Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Urt. v. 30.09.1987, Az.: IVb ZR 79/86

Ausschluss eines Unterhaltsanspruchs wegen eines schwerwiegenden Fehlverhaltens ; Einordnung des Ausschlusses eines Unterhaltsanspruchs als endgültig ; Ausmaß der Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
30.09.1987
Aktenzeichen
IVb ZR 79/86
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1987, 19854
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 18.07.1986

Fundstellen

  • FamRZ 1987, 1238
  • NJW-RR 1988, 70-71 (Volltext mit red. LS)

Redaktioneller Leitsatz

Der Unterhaltsanspruch, der wegen Eingehens einer neuen Lebensgemeinschaft gem. Nr. 7 ausgeschlossen ist, kann wiederaufleben nach entsprechender erneuter Prüfung. Dabei sind die vorrangigen Belange eines vom Berechtigten betreuten Kindes zu berücksichtigen. Desweiteren besteht die Möglichkeit einer Unterhaltsherabsetzung.

Der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 30. September 1987
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Portmann, Dr. Krohn, Dr. Zysk und Nonnenkamp
für Recht erkannt:

Tenor:

Die Revision gegen das Urteil des 7. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 18. Juli 1986 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien, die um Trennungsunterhalt streiten, schlossen im Jahre 1976 die Ehe, aus der der am ... geborene Sohn Dirk hervorging. Die Klägerin brachte ihren am ... geborenen Sohn Markus mit in die Ehe.

2

Am 12. März 1983 trennten sich die Parteien, nachdem an diesem Tage offenbar geworden war, daß die Klägerin in den vorausgegangenen Monaten ein intimes Verhältnis zu einem Freund des Beklagten unterhalten hatte. Die Klägerin zog mit dem Kinde Markus aus der ehelichen Wohnung aus. Wenig später lernte sie den Zeugen M. kennen, der in der Folgezeit regelmäßig bei ihr übernachtete. Das gemeinschaftliche Kind der Parteien blieb zunächst beim Beklagten, kam aber Ende November 1983 im beiderseitigen Einverständnis zu der Klägerin und wurde seither von ihr betreut. Die Ehe der Parteien wurde durch Urteil vom 6. November 1985, rechtskräftig seit dem 17. Dezember 1985, geschieden; in dem Verbundurteil wurde die elterliche Sorge für das gemeinschaftliche Kind Dirk der Klägerin übertragen.

3

Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin ab 13. März 1983 einen monatlichen Unterhalt von 510 DM zu zahlen. Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht das Unterhaltsbegehren der Klägerin für die Zeit von März bis November 1983 sowie für die Zeit von April bis August 1985 abgewiesen und für die übrige Zeit den vom Beklagten zu zahlenden Unterhalt auf folgende Beträge herabgesetzt:

  • Vom 1. Dezember 1983 bis 31. Dezember 1984 monatlich 225 DM;
  • vom 1. Januar 1985 bis 31. März 1985 monatlich 260 DM;
  • vom 1. September 1985 bis 31. Dezember 1985 monatlich 121 DM.

4

Mit der zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die vollständige Abweisung der Klage.

Entscheidungsgründe

5

Das Rechtsmittel bleibt erfolglos.

6

1.

Das Oberlandesgericht hat den Beklagten ausschließlich für vor dem 31. März 1986 liegende Zeiten zur Leistung von Trennungsunterhalt verurteilt und dabei die Härteklausel des § 1579 BGB i.d.F. des UÄndG vom 20. Februar 1986 (BGBl I 301) angewendet. Zwar gelten die materiell-rechtlichen Vorschriften des UÄndG grundsätzlich nur für Unterhalt, der nach dem 31. März 1986 fällig geworden ist (Senatsurteil vom 14. Januar 1987 - IVb ZR 65/85 - FamRZ 1987, 356), doch kommt eine Anwendung des § 1579 BGB n.F. auch für davorliegende Zeiten in Betracht, wenn der unterhaltsberechtigte Ehegatte - wie hier - ein gemeinschaftliches Kind betreute, eine Suspendierung der gesetzlichen Härteregelung nach § 1579 Abs. 2 BGB a.F. aber nicht verfassungsgemäß war (eingehend dazu Jaeger FamRZ 1986, 737, 738 ff.). Der Senat braucht dieser Frage nicht näher nachzugehen, da lediglich der Beklagte Revision eingelegt hat und die Maßstäbe des neuen Rechts für diesen jedenfalls günstiger sind.

