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Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.09.1994, Az.: VIII ZB 22/94

Klägerwechsel in zweiter Instanz; Voraussetzung der zulässigen Berufung

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
21.09.1994
Aktenzeichen
VIII ZB 22/94
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 15487
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • MDR 1995, 309-310 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1994, 3358-3359 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW-RR 1995, 183 (amtl. Leitsatz)
  • VersR 1995, 192-193 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Der Klägerwechsel in zweiter Instanz setzt eine zulässige Berufung voraus (Bestätigung von BGH vom 24.3.1994 - VII ZR 159/92 - WM 94, 1212 unter I 2 c).

Gründe

1

I. Der Kläger zu 1 hat die Beklagte auf Zahlung einer Provision in Höhe von 668.321,12 DM nebst Zinsen für die Vermittlung von Industrieanlagen in Anspruch genommen. Er hat hierzu vorgetragen, die Beklagte schulde ihm diesen Betrag aus einer mit ihr abgeschlossenen Provisionsvereinbarung. Die Beklagte hat dagegen eingewandt, Partner der Provisionsvereinbarung sei nicht der Kläger, sondern die C., eine italienische Kommanditgesellschaft, deren persönlich haftender Gesellschafter der Kläger zu 1 ist. Dieser hat den Klageanspruch daraufhin hilfsweise auf die Behauptung gestützt, die Gesellschaft habe ihren etwaigen Anspruch an ihn abgetreten. Die Beklagte hat diese Abtretung wegen eines mit der Gesellschaft vereinbarten Abtretungsverbots für unwirksam gehalten.

2

Das Landgericht hat offengelassen, ob der Kläger zu 1 oder die Gesellschaft Vertragspartner der Beklagten und ob ein etwaiger Provisionsanspruch der Gesellschaft wirksam an den Kläger abgetreten worden ist, weil die eingeklagte Provisionsforderung nicht entstanden, zumindest noch nicht fällig sei. Es hat deshalb die Klage als zur Zeit unbegründet abgewiesen.

3

Hiergegen hat der Kläger zu 1 Berufung eingelegt. In der Berufungsbegründungsschrift heißt es einleitend, die Klage werde im Wege der Parteiänderung dahin umgestellt, daß Klägerin nunmehr die Gesellschaft, die Klägerin zu 2, sei. Der in diesem Schriftsatz formulierte Berufungsantrag geht dementsprechend dahin, die Beklagte in Abänderung des Landgerichtsurteils zur Zahlung an die Klägerin zu 2 zu verurteilen. Zur Begründung ist ausgeführt, Vertragspartner der Beklagten sei nicht der Kläger zu 1, sondern die Klägerin zu 2. Die Abtretung an den Kläger zu 1 sei wohl an dem vertraglichen Abtretungsverbot gescheitert; vorsorglich habe der Kläger zu 1 die ihm abgetretenen Ansprüche der Klägerin zu 2 an diese zurückabgetreten.

4

Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts auf Bedenken gegen die Zulässigkeit der Berufung hat der Kläger zu 1 mit Schriftsatz vom 28. April 1994 vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beantragt und zur Nachholung der versäumten Prozeßhandlung auf die Berufungsbegründung der Klägerin zu 2 Bezug genommen.

5

Das Oberlandesgericht hat die Berufungen beider Kläger mit Beschluß vom 5. Mai 1994 als unzulässig verworfen und dem Kläger zu 1 die beantragte Wiedereinsetzung versagt. Gegen diese Entscheidung richtet sich die namens beider Kläger form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde.

6

II. Das gemäß §§ 238 Abs. 2 Satz 1, 519 b Abs. 2, 547 ZPO zulässige Rechtsmittel bleibt in der Sache ohne Erfolg.

7

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt:

8

Die Berufungen beider Kläger seien unzulässig. Ein Klägerwechsel sei zwar grundsätzlich auch noch in der Berufungsinstanz möglich, setze aber - ebenso wie eine zweitinstanzliche Klageänderung - eine zulässige Berufung voraus. Daran fehle es hinsichtlich des Klägers zu 1 schon deswegen, weil er seine Berufung vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht begründet habe und ihm wegen der Versäumung dieser Frist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand mangels Entschuldbarkeit des seiner Prozeßbevollmächtigten unterlaufenen Rechtsirrtums nicht gewährt werden könne. Ferner stehe der Zulässigkeit seiner Berufung entgegen, daß mit ihr nicht, wie erforderlich, die Beseitigung der von dem Ersturteil ausgehenden Beschwer erstrebt werde. Das mit der Berufungsbegründung verfolgte Zahlungsbegehren der Klägerin zu 2 stelle einen anderen Streitgegenstand dar als das erstinstanzlich verfolgte Zahlungsbegehren des Klägers zu 1, welches im Berufungsrechtszug auch nicht teilweise weiterverfolgt werde. Die Berufung der Klägerin zu 2 sei unzulässig, weil sie ein durch das angefochtene Urteil nicht beschwerter Dritter sei, dem es verwehrt sei, durch Übernahme der Prozeßführung und Einreichung einer Berufungsbegründung dem Rechtsstreit als Partei beizutreten.

