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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 07.12.2018, Az.: AnwZ (Brfg) 55/18
Widerruf der Zulassung eines Rechtsanwalts zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls i.R.d. Anordnung des Ruhens des Verfahrens
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 07.12.2018
Referenz: JurionRS 2018, 44829
Aktenzeichen: AnwZ (Brfg) 55/18
ECLI: ECLI:DE:BGH:2018:071218BANWZ.BRFG.55.18.0

Verfahrensgang:

vorgehend:

AGH Nordrhein-Westfalen - 01.06.2018 - AZ: 1 AGH 93/17

Verfahrensgegenstand:

Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft

BGH, 07.12.2018 - AnwZ (Brfg) 55/18

Redaktioneller Leitsatz:

Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls ist allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens abzustellen, so dass die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten ist.

Der Bundesgerichtshof, Senat für Anwaltssachen, hat durch die Präsidentin des Bundesgerichtshofs Limperg, die Richter Dr. Bünger und Dr. Remmert sowie die Rechtsanwälte Dr. Kau und Dr. Lauer am
7. Dezember 2018
beschlossen:

Tenor:

Der Antrag des Klägers auf Anordnung des Ruhens des Verfahrens wird abgelehnt.

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das am 1. Juni 2018 verkündete Urteil des 1. Senats des Anwaltsgerichtshofs des Landes Nordrhein-Westfalen wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Wert des Zulassungsverfahrens wird auf 50.000 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Kläger ist seit dem 14. Juli 1995 als Rechtsanwalt zugelassen. Mit Bescheid vom 15. November 2017 widerrief die Beklagte die Zulassung des Klägers zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Die hiergegen gerichtete Klage hat der Anwaltsgerichtshof abgewiesen. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs. Mit Schriftsatz vom 12. Oktober 2018 hat er beantragt, das Ruhen des Verfahrens für die Dauer von zwei Monaten anzuordnen.

II.

2

Die Voraussetzungen einer Anordnung des Ruhens des Verfahrens gemäß § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO i.V.m. § 173 Satz 1 VwGO, § 251 Satz 1 ZPO liegen nicht vor, da weder die Beklagte dem diesbezüglichen Antrag des Klägers beigetreten noch anzunehmen ist, dass die Anordnung zweckmäßig ist.

III.

3

Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Ein Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht gegeben (vgl. § 112e Satz 2 BRAO, § 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).

4

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO, § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

5

a) Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Widerrufs einer Zulassung zur Rechtsanwaltschaft ist nach der Rechtsprechung des Senats allein auf den Zeitpunkt des Abschlusses des behördlichen Widerrufsverfahrens, also auf den Erlass des Widerspruchsbescheids oder - wenn das nach neuem Recht grundsätzlich vorgeschriebene Vorverfahren entbehrlich ist - auf den Ausspruch der Widerrufsverfügung abzustellen; die Beurteilung danach eingetretener Entwicklungen ist einem Wiederzulassungsverfahren vorbehalten (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 29. Juni 2011 - AnwZ (Brfg) 11/10, BGHZ 190, 187 Rn. 9 ff.; vom 20. Mai 2015 - AnwZ (Brfg) 7/15, juris Rn. 5, und vom 20. November 2017 - AnwZ (Brfg) 42/17, juris Rn. 4). Für verwaltungsbehördliche Rücknahme- oder Widerrufsverfügungen in berufs- oder gewerberechtlichen Zulassungsverfahren gibt das materielle Recht regelmäßig den Zeitpunkt des Abschlusses des Verwaltungsverfahrens als maßgebliche Beurteilungsgrundlage für die gerichtliche Überprüfung vor. Dies folgt vor allem daraus, dass das materielle Recht in den genannten Fällen ein - wenn auch nicht stets ausdrücklich geregeltes - eigenständiges Wiederzulassungsverfahren vorsieht, in dem alle nachträglichen Umstände Berücksichtigung finden (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 11 mwN). Das anwaltliche Berufsrecht weist in materieller Hinsicht keine Besonderheiten auf, die es gebieten würden, bei der gerichtlichen Entscheidung über den Zulassungswiderruf einen zweifelsfreien nachträglichen Wegfall des Widerrufsgrundes zu berücksichtigen. Nach den materiell-rechtlichen Regelungen der Bundesrechtsanwaltsordnung ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines Zulassungswiderrufs der Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung maßgebend. Ebenso wie in zahlreichen anderen Berufsordnungen ist der Bundesrechtsanwaltsordnung eine Trennung zwischen dem Widerruf der Zulassung (§ 14 Abs. 2 BRAO) und der (Wieder-)Zulassung (§§ 6, 7 BRAO) immanent. Daher besteht eine mit dem sonstigen Berufszulassungsrecht oder dem Gewerberecht im Kern übereinstimmende Sachlage. Der Abschluss des behördlichen Widerrufsverfahrens bewirkt auch hier eine - im gerichtlichen Verfahren zu beachtende - Zäsur, durch die eine Berücksichtigung danach eintretender Umstände einem späteren Wiedererteilungsverfahren zugewiesen wird (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 14 f. mwN).

