Bundesgerichtshof
Urt. v. 27.06.1984, Az.: IVb ZR 20/83
Voraussetzungen eines Anspruchs auf Aufstockungsunterhalt; Bestimmung des ehelichen Lebensstandards; Anrechnung der Einkünfte aus eigener Erwerbstätigkeit auf den Unterhaltsanspruch; Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Unterhalt; Prüfung der Leistungsfähigkeit des Unterhaltsverpflichteten; Prüfung der Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 27.06.1984
- Aktenzeichen
- IVb ZR 20/83
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1984, 13076
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Nürnberg - 22.02.1983
Rechtsgrundlagen
Fundstelle
- FamRZ 1985, 354
Redaktioneller Leitsatz
Zur Frage, wie sich der Verkauf eines bis zur Scheidung als Familienwohnung genutzten gemeinsamen Grundstückes mit Gebäude auf die Berechnung des nachehelichen Unterhalts auswirkt:
- 1.
Die aus dem Verkaufserlös hervorgegangenen Vermögenserträge sind bei der Beurteilung der Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten zu berücksichtigen.
- 2.
Zinserträge sind nicht zu berücksichtigen.
- 3.
Die durch die frühere Eigennutzung des gemeinsamen Anwesens entstandenen Vermögensvorteile sind zu berücksichtigen.
In dem Rechtsstreit
hat der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 27. Juni 1984
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Dr. Blumenröhr, Dr. Krohn, Dr. Macke und Dr. Zysk
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 11. Zivilsenats und Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 22. Februar 1983 aufgehoben, soweit zum Nachteil des Beklagten erkannt worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien waren verheiratet. Ihre Ehe wurde durch Urteil vom ... 1981, rechtskräftig seit dem ... 1981, geschieden. Ihre Kinder sind volljährig.
Die Klägerin nimmt den Beklagten auf Zahlung von Aufstockungsunterhalt in Anspruch, da sie aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, ihren vollen Unterhalt durch Ausübung einer zumutbaren Erwerbstätigkeit selbst sicherzustellen. Sie hat im ersten Rechtszug Unterhaltsrückstände für die Zeit ab 1. August 1979 und laufenden Unterhalt in Höhe von monatlich 600 DM geltend gemacht. Dazu hat sie ausgeführt: Sie erziele aus einer Halbtagsbeschäftigung als Putzhilfe monatlich ca. 600 DM netto. Um ihren angemessenen Lebensbedarf zu bestreiten, benötige sie weitere 600 DM monatlich als ergänzenden Unterhalt. Zur Zahlung dieses Betrages sei der Beklagte bei einem monatlichen Nettoeinkommen von ca. 1.600 DM in der Lage. Der Beklagte hat sich auf den Standpunkt gestellt, die Klägerin sei imstande, voll zu arbeiten. Außerdem hat er darauf hingewiesen, daß sie aus dem Verkauf des gemeinsamen Hauses am 1. März 1982 einen Erlösanteil von 99.000 DM erhalten habe; die hieraus erzielten Zinseinkünfte müsse sie sich anrechnen lassen.
Das Amtsgericht - Familiengericht - hat den Beklagten nach Einholung eines Sachverständigengutachtens über die Arbeitsfähigkeit der Klägerin zur Zahlung von Unterhaltsrückständen für die Zeit vom 1. August 1979 bis zum 31. Juli 1982 in Höhe von insgesamt 18.384 DM und zur Leistung einer monatlichen Unterhaltsrente von 597 DM ab 1. August 1982 verurteilt.
Auf die Berufung des Beklagten hat das Oberlandesgericht dieses Urteil teilweise abgeändert, das Unterhaltsbegehren der Klägerin für die Zeit vom 1. August 1979 bis zum 30. November 1981 abgewiesen und die Verurteilung des Beklagten auf 210 DM für den Monat Dezember 1981 sowie monatlich 245 DM ab 1. Januar 1982 ermäßigt.
Gegen diese ihm weiterhin auferlegte Unterhaltsverpflichtung wendet sich der Beklagte mit der zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt im Umfang der Anfechtung zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Oberlandesgericht.
1.
