Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 29.05.1990, Az.: 4 StR 118/90

Vorliegen eines sachlichen Revisionsgrundes wegen Zurückweisung eines Befangenheitsantrages; Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der erkennenden Richter ; Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens und unzulässige Beschränkung der Verteidigung ; Voraussetzungen eines Beweisermittlungsantrags; Auslegung von Beweisanträgen als Ausführungen zur Sache mit Einlassungscharakter

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
29.05.1990
Aktenzeichen
4 StR 118/90
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1990, 17278
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Bochum - 07.12.1988

Fundstellen

  • NStZ 1990, 447-448 (Volltext mit amtl. LS)
  • StV 1990, 394-395

Verfahrensgegenstand

Betrugs

Prozessgegner

Wilhelm Heinrich A. aus B., dort geboren am ... 1929, zur Zeit in Haft,

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Ein absoluter Revisionsgrund wegen Zurückweisung eines Befangenheitsantrags ist nur gegeben, wenn das Ablehnungsgesuch sachlich begründet war.

  2. 2.

    Ein Beweisermittlungsantrag ist nur gegeben, wenn der Antragsteller entweder die Beweistatsache nicht kennt oder das Beweismittel nicht bestimmt bezeichnen kann.

  3. 3.

    Selbst wenn der Verteidiger Äußerungen zur Sache abgibt, dürfen diese nur dann als Einlassung eines Angaben verweigernden Angeklagten verwertet werden, wenn durch Erklärung des Angeklagten oder des Verteidigers klargestellt wird, daß der Angeklagte diese Äußerungen als eigene Einlassung verstanden wissen will.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung des Generalbundesanwalts und des Beschwerdeführers
am 29. Mai 1990
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Bochum vom 7. Dezember 1988 im Strafausspruch mit den Feststellungen aufgehoben.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an das Landgericht Dortmund zurückverwiesen.

  3. 3.

    Die weiter gehende Revision wird verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs in zwei Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren und sechs Monaten verurteilt. Der Angeklagte rügt mit seiner Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Das Rechtsmittel hat teilweise Erfolg.

2

I.

Die Verfahrensrügen sind nicht begründet.

3

1.

Der absolute Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO ist nicht gegeben. Zwar hat die Strafkammer die Ablehnungsgesuche vom 29. Dezember 1986, 24. Februar 1988, 24. und 31. Oktober 1988 zu Unrecht als unzulässig verworfen. Entgegen der Ansicht des Landgerichts waren die angegebenen Ablehnungsgründe - Annahme einer Fluchtgefahr wegen bestehender Krankheit des Angeklagten, Bezeichnung des Angeklagten als "Hauptschuldigen", Ablehnung von Beweisantragen wegen Prozeßverschleppung und Ablehnung einer längeren Unterbrechung zur Kenntnisnahme von Urkunden - nicht als zur Rechtfertigung eines Ablehnungsgrundes "völlig ungeeignet" (Kleinknecht/Meyer StPO 39. Aufl. § 26 a Rdn. 4) - und damit einer fehlenden Begründung gleichzustellen - anzusehen (vgl. auch Beschluß des Senats vom 16. Dezember 1988 - 4 StR 563/88 = BGHR StPO § 26 a Unzulässigkeit 3 = bei Miebach NStZ 1989, 220 Nr. 17). Dieser Fehler führt jedoch nicht zur Aufhebung des Urteils, da der Revisionsgrund des § 338 Nr. 3 StPO nur gegeben ist, wenn das Ablehnungsgesuch sachlich begründet war (BGH aaO). Die nach Beschwerdegrundsätzen durchzuführende Prüfung (BGHSt 23, 265 ff) ergibt hier, daß der Angeklagte bei verständiger Würdigung des Sachverhalts keinen Grund hatte, an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit der erkennenden Richter zu zweifeln: Die Äußerung einer Rechtsansicht (Fälle I 2 und 5 der Revisionsbegründung) rechtfertigt die Ablehnung nicht; die Bezeichnung des Angeklagten als "Hauptschuldigen" war die lediglich verkürzte Wiedergabe der Aussage eines Zeugen im Wege eines Vorhalts an den Angeklagten und die Aufforderung, in einer Zeit von eineinhalb Stunden von inhaltlich ähnlichen Preislisten Kenntnis zu nehmen, war nicht zu beanstanden. Insoweit ist auch die unter V der Revisionsbegründung vom 8. Januar 1990 erhobene Rüge unbegründet.

