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Bundesgerichtshof
Urt. v. 12.09.1985, Az.: 4 StR 415/85

Verurteilung wegen Mordes; Versuchte schwere räuberische Erpressung; Rücktritt vom Versuch; Fehlschlagen der Tat

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
12.09.1985
Aktenzeichen
4 StR 415/85
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1985, 16182
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Essen - 06.11.1984

Verfahrensgegenstand

Mord u.a.

Redaktioneller Leitsatz

  1. 1.

    Das Revisionsgericht ist in der Regel an die Überzeugungen des Tatrichters vom Tatgeschehen gebunden. Es genügt, wenn ein auf ausreichender Tatsachengrundlage beruhender möglicher Tatsachenschluss nach der Überzeugung des Tatrichters den wahren Sachverhalt wiedergibt. Das gilt aber dann nicht, wenn sich die Schlussfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, dass sie letztlich bloße Vermutungen sind, die nicht mehr als einen Verdacht begründen.

  2. 2.

    Der Anwendbarkeit des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB steht nicht entgegen, dass die Täter den Gegenstand während der Tatausführung aus der Hand gegeben haben. Es reicht aus, dass sie das Drohmittel in irgendeinem Stadium des Tatherganges bei sich führten.

  3. 3.

    Vom fehlgeschlagenen Versuch kann nicht strafbefreiend zurückgetreten werden.

Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
in der Sitzung vom 12. September 1985,
an der teilgenommen haben:
Vorsitzender Richter an Bundesgerichtshof Salger,
die Richter am Bundesgerichtshof Hürxthal Laufhütte Goydke Dr. Jähnke als beisitzende Richter,
Bundesanwalt Dr. ... als Vertreter der Bundesanwaltschaft,
Rechtsanwalt ... aus ... für den Angeklagten We.,
Rechtsanwalt ... aus ... für den Angeklagten We.,
Rechtsanwalt ... aus Re. für den Angeklagten Ko. als Verteidiger,
Justizangestellte ... als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle,
für Recht erkannt:

Tenor:

  1. 1.

    Die Revision des Angeklagten We. gegen das Urteil des Landgerichts Essen von 6. November 1984 wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt ist.

    Der Angeklagte hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.

  2. 2.

    Auf die Revisionen der Angeklagten N. und Ko. wird das genannte Urteil mit den Feststellungen aufgehoben

    1. a)

      insgesamt, soweit der Angeklagte Ko. betroffen ist,

    2. b)

      im Schuld- und Strafausspruch wegen Mordes und versuchten Mordes sowie im Ausspruch über die Gesamtfreiheitsstrafe, soweit der Angeklagte N. betroffen ist.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel der beiden Angeklagten, an eine andere als Schwurgericht zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

    Die weiter gehende Revision des Angeklagten N. wird mit der Maßgabe verworfen, daß der Angeklagte wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt ist.

Gründe

1

Das Landgericht hat den Angeklagten N. - unter Freisprechung im übrigen - wegen Mordes zu lebenslanger Freiheitsstrafe sowie wegen versuchten Mordes und wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren verurteilt. Den Angeklagten Ko. hat es wegen Beihilfe zum Mord und wegen Beihilfe zum versuchten Mord zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und den Angeklagten We. - unter Freisprechung im übrigen - wegen versuchter räuberischer Erpressung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt.

2

Alle Angeklagten haben die Sachrüge erhoben. Diese hat Erfolg, soweit die Schuldsprüche gegen den Angeklagten N. wegen Mordes und wegen versuchten Mordes und gegen den Angeklagten Ko. wegen Beihilfe zu diesen Taten betroffen sind. Das bedeutet, daß das Urteil gegen den Angeklagten Ko. insgesamt aufzuheben ist. Mit der Aufhebung der gegen den Angeklagten N. verhängten Schuldsprüche wegen Mordes und wegen versuchten Mordes entfallen auch die wegen dieser Taten verhängten Strafen, damit auch die Gesamtfreiheitsstrafe. Die Verurteilungen der Angeklagten N. und We. wegen versuchter räuberischer Erpressung lassen dagegen Rechtsfehler nicht erkennen; insoweit sind lediglich die Schuldsprüche dahin richtigzustellen, daß die Angeklagten wegen versuchter schwerer räuberischer Erpressung verurteilt sind.