6

Die Begründung des Zulassungsantrags gibt keine Veranlassung zu einer erneuten Überprüfung der vorgenannten ständigen Rechtsprechung des Senats. Aus verfassungsrechtlicher Sicht ist eine Hinausschiebung des Zeitpunkts der Beurteilung einer Widerrufsverfügung nicht geboten. Dass der Rechtsanwalt bei nachträglichen Entwicklungen auf ein Wiederzulassungsverfahren verwiesen wird, führt nicht zu unverhältnismäßigen oder gar unzumutbaren Ergebnissen und verstößt auch nicht gegen die nach Art. 12 Abs. 1 GG garantierte Freiheit der Berufswahl (Senat, Beschlüsse vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 17; vom 20. Mai 2015, aaO, und vom 20. November 2017, aaO Rn. 5). Die beruflichen Nachteile, die einem Rechtsanwalt durch den Verweis auf ein erneutes Zulassungsverfahren entstehen, sind vergleichsweise gering, denn der Rechtsanwalt hat bei nachträglichem Wegfall des Widerrufsgrundes einen Anspruch auf sofortige Wiederzulassung und kann jederzeit, das heißt ohne Sperrfrist, einen entsprechenden Antrag stellen (Senat, Beschluss vom 29. Juni 2011, aaO Rn. 18). Dieser setzt nicht voraus, dass der Anfechtungsprozess abgeschlossen ist. Sind die Voraussetzungen für die Wiederzulassung erfüllt, ist die Rechtsanwaltskammer vielmehr unabhängig davon zur Wiederzulassung verpflichtet und kann gegebenenfalls der Rechtsanwalt gegen einen ablehnenden Bescheid gerichtlich vorgehen und dieses Verfahren mit dem Anfechtungsprozess verbunden werden. Auf diese Weise kann bei zweifelsfreiem Wegfall des Widerrufsgrundes eine lückenlose Zulassung zur Rechtsanwaltschaft sichergestellt werden (Senat, Beschlüsse vom 20. Mai 2015, aaO, und vom 30. November 2017, aaO).

7

Aus dem vom Kläger herangezogenen Zitat aus der älteren Kommentarliteratur ergibt sich nichts anderes. Dort wird lediglich die Zulässigkeit neuen Sachvortrags behandelt. Eine Aussage zur Berücksichtigungsfähigkeit von Umständen, die nach dem Widerruf der Zulassung zur Rechtsanwaltschaft wegen Vermögensverfalls eingetreten sind, wird nicht getroffen. Der neue Sachvortrag kann sich vielmehr durchaus auch auf die Vermögensverhältnisse des Rechtsanwalts zum Zeitpunkt des Widerrufs beziehen.

