Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.02.2013, Az.: XI ZR 417/11
Verjährung einer Bürgschaftsforderung eines geschäftsführenden Gesellschafters für gewährte Kredite einer Bank
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Urteil
Datum: 26.02.2013
Referenz: JurionRS 2013, 33584
Aktenzeichen: XI ZR 417/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Leipzig - 28.04.2010 - AZ: 5 O 3779/09

OLG Dresden - 03.11.2010 - AZ: 12 U 782/10

Fundstellen:

EWiR 2013, 441

GWR 2013, 228

IBR 2013, 495

Kreditwesen 2013, 839-840

NJW 2013, 1803-1805

WM 2013, 696-699

WuB 2013, 445-446

ZBB 2013, 184

ZIP 2013, 816-819

BGH, 26.02.2013 - XI ZR 417/11

Redaktioneller Leitsatz:

1.

Der Anspruch aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft entsteht grundsätzlich mit der Fälligkeit der Hauptschuld und wird damit auch fällig. Den Parteien steht es aber frei, die Geltendmachung der Forderung als vertragliche Fälligkeitsvoraussetzung zu vereinbaren.

2.

Die Fälligkeit einer Bürgschaft kann von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig gemacht werden, wenn eine derartige Klausel den Interessen des Bürgen ausreichend Rechnung trägt.

Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 26. Februar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Wiechers, die Richter Dr. Joeres, Dr. Matthias und Pamp sowie die Richterin Dr. Menges

für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 12. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 3. November 2010 wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten über die Verjährung einer Bürgschaftsforderung.

2

Die Rechtsvorgängerin der Klägerin (im Folgenden: Klägerin), eine Bank, gewährte der D. GmbH (im Folgenden: Hauptschuldnerin), deren geschäftsführender Gesellschafter der Beklagte war, Kredite. Der Beklagte verbürgte sich in einer formularmäßigen Erklärung vom 17. Mai 2000 für alle Ansprüche der Klägerin gegen die Hauptschuldnerin aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung selbstschuldnerisch bis zu einem Höchstbetrag von 120.000 DM. In dieser Erklärung heißt es u.a.:

"3. Inanspruchnahme aus der Bürgschaft, Verzicht auf Einreden (1) Sind die durch die Bürgschaft gesicherten Ansprüche der Bank fällig und erfüllt der Hauptschuldner diese Ansprüche nicht, kann sich die Bank an den Bürgen wenden, der dann aufgrund seiner Haftung als Selbstschuldner nach Aufforderung durch die Bank Zahlung zu leisten hat.

..."

3

Mit Schreiben vom 30. Juli 2003 kündigte die Klägerin die der Hauptschuldnerin gewährten Kredite. In der Folgezeit wartete sie ab, ob die Hauptschuldnerin die wiederholt angekündigten Ratenzahlungen leistete, und leitete die Verwertung weiterer Sicherheiten ein. Mit Schreiben vom 30. September 2009 nahm sie den Beklagten wegen der die Bürgschaftssumme übersteigenden Hauptschuld als Bürgen in Anspruch. Der Beklagte erhebt die Einrede der Verjährung.

4

Das Landgericht hat der Klage auf Zahlung von 61.355,02 ? nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 19. Oktober 2009 stattgegeben. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit seiner - vom Berufungsgericht zugelassenen - Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.

Entscheidungsgründe

5

Die Revision ist unbegründet.

I.

6

Das Berufungsgericht, dessen Urteil in WM 2011, 65 veröffentlicht ist, hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

7

Die Klage sei gemäß § 765 Abs. 1, § 767 Abs. 1, § 488 Abs. 1 BGB begründet. Die Einrede der Verjährung der Bürgschaftsforderung (§ 214 Abs. 1 BGB) greife nicht durch. Die dreijährige Verjährungsfrist hätte aufgrund der Schreiben der Klägerin vom 30. September 2009 erst mit dem Ende des Jahres 2009 begonnen, wenn sie nicht durch die Einleitung des streitigen Verfahrens noch im Jahre 2009 gemäß § 204 Abs. 1 BGB gehemmt worden wäre. Die Bürgschaftsforderung sei nicht mit der Kündigung der Hauptschuld durch das Schreiben der Klägerin vom 30. Juli 2003, sondern gemäß Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung erst mit der Inanspruchnahme des Beklagten durch die Klägerin fällig geworden.