3

I.

Die Verurteilungen des Angeklagten N. wegen versuchten Mordes und wegen Mordes sowie des Angeklagten Ko. wegen Beihilfe zu diesen Taten.

4

1.

Der Angeklagte N. und das - spätere - Mordopfer Li. waren Gesellschafter der Firma Lu. N. Maschinen-, Stahl- und Rohrleitungsbaugesellschaft mbH (im folgenden Firma Lu. N), die schon vor der - am Anfang des Jahres 1983 erfolgten - Eintragung ins Handelsregister erwerbswirtschaftlich tätig wurde und bereits im Jahre 1982 finanzielle Schwierigkeiten hatte. Am Ende des Jahres 1982 kamen N. und Li. auf den Gedanken, eine Gruppenunfallversicherung für Betriebsangehörige abzuschließen und einen Mitarbeiter zu ermorden, um nach Vortäuschung eines Unfalles die Versicherungssumme zu kassieren. Der Angeklagte Ko. wurde beauftragt, sich nach einem Täter umzusehen. Er wandte sich an den - freigesprochenen - Mitangeklagten B., der seinerseits den - vom Vorwurf des Mordes und versuchten Mordes ebenfalls freigesprochenen - Mitangeklagten We. ansprach. Dieser äußerte sich dahin, "so etwas" koste 10.000 DM, erforderlich sei eine genaue Beschreibung des Opfers (UA 15). Ko. verständigte N. und Li., ohne seinen Gesprächspartner preiszugeben. N. und Li. kamen zu dem Entschluß, den Mitarbeiter H. ermorden zu lassen. Zur Ausführung dieses Planes kam es nicht, weil Ko., der hoffte, "daß die Sache vergessen würde", dem N. mitteilte, "daß die Hinterleute Schwierigkeiten hätten" (UA 15). Im Januar 1983 kam es zwischen N. und Li. zu Spannungen. N. entschloß sich deshalb, den "gegen H. erwogenen Plan gegen Li. ausführen zu lassen" (UA 16). Dies tat er "vor allem deswegen", weil bei der Tötung des Li. - aufgrund zweier Lebensversicherungen zugunsten der Firma Lu. N und des überlebenden Gesellschafters (UA 12, 13) - eine "viel höhere Versicherungssumme zu erlangen war" (UA 16). N. verständigte sich Ende Januar 1983 mit Ko. und übergab diesem für die Durchführung des Mordauftrags eine Entlohnung von 18.000 DM und in einem Umschlag eine Beschreibung des Li.. Der Geldbetrag und die Beschreibung sollten dem von Ko. vorgesehenen Täter übergeben werden. Li. wurde von der Entrichtung des Mordlohnes in Kenntnis gesetzt. Er beteiligte sich mit 8.000 DM, da er von N. in dem Glauben gelassen wurde, H. solle ermordet werden. Das Landgericht hat den Verbleib der Ko. übergebenen 18.000 DM nicht vollständig aufklären können. Es hat nur festgestellt, daß Ko. jedenfalls 2.000 DM für sich abgezweigt hat. Den Restbetrag hat er entweder ebenfalls behalten oder We. übergeben (UA 68). Am 4. März 1983 übergab N. dem Ko. den Schlüssel der Lagerhalle, in der Li. nach den Planungen der beiden ermordet werden sollte. Um Li. zu veranlassen, die Lagerhalle zu betreten, erklärte N. ihm, am 8. März 1983 werde um 14 Uhr ein Kunde aus Essen am Lager erscheinen, um dort ein Schweißgerät zu erwerben. Am Vormittag des in Aussicht genommenen Tattages bekam N. Bedenken gegen die geplante Tat. Er erwog, mit Li. zur Lagerhalle zu fahren, gab diesen Plan aber auf. Er versuchte vergeblich, Ko. anzurufen und einen Angestellten zu veranlassen, Li. zu begleiten. Es gelang ihm auch nicht, Li. durch die Bitte zu warnen, den Kunden vor der Lagerhalle zu erwarten. Als Li. gegen 14 Uhr die Lagerhalle betrat, wurde er von dem Täter - nach den Feststellungen des Landgerichts handelte es sich dabei entweder um We. oder um Ko. (UA 18) - erwartet. Dieser versetzte Li. mit einem Schlaginstrument mehrere Schläge auf den Kopf, zwang ihn anschließend mit einer Pistole im Anschlag, die Treppe hinauf in den ersten Stock zu gehen. Dort schlug er wiederum mit einem Sehlagwerkzeug kraftvoll auf dessen Kopf ein. Als sich Li. um nicht weiter mißhandelt zu werden, regungslos stellte, leuchtete der Täter ihn mit einer Taschenlampe an und fragte, ob noch jemand komme. Li. bejahte. Daraufhin nahm ihm der Täter den Hallenschlüssel ab und entfernte sich. Li. konnte das Lagerhaus verlassen. Er hatte eine blutende Platzwunde am Kopf, einen Trümmerbruch an einem Finger und - was erst nach seiner Ermordung am 26. April 1983 festgestellt wurde - linksseitig einen Schädelbruch erlitten. Nach der Tat nahm N. Kontakt zu Ko. auf, der ihm gegenüber bestritt, der Täter gewesen zu sein. Beide waren froh, daß der Überfall "so glimpflich ausgegangen sei und waren sich einig, daß der Plan, Li. zu töten, endgültig erledigt sei" (UA 19).