9

2. Gegen diese Beurteilung wenden sich die Kläger ohne Erfolg.

10

a) Die Berufung des Klägers zu 1 ist schon deswegen unzulässig, weil er das Rechtsmittel nicht fristgerecht begründet hat (§§ 519 Abs. 1, 2, 519 b Abs. 1 ZPO). Die mit der Erklärung eines Klägerwechsels eingeleitete Berufungsbegründungsschrift vom 28. März 1994 wirkt nicht für den Kläger zu 1, da mit diesem Schriftsatz die Berufung erklärtermaßen nicht für ihn, sondern - allein - für die Klägerin zu 2 begründet werden sollte. Für den Kläger zu 1 ist die Berufung erst mit Schriftsatz vom 28. April 1994 und somit nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist begründet worden.

11

b) Auch die Berufung der Klägerin zu 2 ist unzulässig.

12

aa) Die Klägerin zu 2 ist mangels Wirksamkeit des mit der Berufungsbegründungsschrift erklärten Parteiwechsels nicht in die Position des Berufungsklägers eingerückt. Der Klägerwechsel in zweiter Instanz wird in Rechtsprechung und Schrifttum wie eine Klageänderung behandelt (BGHZ 16, 317, 321;  65, 264, 268 [BGH 13.11.1975 - VII ZR 186/73];  Zöller/Schneider, ZPO, 18. Aufl., § 528 Rdnr. 11) und setzt - ebenso wie diese (BGH, Urteil vom 8. März 1988 - VI ZR 234/87 = NJW 1988, 2540 unter II 5 m.w.Nachw.; MünchKomm/Rimmelspacher, ZPO, § 523 Rdnr. 4) - eine zulässige Berufung voraus (BGH, Urteil vom 24. März 1994 - VII ZR 159/92 = WM 1994, 1212 unter I 2 c; Zöller/Schneider aaO.). An einer solchen fehlt es, wie soeben dargelegt.

13

bb) Der Streitfall nötigt nicht zu einer Entscheidung der von den Beschwerdeführern aufgeworfenen Frage, ob es aus Gründen der Prozeßökonomie ausnahmsweise zulässig sein kann, daß anstelle des in erster Instanz abgewiesenen Klägers ein Dritter in den Prozeß eintritt, bevor die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Berufung des ursprünglichen Klägers erfüllt sind, die Berufung also von Anfang an für den neuen Kläger begründet oder gar für ihn eingelegt werden kann. Denn selbst wenn man dies bejahen wollte, wäre die Berufung der Klägerin zu 2 nicht zulässig.

14

aaa) Soweit die Klägerin zu 2 ihr Zahlungsbegehren auf die Behauptung stützt, sie selbst - und nicht der Kläger zu 1 - sei Vertragspartnerin der Beklagten, die eingeklagte Provisionsforderung daher in ihrer Person entstanden und mangels Wirksamkeit der verbotswidrigen Abtretung durchgängig bei ihr verblieben, zieht die Berufung den rechtskraftfähigen Inhalt des angefochtenen Urteils nicht in Zweifel. Denn mit der Abweisung der von dem Kläger zu 1 erhobenen Klage hat der Erstrichter mit Rechtskraftwirkung entschieden, daß dem Kläger zu 1 bis zum Schluß der letzten mündlichen Verhandlung erster Instanz ein fälliger Provisionsanspruch gegen die Beklagte nicht zustand. Eben dies macht auch die Klägerin zu 2 geltend, indem sie sich darauf beruft, die eingeklagte Provisionsforderung habe von Anfang an und durchgängig ihr zugestanden. Das Landgericht hat allerdings offengelassen, wer der Vertragspartner der Beklagten ist und ob die in erster Instanz behauptete Abtretung an den Kläger zu 1 wirksam war, und damit die Entstehung, jedenfalls die Fälligkeit der eingeklagten Provisionsforderung auch für den Fall verneint, daß die Klägerin zu 2 Vertragspartner der Beklagten und die Provisionsforderung nicht wirksam an den Kläger zu 1 abgetreten worden sein sollte. Diese Beurteilung nimmt indessen nicht an der Rechtskraftwirkung des Ersturteils teil, das - wie bereits erwähnt - allein über einen Anspruch des Klägers zu 1 - sei es aus eigenem, sei es aus abgetretenem Recht -, nicht aber über einen Anspruch der Klägerin zu 2 ergangen ist. Letztere ist daher durch die Rechtskraftwirkung des angefochtenen Urteils nicht gehindert, den angeblich ihr von Anfang an und durchgängig zustehenden Provisionsanspruch anderweitig gegen die Beklagte einzuklagen.

