Bundesgerichtshof
Beschl. v. 08.01.2013, Az.: VIII ZR 344/12
Beginn der Verjährung bei einem Anerkenntnis i.S. von § 212 BGB
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 08.01.2013
- Aktenzeichen
- VIII ZR 344/12
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 2013, 31990
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Mainz - 27.04.2011 - AZ: 9 O 419/10
- OLG Koblenz - 26.01.2012 - AZ: 1 U 636/11
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- IBR 2013, 436
- Info M 2013, 199
- NJW 2013, 1430
Redaktioneller Leitsatz
Zwar beginnt bei einem Anerkenntnis nach § 212 BGB die maßgebliche Verjährungsfrist am nächstfolgenden Tag im Ganzen neu zu laufen. Ein solcher Neubeginn der Verjährung setzt aber denknotwendig voraus, dass die Verjährung schon in Gang gesetzt worden ist und kann damit frühestens ab dem eigentlichen Verjährungsbeginn einsetzen.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat am 8. Januar 2013 durch den Vorsitzenden Richter Ball, die Richterinnen Dr. Milger, Dr. Hessel und Dr. Fetzer sowie den Richter Dr. Bünger
beschlossen:
Tenor:
Der Senat beabsichtigt, die zugelassene Revision der Beklagten durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.
Gründe
1. Ein Grund für die Zulassung der Revision ist nicht gegeben. Das Berufungsgericht hat die Revision zur Klärung der Frage zugelassen, ob bei einem Anspruch, bei dem vor dem Beginn der regelmäßigen Verjährung (§ 199 BGB) ein Anerkenntnis im Sinne von § 212 BGB erfolgt ist, der Neubeginn der Verjährung schon am Tag nach dem Anerkenntnis oder erst mit dem regulären Verjährungsbeginn einsetzt. Diese Erwägung trägt indessen weder den vom Berufungsgericht bejahten Zulassungsgrund der Fortbildung des Rechts noch liegt einer der weiteren im Gesetz genannten Zulassungsgründe (grundsätzliche Bedeutung; Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung) vor.
Zur Fortbildung des Rechts ist die Zulassung der Revision dann geboten, wenn der zu entscheidende Einzelfall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung von Gesetzesbestimmungen aufzustellen oder Gesetzeslücken auszufüllen. Für die - vorliegend allein in Frage stehende - Entwicklung höchstrichterlicher Leitsätze besteht aber nur dann ein Bedürfnis, wenn es für die rechtliche Beurteilung typischer oder verallgemeinerungsfähiger Lebenssachverhalte an einer richtungsweisenden Orientierungshilfe ganz oder teilweise fehlt (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschluss vom 27. März 2003 - V ZR 291/02, BGHZ 154, 288, 292 mwN). Einer solchen Hilfestellung bedarf es im Streitfall schon deswegen nicht, weil der in § 212 BGB verwendete Begriff des "Neubeginns der Verjährung" inhaltlich mit dem im alten Schuldrecht gebrauchten Begriff "Unterbrechung der Verjährung" (vgl. § 217, § 208 BGB aF) identisch ist (vgl. BT-Drucks. 14/6040, S. 120; Senatsurteil vom 9. Mai 2007 - VIII ZR 347/06, NJW 2007, 2843 Ls) und sich die vom Bundesgerichtshof aufgestellten Leitlinien zu den Auswirkungen einer vor Verjährungsbeginn eingetretenen und beendeten Unterbrechung (BGH, Urteile vom 31. März 1969 - VII ZR 35/67, BGHZ 52, 47, 49 f. [vor Verjährungsbeginn zugestellter Mahnbescheid]; vom 27. September 1995 - VIII ZR 257/94, NJW 1995, 3380 unter III 3 b [Rückwirkung eines Mahnbescheids auf Zeitpunkt vor Verjährungsbeginn]; vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96, NJW 1998, 2972 unter I 1, insoweit in BGHZ 139, 214 ff. nicht abgedruckt [vor Verjährungsbeginn abgegebenes Anerkenntnis]) damit ohne weiteres auf die vorliegende Fallkonstellation übertragen lassen.
2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg. Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht eine Verjährung des geltend gemachten Anspruchs verneint.
a) Die Revision stellt nicht in Frage, dass der aus § 7 Abs. 2 des Kaufund Betriebsübernahmevertrags resultierende Anspruch auf Ausgleich des Abrechnungssaldos aufgrund der dort getroffenen Fälligkeitsregelung frühestens am 1. Januar 2007 entstanden ist und daher die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist erst am 1. Januar 2008 zu laufen begonnen hat (§ 195, § 199 Abs. 1 BGB). Sie meint aber, das vor Beginn der Verjährungsfrist von der Beklagten am 21. September 2007 abgegebene Anerkenntnis habe bereits am darauffolgenden Tag zu einem Neubeginn der Verjährung (§ 212 BGB) geführt.
b) Diese Auffassung teilt der Senat nicht.
aa) Zwar beginnt bei einem - hier vorliegenden - Anerkenntnis nach § 212 BGB die maßgebliche Verjährungsfrist am nachfolgenden Tag im Ganzen neu zu laufen (BGH, Urteile vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96, aaO; vom 15. August 2012 - XII ZR 86/11, NJW 2012, 3633 Rn. 33). Ein solcher Neubeginn der Verjährung setzt aber denknotwendig voraus, dass die Verjährung schon in Gang gesetzt worden ist, und kann damit frühestens ab dem eigentlichen Verjährungsbeginn einsetzen. Aus diesem Grund hat der Bundesgerichtshof für den inhaltsgleichen Begriff der Unterbrechung der Verjährung (vgl. BT-Drucks. 14/6040, aaO) entschieden, dass es in den Fällen bei dem ursprünglichen Verjährungsbeginn bleibt, in denen eine Unterbrechung vor dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, eingetreten und beendet worden ist (BGH, Urteile vom 31. März 1969 - VII ZR 35/67, aaO; vom 27. September 1995 - VIII ZR 257/94, aaO unter III 3 b aa; vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96, aaO). Dieser Grundsatz gilt - wie der Bundesgerichtshof für den Fall eines Anerkenntnisses im Sinne von § 208 BGB aF (heute § 212 BGB) - ausgesprochen hat, auch bei einem vor Verjährungsbeginn abgegebenen Anerkenntnis (BGH, Urteil vom 9. Juli 1998 - IX ZR 272/96, aaO).
bb) Entgegen der Auffassung der Revision ergibt sich aus dem Sinn und Zweck des § 212 BGB nichts anderes. Es handelt sich bei dieser Bestimmung um eine Schutzvorschrift zugunsten des Gläubigers. Nach der Gesetzesbegründung bedarf ein Schuldner, der einen Anspruch als bestehend anerkennt, nicht des Schutzes der Verjährung (BT-Drucks. 14/6040, aaO). Der Gläubiger ist dagegen deswegen schutzwürdig, weil er möglicherweise im Vertrauen auf das Verhalten des Schuldners davon absieht, den Anspruch geltend zu machen (BT-Drucks. 14/6040, aaO; vgl. auch Senatsurteil vom 9. Mai 2007 - VIII ZR 347/06, aaO Rn. 12). Der mit § 212 BGB verfolgte Schutzzweck würde in sein Gegenteil verkehrt, wenn ein vor Verjährungsbeginn abgegebenes Anerkenntnis dazu führte, dass der Anspruch früher verjährt, als dies ohne Anerkenntnis der Fall gewesen wäre.
3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zustellung dieses Beschlusses.