Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.04.1994, Az.: VIII ZR 223/93
Abzahlungsgeschäft; Widerrufsbelehrung; Fristbeginn
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 27.04.1994
- Aktenzeichen
- VIII ZR 223/93
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1994, 15643
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
- § 1b Abs. 2 AbzG
Fundstellen
- BGHZ 126, 56 - 63
- BB 1994, 1164-1166 (Volltext mit amtl. LS)
- DB 1994, 1719-1720 (Volltext mit amtl. LS)
- JurBüro 1994, 591 (Kurzinformation)
- MDR 1994, 660-661 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1994, 1800-1801 (Volltext mit amtl. LS)
- VuR 1994, 382 (amtl. Leitsatz)
- ZIP 1994, 884-886 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
1. Die Widerrufsbelehrung nach § 1b II 2 AbzG muß den Beginn der Widerrufsfrist unmißverständlich kennzeichnen.
2. Die Bezeichnung des Fristbeginns mit den Worten "ab heute-" entbehrt auch dann der notwendigen Klarheit, wenn die Widerrufsbelehrung am selben Tag unterzeichnet wird, an dem auch die Vertragsurkunde ausgehändigt wird, weil diese Formulierung beim Käufer den unzutreffenden (vgl. § 187 I BGB) Eindruck nahelegt, bei der Fristberechnung werde dieser Tag mitgezählt.
3. Zur Frage der "drucktechnisch deutlichen Gestaltung" einer Widerrufsbelehrung durch Verwendung größerer Absätze und eines etwa geringeren Randabstandes bei im übrigen gleichem Schriftbild.
Tatbestand:
Der Beklagte betreibt in S. eine Gaststätte, im Handelsregister ist er nicht eingetragen. Am 18. März 1987 unterzeichneten er und seine Ehefrau einen "Darlehens- und Bierlieferungsvertrag" mit der Klägerin, einer Brauerei, wonach diese dem Beklagten und seiner Ehefrau ein Darlehen von 20.000 DM für die Renovierung der Gaststätte gewährte. Die Klägerin unterschrieb den Vertrag am 31. März 1987. Als Gegenleistung übernahmen die Darlehensschuldner u.a. die Verpflichtung, für die Gaststätte ausschließlich Biere aus der Produktion der Klägerin zu beziehen und dort auszuschenken. Diese Verpflichtung sollte nach dem Bezug von insgesamt 720 hl Bier ab 1. Januar 1988, spätestens jedoch nach zehn Jahren enden. Im Anschluß an den von den Vertragsschließenden unterschriebenen Vertragstext befindet sich auf Seite 7 der Vertragsurkunde folgende von dem Beklagten und seiner Ehefrau gesondert unterzeichnete
"Widerrufsbelehrung
Mir/uns ist bekannt, daß wir unsere vorstehende (n) Unterschrift(en) binnen einer Woche ab heute schriftlich widerrufen können. Ein Widerruf ist an die K.-Brauerei, zu richten. Die rechtzeitige Absendung innerhalb der Wochenfrist genügt. Für ins Handelsregister eingetragene Kaufleute gilt dieses Widerrufsrecht nicht. "
Im Anschluß an die Widerrufsbelehrung folgt, ebenfalls noch auf Seite 7 der Vertragsurkunde und ebenfalls unter dem Datum vom 18. Juli 1987, die vom Beklagten und seiner Ehefrau unterschriebene Empfangsbestätigung hinsichtlich des Vertragstextes nebst Widerrufsbelehrung.
Der Beklagte hat das Darlehen getilgt. Bis dahin hatte er 119 hl Bier von der Klägerin abgenommen. Seither bezieht er für seine Gaststätte Bier von einer anderen Brauerei.
Die Klägerin hat beantragt, den Beklagten zu verurteilen, bis zur Abnahme von insgesamt 720 hl Bier aus ihrer Produktion, längstens bis zum 31. Dezember 1997, für seine Gaststätte kein Bier der anderen Brauerei zu beziehen und dort auszuschenken.