5

Am 26. April 1983 wurde die Leiche von Li. gefunden. Die Polizeibeamten, welche die Spurensicherung vornahmen, waren der Auffassung, daß er von einem Fahrzeug angefahren und getötet worden sei. Erst eine Obduktion ergab, daß Li. tatsächlich durch einen Kopfschuß getötet worden war.

6

Das Landgericht hat nicht feststellen können, wer Lingenau erschossen und überfahren hat. Es hat sich zwar davon überzeugt, daß der Personenkraftwagen des We. "zum Überrollen des Li. benutzt worden ist" und daß We. N. und Li. das Firmengelände am Abend des 25. April 1983 in diesem Pkw verlassen haben. Es hält es aber für möglich, daß die Einlassung des We. zutrifft, er habe N. das Fahrzeug überlassen (UA 47, 69). Dennoch ist die Strafkammer der "sicheren Überzeugung, daß Li. in Verfolgung des ursprünglichen Planes getötet worden ist" (UA 62). Die Strafkammer hat deshalb N. wegen versuchten Mordes - Beteiligung am Überfall auf Li. vom 8. März 1983 - und wegen Mordes - Ermordung des Li. am 26. April 1983 - verurteilt. Es hat bei beiden Taten angenommen, N. habe aus Habgier und heimtückisch gehandelt. Sie hat Ko. wegen Beihilfe zu beiden Taten verurteilt. Der Tatrichter hatte Zweifel, ob ob dieser Angeklagte aus Habgier gehandelt hat. Er hat aber auch bei ihm das Mordmerkmal der Heimtücke bejaht.

7

2.

Diese Schuldsprüche halten rechtlicher Prüfung nicht stand.

