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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 28.10.2020, Az.: IV ZR 53/20
Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und Herausgabe von Nutzungen aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag nach Kündigung hinsichtlich Erklärung des Widerspruchs
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 28.10.2020
Referenz: JurionRS 2020, 45118
Aktenzeichen: IV ZR 53/20
ECLI: ECLI:DE:BGH:2020:281020BIVZR53.20.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Wiesbaden - 03.07.2019 - AZ: 5 O 253/18

OLG Frankfurt am Main - 29.01.2020 - AZ: 7 U 127/19

Rechtsgrundlagen:

§ 5a Abs. 1 S. 1 VVG a.F.

§ 5a Abs. 2 S. 1 VVG a.F.

BGH, 28.10.2020 - IV ZR 53/20

Der IV. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat durch die Vorsitzende Richterin Mayen, die Richterin Harsdorf-Gebhardt, den Richter Lehmann, die Richterinnen Dr. Brockmöller und Dr. Bußmann
am 28. Oktober 2020
beschlossen:

Tenor:

Der Senat beabsichtigt, die Revision des Klägers gegen das Urteil des 7. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 29. Januar 2019 gemäß § 552a Satz 1 ZPO zurückzuweisen.

Die Parteien erhalten Gelegenheit, hierzu binnen

eines Monats

Stellung zu nehmen.

Gründe

1

I. Der Kläger begehrt von dem beklagten Versicherer Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge und Herausgabe von Nutzungen aus einem kapitalbildenden Lebensversicherungsvertrag mit eingeschlossener Risiko- und Unfallversicherung.

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Dieser wurde mit Versicherungsbeginn zum 1. April 1998 nach dem sogenannten Policenmodell des § 5a VVG in der seinerzeit gültigen Fassung (im Folgenden: § 5a VVG a.F.) abgeschlossen.

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Mit Schreiben vom 20. April 2009 kündigte er den Versicherungsvertrag. Die Beklagte rechnete den Vertrag ab und zahlte den errechneten Betrag aus. Mit Schreiben vom 2. September 2015 erklärte der Kläger den Widerspruch gemäß § 5a VVG a.F., den die Beklagte zurückwies.

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Mit der Klage verlangt er in der Hauptsache Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge abzüglich Risikokosten sowie ausgekehrter Ablaufleistung und zuzüglich gezogener Nutzungen, insgesamt 34.692,03 €, nebst Zinsen

5

Der Kläger meint, er sei im Jahr 2015 noch zum Widerspruch berechtigt gewesen, da die Widerspruchsbelehrung unzureichend und die ihm überlassenen Verbraucherinformationen unvollständig gewesen seien.

6

II. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers hat das Oberlandesgericht zurückgewiesen. Das Berufungsgericht hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Kläger sei zwar - entgegen der Ansicht des Landgerichts - aktivlegitimiert. Der im Jahr 2015 erklärte Widerspruch sei aber verfristet gewesen.

7

Der Kläger sei ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrt worden. Auch griffen die vom Kläger erhobenen Rügen, die Belehrung sei fehlerhaft, weil ihr erster Satz als Konditionalsatz ausgestaltet ist, und es hätten Angaben in der ihm überlassenen Verbraucherinformation gefehlt, die nach der Anlage Teil D zum Versicherungsaufsichtsgesetz in der zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses gültigen Fassung (im Folgenden: VAG a.F.) erforderlich gewesen seien, nicht durch. Die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung entspreche der Formulierung in § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F. Sie sei dort lediglich im Halbsatz positiv formuliert, weiche sonst aber nicht von dieser ab. Die erteilte Verbraucherinformation sei nicht deswegen unvollständig, weil die Prämien für die Absicherung des Todesfall- und Unfallrisikos nicht gesondert ausgewiesen worden seien.

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Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

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III. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision im Sinne von § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, und das Rechtsmittel hat auch keine Aussicht auf Erfolg (§ 552a Satz 1 ZPO).

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1. Die Revision ist zulässig, insbesondere gemäß § 543 Abs. 1 Nr. 1 ZPO aufgrund der Zulassung durch das Berufungsgericht insgesamt statthaft. Eine Beschränkung der Revisionszulassung lässt sich dem Berufungsurteil entgegen der Revisionserwiderung nicht entnehmen. Soweit das Berufungsgericht in den Entscheidungsgründen ausgeführt hat, es lasse die Revision zu, weil es mit seiner Entscheidung von dem Urteil des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 15. Dezember 2017 (12 U 127/17, VersR 2018, 212-213) abweiche, in dem die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung für unwirksam erachtet wurde, liegt darin lediglich eine Begründung für die Zulassung der Revision (vgl. Senatsurteil vom 26. September 2018 - IV ZR 304/15, VersR 2018, 1367 [juris Rn. 16]).

