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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 22.06.2021, Az.: AnwZ (Brfg) 9/21
Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 22.06.2021
Referenz: JurionRS 2021, 39819
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 9/21
ECLI: ECLI:DE:BGH:2021:220621BANWZ.BRFG.9.21.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Nordrhein-Westfalen - 11.12.2020 - AZ: 1 AGH 30/19

Verfahrensgegenstand:

Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 22.06.2021 - AnwZ (Brfg) 9/21

Redaktioneller Leitsatz:

Trotz der Löschung einer Eintragung im Schuldnerverzeichnis spricht gegen eine nachhaltige Beseitigung des Vermögensverfalls eine erneute Eintragung im Schuldnerverzeichnis.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, den Richter Dr. Remmert, die Richterin Grüneberg sowie die Rechtsanwältin Schäfer und den Rechtsanwalt Dr. Lauer
am 22. Juni 2021
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 11. Dezember 2020 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs für das Land Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der am 20. September 1949 geborene Kläger wurde 1981 zur Rechtsanwaltschaft zugelassen. Mit Bescheid vom 14. September 2016 widerrief die Beklagte seine Zulassung wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die dagegen erhobene Klage des Klägers hatte keinen Erfolg (Senat, Beschluss vom 18. September 2017 - AnwZ (Brfg) 33/17, juris).

2

Mit Schreiben vom 27. Februar 2019 beantragte der Kläger die erneute Zulassung zur Rechtsanwaltschaft. Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 31. Juli 2019 unter Verweis auf zahlreiche Verbindlichkeiten und elf Eintragungen des Klägers im Schuldnerverzeichnis wegen Vermögensverfalls ab (§ 7 Nr. 9 BRAO). Der Anwaltsgerichtshof hat die Klage des Klägers, die Beklagte unter Aufhebung des Ablehnungsbescheids zu verpflichten, ihn zur Rechtsanwaltschaft zuzulassen, abgewiesen.

3

Zur Begründung hat der Anwaltsgerichtshof im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe im Laufe des Verfahrens zwar für eine teilweise Bereinigung des Schuldnerverzeichnisses gesorgt. Nicht erledigt seien jedoch die Forderungen der WEG ; insoweit seien ausweislich des Schuldnerverzeichnisses noch Verbindlichkeiten aus drei Sicherungsgrundschulden in Höhe von insgesamt 9.451,51 € offen. Die dadurch begründete gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls habe der Kläger nicht widerlegt. Sein Einwand, dass die WEG die Herausgabe von Löschungsbewilligungen für die Sicherungsgrundschulden nicht nur von der Begleichung der gegen ihn titulierten Forderungen, sondern auch von erst nach dem Besitzübergang des von ihm veräußerten Objekts an seine Käufer im Januar 2019 aufgelaufenen Hausgeldern abhängig mache, wozu er aber - trotz ausreichender Liquidität - in Anbetracht der unsicheren Regressmöglichkeit gegen seine Käufer nicht bereit sei, sei nicht überzeugend. Es sei nicht nachvollziehbar, weswegen er dieses schon vor Klageerhebung bestehende Problem, etwa durch gerichtliche Klärung oder durch Ablösung sämtlicher Verbindlichkeiten gegenüber der WEG, nicht zwischenzeitlich behoben habe. Eine Gefährdung der Interessen der Rechtsuchenden brauche die Beklagte bei ihrer Ablehnung nach § 7 Nr. 9 BRAO nicht darzulegen.

4

Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Er macht insbesondere geltend, er habe nach Verkündung des erstinstanzlichen Urteils eine einvernehmliche Regelung mit der WEG und seinen Käufern erzielt, die Forderungen der WEG seien sämtlich beglichen, seine Eintragungen im Schuldnerverzeichnis gelöscht und die zugrundeliegenden Titel an ihn herausgegeben. Die Beklagte verweist demgegenüber darauf, dass der Kläger am 27. Januar 2021 erneut wegen Nichtabgabe der Vermögensauskunft im Schuldnerverzeichnis eingetragen worden ist. Hierzu hat der Kläger vorgetragen, die der Eintragung zugrundeliegende Forderung sei durch Zahlungen an den Gerichtsvollzieher bzw. eine Kontenpfändung der Gläubigerin ebenfalls beglichen, und hat eine Mitteilung des Vollstreckungsgerichts über die vorzeitige Löschung der Eintragung am 3. Mai 2021 vorgelegt.

