Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.07.1994, Az.: VI ZB 43/93

Berufungshauptantrag; Widerrufsklage

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
12.07.1994
Aktenzeichen
VI ZB 43/93
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1994, 15261
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • NJW-RR 1994, 1404-1405 (Volltext mit amtl. LS)
  • VersR 1994, 1446-1447 (Volltext mit amtl. LS)

Amtlicher Leitsatz

Zur Beseitigung der durch das angefochtene Urteil begründeten Beschwer, wenn der Kläger mit dem Berufungshauptantrag von einer erstinstanzlich abgewiesenen Widerrufsklage zur Unterlassungsklage und mit dem Berufungshilfsantrag zu einer eingeschränkten Widerrufsklage übergeht.

Gründe

1

I. Im Sommer 1992 führte der Kläger als ehrenamtlicher Leiter des Fanfarenzuges des Schützenvereins in G. in Zusammenarbeit mit der Ortsfeuerwehr ein Zeltlager für Jugendliche durch.

2

Mit dem in der Klageschrift wiedergegebenen Antrag hat er von den Beklagten zunächst den Widerruf der nach seiner Darstellung unwahren Behauptung verlangt, er habe jugendliche Teilnehmer des Zeltlagers unsittlich berührt. Nachdem die Beklagten unter Vorlage von Niederschriften über Vorstandssitzungen des Schützenvereins zu ihrer Verteidigung vorgetragen hatten, sie hätten zu vereinsinterner Prüfung lediglich das weitergegeben, was ihnen von Teilnehmerinnen an jenem Zeltlager über das Verhalten des Klägers berichtet worden sei, ohne sich diese Berichte zu eigen zu machen, hat der Kläger sodann in erster Verhandlung vor dem Landgericht den Antrag gestellt, die Beklagten zum Widerruf der Äußerung zu verurteilen, Teilnehmerinnen des Zeltlagers hätten ihnen über unsittliche Handgreiflichkeiten des Klägers berichtet.

3

Diese Klage hat das Landgericht mit der Begründung abgewiesen, die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die jugendlichen Teilnehmer des Zeltlagers von entsprechenden Handlungen des Klägers berichtet hätten. Gegen diese Entscheidung hat der Kläger Berufung eingelegt, mit der er nach dem in der Berufungsbegründung angekündigten Antrag von den Beklagten nunmehr die Unterlassung verlangt hat zu behaupten oder zu verbreiten, er habe als Leiter des Fanfarenzuges bei dem Zeltlager weibliche Mitglieder unsittlich berührt. Nach dem gleichzeitig gestellten Hilfsantrag sollen die Beklagten verurteilt werden, nicht mehr aufrecht zu erhalten, daß er jugendliche Teilnehmerinnen anläßlich des Zeltlagers unsittlich berührt habe.

4

Das Berufungsgericht hat die Berufung als unzulässig verworfen, weil der Kläger sein erstinstanzliches Rechtsschutzbegehren mit der Berufung nicht einmal hilfsweise weiterverfolge. Das, was der Kläger mit den in der Berufungsbegründung angekündigten Anträgen verlange, habe mit dem erfolglosen erstinstanzlichen Rechtsschutzbegehren nichts gemein. Der auf Unterlassung gerichtete Hauptantrag habe im ersten Rechtszug gar nicht (mehr) zur Entscheidung gestanden. Der Hilfsantrag sei auf den eingeschränkten Widerruf einer angeblichen eigenen Behauptung der Beklagten und damit auf eben das gerichtet, was der Kläger vor dem Landgericht nicht mehr gefordert habe. Bleibe aber das abgewiesene Klagebegehren nicht einmal hilfsweise Rechtsschutzziel der Berufung, so bekämpfe der Kläger mit dem Rechtsmittel nicht die Beschwer aus dem angefochtenen Urteil, sondern ersetze sein Rechtsschutzbegehren unzulässigerweise in vollem Umfange.

5

Gegen diese ihm am 26. November 1993 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 8. Dezember 1993 sofortige Beschwerde eingelegt.

6

II. Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nur teilweise begründet.

7

1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß eine Berufung unzulässig ist, wenn mit ihr nicht zumindest teilweise die Beseitigung einer in dem angefochtenen Urteil liegenden Beschwer, sondern ausschließlich ein neuer, bisher noch nicht geltend gemachter Anspruch verfolgt wird (BGHZ 85, 140, 142; BGH, Urteil vom 22. November 1990 - IX ZR 73/90 - NJW-RR 1991, 1279; BGH, Beschl. vom 27. September 1993 - II ZB 5/93 - VersR 1994, 330 - und vom 8. Juni 1994 - VIII ZR 178/93 zur Veröffentlichung bestimmt - jeweils m.w.N.).

