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Bundesgerichtshof
Urt. v. 20.02.1986, Az.: III ZR 223/84

Abschreibungsgesellschaft ; Bank; Darlehn; Beteiligung an einer Wohnungsbau-KG, um Steuern zu sparen; Gleichzeitige Unterzeichung eines Kreditantrages und Kontoeröffnungsantrages, um die Einlage zu finanzieren; Vermögensverfall der Wohnungsbau-KG; Aufklärungspflicht des Kreditinstitutsüber das Risiko des zu finanzierendes Geschäfts

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
20.02.1986
Aktenzeichen
III ZR 223/84
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1986, 13558
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Frankfurt am Main - 07.11.1984

Fundstellen

  • NJW-RR 1986, 1167
  • NJW-RR 1986, 1168-1169 (Volltext mit red. LS)

Amtlicher Leitsatz

Dem Anleger steht ein Schadensersatzanspruch gegenüber der seinen Beitritt zu einer Abschreibungsgesellschaft finanzierenden Bank zu, wenn dieser im Zeitpunkt der Darlehensgewährung bereits bekannt war, daß die Abschreibungsgesellschaft vor der Zahlungsunfähigkeit stand.

In dem Rechtsstreitverfahren
...
hat der III. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 20. Februar 1986
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Krohn und
die Richter Kröner, Dr. Engelhardt, Dr. Halstenberg und Dr. Werp
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 21. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 7. November 1984 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsrechtszuges, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Der Beklagte, von Beruf Diplom-Chemiker, wurde am 30. August 1979 in seiner Wohnung von dem Anlageberater K. geworben, sich - um Steuern zu sparen - mit einer Einlage von 60.000 DM über einen Treuhandkommanditisten an der Claus W. Wohnungsbau KG S. (KG), einer Abschreibungsgesellschaft, zu beteiligen. Da die Einlage nur in Höhe von 10.000 DM bar erbracht, im übrigen aber finanziert werden sollte, unterschrieb der Beklagte zugleich mit der Beitrittserklärung auch einen Kredit- und Kontoeröffnungsantrag an eine - namentlich noch nicht genannte - Bank und wies diese darin unwiderruflich an, den Kredit auf Anforderung des Treuhandkommanditisten auf dessen Konto bei der Sparkasse B. auszuzahlen. Im Antragsformular heißt es u.a.:

"Im Verhältnis zur Bank bin ich alleiniger Berechtigter und Verpflichteter ... Zinsen und Kosten des Kredits werden von der Gesellschaft getragen ... Der Kreditvertrag mit der Bank ist unabhängig vom Rechtsverhältnis des Kreditnehmers zur Claus W. Wohnungsbau KG ... und dem Treuhandkommanditisten".

2

Die KG reichte den Kreditantrag weiter an die Klägerin, die dem Beklagten mit Schreiben vom 7. November 1979 die Kreditbedingungen mitteilte und ihn erneut darauf hinwies, daß er seine Darlehensverpflichtungen unabhängig von steuerlichen Vorteilen und Vereinbarungen mit der KG zu erfüllen habe. Der Beklagte bestätigte durch Unterzeichnung und Rücksendung einer Kopie dieses Schreibens sein Einverständnis. Danach wurde der Kreditbetrag von 50.000 DM zu Lasten des Beklagtenkontos auf ein Konto des Treuhandkommanditisten bei der Klägerin und von dort noch am gleichen Tag auf ein Konto der KGüberwiesen.

3

Die W.-KG erwarb das für das Bauvorhaben vorgesehene Grundstück, geriet danach aber in Vermögensverfall; die Beteiligung des Beklagten an der KG ist wirtschaftlich wertlos.

4

Die Klägerin hat, nachdem sie keine Zinszahlungen erhielt, das Darlehen gekündigt und einen Vollstreckungsbescheid über den Kontosaldo per 12. Mai 1981 in Höhe von 62.113 DM nebst Zinsen und Überziehungsprovision, abzüglich am 30. April 1982 gezahlter 10.000 DM, erwirkt.

