Bundesgerichtshof
Urt. v. 13.11.1990, Az.: XI ZR 268/89
Schadensersatz; Haftungsklausel; Bausparkasse; Zuteilungsprognose; Allgemeinen Geschäftsbedingungen; Abreden
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 13.11.1990
- Aktenzeichen
- XI ZR 268/89
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1990, 14020
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Hannover
- OLG Celle
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- DB 1991, 275 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1991, 671-672 (Volltext mit amtl. LS u. Anm.)
- JuS 1991, 329
- JurBüro 1991, 256 (Kurzinformation)
- MDR 1991, 601 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1991, 694-695 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1991, 435 (amtl. Leitsatz)
- VersR 1991, 231-232 (Volltext mit amtl. LS)
- WM 1991, 9-10 (Volltext mit amtl. LS)
- ZBB 1991, 45
- ZIP 1991, 153-155 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1991, A1-A2 (Kurzinformation)
Amtlicher Leitsatz
a) § 4 Abs. 5 BausparkG schließt eine Haftung der Bausparkasse für unrichtige Zuteilungsprognosen unter dem Gesichtspunkt des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen nicht aus.
b) Es kann unentschieden bleiben, ob eine Klausel in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse wirksam ist, wonach besondere Abreden ohne die schriftliche Bestätigung der Bausparkasse ungültig sind. Eine solche Klausel schließt jedenfalls die Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen für mündlich erteilte unrichtige Zuteilungsprognosen nicht aus.
c) Eine Regelung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen einer Bausparkasse, wonach diese für Auskünfte und Ratschläge nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln haftet, steht einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen für leicht fahrlässig erteilte unrichtige Zuteilungsprognosen nicht entgegen.
Tenor:
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 3. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Mai 1989 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Ersatz des Zinsschadens in Anspruch, der ihr dadurch entstanden ist, daß ihre sechs Bausparverträge nicht zum 1. Januar 1984 zugeteilt wurden. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Klägerin hatte sechs Eigentumswohnungen in R. erworben und den Kaufpreis mit einem Darlehen der Kreissparkasse R. finanziert, für das ein Festzins bis zum 31. Dezember 1981 vereinbart war. Im Dezember 1981 kam es wegen des Auslaufens der Zinsbindung zu Gesprächen zwischen der Klägerin und ihrem für sie verhandelnden Ehemann einerseits und der Kreissparkasse R. andererseits. Dabei erläuterte der für die Kreissparkasse R. tätige Bankkaufmann v. B. der Klägerin und ihrem Ehemann ein Sonderprogramm der mit der Kreissparkasse R. zusammenarbeitenden Landesbausparkasse H./B. (im folgenden: LBS), einer rechtlich unselbständigen Abteilung der Beklagten. Dieses Sonderprogramm hatte die Gewährung von Zwischenkrediten mit zweijähriger Zinsbindung im Zusammenhang mit dem Abschluß von Bausparverträgen mit hoher Sofortansparung zum Gegenstand.
Noch im Dezember 1981 schloß die Klägerin durch Vermittlung der Kreissparkasse R. mit der LBS sechs Bausparverträge über jeweils 180.000 DM mit einem Sparzins von 2,5%, einem Darlehenszins von 4,5% und einer Sofortansparung von 50% sowie einen Vertrag über einen Zwischenkredit von 1.080.000 DM mit 94% Auszahlung, 6,5% Zinsen und zweijähriger Zinsbindung. Der Zwischenkredit wurde zur Ablösung des Darlehens der Kreissparkasse R. und zur Einzahlung der Sofortansparbeträge auf die sechs Bausparverträge verwandt.
Drei der sechs Bausparverträge der Klägerin wurden von der LBS zum 30. September 1984, die restlichen drei Verträge wurden zum 28. Februar 1985 zugeteilt. Nachdem die Zinsbindung für den Zwischenkredit am 31. Dezember 1983 ausgelaufen war, mußte die Klägerin bis zur Zuteilung der Bausparverträge weiter zwischenfinanzieren und einen Darlehenszins von 8,25% entrichten.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung der Differenz zwischen den ihr für die weitere Zwischenfinanzierung entstandenen Zinsen und den Bauspardarlehenszinsen unter Berücksichtigung von 2,5% Sparzinsen für die Zeit vom 1. Januar 1984 bis zur Zuteilung der Bausparverträge, die sie mit 44.445,50 DM beziffert. Sie behauptet, der Bankkaufmann v. B. habe im Dezember 1981 erklärt, die Bausparverträge würden spätestens nach zwei Jahren zuteilungsreif sein, und sie dadurch bewogen, mit der LBS statt mit der Bausparkasse S. abzuschließen.
