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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 15.03.2011, Az.: 5 StR 44/11
Prüfung der Voraussetzungen des Provokationstatbestandes der ersten Alternative des § 213 Strafgesetzbuch (StGB) bei einer unmittelbar vor der Tat ausgehenden beträchtlichen Provokation
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 15.03.2011
Referenz: JurionRS 2011, 12486
Aktenzeichen: 5 StR 44/11
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Neuruppin - 28.10.2010

Verfahrensgegenstand:

Gefährliche Körperverletzung

BGH, 15.03.2011 - 5 StR 44/11

Redaktioneller Leitsatz:

Im Rahmen einer Verurteilung wegen gefährlicher Körperverletzung ist die Erörterung von § 213 Alt. 1 StGB - sofern sein Vorliegen in Betracht kommt - angezeigt, weil § 213 StGB auch im Rahmen des § 224 StGB die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig gebietet.

Der 5. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
am 15. März 2011
beschlossen:

Tenor:

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Neuruppin vom 28. Oktober 2010 nach § 349 Abs. 4 StPO im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Freiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die wirksam auf den Strafausspruch beschränkte Revision des Angeklagten gegen dieses Urteil hat Erfolg. Der Strafausspruch hält rechtlicher Überprüfung nicht stand.

2

1.

Das Landgericht hat es unterlassen, sich ausdrücklich mit den Voraussetzungen des Provokationstatbestandes der ersten Alternative des § 213 StGB auseinanderzusetzen. Hierzu bestand nach den Urteilsfeststellungen indessen Anlass, weil vom Opfer unmittelbar vor der Tat beträchtliche Provokationen ausgegangen sind (UA S. 4 f., 13). Rechtlich war die Erörterung des § 213 Alt. 1 StGB angezeigt, weil sein Vorliegen auch im Rahmen des § 224 StGB die Annahme eines minder schweren Falles regelmäßig gebietet (vgl. zu § 226 Abs. 2 StGB a.F. BGH, Beschlüsse vom 5. Februar 1991 - 5 StR 6/91, BGHR StGB § 226 Strafrahmenwahl 2; vom 19. Januar 1994 - 2 StR 560/93, BGHR StGB § 226 Strafrahmenwahl 5; siehe auch BGH, Beschluss vom 9. August 1988 - 4 StR 221/88, BGHR StGB § 223a Abs. 1 Strafzumessung 2). Im Hinblick auf die dem Angeklagten zugebilligte alkoholbedingte erhebliche Verminderung der Schuldfähigkeit ist nach allgemeinen Regeln eine weitere Strafrahmenverschiebung gemäß §§ 21, 49 Abs. 1 StGB denkbar.

3

Trotz beträchtlicher, den Angeklagten belastender Umstände kann nicht völlig ausgeschlossen werden, dass die Schwurgerichtskammer bei zutreffender Beurteilung eine mildere Strafe verhängt hätte.

4

2.

Der Senat hebt die zugehörigen Feststellungen auch im Hinblick darauf mit auf, dass die Schuldfähigkeitsprüfung des Landgerichts gleichfalls durchgreifenden Bedenken begegnet und dem neu entscheidenden Tatgericht eine in sich stimmige Strafzumessungsentscheidung ermöglicht werden muss. Rechtsfehlerhaft hat es die Schwurgerichtskammer unterlassen, eine - hier mögliche - Berechnung der Blutalkoholkonzentration vorzunehmen und deren Ergebnis ins Verhältnis zu den sonstigen - nach Lage des Falls eher nicht nach einer Annahme des § 21 StGB drängenden - Ergebnissen der Beweisaufnahme zu setzen (vgl. BGH, Beschluss vom 28. April 2010 - 5 StR 135/10, NStZ-RR 2010, 257, 258 mwN). Zudem hätte ein Sachverständiger hinzugezogen werden müssen (vgl. BGH, Beschluss vom 23. Februar 2011 - 5 StR 24/11 mwN). Dieser sollte sich bei der Untersuchung des psychischen Zustands des Angeklagten auch mit dessen Vorleben, insbesondere Alkoholgewohnheiten und etwaiger -beeinflussung bei seinen Vortaten sowie dissozialen Verhaltensmustern, auseinandersetzen.

5

3.

Der Senat verweist die Sache entsprechend § 354 Abs. 3 StPO an eine allgemeine Strafkammer des Landgerichts zurück (vgl. BGH, Urteil vom 7. September 1994 - 2 StR 264/94, NJW 1994, 3304, 3305, insoweit in BGHSt 40, 251 nicht abgedruckt; Meyer-Goßner, StPO, 53. Aufl., § 354 Rn. 42). Denn der Schuldspruch wegen gefährlicher Körperverletzung ist in Kein schließendes Satzzeichen Rechtskraft erwachsen, womit der die Zuständigkeit des Schwurgerichts begründende Tatvorwurf des versuchten Totschlags weggefallen ist.

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