4

2.

Der vom Beschwerdeführer behauptete Verstoß gegen die Grundsätze des fairen Verfahrens sowie eine unzulässige Beschränkung der Verteidigung liegen nicht vor. Entgegen dem Vortrag der Revision hat die Strafkammer die Entscheidung über die von der Verteidigung im Laufe der Hauptverhandlung zunächst gestellten 83 Beweisanträge nicht zurückgestellt, um diese dann erst gesammelt in einem Beschluß zurückzuweisen. Die Strafkammer ist vielmehr einer Vielzahl der Beweisanträge ganz oder teilweise nachgegangen, indem sie - wie beantragt - Urkunden verlesen sowie Zeugen und Sachverständige vernommen hat. Bei einer derartig umfangreichen Beweisaufnahme, wie sie hier vorgenommen worden war, ist es nicht rechtsfehlerhaft, wenn eine Strafkammer zunächst die ihr notwendig erscheinenden Beweise erhebt, um dadurch einen Überblick zu gewinnen, ob und gegebenenfalls auf welche weiteren Punkte sie die Beweisaufnahme noch erstrecken muß.

5

3.

Auch die Ablehnung der Beweis- und Hilfsbeweisanträge, die der Beschwerdeführer rügt, hält im Ergebnis rechtlicher Nachprüfung stand.

6

a)

Allerdings kann der Strafkammer nicht darin beigetreten werden, daß es sich bei allen diesen Anträgen (mit Ausnahme des Antrags Nr. 88) um Beweisermittlungsanträge gehandelt habe. Ein Beweisermittlungsantrag ist nur gegeben, wenn der Antragsteller entweder die Beweistatsache nicht kennt oder das Beweismittel nicht bestimmt bezeichnen kann (Kleinknecht/Meyer StPO 39. Aufl. § 244 Rdn. 25 mit Nachweisen). Diese Voraussetzungen waren in den Anträgen jedoch in den meisten Fällen erfüllt. Aus den umfangreichen Begründungen der Strafkammer, die vielfach in den Urteilsgründen wiederholt werden, ergibt sich jedoch jeweils, daß die Strafkammer auch, soweit sie die Anträge unzutreffend als Beweisermittlungsanträge bezeichnet hat, jedenfalls von den beantragten Beweiserhebungen im Ergebnis zu Recht abgesehen hat. Im einzelnen ist dazu zu bemerken:

7

b)

Zunächst ist festzustellen, daß die Verteidigung vielfach nicht nur Beweisanträge gestellt, sondern umfangreiche Ausführungen zur Sach- und Rechtslage gemacht hat, auf die die Strafkammer in ihren Beschlüssen unter dem Gesichtspunkt der Ablehnung von Beweisanträgen eingegangen ist, obwohl dies nicht veranlaßt gewesen wäre. So enthält der Beweisantrag Nr. 60 lediglich eine umfangreiche Sachverhaltsschilderung, in die gelegentlich eingeschoben wird "Beweis: ...", und der mit den Worten endet, "es muß angesichts der Eintragung in der Monatsliste in der erwähnten Spalte behauptet werden, daß die Lieferung tatsächlich erfolgt, aber nicht berechnet worden ist".

8

Das ist keine ordnungsgemäße Beweisantragstellung, denn es ist nicht ersichtlich, daß hier eine bestimmte Behauptung vorgetragen wurde, für die ein bestimmtes Beweismittel angeboten wurde und daß der Beschwerdeführer die Erhebung dieser Beweise beantragt hat. Genauso verhält es sich mit dem Beweisantrag Nr. 93. Deutlich wird dies auch in Verbindung mit den Beweisanträgen Nr. 36, 41, 47 und 48, in denen in gleicher Weise verschiedene Sachverhalte vorgetragen werden, dann aber - deutlich davon abgesetzt - bestimmte Anträge gestellt werden. Daher ist die Strafkammer bei den Anträgen 60 und 93 insgesamt und den Anträgen Nr. 36, 41, 47 und 48 insoweit, als es nicht die bestimmt bezeichneten Anträge betraf, im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, daß der weitere Vortrag in den jeweiligen Schriftsätzen lediglich Beweisanregungen enthielt. Sie hat insofern - obwohl dies an sich nicht erforderlich war, da § 244 Abs. 6 StPO insoweit keine Anwendung findet (Kleinknecht/Meyer a.a.O. Rdn. 27) - jeweils eingehend und nachvollziehbar dargelegt, warum sie diesen Beweisanregungen nicht nachgegangen ist.