8

2. Auf dieser Grundlage hat das Berufungsgericht mit Recht angenommen, daß die Berufung jedenfalls im Hauptantrag unzulässig ist, denn mit ihm verfolgt der Kläger auch nicht teilweise das Ziel, die in der Abweisung seines erstinstanzlichen Klagebegehrens liegende Beschwer zu beseitigen. Der Kläger ist nämlich im Berufungshauptantrag vom erstinstanzlichen Widerrufsbegehren im Wege der Klageänderung zu einem Unterlassungsanspruch übergegangen. Damit verfolgt er nunmehr einen bisher noch nicht geltend gemachten Anspruch.

9

Bereits das Reichsgericht hat beim Übergang von einem Schadensersatz- zu einem Unterlassungsanspruch bzw. von einem schadensrechtlich begründeten Widerrufs- zu einem Unterlassungsanspruch und umgekehrt eine Klageänderung angenommen (RGZ 88, 129, 133; RG Gruchot Beitr. Bd. 64, 731, 734; RG, Urteil vom 11. Mai 1933 - VIII 490/32 - Leitsatz in JW 1933, 1658). Diese für den Widerrufsanspruch auf schadensersatzrechtlicher Grundlage entwickelten Grundsätze haben auch für negatorische Ansprüche wie hier zu gelten. Widerrufs- und Unterlassungsbegehren sind ihrem Wesen nach verschieden und begründen unterschiedliche Streitgegenstände. Der Unterlassungsanspruch zielt auf die Abwehr künftigen rechtswidrigen Handelns. Die in der Vergangenheit liegende, abgeschlossene Persönlichkeitsverletzung ist Anlaß, nicht aber Gegenstand des Unterlassungsanspruchs. Der negatorische Widerrufsanspruch soll zwar auch zukünftige Störwirkungen bekämpfen. Er richtet sich aber unmittelbar auf Beseitigung der in der Vergangenheit liegenden Quelle einer heute noch fortwirkenden Beeinträchtigung durch eine dem Beklagten abverlangten Erklärung. Es handelt sich deshalb bei beiden Ansprüchen nicht um eine Erweiterung oder eine Beschränkung des jeweils anderen im Sinne des § 264 Nr. 2 ZPO, sondern um ihrem rechtlichen Wesen nach anders geartete Ansprüche.

10

3. Begründet ist die Beschwerde dagegen, soweit sie sich gegen die Verwerfung der Berufung in bezug auf den Hilfsantrag richtet. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts wendet sich der Kläger damit zumindest teilweise gegen die in dem Urteil des Landgerichts liegende Beschwer. Der Hilfsantrag der Berufung, der mit dem Berufungsgericht als eingeschränktes Widerrufsbegehren auszulegen ist, bleibt wegen dieser Einschränkung als ein Weniger hinter dem erstinstanzlichen Widerrufsbegehren zurück und richtet sich damit zumindest zum Teil gegen die vom Landgericht abgewiesene Widerrufsklage. Um ein anders geartetes Rechtschutzbegehren handelt es sich auch nicht deshalb, weil sich der Kläger setzt nicht mehr gegen das Verbreiten einer von anderen aufgestellten ehrenrührigen Tatsache, sondern gegen das Behaupten dieser Tatsache durch die Beklagten selbst wendet. Insoweit hat der Kläger seinen auf Widerruf gerichteten Antrag lediglich erweitert, was auch in der Berufungsinstanz zulässig ist.

11

4. Die Zulässigkeit der Berufung in bezug auf den Hilfsantrag kann auch nicht auf andere Weise zur Zulassung des mit dem Hauptantrag verfolgten Unterlassungsanspruchs führen. Grundsätzlich kann zwar bei im übrigen zulässiger Berufung auch ein bisher nicht gestellter Antrag im Wege der Klageänderung gemäß § 263 ZPO in das Berufungsverfahren eingeführt werden. Voraussetzung ist jedoch auch dabei, daß der Kläger mit der geänderten Klage zumindest teilweise die ursprüngliche Beschwer angreift. Dies wäre hier jedoch, ließe man den Übergang von dem eingeschränkten Widerrufszum Unterlassungsanspruch zu, nicht der Fall, denn mit einem so geänderten Klagantrag würde der Kläger gerade nicht mehr die Beseitigung der ursprünglichen Beschwer anstreben.

12

5. Nach alledem ist der angefochtene Beschluß aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, soweit die Berufung des Klägers auch hinsichtlich des Hilfsantrages als unzulässig verworfen worden ist.