Der Beklagte hat sich u.a. damit verteidigt, daß seine Bierbezugsverpflichtung mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung nicht wirksam geworden sei.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Klaganspruch weiter.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht führt aus, die vertragliche Verpflichtung des Beklagten, für seine Gaststätte allein Bier aus der Produktion der Klägerin zu beziehen und dort auszuschenken, sei nach §§ 1 c Nr. 3, 1 b Abs. 1 AbzG nicht wirksam geworden, weil die Widerrufsbelehrung nicht den Erfordernissen des § 1 b Abs. 2 AbzG entspreche. In diesem Zusammenhang erwägt das Oberlandesgericht, ob die Widerrufsbelehrung "drucktechnisch deutlich gestaltet" (§ 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG) sei, läßt diese Frage aber offen. Unentschieden läßt das Oberlandesgericht ferner, ob die Widerrufsbelehrung etwa deswegen nicht ordnungsgemäß ist, weil die darin genannte Widerrufsfrist schon zu einem Zeitpunkt ende, in dem der Vertrag mangels entsprechender Vertragserklärung der Klägerin noch gar nicht geschlossen gewesen sei. Die Widerrufsbelehrung genüge aber jedenfalls deswegen nicht den gesetzlichen Erfordernissen, weil sie keine ausreichend deutliche Angabe über den Beginn der Widerrufsfrist enthalte. Durch die Angabe, die Widerrufsfrist habe "heute" begonnen, werde in dem Käufer der unzutreffende Eindruck erweckt, für den Fristbeginn sei der Tag der Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung und nicht derjenige der Aushändigung der Vertragsurkunde maßgebend. Die Widerrufsbelehrung ermögliche dem Käufer nicht eine Fristberechnung allein aufgrund ihres Wortlautes, sondern nur unter zusätzlicher Berücksichtigung des Tages der Aushändigung der Vertragsurkunde. Daß im vorliegenden Falle beides - Unterzeichnung der Belehrung und Aushändigung der Urkunde - an einem Tage erfolgte, beseitige die durch den Gebrauch des Wortes "heute" hervorgerufene Unklarheit nicht. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes müsse sich vielmehr der Beginn und das Ende der Widerrufsfrist - unabhängig von der tatsächlichen Handhabung im jeweiligen Einzelfall - unzweideutig schon aus dem Wortlaut der Widerrufsbelehrung ergeben.
II. Die dagegen gerichteten Revisionsangriffe bleiben im Ergebnis ohne Erfolg.
1. Zutreffend hat das Berufungsgericht die für den Klaganspruch einzig in Betracht kommende Grundlage in dem Vertrag vom März 1987 gesehen. Richtig ist ferner, daß auf die hierin vereinbarte Alleinbezugsverpflichtung des Beklagten die Vorschriften des Abzahlungsgesetzes anwendbar sind. Obwohl dies Gesetz mit Wirkung vom 1. Januar 1991 durch das Verbraucherkreditgesetz abgelöst wurde, ist es gemäß Art. 9 Abs. 1 VerbrKr/ZPOuaÄndG auf vor diesem Zeitpunkt geschlossene Verträge weiterhin anwendbar, soweit diese ursprünglich nach dem Abzahlungsgesetz zu beurteilen waren (BGHZ 119, 283, 294 f). Auf Bierlieferungsverträge sind nach ständiger Rechtsprechung des Senats über § 1 c Nr. 3 AbzG die Vorschriften des § 1 a Abs. 1 Satz 1 sowie Abs. 2 und des § 1 b AbzG entsprechend anwendbar (BGHZ aaO m.Nachw.).
Daran ändert sich auch nichts dadurch, daß im vorliegenden Fall die Bierbezugsverpflichtung des Beklagten als Gegenleistung für ein von der Klägerin gewährtes Darlehen in einen Darlehensvertrag eingebettet ist, der als solcher dem Abzahlungsgesetz nicht unterfällt (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1989 - VIII ZR 145/88 = WM 1990, 315, 319 unter II 1 c aa). Der Senat hat bereits im Urteil vom 19. Februar 1986 (BGHZ 97, 127, 131 f) [BGH 19.02.1986 - VIII ZR 113/85] ausgesprochen, daß eine Bierbezugsverpflichtung auch dann unter § 1 c Nr. 3 AbzG fällt, wenn der Gastwirt sie im Rahmen eines - als solchen ebenfalls nicht unter das Abzahlungsgesetz fallenden - Grundstückskaufvertrages als Gegenleistung für die Grundstücksübertragung übernimmt. Für den hier gegebenen Fall einer vom Darlehensnehmer für die Darlehensgewährung übernommenen und im Rahmen des Darlehensvertrages geregelten langfristigen Bierbezugsverpflichtung kann nichts anderes gelten.