Die Klägerin hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 44.445,50 DM nebst Zinsen zu verurteilen. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Berufungsgericht hat ihr auf die Berufung der Klägerin bis auf einen Teil der Prozeßzinsen stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden landgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Das Berufungsgericht hält einen Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagte aus Verschulden bei Vertragsverhandlungen in Höhe von 44.445,50 DM für gegeben. Zur Begründung führt es im wesentlichen aus:
Die Beklagte müsse sich das Handeln des Bankkaufmanns v. B. in seiner Eigenschaft als Mitarbeiter der mit ihr zusammenarbeitenden Kreissparkasse R. nach § 278 BGB zurechnen lassen. V. B. habe der Klägerin zwar keinen festen Zuteilungszeitpunkt vertraglich zugesichert, jedoch auf Befragen eine mündliche Zuteilungsschätzung des Inhalts abgegeben, daß mit der Zuteilung der Bausparverträge der Klägerin spätestens bis Ende 1983 zu rechnen sei. Diese objektiv unrichtige Prognose habe v. B. zumindest leicht fahrlässig abgegeben, da für ihn Risiken hinsichtlich des Zuteilungszeitpunkts erkennbar gewesen seien, die er der Klägerin nicht habe vorenthalten dürfen. Durch die fehlerhafte Beratung v. B.s sei die Klägerin zum Abschluß mit der LBS bewegt worden; bei realistischer Zuteilungsprognose hätte sie stattdessen mit einer anderen Bausparkasse Bausparverträge abgeschlossen und die dazugehörige Zwischenfinanzierung in Anspruch genommen, wobei eine Zuteilung dieser Bausparverträge spätestens zum 1. Januar 1984 erfolgt wäre. Der daraus sich ergebende Schaden sei von der Klägerin zutreffend berechnet worden.
II.
Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung nicht in allen Punkten stand.
1. Zutreffend ist allerdings der Ausgangspunkt des Berufungsgerichts, daß die Beklagte für die fehlerhafte Zuteilungsprognose des Bankkaufmanns v. B. nach den Grundsätzen des Verschuldens bei Vertragsverhandlungen einzustehen hat.
a) Demgegenüber beruft die Revision sich erfolglos darauf, daß Bausparkassen rechtsverbindliche Zusagen über den Zuteilungszeitpunkt von Bausparverträgen nicht machen können (§ 4 Abs. 5 BausparkG). Dieser Grundsatz schließt eine Haftung der Bausparkasse wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen selbst dann nicht aus, wenn es nur um einen unterlassenen Hinweis auf eine zu erwartende Verschlechterung der Zuteilungsaussichten geht (BGH, Urteil vom 23. Oktober 1975 - III ZR 95/73, NJW 1976, 892, 893). Er kann es erst recht nicht rechtfertigen, eine schuldhaft unrichtige Zuteilungsprognose sanktionslos zu lassen.
b) Auch aus § 3 Abs. 2 der Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten kann die Revision nichts für sich herleiten. Danach sind besondere Abreden ungültig, sofern die Bausparkasse sie nicht schriftlich bestätigt. Es kann unentschieden bleiben, ob diese Klausel überhaupt in der vorliegenden Form wirksam ist (verneinend z.B. Horn in Wolf/Horn/Lindacher AGBG 2. Aufl. § 23 Rdn. 422 m.w.Nachw.). Jedenfalls steht sie einer Haftung wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen für unrichtige und irreführende Auskünfte nicht entgegen (vgl. Lindacher in Wolf/Horn/Lindacher aaO § 4 Rdn. 46).
c) Eine Haftung der Beklagten wegen Verschuldens bei Vertragsverhandlungen wird ferner durch den von der Revision herangezogenen § 27 Abs. 1 i.V.m. § 26 Abs. 6 der Allgemeinen Bausparbedingungen der Beklagten nicht ausgeschlossen. Danach haftet die Bausparkasse für Auskünfte und Ratschläge, zu denen sie nach den Allgemeinen Bausparbedingungen nicht verpflichtet ist, nur bei vorsätzlichem oder grob fahrlässigem Handeln. Diese Regelung kann jedoch auf die Auskunfts- und Aufklärungspflichten aus dem durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründeten gesetzlichen Schuldverhältnis keine Anwendung finden (vgl. zu Nr. 10 AGB-Banken Baumbach/Duden/Hopt, HGB, 28. Aufl., (8) AGB-Banken Nr. 10 Anm. 3 B b; vgl. auch BGH, Urteil vom 17. November 1975 - II ZR 70/74, WM 1976, 474, wo die Anwendung von Nr. 10 AGB-Banken auf die aus einer bestehenden Geschäftsverbindung erwachsenden Pflichten abgelehnt wurde). Es kommt daher nicht darauf an, ob das Verhalten des Bankkaufmanns v. B. über die vom Berufungsgericht bejahte leichte Fahrlässigkeit hinaus auch als grob fahrlässig bewertet werden kann.