II.

5

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Die vom Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor.

6

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

7

Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird; hierdurch muss die Richtigkeit des Ergebnisses der angefochtenen Entscheidung betroffen sein (vgl. nur Senat, Beschluss vom 4. März 2019 - AnwZ (Brfg) 47/18, juris Rn. 3). Entsprechende Zweifel hat der Kläger nicht dargelegt. Die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs erweist sich auch nach dem neuen Vorbringen des Klägers im Ergebnis als richtig.

8

a) Gemäß § 7 Nr. 9 BRAO ist die Zulassung zur Rechtsanwaltschaft zu versagen, wenn die antragstellende Person sich im Vermögensverfall befindet. Ein Vermögensverfall liegt vor, wenn die antragstellende Person in ungeordnete, schlechte finanzielle Verhältnisse geraten ist, die sie in absehbarer Zeit nicht ordnen kann, und außerstande ist, ihren Verpflichtungen nachzukommen. Bei einer Eintragung der antragstellenden Person in das vom Insolvenzgericht oder vom Vollstreckungsgericht zu führende Verzeichnis (§ 882b ZPO) wird der Vermögensverfall nach § 7 Nr. 9 Halbsatz 2 BRAO vermutet. Beweisanzeichen für einen Vermögensverfall sind - unabhängig von der gesetzlichen Vermutung das Erwirken von Schuldtiteln und Vollstreckungsmaßnahmen gegen die antragstellende Person (st. Rspr.; vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 29. April 2019 - AnwZ (Brfg) 21/19, juris Rn. 5; vom 13. August 2019 - AnwZ (Brfg) 42/19, juris Rn. 4 und vom 21. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 32/19, ZInsO 2019, 2520 Rn. 5).

9

Steht der Vermögensverfall, sei es aufgrund der gesetzlichen Vermutung, sei es aufgrund von Indizien, welche auf den Eintritt des Vermögensverfalls schließen lassen, einmal fest, reicht es für eine Widerlegung bzw. Entkräftung nicht aus, nur zur Erfüllung oder anderweitigen Erledigung einzelner Forderungen vorzutragen. Vielmehr muss die antragstellende Person ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis ihrer Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass ihre Vermögensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 15. Juli 2015 - AnwZ (Brfg) 13/15, juris Rn. 6; vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 36/16, juris Rn. 5 und vom 14. Februar 2017 - AnwZ (Brfg) 1/17, juris Rn. 9).

10

Darüber hinaus obliegt einem ehemaligen Rechtsanwalt, der nach rechtskräftig bestätigtem Widerruf seiner Zulassung wegen Vermögensverfalls die erneute Zulassung beantragt, unabhängig von den Vermutungstatbeständen des § 7 Nr. 9 BRAO die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass der vormals eingetretene Vermögensverfall nicht mehr besteht. Infolgedessen hat er nun im Einzelnen darzulegen und nachzuweisen, dass sich die Sachlage verändert hat, es ihm also gelungen ist, den Vermögensverfall nachhaltig zu beseitigen (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 4. Februar 2013 - AnwZ (Brfg) 62/12, juris Rn. 7 mwN). Wurde der Vermögensverfall - wie hier beim Widerruf der Zulassung des Klägers im Jahr 2016 - nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 Halbsatz 2 BRAO gesetzlich vermutet, kann eine Konsolidierung der Vermögensverhältnisse nicht bereits dadurch nachgewiesen werden, dass die Erfüllung der den Eintragungen im Schuldnerverzeichnis zugrundeliegenden Forderungen nachgewiesen wird oder dass diese wegen Tilgung nicht mehr berücksichtigt werden dürfen. Erforderlich ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats vielmehr, dass der Rechtsanwalt seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse umfassend darlegt und sich daraus eine nachhaltige Ordnung und Verbesserung seiner Situation ergibt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. November 2006 - AnwZ (B) 60/05, juris Rn. 6; vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (B) 5/11, juris Rn. 6; Schmidt-Räntsch in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 7 Rn. 91c).

11

b) Danach steht einer Wiederzulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft weiterhin der Versagungsgrund des Vermögensverfalls gemäß § 7 Nr. 9 BRAO entgegen.