8

a)

Das Landgericht hat den Sachverhalt bisher nicht so weit geklärt, daß sich darauf der Vorwurf stützen ließe, der Angeklagte N. habe seinen Mitgesellschafter Li. als Täter oder Mittäter ermordet. Daran vermag nichts zu ändern, daß das Landgericht sich die Überzeugung verschafft hat, daß die Tötung des Li. "der Schlußakt" des vom Angeklagten geplanten "Versicherungsbetruges mit Hilfe der Ermordung des Li. gewesen ist" (UA 62). Zwar ist das Revisionsgericht in der Regel an die Überzeugungen des Tatrichters vom Tatgeschehen gebunden. Diesem kann nicht vorgeschrieben werden, unter welchen Voraussetzungen er zu einer bestimmten Überzeugung kommen darf. Die Feststellung vom Tatgeschehen verlangt keine absolute, von niemandem mehr anzweifelbare Gewißheit. Es genügt vielmehr, wenn ein auf ausreichender Tatsachengrundlage beruhender möglicher Tatsachenschluß nach der Überzeugung des Tatrichters den wahren Sachverhalt wiedergibt (BGH NJW 1951, 83 [BGH 05.12.1950 - 3 StR 27/50]; BGH bei Holtz MDR 1978, 806; BGH, Urteil vom 25. März 1982 - 4 StR 705/81). Das gilt aber dann nicht, wenn sich die Schlußfolgerungen so sehr von einer festen Tatsachengrundlage entfernen, daß sie letztlich bloße Vermutungen sind, die nicht mehr als einen - wenn auch schwerwiegenden - Verdacht begründen (BGH MDR 1980, 948; BGH StV 1982, 256). So ist es hier.

9

N. und Ko. waren sich, wie das Landgericht feststellt, nach dem Scheitern des Mordanschlages vom 8. März 1983 einig, daß damit der Plan, Li. zu töten, endgültig erledigt sei. Das Landgericht hat nicht dargelegt, daß die beiden Angeklagten - gemeinsam oder einer von ihnen unabhängig vom anderen - den darin liegenden Entschluß, von der Tötung des Li. Abstand zu nehmen, später geändert und ihre früheren Planungen wieder aufgegriffen hätten. Es hat ausgeführt, N. und Ko. hätten die Wirksamkeit ihrer Tatbeiträge nicht in ausreichender Weise rückgängig gemacht (UA 75, 79). Das kann dahin verstanden werden, daß das Landgericht davon ausgeht, ein - weiterer - Partner der vor dem 8. März 1983 getroffenen Tatabsprache habe den Mord an Li. trotz des Rücktrittsentschlusses von N. und Ko. oder in Unkenntnis von ihm ausgeführt. Feststellungen in diesem Sinne hat der Tatrichter aber nicht getroffen. Nach diesen ist nicht einmal sicher, ob ein Dritter von den Planungen der beiden Kenntnis hatte. Ko. will zwar 16.000 DM und einen verschlossenen Briefumschlag mit der Beschreibung des Opfers einem Unbekannten ausgehändigt haben (UA 52, 53). Anläßlich eines Treffens habe sein Gesprächspartner ihm, so hat sich Ko. eingelassen, eine auf We. lautende Visitenkarte ausgehändigt. We. habe später eine genaue Beschreibung des Opfers verlangt; nach dem 8. März 1983 habe dieser ihm gesagt, "es habe nicht richtig geklappt" (UA 53). Von der Richtigkeit dieser Einlassung hat sich das Landgericht aber nicht überzeugt. Es hält es vielmehr für möglich, daß Ko., offensichtlich ohne vorher Dritte zu informieren, den Betrag von 16.000 DM für sich behalten und den Mordanschlag vom 8. März 1983 selbst ausgeführt hat (UA 68). Aber auch bei Zugrundelegung der Einlassung des Ko. fehlt es an einer Grundlage für die Annahme, ein Dritter habe den ursprünglichen Mordplan zu Ende geführt. Denn Ko. will We. davon informiert haben, daß "die Sache endgültig abgeblasen" sei. We. soll daraufhin zugesagt haben, den Mordlohn in Raten zurückzuzahlen (UA 54).

