Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.04.1989, Az.: VIII ZR 52/88
Verjährung; Verjährungsfrist; Anspruch auf Beseitigung von Anlagen; Pachtgrundstück; Schadensersatz wegen Nichterfüllung; Beseitigungsanspruch
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 12.04.1989
- Aktenzeichen
- VIII ZR 52/88
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1989, 13294
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Rechtsgrundlage
Fundstellen
- BGHZ 107, 179 - 185
- DB 1989, 1514-1515 (Volltext mit amtl. LS)
- JZ 1989, 747-749
- MDR 1989, 808-809 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1989, 1854-1855 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW-RR 1989, 1039 (amtl. Leitsatz)
- WuM 1989, 376-377 (Volltext mit amtl. LS)
- ZIP 1989, 711-713
Amtlicher Leitsatz
Die Verjährungsfrist, die für den Anspruch des Verpächters auf Beseitigung von Anlagen verstrichen ist, welche der Pächter auf dem Pachtgrundstück errichtet hat, wird auf die Verjährungsfrist für die Schadensersatzforderung des Verpächters wegen Nichterfüllung dieser Verpflichtung nicht angerechnet.
Tatbestand:
Mit Vertrag vom 1. April 1962 verpachtete die Klägerin ihr Grundstück D. Straße 8 in P. bis zum 31. März 1985 zur Benutzung für einen Tankstellenbetrieb an die Mutter des Beklagten. In § 6 des Pachtvertrages ist vereinbart:
»Sämtliche Anlagen wie Lagerkessel, Zapfsäulen, Hebebühnen und sonstige Ausrüstungsgegenstände, die zum Betrieb des Tankstellenbetriebes gehören, hierzu gehören auch sämtliche Baulichkeiten, bleiben gemäß § 95 BGB Eigentum der Pächterin. Inwieweit nach Beendigung des Pachtverhältnisses das Grundstück in den früheren Zustand zu versetzen ist, soll einer späteren Vereinbarung unter Berücksichtigung der dann herrschenden Verhältnisse vorbehalten bleiben.«
Die Mutter des Beklagten errichtete auf dem Grundstück verschiedene Gebäude und sonstige Anlagen. Ab 1. Januar 1985 trat der Beklagte anstelle seiner Mutter als Pächter in den Vertrag ein. Aufforderungen der Klägerin, die von seiner Mutter errichteten Anlagen zu beseitigen, kam der Beklagte nicht nach.
Mit der am 22. Dezember 1986 eingereichten und am 31. Dezember 1986 dem Beklagten zugestellten Klage hat die Klägerin als Vorschuß für die Kosten, die ihr für die Beseitigung der Anlagen voraussichtlich entstehen, 25 000 DM verlangt. Außerdem hat sie die Feststellung begehrt, daß der Beklagte verpflichtet sei, ihr die weitergehenden Schäden zu ersetzen, die sich aus der Nichtbeseitigung der Anlagen ergeben.
Das Landgericht hat nach dem Klageantrag erkannt. Gegen diese Entscheidung hat der Beklagte Berufung eingelegt, die Klägerin Anschlußberufung. Die Klägerin hat mit ihrem Rechtsmittel weitere 2 282,67 DM Schadensersatz gefordert und hilfsweise den Abbruch und die Beseitigung der Anlagen sowie Wiederherstellung des früheren Zustandes verlangt. Das Berufungsgericht hat die Klage abgewiesen und die Anschlußberufung zurückgewiesen.
Die Revision der Klägerin führte zur Aufhebung und Zurückverweisung.
Entscheidungsgründe
I. Das Berufungsgericht hält die mit der Klage geltend gemachten Ansprüche für verjährt. Es führt aus:
Es spreche viel dafür, daß der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch nach § 326 BGB in Verbindung mit § 6 Satz 2 des Pachtvertrages zur Entstehung gelangt sei. Die in dieser Vertragsbestimmung getroffene Vereinbarung sei dahin zu verstehen, daß die Parteien bei Vertragsende nicht blindlings von den gesetzlichen Ansprüchen Gebrauch machen und dadurch eventuell unnötig wirtschaftliche Werte vernichten, sondern zunächst eine gütliche Regelung versuchen sollten. Vor dem Scheitern dieser Gespräche solle keine Partei ihre Rechte gerichtlich durchsetzen und auch nicht in Verzug geraten können. Die Rechte als solche sollten aber bestehenbleiben und nur durch Absprachen der Parteien verändert werden können.
