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Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.11.2019, Az.: XI ZR 575/16
Inanspruchnahme einer Bank auf Rückabwicklung zweier Fondsbeteiligungen; Prüfung des Vorliegens einer Beratungspflichtverletzung
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 19.11.2019
Referenz: JurionRS 2019, 51453
Aktenzeichen: XI ZR 575/16
ECLI: ECLI:DE:BGH:2019:191119UXIZR575.16.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Gera - 20.11.2014 - AZ: 2 O 1480/12

OLG Jena - 27.09.2016 - AZ: 5 U 836/14

Rechtsgrundlage:

§ 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB

BGH, 19.11.2019 - XI ZR 575/16

Redaktioneller Leitsatz:

Derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, ist beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte. Diese sogenannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat auf die mündliche Verhandlung vom 8. Oktober 2019 durch den Vizepräsidenten Prof. Dr. Ellenberger, die Richter Dr. Grüneberg und Dr. Matthias, die Richterin Dr. Derstadt sowie den Richter Dr. Tolkmitt
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Thüringer Oberlandesgerichts in Jena vom 27. September 2016 insoweit aufgehoben, als das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten gegen die Verurteilung zur Freistellung von Schäden und Nachteilen (Ausspruch zu 1.b und 2.b) zurückgewiesen hat. Im Umfang der Aufhebung wird die Klage als unzulässig abgewiesen.

Das weitergehende Rechtsmittel wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die teilweise Erledigung der Hauptsache (Ausspruch zu 4.) im Umfang von weiteren 3.200 € festgestellt und die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 18.800 € nebst Zinsen (Ausspruch zu 2.a) (nur) abzüglich weiterer am 20. Januar 2017 erhaltener 1.200 €, am 29. Januar 2018 erhaltener 1.200 € sowie am 17. Januar 2019 erhaltener 800 € aufrechterhalten wird.

Die Beklagte hat die Kosten des Revisionsverfahrens zu tragen.

Tatbestand

1

Die Klägerin nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung zweier Fondsbeteiligungen in Anspruch.

2

Am 18. Januar 2005 sandte der Zeuge L. , ein Mitarbeiter der Beklagten, dem Sohn der Klägerin, dem Zeugen Dr. P. , der für die Klägerin auftrat, per E-Mail eine Kurzinformation sowie ein Faltblatt über eine mittelbare Beteiligung an der W. mbH & Co. KG (künftig C. ) zu und schlug eine Beteiligung an diesem Fonds, bei dem es sich um ein Produkt einer mit der Beklagten verbundenen Gesellschaft handelte, als Anlagemöglichkeit für die Klägerin vor. Der Zeuge Dr. P. ließ die Klägerin den vorbereiteten Zeichnungsschein unterzeichnen, wonach diese sich als Treugeberkommanditistin in Höhe von 20.000 CAD an der Fondsgesellschaft beteiligte und sich zur Zahlung von 5% Agio auf den Nennbetrag verpflichtete. Die CF. Beteiligungsgesellschaft erhielt von der C. eine Vertriebsprovision in Höhe von 8% bezogen auf die Einlage. Teile dieser Provision wurden an die Beklagte weitergeleitet.

3

Ebenfalls 2005 übermittelte der Zeuge L. dem Zeugen Dr. P. einen Flyer, mit dem der M. GmbH & Co. KG (künftig M. ) beworben wurde. Auch dem Erwerb dieser - wiederum mittelbaren - Beteiligung stimmte der Zeuge Dr. P. zu, woraufhin die Klägerin im März 2005 eine Beitrittserklärung, die eine Zahlung von 20.000 € nebst 5% Agio vorsah, unterzeichnete. Die Fondsgesellschaft zahlte an die MP. Vermittlungs GmbH eine Provision von 12%. Auch davon wurden Teile an die Beklagte weitergeleitet.

4

Die Klägerin erhielt auf ihre Beteiligung am Fonds C. am 1. November 2013 nach Erhebung der Klage eine Ausschüttung in Höhe von 2.271,33 €. Nach Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens erhielt sie am 22. Januar 2016 auf ihre Beteiligung am Fonds M. eine Ausschüttung in Höhe von 1.400 €. Zudem flossen der Klägerin nach Abschluss des Berufungsverfahrens auf diese Beteiligung zusätzliche Ausschüttungen zu, und zwar am 20. Januar 2017 und am 29. Januar 2018 in Höhe von jeweils 1.200 € sowie am 17. Januar 2019 in Höhe von 800 €, bezüglich derer sie im Revisionsverfahren die Hauptsache für erledigt erklärt hat.

