Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 06.07.2021, Az.: II ZR 119/20
Nichtzulassung zur Revision aufgrund Nichterreichens des Streitwerts
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 06.07.2021
Referenz: JurionRS 2021, 31643
Aktenzeichen: II ZR 119/20
ECLI: ECLI:DE:BGH:2021:060721BIIZR119.20.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Nürnberg - 05.03.2019 - AZ: 7 O 6408/18

OLG Nürnberg - 23.06.2020 - AZ: 3 U 730/19

Rechtsgrundlage:

§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO

BGH, 06.07.2021 - II ZR 119/20

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Für die Ermittlung des Gebührenstreitwerts als auch der Beschwer im Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- oder anderen Verstößen richtet sich der Wert regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen an der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots.

  2. 2.

    Regelmäßig ist für eine Klausel bzw. Teilklausel ein Wert von 2.500 Euro als angemessen anzusehen.

Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 6. Juli 2021 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Drescher, die Richter Wöstmann und Born, die Richterin B. Grüneberg und den Richter V. Sander
beschlossen:

Tenor:

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 23. Juni 2020 wird auf ihre Kosten als unzulässig verworfen.

Streitwert: 5.000 €

Gründe

1

I. Der Kläger, ein Verbraucherschutzverband, ist in die Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß § 4 UKlaG eingetragen. Die Beklagte ist eine Wohnbaugenossenschaft. In den Allgemeinen Vertragsbedingungen der Beklagten, die den Erklärungen des Beitritts zur Genossenschaft beigefügt werden, ist folgendes geregelt:

"3. Kosten und Gebühren bei Beitritt in die N. Wohnungsbau eG bei mtl. Ratenzahlung

a) Mit der Aufnahme des Beitretenden in die N. Wohnungsbau eG durch den Vorstand wird gemäß dem derzeit geltenden Vorstands- und Aufsichtsratsbeschluss ein Agio in Höhe von 7 % der gezeichneten Genossenschaftseinlage fällig. Die monatlichen Raten werden bis zu deren Abdeckung auf das Agio/Eintrittsgeld verrechnet.

b) Weiter werden gemäß derzeit geltendem Vorstands- und Aufsichtsratsbeschluss, im Rahmen des Erwerbs der Mitgliedschaft in 30 Teilbeträgen Verwaltungskosten von Euro 21.- pro Monat bei einer Zeichnungssumme von Euro 8.400,- erhoben. Die Begleichung dieser Kosten erfolgt in der Weise, dass nach Tilgung des gem. Ziff. 3 a ausgewiesenen Agio 30 Monate lang auf die weiteren monatlichen Raten ein Teil auf die Monatsrate der Kosten verrechnet wird, der Rest dem Kapitalkonto des Mitglieds gutgeschrieben wird. Bei Verzug mit mehr als zwei Raten, werden die samten Verwaltungskosten fällig.

c) [...]."

2

In § 6 der Satzung der Beklagten ist eine Regelung enthalten, die Kündigung finde nur zum Schluss eines Geschäftsjahres statt, sie müsse zwei Jahre vorher schriftlich erfolgen.

3

Der Kläger hat die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch genommen, diese (hier unterstrichenen Teil-)Klauseln bzw. § 6 der Satzungsbestimmungen, gegenüber Verbrauchern zu verwenden oder sich hierauf zu berufen.

4

Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und den Streitwert auf 7.500 € festgesetzt.

5

Die dagegen erhobene Berufung der Beklagten hat sich nur noch gegen die Verurteilung gerichtet, es zu unterlassen, die in § 3 Buchst. a Satz 2 und Buchst. b Satz 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen formulierten (Teil-)Klauseln gegenüber Verbrauchern zu verwenden oder sich ihnen gegenüber darauf zu berufen. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen und den Streitwert auf 7.500 € festgesetzt.

6

Mit der Revision, deren Zulassung die Beklagte mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, möchte sie im Umfang ihrer Berufung den Klageabweisungsantrag weiterverfolgen. Sie meint, ihre Beschwer betrage mehr als 20.000 €.

7

II. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen, da der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

8

1. Die Festsetzung des Wertes des Gegenstandes bei Rechtsmitteln richtet sich nach §§ 2, 3 ff. ZPO. Dies gilt auch für die Ermittlung des Wertes der im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde maßgeblichen mit der Revision geltend zu machenden Beschwer nach § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Gemäß § 3 Halbsatz 1 ZPO bemisst sich der Wert der Beschwer nach dem nach freiem Ermessen zu ermittelnden Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der angefochtenen Entscheidung (vgl. BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 13). Für die Ermittlung des Gebührenstreitwerts als auch der Beschwer im Verfahren nach dem Gesetz über Unterlassungsklagen bei Verbraucherrechts- oder anderen Verstößen (UKlaG) richtet sich der Wert regelmäßig nach dem Interesse der Allgemeinheit an der Beseitigung einer gesetzwidrigen AGB-Bestimmung, nicht hingegen an der wirtschaftlichen Bedeutung eines Klauselverbots. Auf diese Weise sollen Verbraucherschutzverbände bei der Wahrnehmung der ihnen im Allgemeininteresse eingeräumten Befugnis, den Rechtsverkehr von unwirksamen Allgemeinen Geschäftsbedingungen zu befreien, vor unangemessenen Kostenrisiken geschützt werden. Diese Erwägungen gelten nicht nur für die Fälle des Verbots von gesetzeswidrigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen (§ 1 UKlaG), sondern auch für eine im Hinblick auf eine verbraucherschutzgesetzwidrige Praxis im Sinne des § 2 UKlaG erhobene Verbandsklage. Sie regeln nicht nur die Festlegung des Gebührenstreitwerts, sondern auch die nach § 2 ZPO i.V.m. § 3 ZPO zu schätzende Beschwer der in der Vorinstanz unterlegenen Partei. Sie gelten dabei nicht nur für die Beschwer eines Verbraucherschutzverbandes, sondern auch eines im Unterlassungsprozess unterlegenen Gegners (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 9 ff.; Beschluss vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, juris Rn. 4 ff.).