7

2.

Vor dem Verurteilungszeitraum (1. Dezember 1983) hat das Oberlandesgericht einen Unterhaltsanspruch der Klägerin wegen eines schwerwiegenden, eindeutig bei ihr liegenden Fehlverhaltens als ausgeschlossen angesehen. Für die Zeit ab 1. Dezember 1983 führe hingegen die im Eingangssatz des § 1579 BGB n.F. vorgeschriebene "Wahrung der Belange eines dem Berechtigten zur Pflege oder Erziehung anvertrauten gemeinschaftlichen Kindes" dazu, daß ihr ein Unterhaltsanspruch nicht mehr ganz zu versagen sei, sondern daß lediglich eine Herabsetzung in Betracht komme. Dies hält die Revision im Hinblick auf den Ausschluß des Unterhaltsanspruchs in dem vorangegangenen Zeitraum für rechtlich nicht möglich, weil ein Unterhaltsanspruch, der einmal "verwirkt" worden sei, nicht wieder aufleben könne. Ein Anspruch der Klägerin aus § 1361 BGB sei als endgültig erloschen anzusehen.

8

Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden. Für Fälle in denen der Unterhaltsberechtigte mit einem neuen Partner eine Lebensgemeinschaft eingegangen war und für die Dauer dieser Gemeinschaft wegen grober Unbilligkeit (§ 1579 Abs. 1 Nr. 4 a.F. oder § 1579 Nr. 7 BGB n.F.) keinen Unterhalt verlangen konnte, hat der Senat bereits entschieden, daß der Ausschluß des Unterhaltsanspruchs nicht notwendig endgültig sein muß, daß vielmehr bei einer späteren Änderung der Gegebenheiten, etwa dem Zerbrechen der Lebensgemeinschaft, erneut umfassend zu prüfen ist, ob die aus einer wiederauflebenden Unterhaltspflicht erwachsende Belastung für den Verpflichteten weiterhin die Zumutbarkeitsgrenze überschreitet (vgl. Urteile vom 25. September 1985 - IVb ZR 48/84 und 49/84 - NJW 1986, 722, 724 bzw. FamRZ 1986, 443, 444 sowie vom 6. Mai 1987 - IVb ZR 61/86 - FamRZ 1987, 689, 690). Dabei hat er auch dargelegt, daß er die teilweise im Schrifttum vertretene gegenteilige Auffassung, auf die sich hier die Revision beruft, nicht für richtig hält. Das Gesetz spricht in § 1579 BGB nicht wie in § 66 EheG von einer Verwirkung des Anspruchs, die als endgültig angesehen wurde (zu § 66 EheG vgl. etwa BGH, Urteil vom 8. November 1972 - IV ZR 109/70 - FamRZ 1973, 182, 183). Für die Tatbestände des § 1579 BGB ist wegen dieser Frage eine differenzierende Betrachtungsweise angezeigt, wobei es teilweise sogar auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles ankommen mag (vgl. etwa Kalthoener/Büttner, Rechtsprechung zur Höhe des Unterhalts Rdn. 713 ff.; Luthin FamRZ 1986, 1166, 1168 f.).