5

Mit der am 20. Dezember 2012 eingereichten und der Beklagten am 14. Februar 2013 zugestellten Klage hat die Klägerin Zug um Zug gegen Abtretung ihrer Rechte aus den Beteiligungen die Rückzahlung ihrer Einlagen abzüglich erhaltener Ausschüttungen (Anträge zu 1.a, 2.a), die Freistellung von allen sich aus den Beteiligungen ergebenden Schäden und Nachteile (Anträge zu 1.b, 2.b), entgangenen Gewinn, vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Annahme der angebotenen Abtretung in Verzug befindet, verlangt. Das Landgericht hat die Beklagte nach Vernehmung der Zeugen Dr. P. und L. - unter Abweisung der Klage im Übrigen - verurteilt, an die Klägerin 6.179,30 € sowie 18.800 €, jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 7. Juli 2012, zu zahlen, sowie die Klägerin "von allen Schäden und Nachteilen, insbesondere auch von etwaigen Nachhaftungspflichten", freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus den von der Klägerin gezeichneten Beteiligungen an der W. mbH & Co. KG bzw. an der M. GmbH & Co. KG resultieren und die ohne Zeichnung dieser Beteiligungen nicht eingetreten wären, beides jeweils Zug um Zug gegen Abtretung der Rechte der Klägerin aus den Beteiligungen. Das Landgericht hat ferner festgestellt, dass die Beklagte sich mit der Annahme der Abtretungen in Verzug befindet.

6

Mit Urteil vom 27. September 2016 hat das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Beklagte noch zur Zahlung von 6.179,30 € nebst Zinsen abzüglich der am 1. November 2013 erhaltenen 2.271,33 € (Verurteilung zu 1.a) sowie zur Zahlung von 18.800 € nebst Zinsen abzüglich der am 22. Januar 2016 erhaltenen 1.400 € (Verurteilung zu 2.a) verpflichtet ist. Ferner hat es festgestellt, dass sich die Hauptsache hinsichtlich der von der Klägerin am 1. November 2013 erhaltenen Zahlung über 2.271,33 € sowie hinsichtlich der von der Klägerin am 22. Januar 2016 erhaltenen Zahlung über 1.400 € erledigt hat (Verurteilung zu 4.).

7

Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte die vollständige Abweisung der Klage weiter.

8

Die Klägerin hat beantragt, die Revision der Beklagten nach Maßgabe der weiteren Teilerledigungserklärungen zurückzuweisen sowie den Tenor des Berufungsurteils dahingehend anzupassen, dass die Verurteilung zur Zahlung von 18.800 € um die weitere Angabe "abzüglich am 20.01.2017 erhaltenen 1.200 €, abzüglich am 29.01.2018 erhaltenen 1.200 € und abzüglich am 17.01.2019 erhaltenen 800 €" ergänzt wird. Die Beklagte hat den teilweisen Erledigungserklärungen der Klägerin widersprochen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten hat im Hinblick auf die Freistellungsanträge Erfolg. Sie führt insoweit zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig. Im Übrigen ist die Revision unbegründet.

I.

10

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

11

Aufgrund des zwischen der Klägerin, vertreten durch den Zeugen Dr. P. , und der Beklagten geschlossenen Beratungsvertrags sei die Beklagte verpflichtet gewesen, die von ihr bezogenen Rückvergütungen offenzulegen. Diese Aufklärungspflicht habe auch hinsichtlich des Fonds C. bestanden, bei dem es sich um ein konzerneigenes Produkt handele. Ob dem Zeugen Dr. P. die Emissionsprospekte vorgelegen hätten, könne dahinstehen, da diese nicht die an die Beklagte gezahlten Rückvergütungen ausgewiesen hätten. Abgesehen davon habe die Beweisaufnahme nicht ergeben, dass der Mitarbeiter der Beklagten, der Zeuge L. , dem Zeugen Dr. P. die Prospekte vor Zeichnung der Beteiligungen ausgehändigt habe.