9

c)

Den Beweisantrag Nr. 65 hat die Strafkammer zutreffend als Beweisermittlungsantrag behandelt. Hier hat der Antragsteller nämlich keine bestimmte Tatsachenbehauptung aufgestellt, sondern ausdrücklich erklärt: "Es muß vermutet werden, daß der Zeuge Sonntag für seine Mitwirkung an diesem Geschäft Zuwendungen von der Fa. C. AG oder der Fa. B. oder dem Zeugen D. erhalten hat". Daraus ergibt sich eindeutig, daß der Antragsteller erst aufgrund der von ihm begehrten Beweisaufnahme herausfinden wollte, ob und von wem der Zeuge Sonntag Zuwendungen erhalten habe.

10

d)

Auch der Beweisantrag Nr. 95 enthielt lediglich eine Beweisanregung, denn mit ihm wurde die erneute Einvernahme des bereits gehörten Zeugen S. beantragt. Ein Antrag auf Wiederholung einer Beweiserhebung zu derselben Beweisfrage ist jedoch nur eine Beweisanregung (Kleinknecht/Meyer a.a.O. Rdn. 26). Auch wenn hier einige weitere Einzelheiten im Antrag behauptet wurden (etwa das "Verplappern eines Fahrers"), ging es doch um die grundsätzliche Frage des Herkunftsorts der Kohle, über die der Zeuge S. keine weiteren Angaben machen konnte.

11

e)

Zu den Beweisanträgen Nr. 3, 40/53, 50, 80 und 94 sowie zu dem Hilfsbeweisantrag Nr. 2 erklärt die Strafkammer zwar jeweils unzutreffend, es handele sich um Beweisermittlungsanträge. Aus den jeweiligen ausführlichen (stets über viele Seiten langen) Begründungen ergibt sich aber, daß diese Anträge in Wahrheit zu Recht als für die Entscheidung ohne Bedeutung abgelehnt worden sind. So wird zum Antrag Nr. 3 ausgeführt - was nach Ansicht der Strafkammer ersichtlich in gleicher Weise für die anderen eben erwähnten Anträge gilt - "die Annahme, daß der Angeklagte Willi A. von den früheren Mitangeklagten geschädigt worden ist, schließt nicht die Möglichkeit aus, daß er seinerseits im Zusammenwirken mit diesen betrügerische Handlungen gegenüber den CWH und dem EBV vorgenommen hat".

12

Die Frage weiterer Kohlelieferungen an die Firma C. bzw. an die Firmen L. und S. GmbH (Antrag Nr. 40/53) war für die Entscheidung der Strafkammer aus dem gleichen Grunde unerheblich. Zum Antrag Nr. 50 bemerkt die Strafkammer zutreffend, "der Umstand, daß der frühere Mitangeklagte Feid Geldzahlungen erhalten hat, die aus seiner beruflichen Tätigkeit nicht zu erklären sind, muß nicht bedeuten, daß sie aus illegalen Geschäften zum Nachteil der CKA bzw. des Angeklagten stammten".

13

In ähnlicher Weise wird zum Antrag Nr. 80 ausgeführt, "daß in weiteren Proben Aruba-Material nachgewiesen werden könnte, würde ... im übrigen keineswegs zwingend bedeuten, daß nicht gleichwohl sämtliche Aruba-Funde in Richterich mit dem Gemisch von 4 100 t erklärbar wären".

14

Die Einvernahme des Zeugen E. (Beweisantrag Nr. 94) durfte die Strafkammer ablehnen, weil sie - wie sich aus der eingehenden Begründung des Beschlusses vom 25. November 1988 ergibt - der Ansicht war, daß auch dann, wenn der Zeuge Ewers die Behauptung bestätigen sollte, dies für die Entscheidung ohne Bedeutung war.

15

Rechtsfehlerfrei wurde auch der Hilfsbeweisantrag Nr. 2 der Sache nach wegen Bedeutungslosigkeit abgelehnt, weil die Erörterung der "Einkaufsseite der Firma F. ... im Hinblick auf den Gegenstand des Verfahrens - Betrug zum Nachteil des EBV und der CWH" unerheblich war.

