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Bundesgerichtshof
Beschl. v. 16.12.1997, Az.: VI ZB 48/97

Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bei Versäumung der Berufungsfrist; Versäumung einer Rechtsmittelfrist wegen fehlender Einreichung eines vollständigen Prozesskostenhilfegesuchs; Rechtzeitige Darlegung der wirtschaftlichen Voraussetzung für die Gewährung von Prozesskostenhilfe; Verhältnis der Deckungszusage einer Rechtsschutzversicherung zur Prozesskostenhilfe

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
16.12.1997
Aktenzeichen
VI ZB 48/97
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1997, 14823
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Schleswig - 02.10.1997

Fundstellen

  • BRAK-Mitt 1998, 126
  • NJW 1998, 1230-1231 (Volltext mit red. LS)

In dem Rechtsstreit
hat der VI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
durch
den Vorsitzenden Richter Groß und
die Richter Bischoff, Dr. v. Gerlach, Dr. Müller und Dr. Dressler
am 16. Dezember 1997
beschlossen:

Tenor:

Die sofortige Beschwerde gegen den Beschluß des 7. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 2. Oktober 1997 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Beschwerdewert: 15.000,00 DM.

Gründe

1

I.

Das teilweise klagabweisende Urteil des Landgerichts ist den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten der Klägerin am 16. Dezember 1996 zugestellt worden. Mit Schriftsatz vom 16. Januar 1997 haben sie für die Klägerin Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Berufungsfrist sowie Gewährung von Prozeßkostenhilfe für die Durchführung der Berufung wegen des abgewiesenen Antrags der Klägerin auf Zahlung eines Schmerzensgeldes beantragt. Dieser per Fax ohne Anlagen am 16. Januar 1997 und im Original mit Anlagen - nämlich der Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse sowie Einkommensnachweis - am 17. Januar 1997 beim Berufungsgericht eingegangene Schriftsatz enthielt nähere Erläuterungen zu den Einkommensverhältnissen der Klägerin, eine Darlegung der beabsichtigten Berufungsbegründung und das Vorbringen, die Rechtsschutzversicherung der Klägerin habe mit am 14. Januar 1997 bei ihrem Prozeßbevollmächtigten eingegangenen Schreiben den Rechtsschutz für das Berufungsverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten versagt. Die Klägerin selbst könne die Kosten der Prozeßführung wegen Mittellosigkeit nicht tragen.

2

Mit am 10. April 1997 eingegangenem Schriftsatz ihrer zweitinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten vom selben Tag hat die Klägerin Berufung eingelegt und gegen die Versäumung der Berufungsfrist erneut Wiedereinsetzung beantragt mit der Begründung, das Hindernis für die Einlegung der Berufung sei durch die am 27. März 1997 aufgrund eines Verfahrens nach § 17 Abs. 2 ARB eingegangene Rechtsschutzzusage entfallen. Mit Schriftsatz vom 17. April 1997 hat sie den Wiedereinsetzungsantrag dahin ergänzt, sie habe wegen ihrer Mittellosigkeit den erstinstanzlichen Prozeßbevollmächtigten beauftragt, Berufung nur einzulegen, wenn Rechtsschutz gewährt oder Prozeßkostenhilfe bewilligt werde.

3

Mit Beschluß vom 2. Oktober 1997 hat das Berufungsgericht die Berufung als unzulässig verworfen und zur Begründung ausgeführt, daß gegen die Versäumung der Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung bewilligt werden könne, weil die Klägerin nicht ohne ihr Verschulden an der Einhaltung der Frist gehindert gewesen sei. Daß ihr die finanziellen Mittel gefehlt hätten, um einen Rechtsanwalt mit der fristgerechten Einlegung der Berufung zu beauftragen, könne sie nur dann entschuldigen, wenn sie innerhalb der Berufungsfrist jedenfalls einen vollständigen Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe gestellt hätte. Dies sei jedoch nicht geschehen, weil dem am 16. Januar 1997 und damit noch fristgerecht per Telefax eingereichten Antrag auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe die gemäß § 117 Abs. 2 und 4 ZPO erforderliche Erklärung der Klägerin über ihre persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht beigefügt gewesen sei und jegliche Belege gefehlt hätten, obwohl diese Unterlagen ersichtlich schon bei Abfassung dieses Schriftsatzes vorgelegen hätten und gleichfalls durch Fax fristgerecht hätten übermittelt werden können. Diese grundlegende Unzulänglichkeit des Prozeßkostenhilfeantrags werde auch durch die Darlegungen im Schriftsatz vom 16. Januar 1997 nicht ausgeglichen.