12

Die zugunsten der Klägerin geltende Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens habe die Beklagte nicht widerlegt. Zwar könne ein Indiz für die fehlende Ursächlichkeit der Aufklärungspflichtverletzung für die Anlageentscheidung sein, dass der Anleger weitere Anlagen gezeichnet und diese Anlagen nicht rückabgewickelt habe, obwohl er Kenntnis von Rückvergütungen erhalten habe. Im vorliegenden Fall habe der Zeuge Dr. P. jedoch bekundet, dass es ihm darauf angekommen sei, dass der Berater nicht mehr verdiene als er an Rendite erhalte. Die Beklagte habe nicht dargelegt, dass bei später oder früher gezeichneten Anlagen die zu zahlende Provision ebenfalls höher gewesen sei als die Rendite der Klägerin und die Klägerin in Kenntnis von diesem Umstand dennoch an der Anlage festgehalten habe. Soweit die Beklagte auf die Beteiligungen der Klägerin an den Medienfonds V. 3 und V. 4 verwiesen habe, habe die Beklagte selbst vorgetragen, dass in einem gegen die Beklagte geführten Rechtsstreit mit Schriftsatz vom 17. Juli 2007 die fehlende Aufklärung über die Höhe der Rückvergütungen eingewandt worden sei. Entsprechendes gelte für die Beteiligung an dem Medienfonds MH. , bei dem die geltend gemachte Rückabwicklung des Geschäfts in einem Verfahren vor dem Landgericht Frankfurt am Main u.a. auf eine entsprechende Pflichtverletzung gestützt worden sei.

13

Der Schadensersatzanspruch der Klägerin sei auch nicht verjährt. Es lasse sich nicht feststellen, dass die Klägerin oder der Zeuge Dr. P. vor Beginn des Jahres 2009 von den an die Beklagte gezahlten Rückvergütungen gewusst hätten. Eine Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB könne nicht daraus hergeleitet werden, dass dem Zeugen Dr. P. aufgrund der Provisionszahlungen bei den Medienfonds V. 3, V. 4 sowie MH. habe klar sein müssen, dass ein Provisionsinteresse der Beklagten bestehe und die vom Ehemann der Klägerin mit dem Zeugen L. geschlossene Provisionsvereinbarung für die Fondsbeteiligungen nicht Anwendung gefunden habe. Selbst wenn dies so gewesen sei, habe der Zeuge Dr. P. nicht den Schluss ziehen müssen, dass die Beklagte auch bei den streitgegenständlichen Beteiligungen eine Rückvergütung in aufklärungspflichtiger Höhe erhalten habe, da andere Wege denkbar seien, mit denen sich die Beklagte finanziere, beispielsweise durch die Ausschüttung von Innenprovisionen und Depotgebühren. Ob dies bei unmittelbaren Vorläuferfonds anders zu beurteilen sei, könne dahinstehen, da die Klägerin solche nicht gezeichnet habe. Hinzu komme im vorliegenden Fall, dass die Beklagte selbst noch mit Schreiben vom 10. August 2012 bestritten habe, dass bei den streitgegenständlichen Beteiligungen aufklärungspflichtige Rückvergütungen gezahlt worden seien. Vor diesem Hintergrund erschließe sich erst recht nicht, warum die Klägerin aufgrund der weiteren Zeichnungen habe annehmen müssen, der Beklagten seien für die streitgegenständlichen Beteiligungen Rückvergütungen zugeflossen.

II.

14

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand.

15

1. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Anträge zu 1.b) und 2.b) für zulässig erachtet, wonach die Beklagte zu verurteilen ist, die Klägerin von allen Schäden und Nachteilen, insbesondere auch von etwaigen Nachhaftungspflichten, freizustellen, die mittelbar oder unmittelbar aus den von der Klägerin gezeichneten Beteiligungen resultieren und die ohne Zeichnung dieser Beteiligung nicht eingetreten wären. Insoweit führt die Revision zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig (§ 563 Abs. 3 ZPO).

16

a) Die Freistellungsklage unterliegt wie jede Leistungsklage dem Gebot hinreichender Bestimmtheit, § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Geht es um die Freistellung von einer auf Geldleistung gerichteten Verbindlichkeit, so setzt der Freistellungsantrag die Angabe von Grund und Höhe der Schuld voraus, von der freigestellt zu werden die klagende Partei begehrt (BGH, Urteile vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 497 f. mwN und vom 25. Januar 2011 - II ZR 171/09, juris Rn. 15; Senatsurteil vom 4. Februar 2014 - XI ZR 398/12, BKR 2014, 200 Rn. 22). Die Klägerin hat ihren Anträgen weder konkret bezeichnete Forderungen zugrunde gelegt noch Gläubiger, denen diese Forderungen zustehen sollen, benannt. Die Anträge weisen danach keinen vollstreckungsfähigen Inhalt auf. Sie zielen vielmehr auf bloß mögliche Verbindlichkeiten ab, die noch nicht entstanden sind oder sich allenfalls in der Entwicklung befinden.

