Bundesgerichtshof
Urt. v. 26.05.1986, Az.: II ZR 237/85
Übergang einer Klage aus der Wechselforderung zur Klage aus dem Grundverhältnis als Klageänderung; Erfordernis der Sachdienlichkeit der Klageänderung nach Widerspruch der Beklagten
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 26.05.1986
- Aktenzeichen
- II ZR 237/85
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1986, 13731
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Landshut - 20.02.1985
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- NJW-RR 1987, 58-59 (Volltext mit red. LS)
Amtlicher Leitsatz
Die Sachdienlichkeit der Klageänderung ist zu bejahen, wenn der Kläger vom Wechselprozeß Abstand nimmt und die Klage ergänzend auf Darlehen stützt.
Der II. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat
auf die mündliche Verhandlung vom 26. Mai 1986
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Kellermann und die Richter Dr. Bauer,
Bundschuh, Dr. Hesselberger und Röhricht
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers werden die Urteile des 23. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München und der Kammer für Handelssachen des Landgerichts Landshut vom 20. Februar 1985 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittelverfahren, an das Landgericht Landshut zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger ist Inhaber eines am 2. März 1983 fälligen, von dem Beklagten ausgestellten und von ihm indossierten sowie von dem inzwischen verstorbenen Rechtsanwalt Weiß als Bezogenem angenommenen Wechsels über DM 68.500. Der Kläger, der einen Wechselvollstreckungsbescheid über DM 50.000 erwirkt hat, hat sich nach Einspruch des Beklagten zunächst im Wechselprozeß auf eine gültige Wechselverpflichtung des Beklagten gestützt. Vor der ersten streitigen mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht hat er erklärt, er nehme vom Wechselprozeß Abstand und stütze seine Klage ergänzend auf ein Darlehen. Der Beklagte hat der darin nach seiner Meinung liegenden Klageänderung widersprochen und vorsorglich bestritten, von dem Kläger ein Darlehen erhalten zu haben.
Das Landgericht hat den Vollstreckungsbescheid vom 14. Februar 1984 aufgehoben und die Klage mit der Begründung abgewiesen, die ursprüngliche Klage aus dem Wechsel sei mangels rechtzeitigen Protests unbegründet, die geänderte Klage mangels Sachdienlichkeit der Klageänderung unzulässig.
Die Berufung des Klägers ist erfolglos geblieben. Mit der Revision verfolgt der Kläger den Darlehnsanspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Urteile des Landgerichts und des Oberlandesgerichts und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht.
1.
Der Übergang von der Klage aus der Wechselforderung zur Klage aus dem Grundverhältnis ist Klageänderung (vgl. BGH, Urt. v. 6. Mai 1982 - III ZR 18/81, ZIP 1982, 1054, 1055). Da der Beklagte der beabsichtigten Klageänderung widersprochen hatte, konnte das Landgericht sie nach § 263 ZPO nur zulassen, wenn sie sachdienlich war. Zwar handelte es sich bei der angekündigten weiteren Begründung der Klage mit dem Anspruch aus dem Grundverhältnis nicht um den typischen Fall einer Klageänderung durch Austausch verschiedener prozessualer Ansprüche, sondern um eine nachträgliche Klagehäufung nach § 260 ZPO. Denn der Kläger wollte den Darlehnsanspruch nicht, wie beide Vorinstanzen irrtümlich angenommen haben, anstelle der Wechselforderung geltend machen, sondern neben ihr. Dies ergibt sich daraus, daß er vorgetragen hat, er stütze die Klage "ergänzend" auf den der Wechselhingabe zugrundeliegenden Darlehensanspruch. Eine solche nachträgliche Klagehäufung ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes wie eine Klageänderung zu behandeln (vgl. Urt. v. 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842 m.w.N.).
2.
Beide Vorinstanzen haben bei ihrer Entscheidung den Begriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen des tatrichterlichen Ermessens überschritten (vgl. BGH, Urt. v. 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, aaO; v. 5. Mai 1983 - VII ZR 117/82, WM 1983, 1162, 1163; v. 29. April 1981 - VIII ZR 157/80, WM 1981, 798; v. 20. März 1981 - V ZR 152/79, WM 1981, 657, 658 jeweils m.w.N.).