Der Schadensersatzanspruch der Klägerin sei aber bei Einreichung der Klage bereits verjährt gewesen. Maßgebliche Verjährungsvorschrift sei § 558 BGB. Dieser Bestimmung unterlägen auch Ansprüche auf Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes der Pachtsache. Nach § 558 BGB beginne die Verjährung mit dem Zeitpunkt, in welchem der Verpächter die Pachtsache zurückerhalte. Dies würde im vorliegenden Fall bedeuten, daß die Verjährungsfrist bereits ab Vertragsende, nämlich mit dem 1. April 1985 zu laufen begonnen hätte. Allerdings hätten sich die Parteien zunächst in Verhandlungen über die Verwertung des Grundstücks befunden, wobei sie offenbar davon ausgegangen seien, daß das Grundstück im Falle eines Verkaufs im bestehenden Zustand an den Käufer übergeben werde. Es sei anerkannt, daß während des Zeitraums, in welchem die Vertragsteile über eine vergleichsweise Erledigung verhandelten, die Verjährung gehemmt sei oder sich der Schuldner wegen des Verbots unzulässiger Rechtsausübung nicht auf Verjährung berufen könne. In dem Schreiben der Rechtsanwälte der Klägerin vom 14. Januar 1986, in dem diese um Bestätigung der Bereitschaft des Beklagten gebeten hätten, die Anlagen zu entfernen, falls die Verkaufsbemühungen des Beklagten nicht bis zum 1. Juni 1986 zum Erfolg führten, und der Erwiderung des Beklagten vom 21. Februar 1986, mit welcher dieser die gewünschte Erklärung abgegeben habe, könne auch eine Stundungsvereinbarung des Inhalts gesehen werden, daß die Pflicht des Beklagten zur Beseitigung der Anlagen erst am 1. Juni 1986 fällig werde. Auch unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte seien aber die Schadensersatzansprüche der Klägerin mit Ablauf des 1. Dezember 1986 verjährt. Nach dem 1. Juni 1986 hätten die Parteien nämlich keine Verhandlungen mehr geführt, die eine Hemmung der Verjährung hätten bewirken können. Vielmehr habe die Klägerin den Beklagten mit Schreiben vom 6. August, 29. September, 28. Oktober und 13. November 1986 lediglich mehrfach vergeblich unter Fristsetzung zur Vornahme bestimmter Handlungen aufgefordert. Der Beklagte habe hierzu nur noch mit Schreiben vom 19. August 1986 Stellung genommen und erklärt, es bestehe kein Handlungsbedarf. Eine solche Erklärung lasse sich aber nicht als Anregung zur Durchführung weiterer Verhandlungen, sondern lediglich als Ablehnung der Bereitschaft verstehen, derzeit irgend etwas zu unternehmen.
II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Revision nicht in allen Punkten stand.
1. Der von der Klägerin geltend gemachte Schadensersatzanspruch ist ein solcher wegen Verzuges des Beklagten mit der Verpflichtung zur Beseitigung der auf dem Pachtgrundstück errichteten Anlagen. Verjährt war dieser entgegen der Meinung des Berufungsgerichts bei Einreichung der alsbald danach zugestellten Klage nicht.
2. Das Berufungsgericht hat darin recht, daß sowohl für den Erfüllungsanspruch auf Beseitigung der Anlagen als auch für die Schadensersatzforderung wegen Verzuges mit dieser Verpflichtung § 558 BGB die maßgebliche Verjährungsvorschrift ist (Senatsurteil vom 7. November 1979 - VIII ZR 291/78 = NJW 1980, 389 = WM 1980, 40 unter II 2 a, b).
a) Nach § 558 Abs. 2 BGB beginnt die Verjährung der dieser Vorschrift unterstehenden Verpächteransprüche in dem Zeitpunkt, in welchem der Verpächter die Pachtsache zurückerhält. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe die Pachtsache bereits mit Beendigung des Vertrages, also mit Ablauf des 31. März 1985, zurückerhalten, beruht auf einer möglichen Würdigung, die von der Revision auch nicht beanstandet wird.