17

b) Einer Umdeutung der Anträge in Feststellungsanträge (vgl. BGH, Urteil vom 23. September 2004 - IX ZR 137/03, NJW-RR 2005, 494, 498 mwN) steht entgegen, dass Vortrag zu einem schutzwürdigen Interesse der Klägerin gemäß § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. Senatsurteil vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 42 mwN) nicht gehalten worden ist.

18

Die Klägerin hat auf den vom Senat vor der mündlichen Verhandlung erteilten Hinweis auf die Unzulässigkeit des Freistellungsantrags sowie darauf, dass eine Umdeutung mangels Darlegung des Feststellungsinteresses nicht in Betracht kommt, keinen Vortrag gehalten. Ebenso wie bei der Rüge von im Berufungsrechtszug verfahrensfehlerhaft unterlassenen Hinweisen nach § 139 ZPO (vgl. nur BGH, Urteil vom 8. Oktober 1987 - VII ZR 45/87, NJW-RR 1988, 208, 209) wäre es Sache der Klägerin gewesen, diejenigen Umstände vorzutragen, die sie in der Tatsacheninstanz vorgebracht hätte, wenn sie nicht erst im Revisionsverfahren, sondern bereits im Berufungsrechtszug auf die Unzulässigkeit der Anträge hingewiesen worden wäre. Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung lediglich darauf verwiesen hat, dass sie nach den von ihr abgeschlossenen Treuhandverträgen rechtlich einer Gesellschafterin gleichgestellt sei, lässt dies eine hinreichende Wahrscheinlichkeit eines auf die Verletzungshandlungen zurückgehenden Schadeneintritts, wie sie bei hier in Rede stehenden reinen Vermögensschäden vorausgesetzt wird (Senatsurteil vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 43 mwN), nicht erkennen.

19

2. Im Übrigen hat die Revision keinen Erfolg.

20

a) Rechtsfehlerfrei und von der Revision nicht angegriffen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Beklagte ihre aus den zwischen den Parteien geschlossenen Beratungsverträgen folgende Pflicht, über erhaltene Rückvergütungen aufzuklären (vgl. Senatsurteile vom 19. Dezember 2006 - XI ZR 56/05, BGHZ 170, 226 Rn. 22 ff., vom 8. April 2014 - XI ZR 341/12, WM 2014, 1036 Rn. 17 und vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 14; Senatsbeschlüsse vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 9 und vom 24. August 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1804 Rn. 5), jeweils verletzt hat.

21

Die Beklagte hat nach den nicht angegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts für den Vertrieb der Anlagen von der Fondsgesellschaft Rückvergütungen erhalten. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts hat die Beklagte den Zeugen Dr. P. als Vertreter der Klägerin darüber nicht - weder mündlich noch durch die Übergabe von Prospekten - informiert.

22

b) Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung ebenfalls stand, soweit das Berufungsgericht angenommen hat, dass die Aufklärungspflichtverletzung der Beklagten für den Erwerb der Fondsbeteiligungen durch die Klägerin kausal war.

23

aa) Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist derjenige, der vertragliche oder vorvertragliche Aufklärungspflichten verletzt hat, beweispflichtig dafür, dass der Schaden auch eingetreten wäre, wenn er sich pflichtgemäß verhalten hätte, der Geschädigte den Rat oder Hinweis also unbeachtet gelassen hätte. Diese sogenannte Vermutung aufklärungsrichtigen Verhaltens gilt für alle Aufklärungs- und Beratungsfehler eines Anlageberaters, insbesondere auch dann, wenn Rückvergütungen pflichtwidrig nicht offengelegt wurden. Es handelt sich hierbei nicht lediglich um eine Beweiserleichterung im Sinne eines Anscheinsbeweises, sondern um eine zur Beweislastumkehr führende widerlegliche Vermutung. Die Beweislastumkehr greift bereits bei feststehender Aufklärungspflichtverletzung ein, ohne dass es darauf ankommt, ob der Anleger bei gehöriger Aufklärung vernünftigerweise nur eine Handlungsalternative gehabt hätte (Senatsurteile vom 8. Mai 2012 - XI ZR 262/10, BGHZ 193, 159 Rn. 28 ff. und vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 17 mwN).