12

aa) Der Kläger hat zwar dargetan und - bestätigt durch die von der Beklagten vorgelegte aktualisierte Forderungsaufstellung vom 16. März 2021 belegt, dass seine Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen Forderungen der WEG nach Tilgung sämtlicher Forderungen der WEG inzwischen gelöscht worden sind, so dass die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nach § 7 Nr. 9 BRAO insoweit nicht mehr greift (vgl. nur Senat, Beschlüsse vom 26. November 2002 - AnwZ (B) 18/01, NJW 2003, 577; vom 12. Oktober 2017 - AnwZ (Brfg) 39/17, BeckRS 2017, 130560 Rn. 6; vom 14. August 2019 - AnwZ (Brfg) 40/19, juris Rn. 6; vom 11. Dezember 2019 - AnwZ (Brfg) 50/19, juris Rn. 20).

13

Dieses neue Tatsachenvorbringen ist bei der Entscheidung des Senats über den Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschluss vom 18. Juli 2011 - NotSt (Brfg) 1/11, NJW 2011, 3371 [BGH 13.09.2011 - VI ZB 67/10] Rn. 4; BVerwG, NVwZ 2003, 490, 491 und NVwZ 2004, 744, 745 [BVerwG 15.12.2003 - BVerwG 7 AV 2.03]), da bei der hier vorliegenden Verpflichtungsklage auf Zulassung zur Rechtsanwaltschaft - anders als bei der Anfechtungsklage gegen den Widerruf der Zulassung (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.) - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung bzw. der gerichtlichen Entscheidung maßgeblich ist (vgl. Deckenbrock in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 112c Rn. 90 mwN; siehe auch Eyermann/Happ, VwGO, 15. Aufl., § 124 Rn. 21 f.; Rudisile in Schoch/ Schneider, VwGO, Stand: Juli 2020, § 124 Rn. 26k ff.; W.-R. Schenke in Kopp/Schenke, VwGO, 26. Aufl., § 124 Rn. 7c). Dass der Kläger die neuen Tatsachen selbst geschaffen hat, ist dabei ohne Belang (vgl. BVerwG, NVwZ 2003, 490, 491).

14

bb) Gegen eine nachhaltige Beseitigung seines Vermögensverfalls spricht aber, dass der Kläger am 27. Januar 2021 erneut im Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde. Auch wenn diese Eintragung wegen ihrer Löschung am 3. Mai 2021 die Vermutung des § 7 Nr. 9 BRAO nicht mehr zu begründen vermag, spricht - unabhängig davon - gleichwohl die Tatsache, dass es wieder zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen und einer Eintragung des Klägers im Schuldnerverzeichnis gekommen ist, gegen eine nachhaltige Ordnung und Verbesserung seiner Vermögensverhältnisse.

15

Ausweislich der von der Beklagten vorgelegten aktualisierten Forderungsaufstellung beruhte die Eintragung auf einer Forderung der WEG , D. über 1.344,53 € aus zwei Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Landgerichts W. vom 4. Juni 2020 und vom 14. Oktober 2020, die der Kläger - wie sich seinem eigenen Vorbringen entnehmen lässt - offenbar erst nach der Einschaltung des Gerichtsvollziehers und/oder der Kontopfändung durch die Gläubigerin an den Gerichtsvollzieher gezahlt hat. So hat er mit Schriftsatz vom 26. März 2021 zunächst - ohne Vorlage von Kontoauszügen oder anderen Belegen - vorgetragen, er habe auf die ursprüngliche Gesamtforderung von 3.222,87 € vorsorglich 3.300 € an den Gerichtsvollzieher gezahlt, allerdings, da er von dem Bankautomaten jeweils nur einen Höchstbetrag von 1.000 € zahlen könne, in vier Teilzahlungen (3 x 1.000 € + 300 €), von denen eine Zahlung in Höhe von 1.300 € nicht berücksichtigt worden sei. Mit Schriftsatz vom 20. April 2021 hat er unter Vorlage einer E-Mail der Gläubigerin vom 19. April 2021, in der eine Überzahlung von 64,25 € (nach Abzug weiterer Gerichtsvollzieherkosten) bestätigt wird, erklärt, die Forderung sei teils durch seine Zahlungen an den Gerichtsvollzieher, teils durch eine von der Gläubigerin parallel veranlasste Pfändung seines Bankkontos bewirkt worden.