Das Oberlandesgericht hat für die Zeit ab 1. Dezember 1981 die Voraussetzungen eines Anspruchs der Klägerin auf Aufstockungsunterhalt nach §§ 1573 Abs. 2, 1578 BGB bejaht und dazu ausgeführt: Nach den Feststellungen des gerichtlichen Sachverständigen sei davon auszugehen, daß die Klägerin jedenfalls seit Rechtskraft des Scheidungsurteils im Mai 1981 aus gesundheitlichen Gründen nicht in der Lage sei, mehr als täglich vier Stunden zu arbeiten. Sie könne ihren Unterhaltsbedarf daher nicht nachhaltig durch Ausübung einer Erwerbstätigkeit in vollem Umfang selbst sicherstellen. Da beide Parteien während der Ehe gearbeitet hätten, sei der eheliche Lebensstandard durch die beiderseitigen Einkünfte - auf Seiten des Beklagten im Zeitpunkt der Scheidung in Höhe von ca. 1.624 DM und auf Seiten der Beklagten von ca. 600 DM - geprägt worden. Bei einem danach anzusetzenden Familieneinkommen von rund 2.200 DM ergebe sich nach der Nürnberger Tabelle ein angemessener Unterhaltsbedarf der Klägerin in Höhe von monatlich 1.092 DM für das Jahr 1981 und 1.127 DM für das Jahr 1982. Auf den Unterhaltsanspruch müsse sich die Klägerin die Einkünfte aus ihrer Erwerbstätigkeit anrechnen lassen. Dabei sei davon auszugehen, daß sie täglich, also fünfmal in der Woche, einer Halbtagsbeschäftigung nachgehen könne. Wenn sie tatsächlich weniger, nämlich nur an vier Tagen, arbeite, müsse sie sich den fehlenden Betrag als fiktive Einkünfte anrechnen lassen. Bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 20 Stunden und einem Stundenverdienst von 11 DM ergäben sich danach bei monatlich 86 Arbeitsstunden (20 × 4,3) Einkünfte in Höhe von 946 DM brutto. Dem entspreche nach Abzug von Steuern, Sozialabgaben und Krankenkassenbeiträgen ein monatlicher Nettoverdienst von 736 DM. Dazu sei das von der Klägerin bezogene Wohngeld von monatlich 150 DM zu rechnen, so daß insgesamt ein Einkommen in Höhe von monatlich rund 885 DM anzurechnen sei.
Die Zinseinkünfte aus dem durch den Verkauf des gemeinsamen ehelichen Anwesens erzielten Erlös seien sowohl bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Unterhalt als auch im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit des Verpflichteten und der Bedürftigkeit des Berechtigten, hier also auch bei den anzurechnenden Eigeneinkünften der Klägerin, außer Betracht zu lassen. Damit belaufe sich ihr ungedeckter Unterhaltsbedarf für den Monat Dezember 1981 auf (1.092-885) 207 DM, aufgerundet 210 DM und für die Zeit ab 1. Januar 1982 auf (1.127-885) 242 DM, aufgerundet 245 DM.
2.
Die Revision greift die Annahme des Berufungsgerichts an, daß die Klägerin ihren Unterhaltsbedarf nicht in vollem Umfang selbst bestreiten könne. Sie meint, die Klägerin habe dies - für den noch streitigen Zeitraum ab Dezember 1981 - nicht in verfahrensrechtlich ausreichender Weise dargetan, und macht dazu geltend: Die Klägerin trage als Anspruchstellerin die volle Darlegungslast ihrer Unterhaltsbedürftigkeit; dies umfasse auch die Behauptung, keine Einkünfte aus unzumutbarer Erwerbstätigkeit zu erzielen, die im Rahmen des § 1577 Abs. 2 BGB anzurechnen wären. Insoweit habe die Klägerin ihrer Darlegungslast für die Zeit ab Dezember 1981 nicht genügt. So habe das Berufungsgericht angesichts der widersprüchlichen und zum Teil falschen Angaben der Klägerin in der Vorinstanz deren Behauptung im Schriftsatz vom 31. Dezember 1982, daß sie zur Zeit bei drei Familien wöchentlich insgesamt viermal vier Stunden arbeite, nicht ohne weiteres zugrunde legen dürfen. Auch ergebe sich aus dem Vortrag der Klägerin nicht mit hinreichender Deutlichkeit, ob sie diese Tätigkeit bereits in der Zeit vom 1. Dezember 1981 bis zum 31. Dezember 1982 ausgeübt habe. Das Berufungsgericht habe außerdem unberücksichtigt gelassen, daß die Klägerin in einem Schreiben ihres Prozeßbevollmächtigten vom 12. Dezember 1981 ausgeführt habe, sie habe ihre alte Stelle bei einer Firma G. wieder aufgenommen und erziele dort einen Verdienst von 711 DM pro Monat. Schließlich sei in dem angefochtenen Urteil die Behauptung des Beklagten in seinem Schriftsatz vom 11. November 1982 nicht beachtet worden, daß die Klägerin bei einer der von ihr genannten Familien inzwischen monatlich mindestens 350 DM verdiene.
Mit diesen Angriffen hat die Revision keinen Erfolg.
a)
Das Berufungsgericht hat in tatrichterlicher Würdigung des Sachvortrags beider Parteien unter Berücksichtigung der unstreitigen Umstände Feststellungen darüber getroffen, in welchem Umfang die Klägerin in der Zeit seit Dezember 1981 Erwerbstätigkeiten ausgeübt hat. Die Revision zeigt nicht auf, daß diese Feststellungen in verfahrensfehlerhafter Weise zustandegekommen wären; sie sind daher der revisionsrechtlichen Beurteilung zugrundezulegen.