24

bb) Diese Vorgaben hat das Berufungsgericht zugrunde gelegt und festgestellt, dass die Klägerin bei ordnungsgemäßer Aufklärung die Geschäfte nicht abgeschlossen hätte. Diese tatrichterliche Würdigung, die vom Revisionsgericht lediglich darauf überprüft werden kann, ob sich der Tatrichter entsprechend dem Gebot des § 286 ZPO mit dem Streitstoff oder den Beweisergebnissen umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt und nicht gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze verstoßen hat (Senatsbeschluss vom 19. Juli 2011 - XI ZR 191/10, WM 2011, 1506 Rn. 9; Senatsurteile vom 15. Juli 2014 - XI ZR 418/13, WM 2014, 1670 Rn. 28 und vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 19), begegnet keinen Bedenken. Das Berufungsgericht hat der Aussage des Zeugen Dr. P. in Übereinstimmung mit dem Landgericht erhebliches Gewicht beigemessen, diese gegen die Aussage des Zeugen L. abgewogen und in den Kontext mit von der Beklagten vorgetragenen Indizien gestellt. Einen revisionsrechtlich erheblichen Fehler zeigt die Revision nicht auf. Sie setzt lediglich unbehelflich ihre Würdigung an die Stelle der Würdigung durch das Berufungsgericht.

25

c) Revisionsrechtlich ebenfalls nicht zu beanstanden ist, dass das Berufungsgericht davon ausgegangen ist, dass die Schadensersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte nicht gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB verjährt sind. Die Klägerin konnte den Ablauf der Verjährung durch Klageeinreichung im Dezember 2012 (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB, § 167 ZPO) hemmen, weil sie bis zum 31. Dezember 2008 weder Kenntnis noch grob fahrlässige Unkenntnis von den anspruchsbegründenden Umständen (§ 199 Abs. 1 BGB) hatte.

26

aa) Der Schadensersatzanspruch ist vorliegend bereits mit Beitritt der Klägerin zu den Fondsgesellschaften entstanden. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs entsteht der Anspruch auf Schadensersatz wegen Beratungspflichtverletzung nach § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB - gleiches gilt für § 199 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BGB - mit dem Zustandekommen des Beteiligungsvertrags. Der Anleger, der aufgrund einer Verletzung der Aufklärungspflichtoder einer fehlerhaften Beratung eine für ihn nachteilige Kapitalanlage erworben hat, ist bei der gebotenen wertenden Betrachtung ohne Rücksicht auf die objektive Werthaltigkeit von Leistung und Gegenleistung bereits durch den schuldrechtlichen Erwerb der Kapitalanlage geschädigt, weil der ohne die erforderliche Aufklärung gefasste Anlageentschluss von den Mängeln der fehlerhaften Aufklärung beeinflusst ist (st. Rspr., vgl. Senatsurteile vom 8. März 2005 - XI ZR 170/04, BGHZ 162, 306, 309 f., vom 26. Februar 2013 - XI ZR 498/11, BGHZ 196, 233 Rn. 25, vom 8. April 2014 - XI ZR 341/12, WM 2014, 1036 Rn. 25, vom 24. März 2015 - XI ZR 278/14, WM 2015, 1181 Rn. 19 ff. und vom 16. Mai 2017 - XI ZR 430/16, WM 2017, 1155 Rn. 18; Senatsbeschluss vom 26. März 2019 - XI ZR 372/18, WM 2019, 721 Rn. 13). Auch und gerade der auf einer Aufklärungspflichtverletzung beruhende Abschluss eines für den Anleger nachteiligen, weil seinen Zielen und Vermögensinteressen nicht entsprechenden Vertrags über eine (ggf. auch mittelbare) Beteiligung an einer Fondsgesellschaft stellt bereits für sich genommen einen Schaden dar (Senatsurteile vom 10. November 2009 - XI ZR 252/08, BGHZ 183, 112 Rn. 46 und vom 26. Februar 2013, aaO; vgl. auch BGH, Urteil vom 11. Juli 2012 - IV ZR 164/11, BGHZ 194, 39 Rn. 64 und 70; Senatsbeschluss vom 26. März 2019, aaO Rn. 14).