9

Regelmäßig ist für eine Klausel bzw. Teilklausel ein Wert von 2.500 € als angemessen anzusehen (BGH, Beschluss vom 23. Februar 2017 - III ZR 390/16, juris Rn. 6 mwN). Eine höhere Wertfestsetzung ist möglich, wenn eine herausragende wirtschaftliche Bedeutung einer nach § 1 UKlaG angegriffenen AGB-Bestimmung vorliegt oder eine nach § 2 UKlaG angefochtene Praxis für die betroffenen Verkehrskreise besondere Bedeutung hat. Dies kann vorliegen, wenn die Entscheidung über die Wirksamkeit einer einzelnen Klausel oder die Zulässigkeit einer bestimmten Praxis nicht nur für die beklagte Partei und ihre Vertragspartner, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene verallgemeinerungsfähige Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird (st. Rspr., BGH, Beschluss vom 5. Februar 2019 - VIII ZR 277/17, NJW 2019, 1531 Rn. 14 mwN).

10

Es obliegt dabei grundsätzlich dem Beschwerdeführer, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision eine Abänderung des Berufungsurteils in einem Umfang erstreben will, der die Wertgrenze von 20.000 € übersteigt. Maßgebend für die Bewertung der Beschwer ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht. Neue Tatsachen können für die Wertbemessung insoweit von Bedeutung sein, als sie bereits zum Schluss der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht relevant waren (BGH, Beschluss vom 25. Februar 2014 - II ZR 156/13, NZI 2014, 357 Rn. 7, 9).

11

2. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat die Beklagte keine Beschwer von mehr als 20.000 € im Sinne des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO dargelegt und glaubhaft gemacht. Da die Wirksamkeit zweier (Teil-)Klauseln in Rede steht, ist der Streitwert in Höhe von 2 x 2.500 € = 5.000 € festzusetzen. Umstände, die eine höhere Wertfestsetzung rechtfertigen könnten, liegen nicht vor.

12

Soweit die Beklagte auf die wirtschaftliche Bedeutung für sich selbst abhebt, ist dies nach den dargestellten Grundsätzen für die Bewertung nicht von maßgeblicher Bedeutung. Gründe, die gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bemessung des Wertes der Verbandsklage gegen Allgemeine Geschäftsbedingungen in Frage zu stellen, zeigt die Nichtzulassungsbeschwerde nicht auf.

13

Die Beklagte hat auch nicht hinreichend dargelegt, dass ausnahmsweise eine höhere Streitwertfestsetzung deshalb in Betracht käme, weil die Entscheidung über die Wirksamkeit der hier in Rede stehenden Klauseln nicht nur für die beklagte Partei und ihre Mitglieder, sondern für die gesamte Branche von wesentlicher Bedeutung ist, etwa weil es dabei um äußerst umstrittene allgemeine Rechtsfragen von großer wirtschaftlicher Tragweite geht, über deren Beantwortung bereits vielfältig und mit kontroversen Ergebnissen gestritten wird. Das Berufungsgericht hat dazu festgestellt, dass es sich bei den Klauseln lediglich um Vertragsbedingungen der Beklagten handelte, deren Beurteilung nicht in einer Vielzahl von Fällen zu erwarten sei, und deshalb auch nicht ein abstraktes Interesse der Allgemeinheit an der Klärung der hier in Rede stehenden Rechtsfragen bestehe. Dagegen bringt die Nichtzulassungsbeschwerde lediglich vor, dass sie davon ausgehe, dass mindestens zehn bis zwanzig weitere vertriebsorientierte Wohnungsbaugenossenschaften existierten, die mit gleichen Allgemeinen Geschäftsbedingungen arbeiten würden. Damit hat sie jedoch nicht dargelegt, dass eine branchenweite Benutzung der Allgemeinen Geschäftsbedingungen vorliegt. Die Anzahl der Wohnungsbaugenossenschaften ist lediglich geschätzt und kein hinreichender Vortrag, um hierauf gestützt eine höhere und von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Festsetzung des Streitwerts und der Beschwer zu erreichen.

14

Abgesehen davon hat sich die Beklagte in den Vorinstanzen gegen die jeweiligen Streitwertfestsetzungen nicht gewehrt. Insbesondere macht sie nicht geltend, mit den hier nunmehr vorgetragenen Umständen in den Vorinstanzen eine höhere Streitwertbemessung geltend gemacht zu haben.

15

3. Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, weil keiner der im Gesetz (§ 543 Abs. 2 ZPO) vorgesehenen Gründe vorliegt, nach denen der Senat die Revision zulassen darf. Der Rechtsstreit der Parteien hat weder grundsätzliche Bedeutung, noch erfordert er eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Drescher

Wöstmann

Born

B. Grüneberg

V. Sander

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.