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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 10.11.2010, Az.: 4 StR 386/10
Anwendbarkeit des § 323a Strafgesetzbuch (StGB) auch bei Herbeiführung des Zustandes der Schuldunfähigkeit durch Alkohol neben dem Hinzutreten weiterer Ursachen
Gericht: BGH
Entscheidungsform: Beschluss
Datum: 10.11.2010
Referenz: JurionRS 2010, 28262
Aktenzeichen: 4 StR 386/10
ECLI: [keine Angabe]

Verfahrensgang:

vorgehend:

LG Hagen - 09.04.2010

Rechtsgrundlage:

§ 323a Abs. 1 StGB

Fundstellen:

NStZ-RR 2011, 195

NStZ-RR 2011, 80-81

StraFo 2011, 71

Verfahrensgegenstand:

Vorsätzlicher Vollrausch u.a.

BGH, 10.11.2010 - 4 StR 386/10

Redaktioneller Leitsatz:

  1. 1.

    Der Anwendbarkeit des § 323a StGB steht nicht entgegen, dass der Zustand der (möglichen) Schuldunfähigkeit nicht allein durch den Alkohol, sondern erst durch das Hinzutreten weiterer Ursachen herbeigeführt worden ist.

  2. 2.

    Der objektive Tatbestand des § 323a Abs. 1 StGB setzt jedoch voraus, dass der Zustand des Täters seinem ganzen Erscheinungsbild nach als durch den Genuss von Rauschmitteln hervorgerufen anzusehen ist.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers
am 10. November 2010
gemäß § 154 Abs. 2, § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Das Verfahren wird eingestellt, soweit dem Angeklagten im Fall C II. der Urteilsgründe ein vorsätzlicher Vollrausch zur Last gelegt worden ist. Insoweit trägt die Staatskasse die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Angeklagten.

  2. 2.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Hagen vom 9. April 2010

    1. a)

      im Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte des vorsätzlichen Vollrausches in drei Fällen und der vorsätzlichen Trunkenheit im Verkehr schuldig ist,

    2. b)

      im Gesamtstrafenausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

  1. 3.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die verbleibenden Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  2. 4.

    Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlichen Vollrausches in vier Fällen und wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu der Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von drei Monaten verhängt. Des Weiteren hat es die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt sowie eine Sperre für die Erteilung einer Fahrerlaubnis von zwei Jahren angeordnet. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf zwei Verfahrensbeanstandungen und die Sachrüge gestützten Revision.

2

Soweit dem Angeklagten im Fall C II. der Urteilsgründe ein vorsätzlicher Vollrausch zur Last gelegt worden ist, stellt der Senat das Verfahren auf Antrag des Generalbundesanwalts aus verfahrensökonomischen Gründen nach § 154 Abs. 2 StPO ein, weil die Urteilsgründe einen Rausch des Angeklagten im Sinne des § 323a Abs. 1 StGB nicht belegen. Der Anwendbarkeit des § 323a StGB steht zwar nicht entgegen, dass der Zustand der (möglichen) Schuldunfähigkeit nicht allein durch den Alkohol, sondern erst durch das Hinzutreten weiterer Ursachen herbeigeführt worden ist. Der objektive Tatbestand des § 323a Abs. 1 StGB setzt jedoch voraus, dass der Zustand des Täters seinem ganzen Erscheinungsbild nach als durch den Genuss von Rauschmitteln hervorgerufen anzusehen ist (vgl. BGH, Urteil vom 16. Juni 1976 - 3 StR 155/76, BGHSt 26, 363, 364 ff.; Beschluss vom 18. August 1983 - 4 StR 142/82, BGHSt 32, 48, 53; Urteil vom 26. Juni 1997 - 4 StR 153/97, NJW 1997, 3101, 3102; Beschluss vom 9. Juli 2002 - 3 StR 207/02, BGHR StGB § 323a Abs. 1 Rausch 4; SSW-StGB/Schöch § 323a Rn. 10; Fischer, StGB, 57. Aufl., § 323a Rn. 13). Einen solchen alkoholbedingten Rauschzustand des Angeklagten hat der Tatrichter, der im Rahmen der Beweiswürdigung vom Konsum von drei bis vier Flaschen Bier und einer leichten Alkoholisierung des Angeklagten ausgegangen ist, nicht dargetan.

3

In dem nach der Verfahrenseinstellung verbleibenden Umfang hat die Nachprüfung des angefochtenen Urteils auf Grund der Revisionsrechtfertigung keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben (§ 349 Abs. 2 StPO).

4

Die Einstellung des Verfahrens im Fall C II. der Urteilsgründe führt zum Wegfall der Einzelstrafe von einem Jahr und zur Aufhebung der Gesamtstrafe. Der Maßregelausspruch wird hiervon nicht berührt und kann bestehen bleiben.

Ernemann
Roggenbuck
Cierniak
Mutzbauer
Bender

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