27

bb) In revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise hat das Berufungsgericht eine grob fahrlässige Unkenntnis der Klägerin von den anspruchsbegründenden Umständen verneint.

28

(1) Grobe Fahrlässigkeit setzt einen objektiv schwerwiegenden und subjektiv nicht entschuldbaren Verstoß gegen die Anforderungen der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt voraus. Grob fahrlässige Unkenntnis im Sinne von § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB liegt nur vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis deshalb fehlt, weil er ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und nicht beachtet hat, was im gegebenen Fall jedem hätte einleuchten müssen. Ihm muss persönlich ein schwerer Obliegenheitsverstoß in seiner eigenen Angelegenheit der Anspruchsverfolgung ("Verschulden gegen sich selbst") vorgeworfen werden können, weil sich ihm die den Anspruch begründenden Umstände förmlich aufgedrängt haben, er davor aber letztlich die Augen verschlossen hat (vgl. Senatsurteil vom 15. März 2016 - XI ZR 122/14, WM 2016, 780 Rn. 34 mwN). Hierbei trifft den Gläubiger aber generell keine Obliegenheit, im Interesse des Schuldners an einem möglichst frühzeitigen Beginn der Verjährungsfrist Nachforschungen zu betreiben; vielmehr muss das Unterlassen von Ermittlungen nach Lage des Falls als geradezu unverständlich erscheinen, um ein grob fahrlässiges Verschulden des Gläubigers bejahen zu können (Senatsurteil vom 15. März 2016 aaO). Dabei handelt es sich um eine dem Tatrichter vorbehaltene Würdigung, die im Revisionsverfahren nur dahin zu überprüfen ist, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denkgesetze und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteile vom 23. September 2009 - XI ZR 262/07, WM 2008, 2155 Rn. 17 und vom 13. Januar 2015 - XI ZR 303/12, BGHZ 204, 30 Rn. 21).

29

(2) Solche Rechtsfehler weist das Berufungsurteil nicht auf. Das Berufungsgericht hat den Tatsachenvortrag umfassend gewürdigt und dabei insbesondere auch das Schreiben der Beklagten vom 10. August 2012 in den Blick genommen, in dem die Beklagten noch zu diesem Zeitpunkt den Erhalt von Rückvergütungen negiert hat. Bei seiner Würdigung sind dem Berufungsgericht weder Verstöße gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze unterlaufen noch hat es den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt.

III.

30

Der Antrag der Klägerin auf Feststellung der Erledigung der Hauptsache in Höhe der nach Abschluss des Berufungsverfahrens erhaltenen Ausschüttungen ist begründet.

31

Bei den erst in der Revisionsinstanz von der Klägerin abgegebenen weiteren einseitigen Teilerledigungserklärungen handelt es sich um privilegierte Klageänderungen gemäß § 264 Nr. 2 ZPO, mit denen von einem Leistungsantrag auf einen Feststellungsantrag übergegangen wird. Die Klägerin, die Revisionsbeklagte ist, konnte diese Anträge ohne Einlegung einer Anschlussrevision (§ 554 ZPO) stellen (BGH, Urteil vom 1. Juni 2017 - VII ZR 277/15, WM 2017, 1293 Rn. 30). In der Revisionsinstanz kann die Erledigung der Hauptsache jedenfalls dann berücksichtigt werden, wenn die erledigenden Tatsachen - wie hier die im Zeitraum von Januar 2017 bis Januar 2019 erbrachten Zahlungen unstreitig sind (BGH, Urteile vom 8. Februar 1989 - IVa ZR 98/87, BGHZ 106, 359, 368, vom 5. Mai 1999 - XII ZR 184/97, BGHZ 141, 307, 316, vom 4. Juni 2013 - XI ZR 505/11, WM 2013, 1318 Rn. 5, insoweit in BGHZ 197, 335 nicht abgedruckt, und vom 10. Januar 2017 - II ZR 10/15, WM 2017, 474 Rn. 8). Da der Klageantrag zu 2.a bis zum Zeitpunkt der jeweiligen Ausschüttung zulässig und begründet war, war auch hinsichtlich dieser Beträge die teilweise Erledigung der Hauptsache gemäß Ausspruch zu 4. des Berufungsurteils festzustellen und die Verurteilung zur Zahlung gemäß Ausspruch zu 2.a anzupassen.

Ellenberger

Grüneberg

Matthias

Derstadt

Tolkmitt

Von Rechts wegen

Verkündet am: 19. November 2019

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