9

Soweit nach dem Eingangssatz des § 1579 BGB n.F. die Belange eines gemeinschaftlichen Kindes zu wahren sind, kann dies nicht davon abhängig sein, ob der Unterhaltsberechtigte für einen vorangegangenen Zeitraum wegen Fehlverhaltens seinen Unterhaltsanspruch eingebüßt hatte. Wie das Bundesverfassungsgericht bei der verfassungsrechtlichen Überprüfung des § 1579 Abs. 2 BGB a.F. ausgeführt hat, kommt den Belangen des Kindes gegenüber denen des unterhaltsverpflichteten Elternteils grundsätzlich der Vorrang zu. Dieser kann unter den Voraussetzungen der Härteregelung nur insoweit von Unterhaltszahlungen freigestellt werden, wie die Interessen des Kindes nicht entgegenstehen. Der Lebensstandard eines Kindes soll nicht wegen eines Fehlverhaltens des betreuenden Elternteils absinken, das von ihm nicht zu verantworten ist (vgl. BVerfGE 57, 361, 383 ff.). Aus diesen Gründen wurden im Gesetzgebungsverfahren zum UÄndG die nach dem Regierungsentwurf zu § 1579 BGB insoweit vorgesehenen Worte "Berücksichtigung der Belange" durch die schärfere Formulierung "Wahrung der Belange" ersetzt (BT-Drucks. 10/4514 S. 20). Der Gesetzgeber hat hierbei aufgrund seiner verfassungsrechtlichen Verpflichtung gehandelt, die Lebensbedingungen des Kindes zu sichern, die für sein gesundes Aufwachsen erforderlich sind. Eine Auslegung des § 1579 BGB, die die Belange des Kindes ganz vernachlässigen würde, nur weil der betreuende Elternteil zuvor seinen Unterhaltsanspruch wegen Fehlverhaltens eingebüßt hatte, wäre danach mit verfassungsrechtlichen Grundsätzen unvereinbar. Wenn die Voraussetzungen des hier erörterten Eingangssatzes des § 1579 BGB neu eintreten, ist der Unterhaltsanspruch des betreuenden Elternteils vielmehr unter Einbeziehung der Belange des Kindes umfassend neu zu prüfen. Die hierin liegende Privilegierung des unterhaltsberechtigten Elternteils gilt ähnlich wie im Falle des § 1570 BGB, solange er das Kind tatsächlich betreut, und zwar entweder im Einverständis mit dem anderen Elternteil oder aufgrund einer gerichtlichen Entscheidung (ebenso im Ergebnis Göppinger/Kindermann Unterhaltsrecht 5. Aufl. Rdn. 289; Diederichsen NJW 1986, 1283, 1290 unter Hinweis auf mögliche Änderungen der Sorgerechtsregelung nach § 1696 BGB; wohl auch Häberle FamRZ 1986, 311, 316 Fn. 80).

10

3.

Zum Ausmaß der Herabsetzung des Unterhaltsanspruchs hat das Oberlandesgericht erwogen, daß ein besonders schwerwiegendes Fehlverhalten der Klägerin vorliege und auch die Lebensumstände des von ihr betreuten gemeinschaftlichen Kindes, das vom Beklagten einen monatlichen Unterhalt von 260 DM erhalte, nicht nur durch das Zusammenleben mit ihr geprägt würden. Es sei nicht zu erwarten, daß sich für das Kind besondere Nachteile ergäben, wenn sich seine Mutter einschränken müsse. Seine Belange erschienen als ausreichend gewahrt, wenn nur deren notdürftiger Unterhalt gesichert werde. Außerdem müsse ihr angesonnen werden, unter Verzicht auf das heute übliche Maß an Freizeit einer Halbtagsbeschäftigung nachzugehen, auch wenn im Regelfalle einer Mutter von Kindern im Alter von weniger als zehn Jahren derartiges nicht zugemutet werde. Dadurch habe sie bis Ende 1984 monatlich 600 DM, danach monatlich 650 DM verdienen können. Wenn ihr Bedarf bis Ende 1984 mit monatlich 825 DM, danach auf monatlich 910 DM angesetzt werde, sei sie für die Zeit bis 31. Dezember 1984 auf Unterhaltsleistungen des Beklagten von monatlich 225 DM, danach auf solche von monatlich 260 DM angewiesen. Diese Beträge könne der Beklagte bis zum 31. März 1985 voll leisten. Ab April 1985 betrage sein bereinigtes Nettoeinkommen lediglich monatlich 873,45 DM, so daß er als leistungsunfähig anzusehen sei. Ab September 1985 sei sein anrechnungsfähiges Einkommen wieder gestiegen, so daß er bis zum Ende dieses Jahres unter Berücksichtigung eines notwendigen Eigenbedarfs von 990 DM an die Beklagte monatlich 121 DM zahlen könne.

11

Diese Ausführungen werden von der Revision nicht angegriffen und lassen auch keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Beklagten erkennen.

Lohmann
Portmann
Krohn
Zysk
Nonnenkamp