10

Bei dieser Sachlage fehlt es an einer einsichtigen vom Revisionsgericht nachvollziehbaren Grundlage für die Annahme des Landgerichts, Li. sei in Ausführung des vor dem 8. März 1983 gefaßten Mordplanes ermordet worden.

11

b)

Die Verurteilung des Neuhaus wegen Mordes hat deshalb keinen Bestand. Sie führt auch zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen versuchten Mordes. Nach der vom Landgericht für möglich gehaltenen Fallgestaltung ist Li. in Erfüllung des schon vor dem 8. März 1983 gegebenen Mordauftrages - der nicht auf bestimmte Tötungsmittel beschränkt war - ermordet worden. Bei einer solchen Sachlage würde der Versuch vom 8. März 1983 aber in der späteren Vollendung aufgehen (BGHSt 10, 129[BGH 20.12.1956 - 4 StR 447/56]; Samson in SK vor § 52 Rdn. 69; Stree in Schönke/Schröder, StGB 21. Aufl. vor § 52 Rdn. 120; Vogler in LK, 10. Aufl. vor § 52 Rdn. 34). Davon abgesehen wäre der Angeklagte sowohl als Mittäter wie, was ebenfalls in Betracht kommt, als Anstifter (vgl. BGH JZ 1985, 100 [BGH 26.10.1984 - 3 StR 438/84] mit Nachw.) in jedem Fall nur wegen einer Tat zu bestrafen, wenn sich sein Tatbeitrag in einer einmaligen Einwirkung auf Ko. erschöpfte. Denn die Frage, ob Tateinheit oder Tatmehrheit vorliegt, beurteilt sich bei jedem Beteiligten nach der Art seines Tatbeitrages (BGH bei Holtz MDR 1980, 272; BGH, Beschluß vom 11. Oktober 1984 -1 StR 585/84).

12

c)

Aufzuheben sind auch die Schuldsprüche gegen Koscielniak wegen Beihilfe zum Mord und zum versuchten Mord.

13

Den Schuldsprüchen steht zwar nicht ohne weiteres entgegen, daß das Landgericht es für möglich hält, daß dieser Angeklagte in Wahrheit Täter und nicht Gehilfe gewesen ist. In Fällen dieser Art ist eine Verurteilung nach den Grundsätzen in dubio pro reo aus dem milderen Gesetz zulässig (BGHSt 23, 203, 204; BGH NJW 1980, 948, 949; vgl. Eser in Schönke/Schröder a.a.O. § 1 Rdn. 98, 99; Tröndle in LK a.a.O. § 1 Rdn. 90). Voraussetzung ist aber, daß die Urteilsgründe an Stelle der für erwiesen erachteten Tatsachen, in denen die Merkmale der strafbaren Handlung gesehen werden, den äußeren und inneren Sachverhalt der Verhaltensweisen schildern, die nach der Überzeugung des Landgerichts allein in Betracht kommen; andere Möglichkeiten müssen sicher ausgeschlossen sein (BGH MDR 1980, 948, 949 [BGH 02.07.1980 - 3 StR 204/80]), so hier ein etwaiger strafbefreiender Rücktritt des unmittelbar handelnden Täters. An einer solchen Feststellung fehlt es hier.

14

Soweit der Überfall vom 8. März 1983 betroffen ist, kann den Urteilsgründen zwar mit hinreichender Deutlichkeit entnommen werden, daß der Angeklagte Ko. diese Tat entweder selbst ausgeführt hat oder einen anderen zu ihr bestimmt hat und daß andere Sachverhaltsgestaltungen ausscheiden. Wäre der Angeklagte der Täter, so ist aber nach den Feststellungen nicht sicher ausgeschlossen, daß er vom Versuch des Mordes strafbefreiend zurückgetreten ist. Dann wäre er durch die Verurteilung wegen Beihilfe zum versuchten Mord beschwert. Nicht beschwert ist der Angeklagte dadurch, daß er bei der genannten zweiten vom Landgericht für möglich gehaltenen Tatbestandsverwirklichung nicht wegen Anstiftung zum versuchten Mord, sondern nur wegen Beihilfe zu dieser Tat verurteilt worden ist.