Bereits im Zeitpunkt des Rückerhalts der Pachtsache standen die Parteien aber in Verhandlungen darüber, was mit den von der Mutter des Beklagten errichteten Anlagen zu geschehen habe. Unstreitig war die Klägerin zunächst damit einverstanden, daß der Beklagte sich bemühte, einen Käufer für das Pachtgrundstück ausfindig zu machen, der die Anlagen übernahm. Nach der möglichen Auslegung des Berufungsgerichts über den Inhalt der Vereinbarung in § 6 Satz 2 des Pachtvertrages war jedenfalls die Fälligkeit des sich aus § 556 Abs. 1 BGB ergebenden Anspruches der Klägerin auf Beseitigung der von der Mutter des Beklagten errichteten Anlagen bis zum Scheitern der Verhandlungen der Parteien hinausgeschoben. Das Hinausschieben der Fälligkeit eines dem § 558 BGB unterliegenden Anspruchs des Verpächters ist zulässig. Wird der dem § 558 BGB unterstehende Verpächteranspruch erst zu einem nach Rückerhalt der Pachtsache liegenden Zeitpunkt fällig, beginnt die Verjährung erst mit der Fälligkeit der Forderung (Senatsurteil vom 26. Oktober 1983 - VIII ZR 132/82 = WM 1983, 1362, 1363 unter II 3 b aa). Erst mit dem Scheitern der Verhandlungen der Parteien hat daher die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 558 BGB zu laufen begonnen. Da die Parteien die Verhandlungen bereits zum Vertragsende begonnen hatten, ergibt sich die gleiche Rechtsfolge bei Anwendung des § 202 Abs. 1 BGB oder bei entsprechender Anwendung des § 852 Abs. 2 BGB (vgl. zu letzterer BGHZ 93, 64 [BGH 28.11.1984 - VIII ZR 240/83] und Senatsurteil vom 4. Februar 1987 - VIII ZR 355/85 = WM 1987, 596).
b) Die Frage, ob die Verhandlungen der Parteien bereits zum 1. Juni 1986 beendet waren, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, kann dahingestellt bleiben, weshalb es auf die von der Revision gegen diese Feststellung erhobene Verfahrensrüge nicht ankommt. Auch wenn mit Ablauf dieses Tages die Verjährung begonnen haben sollte, war der mit der Klage geltend gemachte Schadensersatzanspruch bei Klageerhebung noch nicht verjährt.
aa) Rechtsgrundlage für den mit der Klage geltend gemachten Schadensersatzanspruch ist § 326 BGB. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift für eine Schadensersatzforderung wegen Nichterfüllung liegen entgegen der Meinung des Beklagten vor.
bb) Die Anwendung dieser Vorschrift setzt das Vorliegen einer Hauptpflicht voraus. Die Verpflichtung des Beklagten zur Beseitigung der Anlagen stellt sich aber im Hinblick auf den erheblichen finanziellen Aufwand, der zur Erfüllung dieser Pflicht erforderlich ist, als Hauptleistungspflicht dar (vgl. Senatsurteile vom 20. Oktober 1976 - VIII ZR 51/75 = WM 1976, 1277, 1278 und vom 16. März 1988 BGHZ 104, 6, 10 [BGH 16.03.1988 - VIII ZR 184/87] unter II 1 b).
cc) Mit der Verpflichtung zur Beseitigung der Anlagen ist der Beklagte spätestens mit Zugang des Schreibens der Rechtsanwälte der Klägerin vom 29. September 1986 in Verzug geraten (§ 284 BGB).
