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Bundesgerichtshof
Urt. v. 19.12.1990, Az.: XII ZR 31/90

Kindschaftssachen; Vaterschaftsprozeß; DNA-Gutachten; Serologosches Gutachten; Beweisantrag

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
19.12.1990
Aktenzeichen
XII ZR 31/90
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1990, 14158
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Fundstellen

  • IPRspr 1990, 136
  • JZ 1991, 371-372 (Volltext mit amtl. LS)
  • LM H. 43 / 1991 § 1600 n BGB Nr. 3
  • MDR 1991, 768-769 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1991, 2961
  • NJW 1991, 2929-2932 (Urteilsbesprechung von Prof. Dr. med. Konrad Hummel)

Amtlicher Leitsatz

1. Zur Frage, ob das Gericht im Vaterschaftsprozeß ein DNA-Gutachten einholen muß, wenn ein bereits erholtes serologisches Gutachten eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit für den Beklagten ergibt.

2. Trotz der bestehenden Untersuchungsmaxime darf ein förmlicher Beweisantrag in Kindschaftssachen in entsprechender Anwendung von § 244 StPO grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen zurückgewiesen werden, unter denen ein solcher Antrag auch sonst abgelehnt werden kann.

3. Soweit ein ergänzendes serologisches oder anderes naturwissenschaftliches Gutachten beantragt wird, muß sich ergeben, daß es nicht um eine nochmalige Begutachtung durch einen anderen Gutachter, sondern um wissenschaftliche Erkenntnisse geht, die in den bisherigen Gutachten nicht berücksichtigt sind.

4. Zur Frage, ob das Gericht im Vaterschaftsprozeß ein DNA-Gutachten einholen muß, wenn ein bereits erholtes serologisches Gutachten eine hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeit für den Beklagten ergibt.

Tatbestand:

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Die Klägerin wurde am 22. Februar 1987 in K./Bundesrepublik Deutschland nichtehelich geboren, wo sie seither mit ihrer Mutter lebt. Beide sind italienische Staatsangehörige. Die Klägerin nimmt den Beklagten, der britischer Staatsangehöriger ist, auf Feststellung der Vaterschaft in Anspruch. Sie hat vorgetragen, der Beklagte sei ihr Erzeuger. Er sei mit ihrer Mutter jahrelang befreundet gewesen und habe mit ihr geschlechtliche Beziehungen unterhalten, die bis in die gesetzliche Empfängniszeit (26. April bis 25. August 1986) hinein bestanden hätten. Der letzte Geschlechtsverkehr habe Mitte Mai 1986 stattgefunden. Am 25. Mai 1986 habe der Beklagte die Beziehungen beendet, als er erfahren habe, daß ihre Mutter schwanger sei. Der Beklagte hat bestritten, während der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Mutter der Klägerin geschlechtlich verkehrt zu haben, und behauptet, daß die geschlechtlichen Kontakte mit ihr zum 21. April 1986 ihr Ende gefunden hätten. Er habe vom 21. April bis 2. Mai 1986 an einer Klassenfahrt seiner Schule teilgenommen. Nach seiner Rückkehr habe er feststellen müssen, daß die Mutter der Klägerin geschlechtlichen Umgang mit anderen Männern aufgenommen habe. Daraufhin habe er die Beziehungen zu ihr abgebrochen, ohne daß es nochmals zum Geschlechtsverkehr gekommen sei. Das Amtsgericht hat die Mutter der Klägerin und den Beklagten angehört und ein Blutgruppengutachten sowie ein biostatistisches Gutachten der Sachverständigen Dr. K.-G. eingeholt. Darin hat die Sachverständige, die 24 Blutgruppensysteme in die Begutachtung einbezogen hat, beim Beklagten keine Ausschlußkonstellation festgestellt. Sie hat aus den Befunden einen W-Wert von 99,994% und eine Ausschlußchance für Nichtväter von 99,9% errechnet. Darauf hat das Amtsgericht der Klage stattgegeben. Der Beklagte hat Berufung eingelegt und die Einholung eines Sachverständigengutachtens mit einer DNA-Analyse beantragt, durch das seine Vaterschaft ausgeschlossen werden könne. Er hat weiterhin vorgetragen, er habe während der Empfängniszeit keinen geschlechtlichen Kontakt mehr mit der Kindesmutter gehabt; vielmehr habe diese während der Zeit mit Frank K. und Heiko B. geschlechtlich verkehrt. Das Oberlandesgericht hat die Mutter der Klägerin sowie Frank K. und Heiko B. als Zeugen vernommen. Ferner hat es ein ergänzendes Gutachten nach dem HLA-System mit biostatistischer Auswertung durch Prof. Dr. S. erholt. Darin hat der Sachverständige festgestellt, daß der Beklagte aufgrund der Untersuchungsergebnisse im HLA-System nicht von der Vaterschaft ausgeschlossen werden könne. Die Ausschlußchance für Nichtväter, die allein im HLA-System 93% betrage, erhöhe sich bei Berücksichtigung der Befunde des ersten Gutachtens auf 99,993%. Die Vaterschaftswahrscheinlichkeit nach Essen-Möller errechne sich auf einen Wert von insgesamt 99,9996%.

