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Bundesgerichtshof
Urt. v. 05.12.1985, Az.: VII ZR 5/85

Voraussetzungen für ein arglistiges Verschweigen eines Baumangels; Wassereintritt durch die Kelleraußenwände wegen mangelhafter Abdichtung; Erkundigungspflicht der Käufer nach der Beschaffenheit der Kellerwände

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
05.12.1985
Aktenzeichen
VII ZR 5/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 12944
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG München - 22.10.1984
LG München II - 30.11.1983

Fundstellen

  • BauR 1986, 215
  • MDR 1986, 490 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1986, 980-981 (Volltext mit amtl. LS)
  • WM 1986, 365

Amtlicher Leitsatz

Zum arglistigen Verschweigen eines Baumangels (im Anschluß an BGHZ 62, 63).

Redaktioneller Leitsatz

Redaktioneller Leitsatz:

Voraussetzungen für die Annahme arglistigen Verschweigens eines Baumangels nach Verwendung falscher Baumaterialien.

Der VII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 5. Dezember 1985
durch
den Vorsitzenden Richter Dr. Girisch sowie
die Richter Dr. Recken, Bliesener, Obenhaus und Prof. Dr. Walchshöfer
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 28. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 22. Oktober 1984 aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Teil- und Grundurteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts München II vom 30. November 1983 wird zurückgewiesen.

Die Beklagten haben die Kosten beider Rechtsmittelzüge zu tragen.

Tatbestand

1

Durch notariellen Vertrag vom 30. Oktober 1972 erwarb die Klägerin von den beklagten Eheleuten ein noch nicht ganz fertiges Vierfamilienhaus zum Preis von 530.500 DM. Die Veräußerer versicherten, daß ihnen wesentliche Baumängel nicht bekannt seien, und übernahmen es, die noch fehlenden Arbeiten bis zur Übergabe des Hauses am 1. Dezember 1972 fertigzustellen. Der Plan für den vom beklagten Ehemann selbst ausgeführten Rohbau sah für die Bodenplatte und die Kellerwände Sperrbeton vor. Das Bauamt genehmigte ihn mit dem Vermerk "Keller wegen zu hohen Grundwasserstandes nicht zu empfehlen oder abdichten". Die Kelleraußenwände wurden jedoch weder in Sperrbeton ausgeführt noch abgedichtet, sondern mit Hohlblocksteinen errichtet und innen verputzt.

2

In den folgenden Jahren trat an den Außenwänden des Kellers immer mehr Feuchtigkeit auf, bis schließlich Wasser eindrang. Im November 1981 strengte die Klägerin deswegen gegen die Beklagten ein Beweissicherungsverfahren an, in dem unter dem 2. Juni 1983 ein Sachverständigengutachten erstattet wurde. Darin werden die Mängelbeseitigungskosten auf 105.000 DM und ein verbleibender Minderwert des Hauses auf 80.000 DM geschätzt.

3

Die Klägerin hat im Juli 1983 185.000 DM nebst Zinsen eingeklagt und die Feststellung begehrt, daß die Beklagten zum Ersatz der Mangelfolgeschäden verpflichtet seien. Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben und den Vorwurf der Klägerin, sie hätten Mängel arglistig verschwiegen, zurückgewiesen.

4

Das Landgericht hat durch Grund- und Teilurteil den Zahlungsanspruch dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt sowie dem Feststellungsantrag stattgegeben. Das Oberlandesgericht hat die gesamte Klage abgewiesen. Mit der - angenommenen - Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, erstrebt die Klägerin die Wiederherstellung des Urteils des Landgerichts.

Entscheidungsgründe

5

Das Berufungsgericht erachtet die Gewährleistungsansprüche der Klägerin für verjährt. Der Nachweis, daß die Beklagten den Mangel arglistig verschwiegen hätten, sei nicht erbracht. Zwar hätten sie bewußt wahrheitswidrig erklärt, daß ihnen wesentliche Baumängel nicht bekannt seien, und sich zuvor über den Hinweis des Bauamtes und über die Vorgabe des Bauplans (Sperrbeton) hinweggesetzt. Dennoch liege keine Arglist vor. Die Beklagten hätten davon ausgehen dürfen, daß der Klägerin die vom Plan abweichende Ausführung der Kellerwände bekannt sei. Der augenscheinliche Befund verputzter Kelleraußenwände habe darauf hingewiesen, daß keine Betonwanne ausgeführt sei. Dennoch hätten weder die Klägerin noch der sie begleitende Bauleiter einer Immobilienfirma es für nötig gehalten, sich nach der tatsächlichen Beschaffenheit der Kelleraußenwände zu erkundigen. Die Beklagten hätten daher annehmen dürfen, die Klägerin stoße sich nicht an der vom Plan abweichenden Ausführung. Im übrigen habe die Klägerin noch ca. 14 Monate nach Vertragsschluß sich nicht über die unter der Kellertreppe noch sichtbaren Hohlblocksteine verwundert, sondern auch diese verputzen lassen.

6

Dagegen wendet sich die Revision mit Erfolg. Den feststehenden Umständen nach ist der Klägerin der schwerwiegende und folgenreiche Baumangel arglistig verschwiegen worden (§ 638 Abs. 1 Satz 1 BGB).

7

1.

