeinträchtigt, weil der Referatsleiter keine Befugnis zu Maßnahmen der Dienstaufsicht gegenüber dem Antragsteller hatte. Zwar war das Ministerium als oberste Dienstbehörde für die Anbringung des Prüfungsvermerks und damit für die Mitwirkung an der dienstlichen Beurteilung zuständig, diese Entscheidung konnte aber nicht durch einen Referatsleiter aufgrund seiner Dienststellung selbst verantwortet werden.

26

aa) Die dienstliche Beurteilung ist ein Akt wertender Erkenntnis, der dem Dienstherrn einen Beurteilungsspielraum gewährt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Februar 2019 - RiZ(R) 2/18, NVwZ-RR 2019, 525 [BVerwG 11.12.2018 - BVerwG 2 WD 12.18] Rn. 22). Dieser Vorgang ist im Freistaat Sachsen erst mit der Erteilung des Prüfungsvermerks abgeschlossen und stellt dann die Erteilung eines Dienstleistungszeugnisses im Sinne der Senatsrechtsprechung dar. Der Prüfungsvermerk zur dienstlichen Beurteilung eines Richters ist nach VIII Nr. 3 der für den Streitfall maßgeblichen Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 7. November 2001 (SächsJMBl. S. 137) von den Präsidenten der Obergerichte oder dem Ministerium zwingend auf der Beurteilung anzubringen. Die dienstliche Beurteilung ist deshalb erst dann vollständig, wenn der nächsthöhere Dienstvorgesetzte seinen Prüfungsvermerk angebracht hat. Damit "erteilt" auch dieser die dienstliche Beurteilung, selbst wenn er sich lediglich mit der Beurteilung des unmittelbaren Dienstvorgesetzten "einverstanden" erklärt. Er überprüft die von diesem verfasste dienstliche Beurteilung inhaltlich und wirkt damit an dieser untrennbar mit, auch wenn er sie nicht selbst verfasst. Beurteilung und Prüfungsvermerk sind in Sachsen nicht als rechtlich zu trennende Stellungnahmen zu betrachten, sondern bilden erst zusammen die dienstliche Beurteilung im Rechtssinn (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 5. April 2005 - 3 B 277/03, NVwZ 2006, 222 juris Rn. 34 unter Verweis auf BVerwG, Urteil vom 7. Juni 1984 - 2 C 52/82, NJW 1985, 1095).

27

bb) Das Anbringen des Prüfungsvermerks - als notwendiger Teil einer dienstlichen Beurteilung eines Richters - muss auf der Ministerialebene grundsätzlich durch den Minister selbst oder seinen ständigen Vertreter erfolgen. Allerdings kann der Minister (oder sein Vertreter im Amt) im Einzelfall unter ganz bestimmten Voraussetzungen einen anderen Amtsträger mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben im Zusammenhang mit der Dienstaufsicht beauftragen (BGH, Urteil vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 4/83, BGHZ 90, 34 juris Rn. 17).

28

(1) Nach der Rechtsprechung des Senats kann die Dienstaufsicht über Richter nicht von einem Beamten des Ministeriums kraft seiner Dienststellung, sondern nur vom Minister selbst oder in seinem Namen ausgeübt werden (vgl. BGH, Urteile vom 9. März 1967 - RiZ(R) 2/66, BGHZ 47, 275 juris Rn. 26 f.; vom 11. Februar 1969 - RiZ(R) 5/68, BGHZ 51, 363 juris Rn. 28; vom 21. Oktober 1982 - RiZ(R) 6/81, BGHZ 85, 145 juris Rn. 93; vom 31. Januar 1984 - RiZ(R) 4/83, BGHZ 90, 34 juris Rn. 17). Anderen Amtsträgern im Ministerium steht mit Rücksicht auf die besondere Rechtsstellung der Richter aus Art. 97 Abs. 1 GG kraft ihrer Dienststellung die Befugnis zu irgendwelchen Maßnahmen der Dienstaufsicht gegen Richter nicht zu. Das schließt nicht aus, dass ein solcher Amtsträger im Einzelfall mit der Wahrnehmung bestimmter Aufgaben vom Minister oder seinem Vertreter im Amt beauftragt wird. Das kann indessen nur in der Weise zulässig sein, dass der Amtsträger mit inhaltlich ganz bestimmten Weisungen für die zu treffenden Maßnahmen versehen wird, die eine eigene Entscheidung über das "Ob" und "Wie" ausschließen und den Beauftragten jedenfalls nur als ausführendes und nicht als entscheidendes Organ in Erscheinung treten lassen (vgl. BGH, Urteil vom 11. Februar 1969 - RiZ(R) 5/68, aaO juris Rn. 28). Daher kann beispielsweise der Leiter der Personalabteilung einem Richter kein Dienstleistungszeugnis erteilen. Geschieht dies gleichwohl, so ist diese Maßnahme der Dienstaufsicht unzulässig (BGH, Urteil vom 21. Oktober 1982 - RiZ(R) 6/81, BGHZ 85, 145 juris Rn. 93 und juris Rn. 125 m.w.N.).