Maßgebender Gesichtspunkt für die Zulassung einer Klageänderung ist die Prozeßwirtschaftlichkeit. Die Änderung ist sachdienlich, wenn und soweit ihre Zulassung bei objektiver Beurteilung den sachlichen Streitstoff im Rahmen des anhängigen Rechtsstreits ausräumt und einem andernfalls zu gewärtigenden weiteren Rechtsstreit vorbeugt (BGH, Urt. v. 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; Urt. v. 5. Mai 1983 - VII ZR 117/82, WM 1983, 1162, 1163; v. 14. März 1983 - II ZR 102/82, WM 1983, 604, 605). Die Zulassung der Klageänderung war im vorliegenden Fall ein Gebot der Prozeßwirtschaftlichkeit. Die Entscheidungen des Landgerichts und des Berufungsgerichtes, die Klageänderung nicht zuzulassen, fordern einen neuen Prozeß geradezu heraus. Denn es ist, wenn es bei den angefochtenen Urteilen bleibt, damit zu rechnen, daß der Kläger den nicht zugelassenen Darlehensanspruch mit einer neuen Klage geltend macht. Ein solches Ergebnis ist nicht sachdienlich. Dies verkennt das Berufungsgericht, wenn es, wie vor ihm das Landgericht, die Sachdienlichkeit unter den gegebenen Umständen mit der Erwägung verneint, die bei Zulassung der Klageänderung erforderliche Beweisaufnahme über die Gewährung des Darlehens an den Beklagten hätte voraussichtlich zu einer erheblichen Verzögerung der Entscheidung geführt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs berührt es die Zulässigkeit einer Klageänderung nicht, wenn aufgrund ihrer Zulassung neue Parteierklärungen und Beweiserhebungen nötig werden und dadurch die Erledigung des Rechtsstreits verzögert wird (BGH, Urt. v. 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; v. 5. Mai 1983 - VII ZR 117/82, WM 1983, 1162, 1163; v. 20. März 1981 - V ZR 152/79, WM 1981, 657, 658; v. 21. Februar 1975 - V ZR 148/73, NJW 1975, 1228, 1229). Die Sachdienlichkeit ist im allgemeinen nur dann zu verneinen, wenn ein völlig neuer Streitstoff in den Rechtsstreit eingeführt werden soll, bei dessen Beurteilung das Ergebnis der bisherigen Prozeßführung nicht verwertet werden kann (BGH, Urt. v. 10. Januar 1985 - III ZR 93/83, NJW 1985, 1841, 1842; v. 14. März 1983 - II ZR 102/82, WM 1983, 604, 605; v. 21. Februar 1975 - V ZR 148/73, NJW 1975, 1228, 1229). Im vorliegenden Fall war jedoch zur Zeit der Klageänderung noch kein nennenswerter Streitstoff vorhanden, der durch ihre Zulassung gegenstandslos und damit unverwertbar geworden wäre. Die Klageänderung ist bereits vor der ersten streitigen Verhandlung erfolgt, indem der Kläger mit Schriftsatz vom 7. Februar 1985 vom Wechselprozeß Abstand genommen und seine Klage "ergänzend" auf die Darlehenshingabe als das angebliche Grundgeschäft gestützt hat. Die Prozeßlage ist damit nicht anders, als wenn der Kläger von vornherein in der Klage beide Ansprüche geltend gemacht hätte, von denen der eine, der Wechselsanspruch, unschlüssig ist.
3.
Es wäre zweckmäßig gewesen, wenn das Berufungsgericht die bei richtiger Sachbehandlung gebotene Beweisaufnahme nicht selbst durchgeführt, sondern sie nach Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung dem Landgericht überlassen hätte (§ 539 ZPO). Der Senat macht deshalb von der Möglichkeit Gebrauch, den Rechtsstreit nicht an das Berufungsgericht, sondern an das Landgericht zurückzuverweisen (vgl. BGH, Urt. v. 24. November 1951 - II ZR 26/51, LM Nr. 2 zu § 50 ZPO; BGHZ 16, 71, 82).
Dr. Bauer,
Bundschuh,
Hesselberger,
Röhricht