4

Gegen diesen am 8. Oktober 1997 zugestellten Beschluß hat die Klägerin am 17. Oktober 1997 sofortige Beschwerde eingelegt und hierzu vorgetragen, das Berufungsgericht habe zu Unrecht die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung verneint bzw. die Anforderungen an die rechtzeitige Vorlage der Anlagen zum Prozeßkostenhilfegesuch überspannt.

5

II.

Das Rechtsmittel ist gemäß § 519 b Abs. 2 ZPO statthaft und auch in der rechten Form und Frist eingelegt.

6

1.

In der Sache bleibt es ohne Erfolg, weil das Berufungsgericht mit Recht die Berufung der Klägerin als verspätet verworfen hat. Daß durch die erst am 10. April 1997 eingegangene Berufung gegen das am 16. Dezember 1996 zugestellte Urteil die Berufungsfrist von einem Monat gemäß § 516 ZPO nicht gewahrt worden ist, wird von der Klägerin nicht in Zweifel gezogen. Sie wendet sich vielmehr dagegen, daß das Berufungsgericht ihr gegen die Versäumung der Berufungsfrist keine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO) gewährt hat.

7

Ob dies zu Recht geschehen ist, kann im vorliegenden Beschwerdeverfahren nachgeprüft werden, weil die Gründe der angefochtenen Entscheidung zweifelsfrei ergeben, daß das gemäß § 237 ZPO für die Entscheidung über das Wiedereinsetzungsgesuch zuständige Berufungsgericht die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist versagt hat (BGH, Beschluß vom 7. Oktober 1981 - IVb ZB 825/81 - NJW 1982, 887; vgl. auch Senatsbeschluß vom 3. Februar 1987 - VI ZB 17/86 - BGHR ZPO § 519 b Abs. 1 Wiedereinsetzung 1). Das Berufungsgericht hat die Ablehnung der Wiedereinsetzung damit begründet, daß innerhalb der Rechtsmittelfrist kein vollständiges Prozeßkostenhilfegesuch eingegangen sei, weil dem fristgerecht eingereichten Faxschreiben vom 16. Januar 1997 die erforderlichen Unterlagen nicht beigefügt gewesen seien, obwohl sie durch Fax gleichfalls fristgerecht hätten übermittelt werden können. Für diese Auffassung kann sich das Berufungsgericht auf die gefestigte Rechtsprechung des BGH stützen, wonach einer Partei, die Prozeßkostenhilfe zur Durchführung des Rechtsmittels beantragt hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Rechtsmittelfrist nach § 233 ZPO nur gewährt werden kann, wenn sie rechtzeitig - nämlich vor Ablauf der Rechtsmittelfrist - nicht nur den Prozeßkostenhilfeantrag eingereicht, sondern auch die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Prozeßkostenhilfe dargetan hat (BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 1994 - XII ZB 21/94 - NJW 1994, 2097, 2098 und vom 27. November 1996 - XII ZB 84/96 - VersR 1997, 383). Daran fehlt es hier, weil dem vor Ablauf der Berufungsfrist eingegangenen Faxschreiben die erforderlichen Unterlagen nicht beigefügt waren. Soweit die Klägerin meint, dies sei leere Förmelei, weil die Anlagen einen Tag später nachgereicht worden seien, wird diese Auffassung der Bedeutung von Fristen im Rechtsmittelverfahren nicht gerecht. Entgegen der Auffassung der Klägerin waren diese Unterlagen auch nicht deshalb entbehrlich, weil das Schreiben vom 16. Januar 1997 detaillierte Angaben über ihre Einkommensverhältnisse enthalten habe. Von einem vollständigen Prozeßkostenhilfeantrag, wie ihn die Gewährung von Wiedereinsetzung nach den dargelegten Grundsätzen voraussetzt, kann nämlich nur dann die Rede sein, wenn dem Antrag die zur Nachprüfung der Bedürftigkeit erforderlichen Erklärungen beigefügt waren, zumal § 114 Abs. 4 ZPO zwingend vorschreibt, daß sich die Partei zur Darlegung ihrer persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse des durch die Verordnung vom 17. Oktober 1994 (BGBl. I, 3001) eingeführten Vordrucks bedienen muß. Eine diesem Erfordernis genügende Erklärung war für eine Entscheidung über den PKH-Antrag unerläßlich, weil es sich - worauf das Berufungsgericht zutreffend hinweist - um die erstmalige Erklärung der Klägerin gehandelt hat und ein Rückgriff auf frühere Erklärungen schon aus diesem Grund nicht in Betracht kam (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 4. Mai 1994 und 27. November 1996, jeweils aaO).