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Hiernach hat das Oberlandesgericht die Berufung zurückgewiesen. Mit der (zugelassenen) Revision erstrebt der Beklagte die Aufhebung des Berufungsurteils und die Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

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I.1. Die (bislang nicht erörterte) internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die auch in der Revisionsinstanz zu prüfen ist (vgl. etwa Senatsurteil vom 8. Februar 1984 - IVb ZR 42/82 - FamRZ 1984, 465, 466), ist nach § 640a Abs. 2 Nr. 2 ZPO gegeben, da die Parteien ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben.

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2. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 EGBGB i.V. mit Art. 20, 273, 317 des italienischen Zivilgesetzbuchs (im folgenden: Cc) sei die Klage zulässig. Nach dieser Regelung unterliege die Abstammung der Klägerin dem Recht des Staates, dem ihre Mutter bei der Geburt des Kindes angehört habe, also dem italienischen Recht. Danach würden die Rechtsbeziehungen zwischen Eltern und Kindern nach Feststellung der Mutterschaft durch das Heimatrecht der Mutter bestimmt. Gemäß Art. 273 Cc könne für einen Minderjährigen die Klage auf Feststellung der natürlichen Vaterschaft von dem die elterliche Gewalt ausübenden Eltern-Teil erhoben werden. Da lediglich die Mutter die Klägerin anerkannt habe, gebühre ihr allein nach Art. 317 Cc die elterliche Gewalt über die Klägerin.

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Diesen Ausführungen kann nicht gefolgt werden. Sie verkennen zunächst, daß Art. 20 EGBGB nicht die verfahrensmäßige Behandlung des Falles regelt, sondern als Norm des Internationalen Privatrechts das auf den Sachverhalt anzuwendende Sachrecht bestimmt. Für das gerichtliche Verfahren ist, unabhängig davon, welchen Sachnormen die Abstammung der Klägerin unterliegt, deutsches Recht als lex fori maßgeblich. Zur Frage der Vertretung der Klägerin im Prozeß bestimmt § 51 Abs. 1 ZPO, daß derjenige sie vertritt, der nach dem sachlichen Recht ihr gesetzlicher Vertreter ist. Nach welchem Sachrecht sich das richtet, regelt Art. 20 Abs. 2 EGBGB. Danach steht die Klägerin als ausländisches nichteheliches Kind mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland nach Maßgabe der §§ 1705 ff. BGB unter der elterlichen Sorge ihrer ausländischen Mutter (§ 1705 Satz 2 BGB). Die Feststellung der Vaterschaft gehört nach § 1706 Nr. 1 BGB zu den Angelegenheiten, zu deren Wahrnehmung nach § 1709 BGB i.V. mit § 40 Abs. 1 JWG kraft Gesetzes Amtspflegschaft des Jugendamtes eintritt und das Sorgerecht der Mutter gemäß § 1705 Satz 2 BGB einschränkt (vgl. Senatsbeschluß vom 2. Mai 1990 - XII ZB 63/89 - FamRZ 1990, 1103). Deshalb war die Klägerin bisher durch die Mutter nicht wirksam vertreten. Inzwischen ist das zuständige Jugendamt als Amtspfleger in den Rechtsstreit eingetreten und hat die bisherige Prozeßführung genehmigt. Durch diese Erklärung, die noch in der Revisionsinstanz möglich ist, ist der Verfahrensmangel rückwirkend geheilt worden (vgl. etwa Zöller/Vollkommer, ZPO 16. Aufl. § 56 Rdn. 11 m.w.N.).