29

(2) Daran ist mit Rücksicht auf die besondere Rechtsstellung der Richter aus Art. 97 Abs. 1 GG grundsätzlich festzuhalten. Soweit der Senat (BGH, Urteil vom 18. Februar 2016 - RiSt(R) 1/15, juris Rn. 42) für die Frage der Zuständigkeit der Erhebung einer Disziplinarklage zuletzt offengelassen hat, ob die eigenständige Befassung des Ministers oder seines Vertreters im Amt mit den betreffenden Maßnahmen dergestalt erforderlich ist, dass dieser die Entscheidung eigenständig trifft oder es ausreichend ist, dass er eine vorbereitete Entscheidung gutheißt, kann dies auch vorliegend dahinstehen. Eine solche Befassung des Ministers oder seines Vertreters wurde weder vom Antragsgegner behauptet noch vom Dienstgericht festgestellt. Keinesfalls jedoch kann ein Bediensteter des Ministeriums auf der Grundlage eines allgemeinen Auftrags oder der Geschäftsverteilung des Ministeriums Maßnahmen der Dienstaufsicht anstelle des Ministers oder seines Vertreters im Amt vornehmen (vgl. BGH, Urteil vom 21. Oktober 1982 - RiZ(R) 6/81, BGHZ 85, 145 juris Rn. 125).

30

cc) Danach stellt das Anbringen des Prüfungsvermerks zur dienstlichen Beurteilung des Antragstellers vom 9. Januar 2017 durch den Referatsleiter im Ministerium eine unzulässige Maßnahme der Dienstaufsicht dar.

31

Der Prüfungsvermerk stammt weder vom Minister noch von seinem ständigen Vertreter. Er ist nach den nicht mit einer Revisionsrüge angegriffenen Feststellungen des Dienstgerichts auch nicht von einem im Sinne der Senatsrechtsprechung beauftragten Bediensteten des Ministeriums gefertigt und unterzeichnet worden. Der handelnde Referatsleiter hat den Prüfungsvermerk selbst als "überprüfender Dienstvorgesetzter" gezeichnet.

32

Eine konkrete Beauftragung kann auch nicht in der Verwaltungsvorschrift des Sächsischen Staatsministeriums der Justiz zur Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten vom 7. November 2001 (SächsJMBl. S. 137) oder späteren Fassungen dieser Verwaltungsvorschrift erblickt werden. Mit einer Verwaltungsvorschrift zu dienstlichen Beurteilungen macht der Minister nicht im Sinne einer Beauftragung hinreichend konkrete Vorgaben für die vorzunehmende Überprüfung der dienstlichen Beurteilungen, die eine - aus Gründen der richterlichen Unabhängigkeit erforderliche - Einzelbefassung mit jeder dienstlichen Beurteilung entbehrlich werden ließe. Soweit die Revision geltend macht, eine Beauftragung ergebe sich generell aus der Geschäftsverteilung des Ministeriums, führt dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Geschäftsverteilung des Ministeriums ersetzt keine konkrete Vorgabe im Einzelfall. Auch der Einwand der Revision, die Handhabung im Ministerium entspreche seit jeher derjenigen im vorliegenden Fall und dies sei von Gerichten bislang nicht beanstandet worden, rechtfertigt keine abweichende Beurteilung. Eine unzulässige Handhabung der Dienstaufsicht bleibt auch dann unzulässig, wenn sie langjähriger Praxis entspricht.

33

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 80 Abs. 1 DRiG, § 154 Abs. 2 VwGO.

Pamp

Prof. Dr. Karczewski

Dr. Menges

Reinfelder

Prof. Dr. Spinner

Von Rechts wegen

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