8

Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung, nach der der Anspruch aus der Bürgschaft erst nach vorheriger Inanspruchnahme durch die Bank bestehe, sei nicht gemäß §§ 134, 225 Satz 1 BGB aF nichtig, weil sie die Verjährung nicht unzumutbar erschwere, sondern den Lauf der Verjährung durch die Bestimmung zur Fälligkeit nur mittelbar beeinflusse.

9

Die Klausel sei auch nicht unklar im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB. Sie bestimme zweifelsfrei, dass der Anspruch des Gläubigers aus der Bürgschaft entstehe und damit fällig werde, wenn die Bank den Bürgen, weil die Hauptschuld trotz Fälligkeit nicht erfüllt werde, zur Zahlung auffordere. Der Auffassung der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main (WM 2007, 1369 [OLG Frankfurt am Main 21.02.2007 - 17 U 153/06]) und Brandenburg (Urteil vom 14. Juni 2007 - 12 U 216/06, [...]), die Klausel regele nicht die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung, stehe der Wortlaut der Klausel entgegen.

10

Die in der Klausel getroffene Fälligkeitsbestimmung sei jedenfalls im Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung am 17. Mai 2000 nicht überraschend im Sinne des § 305c Abs. 1 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB gewesen. Die Klausel sei weder objektiv ungewöhnlich gewesen noch habe der Beklagte mit ihr nicht zu rechnen brauchen. Die Regelung, dass die Bürgschaftsforderung erst mit der Inanspruchnahme des Bürgen fällig werde, habe Anfang 2000 der höchstrichterlichen Rechtsprechung entsprochen und sei damals von mehreren Banken verwendet worden. Die fettgedruckte Überschrift der Nr. 3 der Bürgschaftserklärung: "Inanspruchnahme aus der Bürgschaft" verdeutliche hinreichend, dass eine Fälligkeitsabrede getroffen werde. Die Klausel könne entgegen der Auffassung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (aaO) auch nicht deshalb als überraschend angesehen werden, weil sie nicht erkennen lasse, dass die Bank sich mit der Verschiebung der Fälligkeit eine längere Verjährungsfrist zubillige, die sie selbst beeinflussen könne. Aus der Klausel ergebe sich ohne Weiteres, dass die Bank durch ein Absehen von einer Zahlungsaufforderung verhindern könne, dass die Forderung fällig werde.

11

Die Klausel halte der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 BGB stand. Sie verletze nicht den Akzessorietätsgrundsatz. Dieser beziehe sich auf die Abhängigkeit der Bürgschaftsforderung von der Entstehung, der Durchsetzbarkeit und dem Erlöschen der Hauptschuld. Demgegenüber könne der Anspruch aus der Bürgschaft selbständig verjähren und ein abweichender Fälligkeitszeitpunkt, auch formularmäßig, vereinbart werden.

12

Die Klausel sei auch nicht deshalb unwirksam, weil die Bank durch Hinauszögern der Inanspruchnahme den Verjährungsbeginn beliebig ohne zeitliche Begrenzung verschieben könne. Sie benachteilige den Bürgen nicht unangemessen, weil sie seinen berechtigten Belangen jedenfalls bis zur Einführung der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren zum 1. Januar 2002 nicht entgegenstehe. Die Klausel trage dem Interesse des Bürgen Rechnung, weil sie nicht nur die Fälligkeit von seiner Inanspruchnahme abhängig mache, sondern außerdem voraussetze, dass die Bank den Hauptschuldner zunächst erfolglos in Anspruch genommen habe. Das Erfordernis der vorherigen Inanspruchnahme der Hauptschuldnerin liege bei einer selbstschuldnerischen Bürgschaft wie der vorliegenden im Interesse des Bürgen. Außerdem würden durch das Hinausschieben der Fälligkeit Zinsansprüche gegen den Bürgen ausgeschlossen und Kosten für Maßnahmen zur Hemmung oder Unterbrechung der Verjährung vermieden. Hingegen falle das Interesse des Bürgen an der baldigen Fälligkeit der Bürgschaftsforderung zum maßgeblichen Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung nicht ins Gewicht, weil Bürgschaften damals wegen der früheren regelmäßigen Verjährungsfrist von 30 Jahren praktisch nie verjährten.