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2. Der Zulassungsgrund der Divergenz liegt allerdings nicht vor. Soweit das Oberlandesgericht Karlsruhe in seinem Urteil eine gleichlautende Widerspruchsbelehrung wegen der Einleitung durch einen Konditionalsatz als unzureichend angesehen hat, scheidet eine Divergenz im Streitfall schon deshalb aus, weil seine abweichende Auffassung für den dortigen Streitfall nicht entscheidungserheblich war (vgl. insoweit BGH, Beschluss vom 17. Januar 2012 - XI ZR 254/10, juris Rn. 11). Das Oberlandesgericht Karlsruhe hat die Berufung des Klägers im dortigen Verfahren zurückgewiesen, weil die Rückgewähransprüche des Klägers verjährt gewesen seien (OLG Karlsruhe aaO Rn. 46 ff.). Auf die hier in Rede stehende Frage der Ordnungsmäßigkeit der Widerspruchsbelehrung kam es dort im Ergebnis deshalb nicht an.

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3. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Das Berufungsgericht hat die Berufung des Klägers rechtsfehlerfrei zurückgewiesen.

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a) Ob eine Widerspruchsbelehrung inhaltlich und formal den gesetzlichen Anforderungen des § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. genügt, hat der Tatrichter im jeweiligen Einzelfall zu entscheiden. Eine höchstrichterliche Klärung, ob einzelne Belehrungen formal und inhaltlich ordnungsgemäß sind, ist nicht geboten (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Mai 2017 - IV ZR 501/15, juris Rn. 12). Das Berufungsgericht hat die streitgegenständliche Widerspruchsbelehrung in der Sache ohne Rechtsfehler als ordnungsgemäß gewertet. Mit der Formulierung wird dem Versicherungsnehmer keine unzumutbare Subsumtionslast auferlegt. Er muss lediglich feststellen, ob die im Einzelnen aufgezählten Unterlagen erstmals zusammen mit dem Versicherungsschein übermittelt wurden. Für ihn ist dabe i ohne weiteres erkennbar, ob ihm diese Unterlagen im Zeitpunkt dessen Zugangs bereits vorlagen. Dies wird von ihm stets verlangt und ist mit jeder Belehrung unvermeidbar verbunden, denn ohne diese Kenntnis weiß er nicht, welche Widerspruchsfrist für ihn gilt (vgl. insoweit auch OLG Braunschweig VersR 2020, 469 [juris Rn. 7-11]; OLG Köln, Urteil vom 8. April 2016 - 20 U 22/16, juris Rn. 26).

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b) Im Einklang mit den Senatsurteilen vom 11. Dezember 2019 (IV ZR 8/19, VersR 2020, 208-211) und vom 24. Juni 2020 (IV ZR 275/19, VersR 2020, 1030-1033) steht das Berufungsurteil auch, soweit das Berufungsgericht entschieden hat, dass es nicht erforderlich war, die Prämie danach aufzuschlüsseln, welcher Anteil auf die Absicherung des Todesfall- und des Unfallrisikos entfällt. Ein Lebensversicherungsvertrag, der - wie hier - eine Absicherung sowohl für den Erlebensfall als auch für den Todesfall enthält, ist ein einheitlicher Versicherungsvertrag (Senatsurteil vom 11. Dezember 2019 aaO Rn. 26). Mit Senatsurteil vom 24. Juni 2020 (aaO) ist mittlerweile auch geklärt, dass der Versicherer nach § 10a Abs. 1 VAG a.F. i.V.m. Abschnitt I Nr. 1 Buchst. e) der Anlage Teil D zum VAG a.F. bei einer Lebensversicherung mit eingeschlossener Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung nicht zu einem gesonderten Ausweis der auf sie entfallenden Prämie verpflichtet war. Die Erwägungen dort gelten gleichermaßen für die hier streitgegenständliche eingeschlossene Unfallversicherung, so dass dieser Frage keine grundsätzliche Bedeutung mehr zukommt und das Berufungsurteil rechtsfehlerfrei ist.

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4. Die Frage, ob das Policenmodell mit den Lebensversicherungsrichtlinien der Europäischen Union unvereinbar ist, ist hier nicht entscheidungserheblich. Auch im Fall einer unterstellten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit des Policenmodells ist es dem ordnungsgemäß über sein Widerspruchsrecht belehrten und informierten Kläger nach Treu und Glauben wegen widersprüchlicher Rechtsausübung verwehrt, sich nach jahrelanger Durchführung des Vertrages auf dessen angebliche Unwirksamkeit zu berufen und daraus Bereicherungsansprüche herzuleiten (vgl. im Einzelnen zu den Maßstäben Senatsurteil vom 16. Juli 2014 - IV ZR 73/13, BGHZ 202, 102 Rn. 32 ff.).

Mayen

Harsdorf-Gebhardt

Lehmann

Dr. Brockmöller

Dr. Bußmann

Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

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