16

Einen plausiblen Grund dafür, warum er die Forderung - trotz der von ihm behaupteten nachhaltigen Verbesserung und Ordnung seiner Vermögensverhältnisse - nicht beglichen und es stattdessen zu erneuten Vollstreckungsmaßnahmen gegen sich hat kommen lassen, hat der Kläger nicht dargetan. Dass die Gläubigerin die Vollstreckungsmaßnahmen seiner Behauptung nach ohne Vorankündigung eingeleitet hat, ändert nichts daran, dass er ihre Forderung trotz Titulierung mehrere Monate lang nicht beglichen hat. Selbst bei kleinen Beträgen lässt es ein Schuldner zur Vollstreckung jedoch gewöhnlich nur kommen, wenn seine finanzielle Lage so schwierig ist, dass er selbst geringere Forderungen nicht bezahlen kann; jedenfalls zeigt dies aber, dass seine finanziellen Verhältnisse nicht mehr geordnet sind (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Mai 2010 - AnwZ (B) 118/09, juris Rn. 5; Schmidt-Räntsch in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 14 BRAO, Rn. 31; Henssler in Henssler/ Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 14 Rn. 29). Das gilt insbesondere im vorliegenden Fall, in dem dem Kläger die erhebliche Bedeutung einer geordneten Erfüllung seiner Verbindlichkeiten und die Vermeidung von Vollstreckungsmaßnahmen für seinen Wiederzulassungsantrag bewusst sein musste.

17

Vor diesem Hintergrund reicht allein die Behauptung des Klägers, er verfüge über ausreichende Liquidität zur Erfüllung seiner Verbindlichkeiten, zum Nachweis (gleichwohl) geordneter und nachhaltig verbesserter Vermögensverhältnisse nicht aus. Der Kläger verweist insoweit darauf, dass er im Januar 2019 aus dem Verkauf seiner Immobilie 130.000 € sowie weitere 50.000 € aus dem Verkauf des Inventars erzielt und sein Kontoguthaben ausweislich des von ihm vorgelegten Kontoauszugs am 10. Dezember 2020 über 20.000 € betragen habe. Dagegen spricht jedoch, dass der Kläger noch im Juni 2019 mit der Gläubigerin C. wegen einer damals noch offenen Forderung von 5.762,96 € eine Ratenzahlungsvereinbarung mit monatlichen Raten von 1.000 € getroffen hat, obwohl ihm eine Tilgung der Schuld in einem Betrag bei der von ihm behaupteten erheblichen Liquidität unschwer möglich gewesen sein müsste. Gleiches gilt - wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat - für den Umstand, dass der Kläger das bereits vor Klageerhebung bestehende Problem seiner Eintragungen im Schuldnerverzeichnis wegen der Forderungen der WEG bis zur Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs nicht behoben hat. Bei der von ihm behaupteten Liquidität hätte es ihm problemlos möglich sein müssen, nicht nur - wie geschehen - eine, sondern alle drei gegen ihn titulierten Forderungen der WEG zu tilgen. Auch wenn er damit keine Herausgabe der Titel und keine Löschungsbewilligungen/-quittungen für die dafür eingetragenen Sicherungsgrundschulden hätte bewirken können, hätte er bei Vorlage der Zahlungsbelege immerhin gegenüber dem Anwaltsgerichtshof den Nachweis der Tilgungsreife seiner Eintragungen im Schuldnerverzeichnis führen können.

18

Auch die nunmehr erneut gegen ihn eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen sprechen daher dafür, dass der Kläger nicht in der Lage ist, seinen finanziellen Verpflichtungen dauerhaft geregelt nachzukommen, und legen nahe, dass er stets nur die Forderungen zu begleichen vermag, bezüglich derer bereits Vollstreckungsmaßnahmen eingeleitet wurden oder ernsthaft drohen. Ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und seiner Verbindlichkeiten in Gegenüberstellung mit seinem Einkommen und Vermögen (vgl. dazu BGH, Beschlüsse vom 3. April 2017 - AnwZ (Brfg) 7/17, juris Rn. 12; vom 21. Oktober 2019 - AnwZ (Brfg) 32/19, juris Rn. 7; vom 6. April 2020 - AnwZ (Brfg) 6/20, juris Rn. 8 und vom 10. September 2020 - AnwZ (Brfg) 21/20, juris Rn. 17), aus dem sich dennoch eine nachhaltige Ordnung und Verbesserung seiner finanziellen Verhältnisse ergeben könnte, hat der Kläger nicht vorgelegt.