II.

13

Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand, so dass die Revision zurückzuweisen ist.

14

1. Die nach Grund und Höhe unstreitige Klageforderung ist nicht verjährt. Die dreijährige Verjährungsfrist begann gemäß § 199 Abs. 1 BGB erst mit Schluss des Jahres 2009, nachdem die Klageforderung durch die Inanspruchnahme des Beklagten mit Schreiben der Klägerin vom 30. September 2009 fällig geworden war, und war bei gerichtlicher Geltendmachung der Gesamtforderung noch während des Jahres 2009 (§ 204 Abs. 1 BGB) nicht abgelaufen. Der Anspruch aus einer selbstschuldnerischen Bürgschaft, um den es im vorliegenden Fall geht, entsteht zwar grundsätzlich mit der Fälligkeit der Hauptschuld und wird damit auch fällig (Senat, Urteil vom 29. Januar 2008 XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 24). Den Parteien steht es aber frei, die Geltendmachung der Forderung als vertragliche Fälligkeitsvoraussetzung zu vereinbaren (Senat aaO Rn. 25). Eine solche Vereinbarung haben die Parteien in Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung wirksam getroffen.

15

2. Das Berufungsgericht ist rechtsfehlerfrei und von der Revision unangegriffen davon ausgegangen, dass Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung nicht gemäß §§ 134, 225 Satz 1 BGB in der bei Abschluss des Bürgschaftsvertrages geltenden Fassung nichtig ist. Eine die Fälligkeit hinausschiebende Regelung verstieß nicht gegen § 225 Satz 1 BGB aF (BGH, Urteile vom 26. Oktober 1983 VIII ZR 132/82, WM 1983, 1362, 1363 und vom 8. Januar 1986 VIII ZR 313/84, WM 1986, 388, 389 f.).

16

3. Auch die - revisionsrechtlich uneingeschränkt überprüfbare (BGH, Urteile vom 9. Juni 2010 - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11 und vom 8. Juni 2011 - VIII ZR 305/10, WM 2011, 2146 Rn. 20) - Auffassung des Berufungsgerichts, die Klausel sei nicht unklar im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB, Art. 229 § 5 Satz 2 EGBGB, sondern zweifelsfrei dahin auszulegen, dass der Anspruch des Gläubigers aus der Bürgschaft erst entstehe und fällig werde, wenn die Bank den Bürgen zur Zahlung auffordere, ist rechtlich nicht zu beanstanden.

17

a) Die Frage, ob Klauseln der vorliegenden Art die Fälligkeit der Bürgschaft wirksam von einer Leistungsaufforderung des Gläubigers abhängig machen, wird in Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt (bejahend: OLG München (19. Zivilsenat), WM 2006, 1813, 1814 [OLG München 20.07.2006 - 19 U 3419/06]; OLG Bamberg, Beschluss vom 11. Juni 2007 6 U 36/07, [...] Rn. 8 und 14; Nobbe in Schimansky/Bunte/Lwowski, Bankrechts-Handbuch, 4. Aufl., § 91 Rn. 322; Nobbe, Kommentar zum Kreditrecht, 2. Aufl., § 765 Rn. 197 f.; Nobbe, WuB I F 1 a.-2.11; Kröll, EWiR 2007, 131, 132 [OLG München 20.07.2006 - 19 U 3419/06]; verneinend: OLG Frankfurt am Main, WM 2007, 1369, 1371 [OLG Frankfurt am Main 21.02.2007 - 17 U 153/06]; OLG Brandenburg, Urteil vom 14. Juni 2007 12 U 216/06 [...] Rn. 3 ff.; OLG München (5. Zivilsenat), WM 2012, 1768, 1769 [OLG München 19.06.2012 - 5 U 3445/11]; Knops in Derleder/Knops/Bamberger, Handbuch zum deutschen und europäischen Bankrecht, 2. Aufl., § 25 Rn. 75; Jungmann, WuB I F 1 a.-5.06; Vogel, EWiR 2007, 683, 684 [OLG Frankfurt am Main 21.02.2007 - 17 U 153/06]; Harter, EWiR 2012, 619, 620 [OLG München 19.06.2012 - 5 U 3445/11]). Der Senat legt Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung als wirksame Vereinbarung einer den Beginn der Verjährungsfrist bestimmenden vertraglichen Fälligkeitsvoraussetzung aus.