15

Insoweit scheitert die Berufung der Klägerin zu 2 an der vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung geforderten Zulässigkeitsvoraussetzung, daß der in erster Instanz erhobene Klageanspruch wenigstens teilweise weiter verfolgt wird, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Klageabweisung also in Frage gestellt und nicht nur im Wege der Klageänderung ein neuer, bisher nicht geltend gemachter Anspruch zur Entscheidung gestellt wird (z.B. BGH, Urteil vom 9. Mai 1990 - VIII ZR 237/89 = WM 1990, 1748 unter II m.w.Nachw. aus der älteren höchstrichterlichen Rechtsprechung; Urteil vom 22. November 1990 - IX ZR 73/90 = WM 1991, 609 [BGH 22.11.1990 - IX ZR 73/90] unter 2 a; Urteil vom 25. November 1992 - XII ZR 116/91 = NJW 1993, 597 unter 2 a; Urteil vom 8. Juni 1994 - VIII ZR 178/93, zur Veröffentlichung bestimmt, unter 2 a; Beschluß vom 12. Juli 1994 - VI ZB 43/93, zur Veröffentlichung bestimmt, unter II 1).

16

bbb) Das angefochtene Urteil tangiert die Rechtsstellung der Klägerin zu 2 nur insoweit, als diese sich hilfsweise auf die Rückabtretung des eingeklagten Provisionsanspruchs seitens des Klägers zu 1 stützt und das Landgericht die Klage auch für den Fall abgewiesen hat, daß die in erster Instanz geltend gemachte Abtretung an den Kläger zu 1 wirksam gewesen sein sollte. Insoweit scheitert die Berufung der Klägerin zu 2 indessen daran, daß es ihr als Rechtsnachfolgerin des Klägers zu 1 nach § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO verwehrt ist, den Prozeß ohne die Zustimmung der Beklagten zu übernehmen. Die erforderliche Zustimmung hat die Beklagte zu keiner Zeit erklärt, in der Beschwerdeerwiderung dem "Parteiwechsel auf Klägerseite" vielmehr ausdrücklich widersprochen. Diese Willensäußerung steht auch der Annahme einer stillschweigenden Billigung der Prozeßübernahme durch die Klägerin zu 2 als Rechtsnachfolgerin des Klägers zu 1 entgegen.

17

Die nach § 265 Abs. 2 Satz 2 ZPO erforderliche, hier fehlende Zustimmung des Gegners kann auch nicht dadurch ersetzt werden, daß das Gericht die Übernahme des Prozesses durch den Rechtsnachfolger für sachdienlich erachtet (BGH, Urteil vom 27. April 1988 - VIII ZR 178/87 = NJW 1988, 3209 unter II 1).

18

Die Klägerin zu 2 hätte deshalb dem Rechtsstreit zwischen dem Kläger zu 1 und der Beklagten nur als Nebenintervenientin beitreten können (§ 265 Abs. 2 Satz 3 ZPO). Das hat sie indessen nicht getan. Nach § 70 ZPO erfolgt der Beitritt des Nebenintervenienten durch die schriftsätzliche Erklärung des Beitritts und die bestimmte Angabe des Interesses, das der Nebenintervenient hat. Hierbei muß nicht ausdrücklich, aber unmißverständlich zum Ausdruck kommen, daß der Hinzutretende den Prozeß nicht anstelle der ausscheidenden Hauptpartei übernehmen, sondern dieser zu ihrer Unterstützung beitreten will. Die Klägerin zu 2 hat dagegen unmißverständlich erklärt, den Prozeß anstelle des ausscheidenden Klägers zu 1 übernehmen zu wollen.

19

c) Schließlich hat das Berufungsgericht dem Kläger zu 1 auch die beantragte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist zu Recht versagt, weil der für die Fristversäumung ursächliche Rechtsirrtum seiner Prozeßbevollmächtigten nicht unverschuldet war und der Kläger zu 1 sich deren Verschulden zurechnen lassen muß (§ 85 Abs. 2 ZPO). Die Prozeßbevollmächtigte der Kläger hat bewußt davon abgesehen, vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist eine Berufungsbegründung für den Kläger zu 1 einzureichen, weil sie den Klägerwechsel schon in diesem Prozeßstadium für zulässig hielt. Diese Auffassung findet indessen weder im Gesetz noch in der Rechtsprechung oder in der Kommentarliteratur eine Stütze (vgl. Zöller/Schneider aaO., § 528 Rdnr. 11 m.w.Nachw.). Die Rechtslage war in diesem Punkt deshalb zumindest zweifelhaft, so daß die Prozeßbevollmächtigte der Kläger vorsorglich den sichersten Weg wählen und für die Erfüllung der Zulässigkeitsvoraussetzungen der für den Kläger zu 1 eingelegten Berufung sorgen mußte. Daß sie dies aufgrund ihrer eigenen unzutreffenden Rechtsauffassung für entbehrlich hielt, gereicht ihr zum Verschulden (vgl. BGH, Beschluß vom 28. September 1989 - VII ZR 115/89 = NJW 1990, 1239 unter II 2 b bb m.Nachw.).