15

Für die Tat vom 26. April 1983 fehlt es ferner, wie schon dargelegt, an einer sicheren Tatsachengrundlage für die Annahme der Strafkammer, daß diese Tat auf die Mitwirkung von N. oder Ko. zurückzuführen ist. Die deshalb notwendige Aufhebung des Schuldspruchs wegen Beihilfe zum Mord führt auch - unabhängig von dem insoweit bereits dargelegten Aufhebungsgrund - zur Aufhebung des Schuldspruchs wegen Beihilfe zum versuchten Mord, da sich die Mitwirkung an beiden Tatbestandsverwirklichungen, jedenfalls für den Gehilfen oder Anstifter, als eine Tat im Rechtssinne darstellen kann.

16

II.

Die Verurteilung der Angeklagten N. und We. wegen versuchter räuberischer Erpressung.

17

1.

Das Landgericht hat rechtsfehlerfrei festgestellt, daß die beiden Angeklagten damit begonnen haben, ihren Plan auszuführen, Kardinal ... in K. um 4 Millionen DM zu erpressen. Sie haben dem Kardinal einen Brief mit der Drohung zugeleitet, Kindergärten und Messen "ohne Rücksicht auf Verluste" zu "liquidieren", wenn die Forderung, den genannten Betrag in gebrauchten, nicht registrierten 100- DM-Scheinen zu zahlen, nicht erfüllt werde (UA 20). Dem Brief, der, was dem Tatplan entsprach, im Generalvikariat in K. ernstgenommen wurde, war ein einsatzfähiger Sprengkörper beigefügt (UA 21). Dieser Sprengkörper stellt einen Gegenstand dar, den die Täter zu Beginn des Versuchs bei sich gehabt haben, um den Widerstand des Opfers durch Drohung mit Gewalt zu verhindern. Zutreffend geht das Landgericht deshalb in den Gründen seines Urteils, nicht im Urteilsspruch, der demgemäß zu berichtigen ist, von der Erschwerung der räuberischen Erpressung im Sinne des § 250 Abs. 1 Nr. 2 StGB aus. Der Anwendbarkeit der genannten Vorschrift steht nicht entgegen, daß die Täter den Gegenstand während der Tatausführung aus der Hand gegeben haben. Denn es reicht aus, daß sie das Drohmittel - wie geschehen - in irgendeinem Stadium des Tatherganges bei sich führten (Eser in Schönke/Schröder a.a.O. § 244 Rdn. 6; Herdegen in LK a.a.O. § 250 Rdn. 10).

18

2.

Die Auffassung der Verteidiger beider Angeklagten, die Täter seien vom Versuch der schweren räuberischen Erpressung zurückgetreten, trifft nicht zu.

19

a)

Die Angeklagten haben am Freitag, dem ... 1983, um ... Uhr, in einem an Kardinal ... gerichteten Telegramm auf Anweisungen verwiesen, die sie in einem Postschließfach hinterlegt hatten. In diesen wurde der Bedrohte aufgefordert, ein bestimmt bezeichnetes Funkgerät und eine Reisetasche mit den geforderten Geldscheinen zu besorgen, um mit diesen Gegenständen nach Abfahrts- und Ankunftszeiten bezeichnete Züge von K. nach Ha. zu benutzen. Im Bereich des in dem genannten Schreiben bezeichneten Eilzuges von E. nach M. versuchte der Angeklagte We. in Abwesenheit seines Mittäters N. mit einem Funkgerät von der Art, wie es in der Anweisung an den Bedrohten bezeichnet war, Kontakt zu dem im Eilzug vermuteten Beauftragten des Kardinals aufzunehmen. Er forderte diesen mit den Worten, "Fahrgast aus K., Fahrgast aus K., bitte melden, sofort rechts rauswerfen" auf, die Tasche mit dem Geld aus dem Zug zu werfen. Das Vorhaben mißglückte, weil es der Polizei in Köln wegen der Kürze der zur Verfügung stehenden Zeit - als Abfahrtszeit des Zuges von K. nach E. war ... Uhr angegeben - nicht gelungen war, sich in den Besitz eines Funkgerätes zu setzen und weil der in den Anweisungen genannte Zug von K. nach E. nur an Sonntagen, nicht jedoch am Absendetag des Telegramms - an einem Freitagverkehrte (UA 23).