19

cc) Entgegen der Ansicht des Klägers beruht die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs auch nicht auf der rechtsfehlerhaften Annahme, der Gegenbeweis gegen die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls nach § 7 Nr. 9 BRAO sei ausgeschlossen. Das Gegenteil ergibt sich bereits aus der einleitenden Formulierung in der Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs, der Kläger habe den bei ihm gegebenen Vermutungstatbestand - Eintragungen in das Schuldnerverzeichnis - nicht widerlegt. Die vom Kläger in Bezug genommenen weiteren Ausführungen des Anwaltsgerichtshofs betreffen nicht die Widerlegung des Vermutungstatbestands, sondern die davon zu unterscheidende Frage, ob von einer Versagung der Zulassung wegen Vermögensverfalls nach § 7 Nr. 9 BRAO ausnahmsweise abgesehen werden kann, wenn keine konkrete Gefährdung der Interessen Rechtsuchender durch den Vermögensverfall besteht. Das ist, wie der Anwaltsgerichtshof zutreffend angenommen hat, anders als im Fall des Zulassungswiderrufs nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO nicht der Fall (vgl. BGH, Beschluss vom 7. März 2005 (AnwZ (B) 7/04, NJW 2005, 1944, 1945; siehe auch Henssler in Henssler/Prütting, BRAO, 5. Aufl., § 7 Rn. 111; Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 7 Rn. 91e).

20

2. Dem Anwaltsgerichtshof sind keine Verfahrensfehler unterlaufen, auf denen die Entscheidung beruhen kann (§ 112e Satz 2 BRAO i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Ein entscheidungserheblicher Verstoß des Anwaltsgerichtshofs gegen die gerichtliche Amtsermittlungs- und Hinweispflicht (§ 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 86 Abs. 1, Abs. 3, § 87 VwGO) liegt nicht vor.

21

a) Soweit der Kläger rügt, der Anwaltsgerichtshof habe ihm erstmals überraschend in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2020 vorgehalten, dass er die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls aufgrund seiner damals noch bestehenden Eintragungen wegen der Forderungen der WEG auch durch Hinterlegung oder Zahlung unter Vorbehalt habe beseitigen können, ist bereits nicht ersichtlich, dass der Anwaltsgerichtshof bei seiner Entscheidung noch tragend auf diese Erwägung abgestellt hat. In den Entscheidungsgründen wird die Möglichkeit einer Vorbehaltszahlung oder Hinterlegung nicht mehr erwähnt. Dort hat der Anwaltsgerichtshof sich - zutreffend - darauf gestützt, dass der Kläger das Problem zwischenzeitlich gerichtlich oder durch Ablösung sämtlicher Verbindlichkeiten gegenüber der WEG hätte lösen können und zudem seiner Verpflichtung aus dem gerichtlichen Hinweis- und Auflagenbeschluss vom 19. Juni 2020, die von ihm behauptete Vereinbarung mit den Erwerbern seiner Immobilie über deren Übernahme von Hausgeldern und Grundbesitzabgaben vorzulegen, nicht nachgekommen ist. Soweit der Kläger zu Letzterem nunmehr vorträgt, er habe lediglich eine mündliche Vereinbarung mit dem Rechtsanwalt der Erwerber über deren anteilige Zahlungsverpflichtung getroffen, entlastet ihn das nicht, sondern bestätigt vielmehr, dass diese Regulierung, auch wenn sie letztlich zum Ziel geführt hat, nicht gesichert war.

22

Zudem wäre auch eine (unterstellte) diesbezügliche Verletzung der gerichtlichen Hinweispflicht nicht zulassungsrelevant, weil sich die erstinstanzliche Entscheidung - wie oben ausgeführt - auch ohne die vom Anwaltsgerichtshof angenommene gesetzliche Vermutung im Ergebnis als zutreffend erweist.

23

Ob der Verweis des Anwaltsgerichtshofs in der mündlichen Verhandlung auf die Möglichkeit der Vorbehaltszahlung oder Hinterlegung - wie der Kläger meint - unzutreffend war und ihm Gelegenheit zur Stellungnahme hätte gegeben werden müssen, bedarf damit keiner Entscheidung.