8

b) Der Kläger hat sich zum maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheids vom 15. November 2017 in Vermögensverfall befunden. Zu diesem Zeitpunkt bestanden nach den Feststellungen des Anwaltsgerichtshofs in dem vom Vollstreckungsgericht zu führenden Verzeichnis (§ 882b ZPO) 22 den Kläger betreffende Eintragungen mit der Folge, dass der Eintritt des Vermögensverfalls vermutet wird (§ 14 Abs. 2 Nr. 7 BRAO). Ein Rechtsanwalt, der im Schuldnerverzeichnis eingetragen ist, muss zur Widerlegung der Vermutung des Vermögensverfalls ein vollständiges und detailliertes Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten vorlegen und konkret darlegen, dass seine Vermögens- und Einkommensverhältnisse nachhaltig geordnet sind (vgl. nur Senatsbeschlüsse vom 30. Januar 2017 - AnwZ (Brfg) 61/16, juris Rn. 4, und vom 14. Oktober 2014 - AnwZ (Brfg) 22/14, juris Rn. 5; jeweils mwN). Ein solches Verzeichnis seiner Gläubiger und Verbindlichkeiten hat der Kläger nicht vorgelegt.

9

2. Die vom Kläger geltend gemachten Verfahrensmängel liegen nicht vor (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO). Der Anwaltsgerichtshof hat nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Er hat auch nicht den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt.

10

a) Dies gilt zunächst im Hinblick auf den Vortrag des Klägers zur Konsolidierung seiner wirtschaftlichen Verhältnisse. Letzterer bezog sich ausschließlich auf nach dem maßgeblichen Zeitpunkt des Widerrufsbescheides vom 15. November 2017 eingetretene und damit nach den vorstehenden Grundsätzen nicht berücksichtigungsfähige Entwicklungen der Vermögensverhältnisse des Klägers. Dementsprechend war der Anwaltsgerichtshof nicht gehalten, die entsprechenden Umstände weiter aufzuklären.

11

b) Der Anwaltsgerichtshof hat auch in Bezug auf die dem Widerrufsbescheid beigefügte Anwesenheitsliste der Vorstandssitzung der Beklagten vom 15. November 2017 nicht gegen den Amtsermittlungsgrundsatz verstoßen. Der Kläger macht geltend, in der Liste fehle die Unterschrift des als anwesend genannten Rechtsanwalts B. . Dies trifft nicht zu. In der Liste sind in der linken Spalte in der zweiten und dritten Zeile die Namen der Rechtsanwälte B. und Dr. Br. aufgeführt. In den zugehörigen Zeilen der (rechten) Unterschriftsspalte sind zwei Unterschriften zu erkennen. Die untere Unterschrift befindet sich ausschließlich in der dritten Zeile und ist deutlich als "Br. " lesbar. Darüber befindet sich eine weitere Unterschrift, die in der zweiten Zeile - neben dem Namen des Rechtsanwalts B. - beginnt, mit großem Schwung bis in die dritte Zeile reicht und sich dort über die Unterschrift von Rechtsanwalt Dr. Br. erstreckt. Der Senat hat keine Zweifel, dass es sich hierbei um die Unterschrift von Rechtsanwalt B. handelt. Sie ist als solche zwar nicht lesbar. Es handelt sich jedoch eindeutig um eine - zusätzlich zu der Unterschrift von Rechtsanwalt Dr. Br. erfolgte - weitere Unterschrift. Nach dem Aufbau der Anwesenheitsliste kann es sich nur um diejenige von Rechtsanwalt B. handeln.

12

3. Die Rechtssache weist aus den vorstehend genannten Gründen keine besonderen tatsächlichen und rechtlichen Schwierigkeiten auf (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Der Sachverhalt ist übersichtlich; die Rechtslage ist eindeutig und nicht klärungsbedürftig.

IV.

13

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO, § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO.

Limperg

Bünger

Remmert

Kau

Lauer

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