2. Die Bejahung der Ursächlichkeit der fehlerhaften Auskunft des Bankkaufmanns v. B. für den der Klägerin angeblich entstandenen Schaden durch das Berufungsgericht hält dagegen rechtlicher Überprüfung nicht stand.
Das Berufungsgericht geht zutreffend davon aus, daß es für die Frage der Ursächlichkeit der fehlerhaften Auskunft darauf ankommt, wie die Klägerin sich verhalten hätte, wenn v. B. ihr eine realistische Zuteilungsprognose mitgeteilt hätte. Seine Feststellung, die Klägerin hätte dann "bei einer der anderen beiden Bausparkassen Bausparverträge abgeschlossen und die dazugehörige Zwischenfinanzierung in Anspruch genommen", wird jedoch von der Revision mit Recht als Verstoß gegen § 286 ZPO angegriffen.
Die Beklagte hat wiederholt bestritten, daß die Klägerin im Dezember 1981 eine andere Finanzierung hätte finden können, die im Ergebnis eine niedrigere Zinsbelastung mit sich gebracht hätte. Sie hat in diesem Zusammenhang nicht nur auf die Frage des Zuteilungszeitpunkts, sondern auch auf den Zwischenkredit zu Sonderkonditionen und unter dem Stichwort "Schnellspartarif" auf die nach ihrer Behauptung höhere Tilgungsbelastung bei konkurrierenden Angeboten hingewiesen.
Das Berufungsgericht hat sich damit nicht auseinandergesetzt und nicht dargelegt, worauf es seine Annahme gründet, daß die Klägerin bei realistischer Zuteilungsprognose des Bankkaufmanns v. B. das Angebot einer der beiden anderen Bausparkassen angenommen hätte. An anderer Stelle und in anderem Zusammenhang hat das Berufungsgericht zwar festgestellt, daß die Bausparkassen W. und S. gegenüber der Klägerin bzw. ihrem Ehemann die Erwartung ausgesprochen hatten, spätestens zwei Jahre nach Vertragsschluß und mit Ablauf der Zinsbindungsfrist des Zwischenkredits sei mit einer Zuteilung zu rechnen. Das reicht jedoch nicht aus, um die Annahme zu begründen, die Klägerin hätte bei realistischer Zuteilungsprognose v. B.s das Angebot einer dieser beiden Bausparkassen vorgezogen. Für die Frage des hypothetischen Verhaltens des Auskunftsempfängers ist im Zweifel davon auszugehen, daß dieser sich "aufklärungsrichtig" verhalten hätte (Senatsurteile vom 19. Dezember 1989 - XI ZR 29/89, WM 1990, 681, 683 m.w.Nachw. und vom 3. April 1990 - XI ZR 206/88, WM 1990, 966, 969). Auch bei realistischer Zuteilungsprognose v. B.s wäre die Wahl eines Konkurrenzangebots aber nur dann "aufklärungsrichtig" gewesen, wenn dieses nicht nur hinsichtlich des Teilaspekts der Zuteilungsfrist, sondern insgesamt günstiger gewesen wäre als das Angebot der Beklagten. Hierzu fehlen Feststellungen des Berufungsgerichts und insbesondere eine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Beklagten.
3. Auch die Ausführungen des Berufungsgerichts zur Schadenshöhe werden von der Revision mit Recht angegriffen.
Das Berufungsgericht übernimmt in diesem Punkt das von der Klägerin in der Klageschrift vorgetragene Zahlenwerk. Dabei übersieht es, daß die Klägerin auf der Grundlage der Konditionen der Beklagten den Betrag errechnet hat, um den sie besser stünde, wenn die Beklagte die Bausparverträge bereits zum 31. Dezember 1983 zugeteilt hätte. Dabei handelt es sich um das Erfüllungsinteresse, das die Klägerin - auch nach dem Ausgangspunkt des Berufungsgerichts - nicht verlangen kann. Die Klägerin könnte, wenn ein Schadensersatzanspruch dem Grunde nach zu bejahen sein sollte, nur das negative Interesse verlangen. Um dieses zu ermitteln, ist es erforderlich, die gesamten Belastungen der Klägerin durch ihre Verträge mit der Beklagten der Gesamtbelastung gegenüberzustellen, die sich ergeben hätte, wenn die Klägerin mit W. oder S. abgeschlossen hätte. Dazu enthält das Berufungsurteil keine Feststellungen.
Schimansky
Dr. Halstenberg
Dr. Siol
Dr. Bungeroth
Dr. van Gelder