8

2.

Die Ausführungen der Klägerin im Zusammenhang mit ihrer Rechtsschutzversicherung führen zu keiner anderen Beurteilung. Soweit die Klägerin im Schriftsatz vom 16. Januar 1997 vorgetragen hat, die Rechtsschutzversicherung habe wegen fehlender Erfolgsaussicht des Rechtsmittels Deckung versagt, könnte dieser Vortrag im Hinblick auf das Erfordernis der Erfolgsaussicht gemäß § 114 Abs. 1 ZPO der Bewilligung von Prozeßkostenhilfe ohnehin entgegengestanden haben (vgl. BGH, Beschluß vom 3. Juni 1987 - IVa ZR 318/86 - NJW-RR 1987, 1343). Ob und inwieweit durch die spätere Entscheidung der Rechtsschutzversicherung im Verfahren nach § 17 ARB die Mittellosigkeit der Klägerin entfallen ist, kann dahinstehen.

9

Insofern wirkt es sich nämlich auf die Frage der Wiedereinsetzung nicht aus, ob eine Rechtsschutzversicherung besteht. Vielmehr darf grundsätzlich derjenige, der die Kosten seines Rechtsmittels nicht aufbringen kann, wie ein anderer die Frist für die Einlegung oder Begründung des Rechtsmittels bis zum letzten Tag ausnutzen; er darf also noch am letzten Tag der Frist die Entscheidung treffen, ob er das Rechtsmittel einlegen will und braucht erst dann den - allerdings vollständigen - Antrag auf Prozeßkostenhilfe einzureichen (BGHZ 16, 1 ff.[BGH 09.12.1954 - IV ZB 94/54];  38, 376, 378). Daran kann sich nichts dadurch ändern, daß er rechtsschutzversichert und auf das Verfahren gemäß § 17 ARB angewiesen ist (BGH, Beschluß vom 4. Oktober 1990 - IV ZB 5/90 - NJW 1991, 109, 110). Da die Klägerin geltend gemacht hat, daß sie wegen Mittellosigkeit nicht in der Lage war, die Berufung auf eigene Kosten durchzuführen bzw. vor Ablauf der Berufungsfrist einen Rechtsanwalt zu beauftragen, und sie ersichtlich einen positiven Bescheid der Rechtsschutzversicherung vor Ablauf der Rechtsmittelfrist nicht herbeiführen konnte, war sie gehalten, innerhalb der Berufungsfrist einen den oben dargelegten Anforderungen entsprechenden Prozeßkostenhilfeantrag einzureichen. War dies jedoch nach den zutreffenden Ausführungen des Berufungsgerichts, welche die Klägerin auch nicht in Zweifel zieht, fristgerecht möglich, so war die Klägerin an der Einhaltung der Berufungsfrist nicht ohne ihr Verschulden gehindert, so daß das Berufungsgericht die Voraussetzungen für die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mit Recht verneint hat.

Streitwertbeschluss:

Beschwerdewert: 15.000,00 DM.

Groß,
Bischoff,
Dr. v. Gerlach,
Dr. Müller,
Dr. Dressler