5

Das Landgericht hat den Vollstreckungsbescheid bestätigt, das Oberlandesgericht hat ihn aufgehoben und die Klage abgewiesen. Mit ihrer Revision erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

6

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der zwischen den Parteien geschlossene Darlehensvertrag sei wegen Verstoßes gegen§ 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO gemäß § 134 BGB nichtig. Der Klageanspruch könne auch nicht auf§ 812 BGB gestützt werden: Der Beklagte sei nicht bereichert, weil die Beteiligung an der KG wirtschaftlich wertlos sei.

7

Mit dieser Begründung kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben.

8

II.

1.

Zum Abschluß eines Darlehensvertrages zu den im Schreiben der Klägerin vom 7. November 1979 festgelegten Bedingungen ist es spätestens dadurch gekommen, daß der Beklagte die Zweitschrift dieses Schreibens zum Zeichen seines Einverständnisses unterschrieb und an die Klägerin zurücksandte.

9

2.

Der Darlehensvertrag ist wirksam, selbst wenn der Anlageberater K. ihn unter Verstoß gegen § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vermittelt haben sollte. Das hat der Senat - nach Erlaß der angefochtenen Entscheidung - in mehreren Urteilen ausgeführt (BGHZ 93, 264; Urteile vom 17. Januar 1985 - III ZR 167/83 -, vom 25. April 1985 - III ZR 27/84 = ZIP 1985, 667 und vom 7. November 1985 - III ZR 128/84 = WM 1986, 8 = ZIP 1986, 21). Wenn ein Darlehen der Finanzierung des Beitritts zu einer Abschreibungsgesellschaft dient und der Darlehensnehmer damit in erster Linie steuerliche Vergünstigungen erstrebt, ist es mit dem Schutzzweck des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO vereinbar, dem im Reisegewerbe abgeschlossenen oder vermittelten Darlehensvertrag die zivilrechtliche Wirksamkeit zu belassen. Hier liegt es anders als in den Fällen, in denen der Senat seit seiner Entscheidung BGHZ 71, 358 in ständiger Rechtsprechung eine Anwendung des§ 134 BGB für unverzichtbar hält. Der am Beitritt an einer Abschreibungsgesellschaft interessierte Personenkreis ist typischerweise weniger schutzbedürftig, weil er entweder selbst über hinreichende wirtschaftliche Erfahrung verfügt oder die finanzielle Möglichkeit hat, sich zu seinem Schutz der Hilfe von Fachberatern zu bedienen. Die Gefahr wucherischer Darlehenskonditionen ist für die Darlehensvermittlung in diesem Bereich nicht kennzeichnend; die Gefährdung liegt hier nicht im Bereich der Darlehensverhandlungen, sondern in dem zeitlich und sachlich vorrangigen Angebot der Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft. Die Betroffenen vor den Steuer- und zivilrechtlichen Risiken eines solchen Geschäfts zu schützen, ist nicht die Aufgabe des § 56 Abs. 1 Nr. 6 GewO.

10

3.

Der Beklagte hat das Darlehen auch im Sinne des § 607 BGB empfangen. Er hat das Geld zwar nicht persönlich erhalten. Auf seine Anweisung hat die Klägerin den Darlehensbetrag auf das Konto des Treuhänders überwiesen; von dort ist es der KG zugeflossen. Dadurch wurde der Beklagte von der Einlageverpflichtung frei, die er durch seinen Beitritt übernommen hatte. Mit der Überweisung war daher der Darlehensbetrag seinem Vermögen endgültig zugeflossen.

11

4.

Die Klägerin braucht sich auch Einwendungen des Beklagten aus seinem Rechtsverhältnis zur KG nicht entgegenhalten zu lassen. Sie kann sich auf die rechtliche Selbständigkeit des Darlehensvertrages berufen, ohne damit gegen Treu und Glauben zu verstoßen. Die Rechtsprechungsgrundsätze zum Einwendungsdurchgriff sind im Falle der drittfinanzierten Beteiligung an einer Abschreibungsgesellschaft nicht anzuwenden, weil die Fremdfinanzierung der vollen Ausschöpfung aller steuerlichen Vergünstigungen dient. Liegt der Abschluß rechtlich selbständiger Verträge im eigenen Interesse des Darlehensnehmers, so ist es sach- und interessengerecht, ihn auch das Aufspaltungsrisiko tragen zu lassen (Senatsurteil vom 17. Januar 1985 - III ZR 135/83 = NJW 1985, 1020 m.w.Nachw.; Senatsbeschluß vom 11. Juli 1985 - III ZR 131/84 = WM 1985, 1287).