16

f)

Den Beweisantrag Nr. 83 und den Hilfsbeweisantrag Nr. 3 hat die Strafkammer trotz der jeweils unrichtigen Bezeichnung als Beweisermittlungsantrag der Sache nach zutreffend deswegen abgelehnt, weil das Beweismittel völlig ungeeignet war. So führt die Strafkammer zum Antrag Nr. 83 aus, daß sie geprüft habe, "ob die ... drei Beweismittelgruppen als Grundlage für ein Gutachten ... geeignet sein können" und erklärt sodann, daß "diese Frage zu verneinen" sei. Zum Hilfsbeweisantrag Nr. 3 erklärt die Strafkammer, daß "die beantragten Beweiserhebungen zwangsläufig nicht zu dem (behaupteten) Ergebnis führen" können.

17

g)

Schließlich hat die Strafkammer auch die Beweisanträge Nr. 85 und 86 (bzw. Nr. 88) im Ergebnis zu Recht wegen Prozeßverschleppung abgelehnt (vgl. auch Urteil des Senats vom 15. Februar 1990 - 4 StR 658/89 = wistra 1990, 156 = NJW 1990, 1307 [BGH 15.02.1990 - 4 StR 658/89], dort aber mit fehlerhafter Überschrift und fehlerhaftem Leitsatz abgedruckt).

18

Außer Frage steht, daß der Abschluß des bereits über zwei Jahre anhängigen Strafverfahrens bei Durchführung der beantragten Vernehmung von vier im Ausland lebenden Zeugen über mehrere Monate verzögert worden wäre. Die Strafkammer hat, auch nachvollziehbar dargelegt, daß die Vernehmung der vier Zeugen nichts zugunsten des Angeklagten ergeben könne und sich der Antragsteller dessen bewußt sei. Dies folgt hinsichtlich beider Anträge daraus, daß sie im Gegensatz zum bisherigen Verteidigungsvorbringen des Angeklagten standen, sowie bezüglich des Antrags Nr. 85 daraus, daß die Behauptung mit der - gerade hier vorliegenden - Einlassung des Angeklagten, die verlesenen Tagesmengen seien zutreffend, im Widerspruch stand, und die Behauptung im Antrag Nr. 86, "aufgrund der Anweisung und der Mitteilung der Zeitpunkte seien die D.-Fahrzeuge dem Platz in Alsdorf tatsächlich ferngeblieben, wenn der Angeklagte zugegen gewesen sei", "im krassen Gegensatz zum bisherigen Ergebnis der Beweisaufnahme" stand, die aufgestellten Behauptungen im übrigen "lebensfremd" und "unsinnig" erschienen.

19

Daß der Antragsteller die Anträge ausschließlich zum Zwecke der Verfahrensverzögerung gestellt habe, hat die Strafkammer "aus den Gründen, die sowohl in dem Antrag selbst wie auch im prozessualen Gesamtverhalten der Antragsteller und des Angeklagten zu finden sind" geschlossen. Ob die Strafkammer insoweit zu Recht auf das "prozessuale Gesamtverhalten der Antragsteller und des Angeklagten" abgestellt hat, kann dahingestellt bleiben. Immerhin weist der Beschwerdeführer zutreffend darauf hin, daß die Strafkammer die von der Verteidigung gestellten Beweisanträge, soweit ihnen nicht nachgegangen worden war, erst durch den umfangreichen Beschluß vom 12. September 1988 abgelehnt hatte, und es der Verteidigung selbstverständlich durch das Gericht nicht vorgeschrieben werden darf, wie sie ihr Verteidigungskonzept aufbaut. Davon abgesehen konnte der Tatrichter hier aber aus dem Antrag selbst ohne Rechtsfehler den Schluß ziehen, diese - mit dem Ergebnis der mehr als zweijährigen Hauptverhandlung nicht zu vereinbarenden - Behauptungen und die darauf gestützten Anträge auf Vernehmung von vier im Ausland lebenden Zeugen sollten nur der Verfahrensverzögerung dienen.

20

II.

Die Sachbeschwerde führt zur Aufhebung des Strafausspruchs, während der Schuldspruch (auch hinsichtlich der Annahme von Tatmehrheit) rechtsfehlerfrei ist.

21

1.