24

b) Entgegen der Ansicht des Klägers hätte der Anwaltsgerichtshof ihn auch nicht von Amts wegen zur Darlegung der notwendigen Liquidität für die Begleichung der allein noch offenen Forderungen der WEG auffordern müssen.

25

Das gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass der Kläger im Übrigen für einen erheblichen Schuldenabbau gesorgt hatte. Vielmehr musste dem anwaltlich erfahrenen und zudem anwaltlich vertretenen Kläger in Anbetracht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 22. November 2006 - AnwZ (B) 60/05, juris Rn. 6 und vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (B) 5/11, juris Rn. 6; Schmidt-Räntsch in: Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl. 2020, § 7 Rn. 91c) auch ohne gerichtliche/n Aufforderung/Hinweis bewusst sein, dass sein Abbau der übrigen Schulden allein nicht zum Nachweis der Beseitigung seines vormals eingetretenen Vermögensverfalls ausreichte, sondern es hierfür einer umfassenden Darlegung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bedurfte, aus der sich eine nachhaltige Ordnung und Verbesserung seiner finanziellen Situation ergab. Einen entsprechenden Nachweis hat der Kläger indes - wie oben ausgeführt auch im vorliegenden Verfahren nicht geführt.

26

3. Der Fall hat keine grundsätzliche Bedeutung (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

27

Der Rechtsstreit wirft keine entscheidungserhebliche, klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage auf, die sich in einer unbestimmten Vielzahl von Fällen stellen kann und deshalb das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (BGH, Beschluss vom 29. Dezember 2016 - AnwZ (Brfg) 53/16, NJW 2017, 1181 [BGH 13.09.2016 - VII ZR 17/14] Rn. 21 mwN). Die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage ist im vorliegenden Fall nicht entscheidungserheblich. Zudem lässt sie sich nicht abstrakt-generell, sondern stets nur anhand der konkreten Umstände des jeweiligen Einzelfalls beantworten.

"Ist die gesetzliche Vermutung des Vermögensverfalls der antragstellenden Person im Sinne des § 7 Nr. 9 BRAO bereits dann widerlegt, wenn in dem bei dem Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis lediglich Eintragungen für einen Gläubiger verzeichnet sind und der Schuldner die den Eintragungen zugrundeliegenden Forderungen nur deshalb noch nicht getilgt hat, weil er sich über die Art und Weise der Tilgung mit dem Gläubiger und mit einem an der Tilgungsvereinbarung beteiligten Dritten in Verhandlungen befindet und der Gläubiger nicht vollstreckt?"

28

4. Schließlich liegt auch der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) nicht vor.

29

Voraussetzung für eine Zulassung wegen Divergenz ist, dass die anzufechtende Entscheidung von der Entscheidung eines höher- oder gleichrangigen Gerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht. Eine Abweichung in diesem Sinne liegt nur vor, wenn die anzufechtende Entscheidung ein und dieselbe Rechtsfrage anders beantwortet als die Vergleichsentscheidung, mithin einen Rechtssatz aufstellt, der sich mit einem in der Vergleichsentscheidung aufgestellten und diese tragenden Rechtssatz nicht deckt (BGH, Beschlüsse vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 f. und vom 28. Juni 2018 - AnwZ (Brfg) 5/18, NJW 2018, 2645 Rn. 18). Auch das ist hier nicht der Fall.

30

Der Anwaltsgerichtshof hat keinen von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abweichenden Rechtssatz dahingehend aufgestellt, dass der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren über seine Zulassung zur Rechtsanwaltschaft die gemäß § 7 Nr. 9 BRAO gesetzlich begründete Vermutung seines Vermögensverfalls aufgrund seiner Eintragung im Schuldnerverzeichnis nicht mehr widerlegen könne. Die vom Kläger hierzu genannten Ausführungen im Urteil des Anwaltsgerichtshofs betreffen, wie oben dargelegt, nicht die Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls, sondern die (vom Anwaltsgerichtshof zutreffend verneinte) Frage, ob im Fall des § 7 Nr. 9 BRAO - wie bei einem Widerruf nach § 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO - trotz Vermögensverfalls ausnahmsweise eine Zulassung in Betracht kommt, wenn eine Gefährdung der Interessen Rechtsuchender durch den Vermögensverfall auszuschließen ist.

III.

31

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO; die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Limperg

Remmert

Grüneberg

Schäfer

Lauer

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