"Arglistig verschweigt", wer sich bewußt ist, daß ein bestimmter Umstand für die Entschließung seines Vertragsgegners erheblich ist, nach Treu und Glauben diesen Umstand mitzuteilen verpflichtet ist und ihn trotzdem nicht offenbart (Senatsurteile BGHZ 62, 63, 66 [BGH 20.12.1973 - VII ZR 184/72] m.N.; NJW 1983, 2699, 2701 [BGH 14.07.1983 - VII ZR 365/82], insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 88, 174). Arglistiges Verschweigen erfordert nicht, daß der Unternehmer bewußt die Folgen der vertragswidrigen Ausführung in Kauf genommen hat. Es verlangt keine Schädigungsabsicht und keinen eigenen Vorteil(Senatsurteil vom 4. Mai 1970 - VII ZR 134/68 = BauR 1970, 244, 245 m.N.). Verwendet der Unternehmer planwidriges oder untaugliches Material, so genügt er seiner Mitteilungspflicht gegenüber dem Besteller/Erwerber nicht allein dadurch, daß er ihm die Verwendung dieses Baustoffes durch Hinweis oder Besichtigung bekannt werden läßt. Er muß dann auch auf den schon in der Verwendung dieses Baustoffes liegenden Mangel und das damit verbundene erhebliche Risiko hinweisen, um dem Vorwurf arglistigen Verschweigens zu entgehen. Daß in Fällen vorliegender Art ein solches Risiko für die Entschließung des Vertragspartners erheblich ist, liegt auf der Hand.

8

2.

Die Beklagten haben ihrer Aufklärungspflicht treuwidrig nicht genügt. Das Kellergeschoß ist bewußt planwidrig und ohne die vom Bauamt empfohlene Abdichtung errichtet worden. Dabei kann zugunsten der Beklagten unterstellt werden, daß sie die vom Grundwasser ausgehende Gefahr für geringer gehalten haben als das Bauamt und darauf vertraut haben, es werde kein Wasser eindringen. Sie haben aber damit das Risiko, daß die Kellerwände undicht sind, in Kauf genommen und vor dem Notar eine bewußt unrichtige Erklärung abgegeben. Den Umstand, daß auch Nachbarhäuser ohne Sperrbetonwanne errichtet sein sollen, läßt zu Recht auch das Berufungsgericht nicht als Entschuldigung gelten. Es stellt jedoch zu hohe Anforderungen an den Vorwurf arglistigen Verschweigens, wenn es meint, die Klägerin habe die Verwendung von Hohlblocksteinen erkennen müssen. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, entband dies die Beklagten nicht von der Pflicht, die Erwerberin des Hauses auf das Risiko eines Wassereinbruchs bei steigendem Grundwasserspiegel aufmerksam zu machen. Der Mangel wäre hier nur dann nicht arglistig verschwiegen worden, wenn die Klägerin bei der Hausbesichtigung oder bei Vertragsschluß darauf hingewiesen worden wäre, daß trotz Vorgabe des Bauplans (Sperrbeton) und warnenden Hinweises des Bauartes (zumindest Abdichtung erforderlich) Hohlblocksteine verarbeitet worden seien, weil der orts- und fachkundige Beklagte zu 1 dies für ausreichend gehalten habe. Dies ist unstreitig nicht geschehen.

9

Eine andere Beurteilung ergibt sich nicht etwa daraus, daß die Klägerin sich bei der Hausbesichtigung von einem Baufachkundigen hat begleiten lassen. Wie das Landgericht zutreffend ausführt, hat auch dieser die Mangelhaftigkeit der Kellerwände nicht erkannt. Der Begleiter der Klägerin ist ebenso wenig wie sie selbst auf die Planwidrigkeit und auf den Vermerk des Bauamtes hingewiesen worden. Selbst wenn er - wie die Beklagten meinen - aus dem Verputz des Mauerwerks auf die Verwendung von Hohlblocksteinen hätte schließen müssen oder gar darauf hingewiesen worden sein sollte, hätte ihm dies nur dann Anlaß zu Zweifeln an der Tauglichkeit des Kelleraußenmauerwerks geben können, wenn er über die Grundwasserverhältnisse und die Bedenken des Bauamtes unterrichtet worden wäre. Daß dies geschehen sei, behaupten die Beklagten nicht. Nach den vom Berufungsgericht angeführten Aussagen der die Klägerin bei der Hausbesichtigung ebenfalls begleitenden Zeugen Graf und Pfeil ist dabei weder über die tatsächliche Ausführung der Kellerwände gesprochen noch ein verdecktes Stück unverputzter Hohlblocksteine gesehen worden. Der Wandputz hat ebenfalls keinen hinreichenden Anlaß zu Nachfragen gegeben, so daß die Beklagten auch nicht - wie das Berufungsgericht meint - annehmen konnten, die Besucher hätten das Risiko erkannt. Der Mangel ist daher von den Beklagten arglistig verschwiegen worden.

10

3.

Die Klägerin hat ihre Ansprüche auch nicht verwirkt, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat. Die Beklagten haben mit ihrer Berufung dagegen nichts vorgebracht. Der Zeitablauf allein vermag den Einwand der Verwirkung nicht zu rechtfertigen.

11

4.

Da der Baumangel und die Eintrittspflicht der Beklagten feststehen, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO).

12

Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts zurückzuweisen.

13

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91, 97 ZPO.

Girisch
Recken
Bliesener
Obenhaus
Walchshöfer