20

b)

Das Landgericht hat sich unter zulässiger Bewertung des Aussageverhaltens des Angeklagten N. (BGHSt 32, 140, 145) [BGH 26.10.1983 - 3 StR 251/83] rechtsfehlerfrei davon überzeugt, daß dessen Einlassung nicht zutrifft, er habe bewußt aus dem Kursbuch einen Zug ausgewählt, der auf der Strecke K.-E. nur an Sonntagen verkehrt, um so die Erpressung zu verhindern (UA 63). Es hat sich, worauf die Verteidigung hinweist, allerdings nicht ausdrücklich mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Angeklagten bei Absendung des Telegramms am ... 1983 um ... Uhr realistischerweise davon ausgehen konnten und ausgegangen sind, daß der Bedrohte die notwendigen Vorbereitungen bis zu dem in den Anweisungen genannten Abfahrtszeitpunkt des Zuges K.-E. um ... Uhr treffen konnte. Dies stellt indes keinen Rechtsfehler dar, der den Bestand des Urteils infrage stellen könnte. Denn daß die Angeklagten an die Durchführbarkeit ihres Planes, die nicht von vornherein zu verneinen ist, glaubten, hat das Landgericht ersichtlich daraus geschlossen, daß sie versucht haben, den im Zug E.-M. vermuteten Beauftragten des Kardinals zu erreichen.

21

c)

Aus den Feststellungen ergibt sich, daß die Angeklagten einen fest umrissenen Tatplan hatten, der als solcher nicht wiederholbar war. Dieser bestand darin, daß die Tat in einem eng begrenzten Zeitraum, nämlich vor dem bevorstehenden Osterfest und vor der am Sonntag, dem ... 1983 beginnenden Karwoche begangen werden sollte, wie dem ausdrücklichen Hinweis des Drohschreibens zu entnehmen ist, der Bedrohte solle sein Teil dazu tun, "daß die vorgenannte Zeit nicht erheblich gestört wird" (UA 20); darüber hinaus sollte sie, wie die kurze Fristsetzung in der Anweisung zur Geldübergabe zeigt, so schnell ausgeführt werden, daß Gegenmaßnahmen zur Entdeckung der Täter nicht mehr möglich waren. Diese Tat konnte, so wie geplant, nach dem Scheitern des Versuchs der Angeklagten, einen Beauftragten des Kardinals im Zuge E.-M. zu erreichen, mit den eingesetzten oder zur Hand liegenden einsatzbereiten Mitteln nicht mehr vollendet werden. Sie war fehlgeschlagen; denn die Angeklagten hätten, um zum Ziele zu gelangen, ein neues Unternehmen in Lauf setzen müssen. Darin, daß sie dies unterlassen haben, kann kein strafbefreiender Rücktritt liegen, weil vom fehlgeschlagenen Versuch nicht strafbefreiend zurückgetreten werden kann (vgl. BGH, Urteil vom 22. August 1984 - 4 StR 326/85, zur Veröffentlichung in BGHSt bestimmt).

Salger
Hürxthal
Laufhütte
für den in Urlaub ortsabwesenden Richter am Bundesgerichtshof Goydke. Salger
Jähnke