dd) Zwar war zum Abbruch der Anlagen nach § 60 BauO NW (GV NW 1984 S. 419) eine Baugenehmigung erforderlich, welche - auf Antrag der Klägerin - erst am 25. Februar 1987 erteilt worden ist. Es besteht aber kein Anhalt für die Annahme, die Genehmigung wäre nicht bereits bei Fälligkeit des Beseitigungsanspruchs erteilt worden, wenn der Beklagte, der nach § 6 des Pachtvertrages Eigentümer der Anlagen war und der im Rahmen seiner Verpflichtung zur Beseitigung gehalten war, einen Genehmigungsantrag zu stellen, diese Pflicht erfüllt hätte. Da er den Abbruch herbeizuführen hatte, wäre er als Bauherr zur Antragstellung berechtigt gewesen (§§ 53, 63 Abs. 3 BauO NV). Das Fehlen einer Baugenehmigung bei Zugang des Schreibens vom 29. September 1986 ist daher kein Umstand, der dem Verzugseintritt nach § 285 BGB entgegengestanden hätte.
ee) Die nach § 326 BGB erforderliche Nachfristsetzung mit Ablehnungsandrohung haben die Rechtsanwälte der Klägerin mit ihrem Schreiben vom 13. November 1986 erklärt. Darin wurde der Beklagte aufgefordert, bis zum 20. November 1986 eine Vorschußleistung in Höhe von 15 000 DM zu erbringen bzw. eine Bestätigung vorzulegen, daß er die Abbrucharbeiten in Auftrag gegeben habe. Zugleich wurde ihm angedroht, nach Fristablauf werde die Klägerin die Leistung ablehnen und den Abbruchauftrag selbst erteilen. Seit Ablauf der gesetzten Frist ist die Klägerin mit dem Erfüllungsanspruch auf Beseitigung der Anlagen ausgeschlossen (§ 326 Abs. 1 Satz 2, 2. Halbs. BGB). In diesem Zeitpunkt ist zugleich der Schadensersatzanspruch der Klägerin wegen Nichterfüllung entstanden.
ff) Als mit Ablauf des 20. November 1986 der Erfüllungsanspruch der Klägerin auf Beseitigung der Anlagen in eine Schadensersatzforderung überging, war die sechsmonatige Verjährungsfrist für den Erfüllungsanspruch noch nicht abgelaufen. Die Verjährung der Schadensersatzforderung hat erst mit der Entstehung dieses Anspruchs begonnen. Das folgt aus § 198 BGB. Der Beginn der Verjährung der Schadensersatzforderung steht in keiner Abhängigkeit von dem für den Erfüllungsanspruch maßgebenden Zeitpunkt, weshalb eine Anrechnung der für den Erfüllungsanspruch verstrichenen Verjährungsfrist auf die Verjährungsfrist für die Schadensersatzforderung nicht stattfindet (vgl. BGH Urteil vom 13. Juli 1959 - II ZR 45/58 = LM Nr. 3 zu § 198 BGB unter 4 a; BGH Urteil vom 10. Februar 1988 - IVa ZR 249/86 = BGHR BGB § 198 Satz 1 Surrogat 1; RGZ 128, 76, 79). Die von Dilcher (Staudinger, BGB 12. Aufl. § 195 Rdn. 15) vertretene Auffassung, der Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung verjähre spätestens mit dem Ablauf der für den ursprünglichen Anspruch geltenden Verjährungsfrist, ist mit § 198 BGB nicht zu vereinbaren. Die von ihm zitierten Entscheidungen und Kommentare belegen die von ihm vertretene Auffassung nicht. Dort wird zu der Frage des Beginns der Verjährungsfrist nicht Stellung genommen, sondern nur zu der Frage, ob für den Schadensersatzanspruch wegen Nichterfüllung die gleiche Verjährungsfrist gilt wie für den Erfüllungsanspruch, wegen dessen Verletzung er entstanden ist (vgl. etwa Senatsurteil vom 17. Januar 1968 - VIII ZR 207/65 = WM 1968, 692, 693 unter II 1 am Ende).
Da die Verjährung des Schadensersatzanspruches erst mit Ablauf des 20. November 1986 begonnen hat, war die sechsmonatige Verjährungsfrist des § 558 BGB bei Klageerhebung am 31. Dezember 1986 noch nicht abgelaufen.