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3. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, das Amtsgericht habe zu Recht festgestellt, daß der Beklagte der Vater der Klägerin sei (Art. 269 Cc). Er habe der Kindesmutter während der Empfängniszeit beigewohnt, wie diese als Zeugin glaubhaft bekundet habe. Damit werde vermutet, daß er die Klägerin gezeugt habe. Diese Vermutung gelte nur dann nicht, wenn nach Würdigung aller Umstände schwerwiegende Zweifel an der Vaterschaft verblieben. Aufgrund der Beweisergebnisse sei davon auszugehen, daß solche schwerwiegenden Zweifel nicht vorlägen. Nach näherer Darlegung und Erörterung der Beweisergebnisse führt das Gericht aus, damit stehe zu seiner Überzeugung fest, daß der Beklagte der Vater der Klägerin sei. Abschließend heißt es, deshalb sei die Vaterschaft des Beklagten nach Art. 269 Cc festzustellen und das Rechtsmittel zurückzuweisen.

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Diese Ausführungen erwecken Zweifel, nach welchem Recht das Berufungsgericht die Abstammung der Klägerin beurteilt hat. Die Bezugnahme auf Art. 269 Cc, dessen Inhalt es freilich nicht näher feststellt, spricht dafür, daß es italienisches Recht angewendet hat. Andererseits legen die wiedergegebenen Ausführungen über die Beiwohnung während der Ehezeit und die daran anzuknüpfende Vaterschaftsvermutung die Annahme nahe, daß es die Abstammung nach dem deutschen Statut beurteilt hat; denn diese Ausführungen geben den Inhalt des § 1600 o Abs. 2 BGB wieder, während das italienische Recht keine derartige Regelung aufweist. Kollisionsrechtlich kommt hier eine Beurteilung sowohl nach italienischem als auch nach deutschem Recht in Betracht. Nach Art. 20 Abs. 1 Satz 1 EGBGB unterliegt die Abstammung dem Heimatrecht der Mutter zur Zeit der Geburt des Kindes. Das ist hier das italienische Recht. Alternativ kann die Vaterschaft gemäß Satz 3 der Vorschrift auch nach dem Heimatrecht des Vaters zum selben Zeitpunkt oder nach dem Recht am jeweiligen Aufenthalt des Kindes festgestellt werden (vgl. etwa Henrich, Internationales Familienrecht § 6 III 3 S. 195 und Palandt/Heldrich, BGB 49. Aufl. Art. 20 EGBGB Anm. 2 d). Da hier die alternative Anknüpfung an den gewöhnlichen Aufenthalt der Klägerin zum deutschen Recht führt, ist somit auch eine Vaterschaftsfeststellung nach deutschem Recht möglich.

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Welches Recht das Berufungsgericht letztlich angewendet hat, braucht nicht abschließend beurteilt zu werden, da das angefochtene Urteil ohnehin nicht bestehen bleiben kann. Vielmehr ist es wegen Verletzung des Verfahrensrechts, das auch die Beweismittel für die Vaterschaftsfeststellung regelt (vgl. Henrich aaO. S. 210), aufzuheben und ist die Sache zurückzuverweisen (vgl. unten II.3.).

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II.1. Das Berufungsgericht hat dargelegt, aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme gehe es davon aus, daß keine schwerwiegenden Zweifel an der Vaterschaft des Beklagten vorlägen, welche die durch die Beiwohnung während der Empfängniszeit begründete Vaterschaftsvermutung entkräfteten. Die Beweisaufnahme habe ergeben, daß die Zeugen K. und B. von der Vaterschaft "ausgeschlossen" seien. Das Gericht habe aufgrund ihrer Zeugenaussagen keine Anhaltspunkte für einen Mehrverkehr gesehen. Die von den Sachverständigen ermittelten Werte für die Ausschlußchancen von Nichtvätern und für die Vaterschaftswahrscheinlichkeit des Beklagten seien extrem hoch. Der Sachverständige Spielmann habe darauf hingewiesen, daß bei derartigen Werten das verbale Prädikat "Vaterschaft praktisch erwiesen" selbst dann angebracht sei, wenn von der Existenz einer größeren Zahl bekannter Mehrverkehrer ausgegangen werden müsse. Der einzige Fall, für den dieses Prädikat noch in Zweifel zu ziehen sei, sei gegeben, wenn ein naher Verwandter, zum Beispiel ein Bruder, in der Empfängniszeit der Kindesmutter beigewohnt habe. Derartiges werde vom Beklagten aber nicht vorgetragen. Damit stehe zur Überzeugung des Gerichtes fest, daß er der Vater der Klägerin sei. Seinem Beweisantrag auf Erholung eines Obergutachtens nach dem gentechnischen DNA-Verfahren sei nicht zu entsprechen, da für ein solches Gutachten kein Anlaß bestehe. Zwar sei eine Genomanalyse grundsätzlich geeignet, einen absoluten Nachweis der Vaterschaft zu erbringen. Angesichts der bereits vorliegenden Ergebnisse der serologischen Begutachtung sei die Vaterschaft jedoch auch ohne weitere Begutachtung festzustellen. Etwaige gegen die Vaterschaft sprechende Umstände seien bereits durch die Vernehmung der benannten Mehrverkehrszeugen und der Kindesmutter aufgeklärt.