Die Revision beanstandet allerdings zu Recht, daß die Strafkammer "faktisch von einer umfassenden Einlassung des Beschwerdeführers ausgegangen ist, obwohl der Beschwerdeführer von seinem Recht Gebrauch gemacht hat, in der Hauptverhandlung zu schweigen". Aus der Vielzahl der von den Verteidigern des Angeklagten gestellten Beweisanträgen hat die Strafkammer "Ausführungen zur Sache mit Einlassungscharakter" entnommen (UA 220). Notwendigerweise enthält aber jeder Beweisantrag eine Tatsachenbehauptung. In aller Regel wird der vom Verteidiger gestellte Beweisantrag auch auf Informationen des Angeklagten zurückgehen. Das rechtfertigt es jedoch nicht ohne weiteres, die Beweisbehauptungen in eine Einlassung umzudeuten. Selbst wenn der Verteidiger Äußerungen zur Sache abgibt, dürfen diese nur dann als Einlassung eines Angaben verweigernden Angeklagten verwertet werden, wenn durch Erklärung des Angeklagten oder des Verteidigers klargestellt wird, daß der Angeklagte diese Äußerungen als eigene Einlassung verstanden wissen will (vgl. BayObLG VRS 60, 120; OLG Hamm JR 1980, 82 mit Anmerkung Fezer). Dies gilt erst recht, wenn aus dem Inhalt von Beweisanträgen auf das Vorliegen einer Einlassung im Gegensatz zu der Angabe, sich nicht zur Sache äußern zu wollen, geschlossen werden soll.

22

Anstatt aus den Beweisanträgen eine "Einlassung des Angeklagten" zu konstruieren, hätte die Strafkammer daher ohne weiteres davon ausgehen können und müssen, daß sich der Angeklagte zur Sache nicht geäußert hat. Der außerordentlich umfangreichen Beweiswürdigung der Strafkammer, die zudem über weite Strecken eine überflüssige Wiedergabe des Ergebnisses der Beweisaufnahme (mit der Angabe, was die Zeugen und Sachverständigen im einzelnen bekundet haben) enthält, hätte es daher größten Teils nicht bedurft (vgl. auch BGH NStZ 1985, 184; BGHR StGB § 46 Abs. 1 Begründung 12).

23

Auf dem Rechtsfehler beruht das Urteil im Schuldspruch aber nicht. Es konnte sich nur zugunsten des Angeklagten auswirken, wenn die Strafkammer nicht - wie es richtig gewesen wäre - davon ausgegangen ist, der Angeklagte habe sich nicht zur Sache eingelassen (was zur Folge gehabt hätte, daß Einwendungen des Angeklagten selbst gegen den Schuldvorwurf nicht erkennbar waren), sondern wenn sie mögliche Einwände des Angeklagten gegen den Anklagevorwurf untersucht hat und somit ein Verteidigungsvorbringen, das der Angeklagte selbst nicht geäußert hatte, von sich aus geltend machte, es allerdings nach Prüfung nicht für durchschlagend angesehen hat.

24

2.

Der Rechtsfehler hat sich jedoch bei der Strafzumessung zum Nachteil des Angeklagten ausgewirkt, so daß der Strafausspruch keinen Bestand haben kann. Die Strafkammer lastet dem Angeklagten nämlich strafschärfend an, daß er sich nicht darauf beschränkt habe, "im wesentlichen zu schweigen", sondern daß er "darüber hinaus die früheren Mitangeklagten F., S. und D. der Veruntreuung bzw. des Diebstahls erheblicher Kohlenmengen und damit schwerer Straftaten beschuldigt (habe), wobei die Beweisaufnahme ergeben hat, daß seine Anschuldigungen letztlich haltlos waren". Damit hat die Strafkammer aber den Umstand, daß seine Verteidiger Beweisanträge bestimmten Inhalts gestellt haben, als eine zu mißbilligende Einlassung des Angeklagten gewertet (vgl. BGHR StGB § 46 II Verteidigungsverhalten 1 und 4 bis 6). Zutreffend bemerkt die Revision in diesem Zusammenhang auch, daß die abschließenden Ausführungen der Strafkammer "zur prozessualen Seite dieses Verfahrens" (Bl. 1071 ff d. A.) besorgen lassen, die Strafkammer habe sich durch das hier gezeigte Verteidigungsverhalten bei der Strafzumessung beeinflussen lassen.

25

Der Senat verweist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung über die Straffrage gemäß § 354 Abs. 2 StPO an ein anderes Landgericht zurück.

Salger
Goydke
Meyer-Goßner
Blauth
Maatz