18

b) Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. Urteile vom 29. April 2008 KZR 2/07, BGHZ 176, 244 Rn. 19, vom 21. April 2009 XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 11 und vom 7. Dezember 2010 XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 Rn. 29). Zweifel bei der Auslegung gehen nach § 305c Abs. 2 BGB zu Lasten des Verwenders. Diese sogenannte Unklarheitenregel kommt zur Anwendung, wenn zwei Auslegungsmöglichkeiten rechtlich vertretbar sind (Senat, Urteil vom 7. Dezember 2010 XI ZR 3/10, BGHZ 187, 360 Rn. 35 mwN). Außer Betracht bleiben hingegen solche Verständnismöglichkeiten, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fernliegend und nicht ernstlich in Betracht zu ziehen sind (BGH, Urteile vom 30. Oktober 2002 IV ZR 60/01, BGHZ 152, 262, 265 und vom 21. April 2009 XI ZR 78/08, BGHZ 180, 257 Rn. 11 mwN).

19

c) Die Auslegung der Klausel nach diesen Maßstäben führt zu dem eindeutigen Ergebnis, dass die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung erst mit der Inanspruchnahme des Bürgen durch den Gläubiger eintritt. Nach dem unmissverständlichen Wortlaut der Klausel hat der Bürge erst nach Aufforderung durch die Bank Zahlung zu leisten. Dies bedeutet zwangsläufig, dass der Anspruch mit der Leistungsaufforderung des Gläubigers fällig wird (vgl. zum Begriff der Fälligkeit: BGH, Urteil vom 1. Februar 2007 III ZR 159/06, WM 2007, 612 Rn. 16, insoweit in BGHZ 171, 33 nicht abgedruckt). Dass die Klausel den Begriff der Fälligkeit nicht ausdrücklich verwendet, ist unschädlich (vgl. Nobbe, WuB I F 1 a. 2.11). Dies ist in § 271 Abs. 1 BGB, der unzweifelhaft die Fälligkeit regelt, nicht anders.

20

Die Revision macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, die Aufforderung nach Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung bestimme lediglich denjenigen, den die Klägerin nach Eintritt der Fälligkeit in Anspruch nehmen wolle; eine Fälligkeitsvereinbarung, nach der sie Zinsen erst ab Zahlungsaufforderung geltend machen könne, habe die Klägerin hingegen nicht treffen wollen. Diese Auffassung ist unzutreffend. Die Klausel enthält keinen Anhaltspunkt dafür, dass sie Fälle regelt, in denen mehrere Bürgen für die Hauptschuld haften und der Gläubiger den Bürgen, den er in Anspruch nehmen will, bestimmen muss. Zinsen macht die Klägerin in der Tat erst seit dem 19. Oktober 2009, d.h. für die Zeit nach ihrer Zahlungsaufforderung geltend.