2. Die Widerrufsbelehrung auf Seite 7 des Vertrages war schon deswegen nicht ordnungsgemäß, weil sie nicht "drucktechnisch deutlich gestaltet" (§ 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG) war. Durch diese Regelung soll der Käufer auf sein Widerrufsrecht unübersehbar hingewiesen werden. Dies gesetzgeberische Ziel soll zum einen durch das Erfordernis der gesonderten Unterschrift der Widerrufsbelehrung (§ 1 b Abs. 2 Satz 3 AbzG) und zusätzlich noch dadurch erreicht werden, daß sich die Belehrung aus dem übrigen Vertragstext deutlich heraushebt (BGH, Urteile vom 7. Mai 1986 - I ZR 95/84 = WM 1986, 1062, 1064 unter I 2 a und vom 20. Dezember 1989 aaO unter II 1 a cc).
Diesen Anforderungen genügt die hier zu beurteilende Widerrufsbelehrung nicht. Diese rechtliche Wertung kann der Senat, obwohl das Berufungsgericht die Frage offengelassen hat, selbständig vornehmen, weil die tatsächliche Gestaltung der Widerrufsbelehrung vom Berufungsgericht ohne Verfahrensfehler und hinreichend eindeutig festgestellt ist.
Die Widerrufsbelehrung befindet sich auf Seite 7 der Vertragsurkunde. Der Vertragstext ist mit Schreibmaschine engzeilig geschrieben und in 12 durch fortlaufende Ziffern eingeleitete Abschnitte unterteilt, die ihrerseits zum Teil durch mehrere Absätze und Unterabsätze gegliedert sind. Nach dem mit der laufenden Nr. 12 eingeleiteten letzten Abschnitt befinden sich auf vorbereiteten, durch Punkte markierten Linien die Unterschriften sowie die Daten der Unterschriftsleistungen.
Die nachfolgende Widerrufsbelehrung hebt sich allein dadurch von dem vorangehenden Vertragstext ab, daß zum einen zwischen ihrem Beginn und den Vertragsunterschriften ein etwas größerer - etwa fünf Schreibmaschinen-Leerzeilen umfassender - Abstand besteht als zwischen den einzelnen Abschnitten und Absätzen des vorangehenden Vertragstextes, und daß ferner der Text der Belehrung in etwas geringerem Abstand vom linken Seitenrand angeordnet ist. Eine sonstige Hervorhebung, etwa durch Sperrschrift, Unterstreichung, Einrahmung, Verwendung einer anderen Drucktype, durchgezogene Trennungslinien o.ä. (vgl. hierzu das BGH-Urteil vom 20. Dezember 1989 aaO) fehlt.
Die somit schon für sich betrachtet schwache Hervorhebung der Belehrung allein durch einen etwas größeren Abstand zum Vertragstext und den etwas geringeren Randabstand wird in ihrer Wirkung vor allem durch ihre Eingliederung in die Vertragsurkunde, das gleichartige und gleichförmige Schriftbild der sowohl für den Vertragstext als auch für die Belehrung und die nachfolgende Empfangsbescheinigung verwendeten Schreibmaschine, die durchgehend verwendete engzeilige Schreibweise und die Länge des sich über sieben Seiten erstreckenden Textes der Urkunde gemindert. Der etwas größere Abstand zum Vertragstext fällt auch deswegen kaum ins Auge, weil er in gleicher Weise sowohl zu Beginn des Vertrages zweimal, zwischen den Namen der Vertragsschließenden und vor Beginn des Vertragstextes, als auch nach der Belehrung zwischen dieser und der anschließenden Empfangsbestätigung verwendet wird. Überdies sind sämtliche Abschnitte, Absätze und Unterabsätze des umfangreichen Vertragstextes jeweils durch Zwischenräume getrennt. Diese sind zwar etwas geringer als derjenige vor der Belehrung, dennoch wird seine hervorhebende Wirkung durch die zahlreichen vorangehenden, optisch ähnlich wirkenden Zwischenräume deutlich gemindert. Auch der geringere Randabstand fällt kaum ins Auge, weil der Beginn des Textes der Belehrung nicht nur genau unter der die Seite 7 des Vertrages einleitenden Nr. 12 des letzten Vertragsabschnittes sowie der - ebenfalls nach links versetzten - vorgeschriebenen Ortsangabe "S., den ... " sowie den vorgeschriebenen Namen des Beklagten und seiner Ehefrau, sondern auch - und vor allem - in demselben Randabstand wie die nachfolgende Empfangsbestätigung geschrieben wurde.