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2. Die Revision rügt, das Berufungsgericht habe seine Aufklärungspflicht verletzt, weil es kein Gutachten mit einer DNA-Analyse erholt habe. Sie stellt zur Nachprüfung, ob die DNA-Analyse als neue Untersuchungsmethode nicht generell hätte verwendet werden müssen. Dafür spreche, daß hier trotz der Ergebnisse der serologischen Gutachten eine nicht abklärbare Unsicherheit bleibe. Demgegenüber stelle die neue Untersuchungsmethode ein weitere Aufklärung versprechendes Beweismittel dar, da es - im Gegensatz zu den bereits angewendeten Untersuchungsmethoden - den absoluten Nachweis der Vaterschaft erbringen könne. Das Berufungsgericht habe seine Beurteilung somit auf noch sicherer Grundlage vornehmen können. Dieser weiteren Aufklärung habe sich das Gericht nicht verschließen dürfen. Insoweit sei die Überzeugungsbildung des Berufungsgerichts fehlerhaft. Hinzu komme, daß der Beklagte einen geschlechtlichen Kontakt mit der Kindesmutter in der gesetzlichen Empfängniszeit in Abrede gestellt und vorgetragen habe, durch eine Begutachtung nach dem sogenannten DNA-Fingerprinting-Verfahren werde er als Erzeuger der Klägerin ausgeschlossen. Ein solches Gutachten könne nicht als untaugliches Beweismittel gewertet werden.

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3. Die Rüge greift durch.

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a) Das in Kindschaftssachen geltende Amtsermittlungsprinzip (§§ 640, 616 Abs. 1 ZPO) verpflichtet das Gericht, alle Beweise zu erheben, die zur möglichst sicheren Klärung der Vaterschaft des in Anspruch genommenen Mannes führen. Das gilt im Falle der Anwendung deutschen Rechts unabhängig davon, auf welchem der beiden in § 1600 o BGB geregelten Wege es zur Feststellung der Vaterschaft kommt. Danach muß das Gericht alle zur Verfügung stehenden, eine weitere Aufklärung versprechenden Beweise erheben, bis es die volle Überzeugung von der Vaterschaft des Mannes gewinnt. Erlangt es diese (volle) Überzeugung, so stellt es nach § 1600 o Abs. 1 BGB die Vaterschaft fest. Kann es trotz Erschöpfung aller zur Verfügung stehenden Beweismittel die Vaterschaft mit Sicherheit weder bejahen noch verneinen, so kommt § 1600 o Abs. 2 BGB zur Anwendung. Dieser Weg zur Vaterschaftsfeststellung steht danach nur offen, nachdem eine derartige Beweisaufnahme durchgeführt worden ist. Greift das Gericht ohne vorherige Ausnützung der ihm zur Verfügung stehenden Beweismöglichkeiten auf die Regelung des § 1600 o Abs. 2 Satz 1 BGB zurück, so verstößt es gegen seine Aufklärungspflicht (ständige Rechtsprechung, vgl. etwa BGH, Urteile vom 1. Oktober 1975 - IV ZR 121/74 - NJW 1976, 369, 370; 7. Juni 1978 - IV ZR 128/77 - NJW 1978, 1684).