21

"Zweifel" im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB, die sich bei der Auslegung der Klausel zu Lasten der Klägerin auswirken könnten, bestehen nicht. Sie ergeben sich insbesondere nicht aus den Urteilen der Oberlandesgerichte Frankfurt am Main (WM 2007, 1369, 1370 f. [OLG Frankfurt am Main 21.02.2007 - 17 U 153/06]) und Brandenburg (Urteil vom 14. Juni 2007 12 U 216/06 [...] Rn. 3 ff.). Die Argumentation des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main (aaO), die Klausel regele nur, wann der Schuldner zur Leistung verpflichtet sei, sage aber nichts über die Fälligkeit, nämlich den Zeitpunkt aus, von dem an der Gläubiger die Leistung verlangen könne, geht fehl. Wie dargelegt, löst die Leistungsaufforderung des Gläubigers, vorbehaltlich der Fälligkeit der Hauptforderung, die Fälligkeit der Bürgschaftsforderung aus. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Brandenburg (aaO) betrifft eine Bürgschaft auf erstes Anfordern und ist auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar.

22

4. Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung ist keine überraschende, gemäß § 305c Abs. 1 BGB nicht Vertragsbestandteil gewordene Klausel.

23

a) Überraschenden Charakter hat eine Regelung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Die Erwartungen des Vertragspartners werden dabei von allgemeinen und von individuellen Begleitumständen des Vertragsschlusses bestimmt (BGH, Urteile vom 21. November 1991 IX ZR 60/91, WM 1992, 135, 137, vom 17. März 1994 IX ZR 102/93, WM 1994, 784, 785, vom 18. Mai 1995 IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25 und vom 11. Dezember 2003 III ZR 118/03, WM 2004, 278, 280). Hierzu zählen der Grad der Abweichung vom dispositiven Gesetzesrecht und die für den Geschäftskreis übliche Gestaltung einerseits, Gang und Inhalt der Vertragsverhandlungen sowie der äußere Zuschnitt des Vertrages andererseits (BGH, Urteile vom 21. November 1991 IX ZR 60/91, WM 1992, 135, 137, vom 18. Mai 1995 IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25 und vom 11. Dezember 2003 III ZR 118/03, WM 2004, 278, 280).

24

b) Diese Voraussetzungen lagen im Zeitpunkt der Vereinbarung der Bürgschaft am 17. Mai 2000, auf den das Berufungsgericht für die Beurteilung der Wirksamkeit der Klausel zu Recht abgestellt hat (vgl. BGH, Urteile vom 3. November 1999 VIII ZR 269/98, BGHZ 143, 103, 117, vom 30. März 2010 XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 Rn. 30 und vom 4. Februar 2009 VIII ZR 66/08, NJW 2009, 1491, Rn. 15; Nobbe, WuB I F 1 a. 2.11), nicht vor.

25

Die Regelung war in dem maßgeblichen Zeitpunkt nicht ungewöhnlich. Sie entsprach der damaligen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteile vom 11. Oktober 1984 IX ZR 73/83, BGHZ 92, 295, 300, vom 10. November 1988 III ZR 215/87, WM 1989, 129, 131 und vom 25. September 1990 XI ZR 142/89, WM 1990, 1910, 1911; das Urteil vom 18. Dezember 2003 - IX ZR 9/03, WM 2004, 371, nach dem die Bürgschaftsforderung mit Eintritt der Fälligkeit der Hauptforderung ebenfalls fällig wird, ist erst nach Vereinbarung der vorliegenden Bürgschaft am 17. Mai 2000 ergangen) und stellte eine übliche, in zahlreichen Bürgschaftsformularen enthaltene Standardklausel dar (vgl. Gößmann in Hellner/Steuer/Schröter/Weber, BuB, Rn. 4/1252 f.). Aus der Klausel ergibt sich, anders als das Oberlandesgericht Frankfurt am Main (WM 2007, 1369, 1371 [OLG Frankfurt am Main 21.02.2007 - 17 U 153/06]) meint, ohne Weiteres, dass die Bank durch das Unterlassen einer Zahlungsaufforderung den Eintritt der Fälligkeit verhindern und den Beginn der Verjährungsfrist hinausschieben kann. Insbesondere die fettgedruckte Überschrift der Klausel: "Inanspruchnahme aus der Bürgschaft" deutet auf eine Fälligkeitsabrede hin.