Insgesamt fügt sich die Widerrufsbelehrung drucktechnisch harmonisch und kaum auffällig in das optische Bild der gesamten Vertragsurkunde ein.
3. Überdies ist die Widerrufsbelehrung auch inhaltlich zu beanstanden, nämlich soweit darin der Beginn der Widerrufsfrist mit den Worten "ab heute" beschrieben wird.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß zum notwendigen Inhalt einer Widerrufsbelehrung nach § 1 b Abs. 2 Satz 2 AbzG auch die Angabe des Fristbeginns gehört (vgl. BGHZ 121, 52, 54 ff für die insoweit vergleichbare Vorschrift des § 7 Abs. 2 Satz 2 VerbrKrG).
Der Inhalt der Widerrufsbelehrung muß nicht nur zutreffend, sondern auch unmißverständlich sein und den Käufer über sein Widerrufsrecht klar und eindeutig belehren (BGHZ 121, 52, 55; für § 1 b AbzG vgl. auch BGHZ 91, 338, 340[BGH 14.06.1984 - III ZR 110/83] und Urteil vom 18. Januar 1987 - III ZR 222/85 = WM 1987, 365, 367 unter II 1 c). Hierbei dürfen andererseits keine übertriebenen Anforderungen gestellt werden. Es ist daher nicht erforderlich, den Beginn der Widerrufsfrist durch konkrete Kalenderdaten und/oder Wochentage zu bezeichnen. Es reicht aus, wenn die Widerrufsbelehrung zutreffend und unzweideutig das Ereignis benennt, das nach dem Gesetz den Lauf der Frist auslöst, nämlich die Aushändigung der Vertragsurkunde (§ 1 b Abs. 2 Satz 2 i.V.m. § 1 a Abs. 2 AbzG), etwa mit den Worten "Fristbeginn nach Aushändigung dieser Urkunde". In dieser Form ist die Belehrung über den Fristbeginn entgegen der in der mündlichen Verhandlung vertretenen Ansicht der Revision auch nicht unpraktikabel. Insbesondere erfordert sie keine zusätzliche Belehrung auch über den Inhalt der §§ 187 Abs. 1 und 188 Abs. 2 BGB, aus denen sich Beginn und Ende der Widerrufsfrist ergeben.
Allerdings sind auch andere Gestaltungen der Widerrufsbelehrung möglich, wenn sie nur inhaltlich zutreffend sind und keinen Anlaß zu Mißverständnissen geben. Die Revision steht auf dem Standpunkt, durch die von der Klägerin in der Widerrufsbelehrung verwendeten Worte "ab heute" werde der Fristbeginn jedenfalls im vorliegenden Fall klar und auch zutreffend bezeichnet, weil sowohl die Unterzeichnung der Widerrufsbelehrung durch den Beklagten als auch die Aushändigung der Vertragsurkunde an ihn an ein und demselben Tag - dem 18. März 1987 - erfolgten. Das trifft nicht zu, denn die Formulierung "ab heute" legt das unrichtige Verständnis nahe, es werde der Tag der Aushändigung der Vertragsurkunde ("heute") bei der Berechnung der Wochenfrist des § 1 b Abs. 1 AbzG wie im Falle des § 187 Abs. 2 BGB mitgezählt, während in Wahrheit die Widerrufsfrist nach § 187 Abs. 1 BGB erst mit dem auf die Aushändigung der Vertragsurkunde folgenden Tag, also am 19. März 1987, begann und demgemäß erst am 25. März 1987 um 24.00 Uhr ablief (§ 188 Abs. 2 BGB).
4. Mangels ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung hat somit der Lauf der Widerrufsfrist noch nicht begonnen. Da die Widerruflichkeit, ein § 177 BGB entsprechender Schwebezustand, fortbesteht, kann die Klägerin keine Vertragsansprüche geltend machen (BGHZ 119, 283, 298).