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Hiernach wäre es auch im vorliegenden Fall mit dem Amtsermittlungsprinzip nicht zu vereinbaren, wenn das Berufungsgericht allein mit Hilfe der in § 1600 o Abs. 2 BGB enthaltenen Vermutung zur Feststellung der Abstammung gelangt wäre, ohne ihm zur Verfügung stehende, eine weitere Aufklärung versprechende Beweise zu erheben. Zu diesen Beweisen hätte auch die Erholung eines molekularbiologischen Gutachtens mit einer DNA-Analyse gehört, der das Berufungsgericht die Eignung zur Aufklärung der Abstammung ausdrücklich beimißt. Ob das Verfahren allerdings sogar einen absoluten Vaterschaftsnachweis ermöglicht, wie das Gericht meint, erscheint fraglich, da bei dieser Untersuchungsmethode - wie auch bei den herkömmlichen Verfahren - die Aussage über das Bestehen einer Abstammung letztlich im Wege der Wahrscheinlichkeitsbewertung erfolgt. Wenn der begutachtete Mann nicht als Erzeuger des Kindes ausgeschlossen wird, begründen die hohen Ausschlußchancen, die auf dem Polymorphis musgrad der verwendeten hypervariablen DNA-Abschnitte beruhen, allerdings besonders hohe Vaterschaftswahrscheinlichkeiten, so daß das Verfahren für die Abstammungsuntersuchung besonders effizient sein kann. Das hat der Senat bereits im Urteil vom 24. Oktober 1990 (XII ZR 92/89 - zur Veröffentlichung vorgesehen) erörtert und dargelegt, daß es rechtlich jedenfalls unbedenklich ist, die DNA-Analyse neben den herkömmlichen Untersuchungsmethoden einzusetzen und die dabei gewonnenen Ergebnisse zusammen mit den anderen Befunden bei der Klärung der Abstammung zu verwerten. Danach wäre es auch bedenkenfrei und aus Gründen der Aufklärung sogar geboten gewesen, ein DNA-Gutachten zu erholen, wenn das Gericht aufgrund der bereits eingeholten serologischen Gutachten nicht die volle Überzeugung von der Vaterschaft erlangt hätte, sondern Zweifel verblieben wären.

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Ob das tatsächlich der Fall ist, erscheint allerdings zweifelhaft. Zwar hat das Berufungsgericht zu Beginn seiner Ausführungen über die Abstammung der Klägerin die Beiwohnung des Beklagten während der Empfängniszeit festgestellt, daran die in § 1600 o Abs. 2 BGB enthaltene Vaterschaftsvermutung geknüpft und ausgeführt, es gehe aufgrund der Beweisaufnahme davon aus, daß "solche schwerwiegenden Zweifel nicht vorliegen". Auf der anderen Seite hat es im Anschluß an die Darlegung der Ergebnisse der eingeholten Gutachten ausgeführt, damit stehe zu seiner Überzeugung fest, daß der Beklagte der Vater der Klägerin sei. Das spricht dafür, daß es die Abstammung der Klägerin von dem Beklagten aufgrund der Gutachtenergebnisse für voll erwiesen erachtet und damit einen unmittelbaren Vaterschaftsnachweis angenommen hat, wie es § 1600 o Abs. 1 BGB und anscheinend auch Art. 269 Cc erfordern. Bei der Höhe des Wahrscheinlichkeitsgrades, zu dem der Sachverständige Prof. Dr. S. bei der biostatistischen Auswertung der serologischen Befunde gelangt ist, und dem Ergebnis der übrigen Beweisaufnahme war es auch rechtlich unbedenklich, wenn das Gericht in tatrichterlicher Würdigung zu der Überzeugung gelangte, daß der Beklagte der Erzeuger der Klägerin sei. Es ist in der Rechtsprechung seit langem anerkannt, daß der positive Vaterschaftsbeweis bei entsprechend hohen Wahrscheinlichkeitswerten als geführt angesehen werden kann (vgl. Senatsurteil vom 18. März 1987 - IVb ZR 21/86 - FamRZ 1987, 583, 584). Das gilt auch im vorliegenden Fall, in dem sich der Schluß auf die Vaterschaft im Rahmen des Beurteilungsspielraums hält, der dem Tatrichter vorbehalten ist. Unter diesen Umständen bestand kein Anlaß, von Amts wegen weiteres auf zuklären oder zu ermitteln. Die Ansicht der Revision, die DNA-Analyse habe als neue, zur Abstammungsaufklärung geeignete Untersuchungsmethode in dieser Situation generell verwendet und deshalb ein entsprechendes Gutachten erholt werden müssen, kann nicht geteilt werden. Auch ohne Ergänzung durch eine DNA-Analyse können herkömmliche serologische Gutachten, die, wie hier, die Annahme entsprechend hoher Wahrscheinlichkeitswerte erlauben, den Tatrichter in die Lage versetzen, unter Würdigung aller Umstände die volle Überzeugung von der Abstammung des Kindes zu erlangen.