12

III.

An einer abschließenden Sachentscheidung zugunsten der Klägerin gemäß § 565 Abs. 3 ZPO sieht sich der Senat gehindert, weil nach dem der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrunde zu legenden Sachverhalt nicht auszuschließen ist, daß dem Beklagten ein Gegenanspruch auf Schadensersatz wegen Verletzung vertraglicher oder vorvertraglicher Aufklärungspflichten zusteht. Insoweit bedarf es ergänzender tatrichterlicher Feststellungen durch das Berufungsgericht.

13

Nach ständiger Rechtsprechung des erkennenden Senats ist es grundsätzlich allerdings nicht Aufgabe eines Kreditinstituts, den Darlehensnehmer über die Gefahren des zu finanzierenden Geschäfts aufzuklären; insbesondere bei einer Darlehensgewährung im Rahmen eines steuersparenden Bauherrenmodells fehlt in der Regel ein Aufklärungs- und Schutzbedürfnis, das die Pflicht der Bank begründen könnte, ihren Kunden vor den allgemeinen zivil- und steuerrechtlichen Risiken einer solchen Geldanlage zu warnen (Senatsurteile vom 17. Januar 1985 a.a.O. und vom 10. Oktober 1985 - III ZR 92/84 = WM 1986, 6). Etwas anderes kann sich allerdings im Einzelfall aus Treu und Glauben ergeben, wenn die Bank - für sie selbst erkennbar - einen konkreten Wissensvorsprung über die speziellen Risiken eines bestimmten Projekts hat oder gar einen besonderen Gefährdungstatbestand für den Anleger selbst schafft oder seine Entstehung begünstigt (vgl. Senatsurteile vom 25. April 1985 - III ZR 27/84 = ZIP 1985, 667 und vom 10. Oktober 1985 aaO).

14

Mit dem Vorwurf, die Klägerin habe das Darlehen weisungswidrig ausgezahlt, kann der Beklagte einen Gegenanspruch auf Schadensersatz nicht begründen. Die Klägerin hat zwar den Darlehensbetrag nicht auf das im Kredit- und Kontoeröffnungsantrag zunächst angegebene Konto des Treuhandkommanditisten bei der Sparkasse Bonn überwiesen, sondern auf ein bei ihr selbst bestehendes Konto. Darin lag jedoch keine Pflichtverletzung; die Änderung des Empfängerkontos brachte dem Beklagten keinen Nachteil, weil das Konto bei der Klägerin nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht - wie in den Fällen der zitierten Senatsentscheidungen vom 25. April und 10. Oktober 1985 - der Beteiligungsgesellschaft, sondern ebenfalls dem Treuhänder zustand und die Überweisung auf seiner Anweisung beruhte.

15

Der Beklagte hat sich ferner darauf berufen, die Klägerin habe bereits im Zeitpunkt der Darlehensgewährung gewußt, daß W. persönlich und andere seiner Gesellschaften vor der Zahlungsunfähigkeit standen, die Kreditgewährung an die Zeichner des neuen Fonds Stollberg habe nur der Abdeckung älterer Verbindlichkeiten anderer W.-Gesellschaften dienen sollen. Zu diesem Vorwurf sind bisher - vom Standpunkt des Berufungsgerichts aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen worden. Es erscheint nicht ausgeschlossen, daß der Beklagte seinen Vortrag insoweit noch weiter substantiieren und unter Beweis stellen kann. Die Sache war daher zur weiteren Aufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

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Falls über die Höhe der Nebenforderungen der Klägerin (Zinsen und Überziehungsprovision) zu entscheiden ist, wird das Berufungsgericht sich mit den Fragen auseinandersetzen müssen, die der Senat in seinem Urteil vom 7. November 1985 (III ZR 128/84 = WM 1986, 8, 9/10 zu III = ZIP 1986, 21, 23) erörtert hat.

Krohn,
Kröner,
Richter,
Dr. Engelhardt hat Urlaub und kann daher nicht unterschreiben. Krohn,
Halstenberg,
Werp