26

5. Nr. 3 Abs. 1 der Bürgschaftserklärung ist nicht gemäß § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB unwirksam. Die Klausel hält einer Inhaltskontrolle stand. Der Beklagte wird durch sie nicht entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligt (§ 307 Abs. 1 BGB).

27

a) Allerdings kann eine formularmäßige Vereinbarung, die einem Gläubiger das Recht einräumt, die Fälligkeit seines Anspruchs nach seinem Ermessen herbeizuführen und auf diese Weise die Verjährung hinauszuschieben, der Inhaltskontrolle nicht standhalten, wenn sie einseitig die Interessen des Gläubigers schützen soll, ohne dass zumindest auch den berechtigten Interessen des Schuldners Rechnung getragen wird (vgl. BGH, Urteil vom 8. Januar 1986 VIII ZR 313/84, WM 1986, 388, 390).

28

b) Gemessen hieran ist die streitgegenständliche Klausel wirksam, weil sie den Interessen des Beklagten ausreichend Rechnung trägt. In dem wie unter II. 4. b) dargelegt - maßgeblichen Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung betrug die regelmäßige Verjährungsfrist noch 30 Jahre (§ 195 BGB aF), so dass der Frage der Verjährung einer Bürgschaftsforderung keine praktische Bedeutung zukam. Auf die Verkürzung der regelmäßigen Verjährungsfrist auf 3 Jahre durch das Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts vom 26. November 2001 (BGBl. I S. 3138) kann der Beklagte sich gemäß § 242 BGB jedenfalls deshalb nicht berufen, weil er nach den rechtsfehlerfreien und unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts als Geschäftsführer der Hauptschuldnerin wusste, dass die Klägerin für einen längeren Zeitraum wartete, ob die Hauptschuldnerin die wiederholt angekündigten Ratenzahlungen leistete, und deshalb von seiner Inanspruchnahme als Bürge zunächst absah. Hinzu kommt, dass durch das Hinausschieben der Fälligkeit Zinsforderungen gegen den Bürgen begrenzt und letztlich von ihm zu tragende Kosten verjährungshemmender bzw. unterbrechender Maßnahmen vermieden werden.

29

Die Revision macht demgegenüber ohne Erfolg geltend, die Entstehung einer Forderung sei nur im Falle von Gestaltungserklärungen von der Abgabe einer solchen Erklärung abhängig; ansonsten bestimme das Gesetz die Fälligkeit einer Forderung. Gegen dieses gesetzliche Leitbild verstoße die streitgegenständliche Klausel, weil die Erklärung des Gläubigers, den Bürgen in Anspruch zu nehmen, keine Gestaltungserklärung sei. Diese Ausführungen sind verfehlt. Der Senat hat bereits in seinem Urteil vom 29. Januar 2008 (XI ZR 160/07, BGHZ 175, 161 Rn. 25) ausgeführt, dass die Parteien die Geltendmachung der Forderung als vertragliche Fälligkeitsvoraussetzung vereinbaren können. Die Revision beruft sich auch zu Unrecht auf die Ausführungen von Peters/Jacoby (Staudinger, Neubearb. 2009 [nicht 2011], § 199 Rn. 11). Diese vertreten die zutreffende und der Revision nachteilige Auffassung, dass es für die Entstehung eines Anspruchs nicht genügt, dass er durch Ausübung eines Gestaltungsrechts fällig gestellt werden kann. Ein Gläubiger, der die Ausübung seines Gestaltungsrechts aufschiebt, handelt nicht treuwidrig.

Wiechers

Joeres

Matthias

Pamp

Menges

Von Rechts wegen

Verkündet am: 26. Februar 2013

Hinweis: Das Dokument wurde redaktionell aufgearbeitet und unterliegt in dieser Form einem besonderen urheberrechtlichen Schutz. Eine Nutzung über die Vertragsbedingungen der Nutzungsvereinbarung hinaus - insbesondere eine gewerbliche Weiterverarbeitung außerhalb der Grenzen der Vertragsbedingungen - ist nicht gestattet.