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b) Die Revision rügt jedoch zu Recht die Ablehnung des Beweisantrages des Beklagten auf Erholung eines DNA-Gutachtens. Trotz der bestehenden Untersuchungsmaxime darf ein förmlicher Beweisantrag in Kindschaftssachen in entsprechen der Anwendung von § 244 StPO grundsätzlich nur unter den Voraussetzungen zurückgewiesen werden, unter denen ein solcher Antrag auch sonst abgelehnt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 13. Juli 1988 - IVb ZR 77/87 - FamRZ 1988, 1037, 1038 m.w.N.). Soweit ein ergänzendes serologisches oder anderes naturwissenschaftliches Gutachten beantragt wird, muß sich ergeben, daß es nicht um eine nochmalige Begutachtung durch einen anderen Gutachter, sondern um wissenschaftliche Erkenntnisse geht, die in den bisherigen Gutachten nicht berücksichtigt sind. Einen solchermaßen gestellten Beweisantrag darf das Gericht grundsätzlich nur ablehnen, wenn es die unter Beweis gestellte Tatsache als wahr unterstellt oder wenn das angebotene Beweismittel nicht erreichbar oder völlig ungeeignet ist, den Beweis für die behauptete Tatsache zu erbringen (vgl. Senatsurteil aaO. sowie Johannsen in Festschrift Bosch, 1976, S. 469, 490; Odersky, NeG 4. Aufl. § 640 ZPO Rdn. 52 f.; Schlosser FamRZ 1976, 6 ff. - a.A. offenbar BGB-RGRK/Böckermann, 12. Aufl. § 1600 o Rdn. 24; Staudinger/Göppinger, BGB 12. Aufl. § 1600 o Rdn. 20).

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Auf diese Gründe hat das Berufungsgericht seine Entscheidung nicht gestützt; vielmehr hat es die Ablehnung damit begründet, daß es zum Nachweis der Vaterschaft einer DNA-Analyse nicht bedürfe; der Nachweis werde bereits durch die Vaterschaftswahrscheinlichkeit mit hinreichender Sicherheit erbracht, die sich aus den Ergebnissen der serologischen Gutachten errechnen lasse, da etwaige gegen die Vaterschaft sprechende Umstände bereits durch die Vernehmung der Kindesmutter und der als Mehrverkehrer benannten Männer aufgeklärt seien. Mit dieser Begründung hat die Ablehnung des Beweisantrages keinen Bestand.

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Es geht dem Beklagten nicht darum, den festgestellten Wahrscheinlichkeitswert zu relativieren und darzutun, daß die Vaterschaft eines Mehrverkehrers in Betracht zu ziehen sei und es zur Feststellung seiner Vaterschaft größerer, d.h. "absoluter" Sicherheit bedürfe, wie sie nur die DNA-Analyse biete. Vielmehr hat der Beklagte geltend gemacht, daß er mit der Kindesmutter in der Empfängniszeit keinerlei geschlechtlichen Kontakt gehabt habe und (schon) deshalb nicht der Vater der Klägerin sein könne. Danach strebt er mit seinem Antrag den Nachweis an, daß er als Erzeuger der Klägerin auszuschließen sei. Daß das Beweismittel der DNA-Analyse hier für einen solchen Nachweis völlig ungeeignet ist, hat das Berufungsgericht nicht dargetan. Seine Ausführungen lassen nicht einmal erkennen, daß es diese Frage überhaupt geprüft hat. Diese Prüfung muß dem Berufungsgericht überlassen bleiben. Der Senat sieht sich nicht in der Lage, das angebotene Beweismittel von vornherein als völlig ungeeignet zu beurteilen. Mögen auch aufgrund des bereits vorliegenden Wahrscheinlichkeitswertes noch so starke Indizien für die Vaterschaft sprechen, so kann der Senat doch nicht ausschließen, daß eine, wenn auch möglicherweise sehr geringe Chance bleibt, daß die DNA-Analyse einen Ausschluß des Beklagten als Erzeuger der Klägerin ergibt. Ob dies zutrifft oder ob der DNA-Analyse bei dem Ergebnis der serologischen Untersuchung schlechthin jede Eignung zur Feststellung eines Vaterschaftsausschlusses abzusprechen ist, muß das Berufungsgericht, notfalls mit sachverständiger Hilfe, beurteilen. Stellt sich das Beweismittel als völlig unge eignet heraus, braucht das beantragte Gutachten nicht erholt zu werden; andernfalls ist dem Antrag stattzugeben. Dabei ist die Gutachtenserholung jedoch nach §§ 379, 412 ZPO von der Einzahlung eines angemessenen Auslagenvorschusses abhängig zu maohen (vgl. Odersky aaO. Rdn. 55).