Das Berufungsgericht war - entgegen der Auffassung der Revision - rechtlich nicht gehindert, aus dem Sachvortrag der Parteien zu schließen, daß die Klägerin seit Dezember 1981 wöchentlich jeweils nicht mehr als höchstens viermal vier Stunden gearbeitet hat. Das entspricht dem insoweit unwidersprochenen Vorbringen der Klägerin. So hat sie mit Schriftsatz vom 17. November 1981 geltend gemacht, sie verdiene zur Zeit an zwei Putzstellen monatlich nicht mehr als 580 DM, nämlich bei einem Steuerbevollmächtigten H., der ihr allerdings zum 15. Dezember 1981 gekündigt habe, für Büroreinigungsarbeiten 390 DM und bei einer Familie A. monatlich 190 DM; mehr könne sie aus gesundheitlichen Gründen nicht arbeiten. Mit Schriftsatz vom 11. März 1982 hat sie vorgetragen, sie habe nach der Kündigung durch den Steuerbevollmächtigten H. zur Zeit noch die Putzstelle bei Familie A., an der sie wöchentlich fünf Stunden arbeite; daneben erhalte sie seit dem 1. Januar 1982 Arbeitslosengeld von wöchentlich 93 DM. Dieses sei ihr nach Ablauf der Bewilligungsdauer entzogen worden, wie sie mit Schriftsatz vom 31. Dezember 1982 geltend gemacht hat. Zugleich hat sie angegeben, inzwischen außer wöchentlich vier Stunden bei Familie A. an zwei weiteren Putzstellen einmal bzw. zweimal vier Stunden zu arbeiten; zu weiteren als diesen Tätigkeiten an vier Tagen der Woche sei sie gesundheitlich nicht imstande. Dies hat sie bei ihrer Anhörung vor dem Oberlandesgericht in der mündlichen Verhandlung vom 1. Februar 1983 nochmals bestätigt.
Soweit die Revision demgegenüber darauf hinweist, der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin habe mit Schreiben vom 12. Dezember 1981 angegeben, sie habe ihre frühere Stellung bei der Firma G. wieder aufgenommen und verdiene dort monatlich 711 DM, beruht diese Datumsangabe auf einem Versehen. Das Schreiben des Prozeßbevollmächtigten der Klägerin stammte nicht vom 12. Dezember 1981, sondern vom 12. Dezember 1980. Die darin enthaltenen Angaben beziehen sich mithin nicht auf den im Revisionsverfahren allein noch streitigen Zeitraum ab Dezember 1981. Für diesen Zeitraum hat der Beklagte zwar mit Schriftsatz vom 11. November 1982 behauptet, die Klägerin arbeite weiterhin bei der Firma G. und habe außerdem ihre Tätigkeit bei Familie A. ausgeweitet. Diese Behauptungen hat die Klägerin jedoch mit Schriftsatz vom 31. Dezember 1982 bestritten.
b)
Soweit das Berufungsgericht der Klägerin über die von ihr bei viermal vier Arbeitsstunden wöchentlich erzielten Einkünfte hinaus weitere fiktive Arbeitseinkünfte als erzielbaren Eigenverdienst angerechnet hat, wird die Entscheidung von der Revision als dem Beklagten günstig nicht angegriffen.
3.
Gegen die Behandlung der Zinseinkünfte aus dem durch den Verkauf des gemeinsamen ehelichen Anwesens erzielten Erlös in dem angefochtenen Urteil erhebt die Revision zu Recht Bedenken.
Das Berufungsgericht hat unter Bezugnahme auf die Ausführungen in dem familiengerichtlichen Urteil eine Berücksichtigung der Zinseinkünfte sowohl bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für den Unterhaltsanspruch als auch im Rahmen der Prüfung der Leistungsfähigkeit und der Unterhaltsbedürftigkeit aus Billigkeitsgründen abgelehnt. Das Familiengericht hatte dazu ausgeführt: Es gehe nicht an, daß sich die Klägerin ihre Zinseinkünfte auf ihren Unterhaltsanspruch anrechnen lassen müsse, während der Beklagte seinen Anteil aus dem Erlös der von beiden Parteien in der Ehe gemeinsam erarbeiteten Wirtschaftsgüter zinsbringend anlegen könne, ohne daß der Unterhalt der Klägerin erhöht werde, weil die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien hierdurch nicht mehr berührt würden. Auf diese Weise würde nämlich wirtschaftlich gesehen dem Beklagten die gesamte Nutzung des gemeinsam erarbeiteten Vermögens zufließen. Hinzu komme, daß die Nutzung des veräußerten gemeinsamen Anwesens die Lebensverhältnisse der Parteien in der Ehe mit geprägt habe; denn die Parteien hätten von ihren Einkommen mehr für den täglichen Bedarf zur Verfügung gehabt als Eheleute, die Miete zahlen müßten. Ein solcher erhöhter Lebensstandard werde aber nach den Grundsätzen der Nürnberger Tabelle vernachlässigt, da diese nur auf das tatsächlich vorhandene Einkommen abstelle. Wenn es dann zur Auflösung des Vermögens komme, ersetzten die nunmehr zur Verfügung stehenden Zinsen nur den Teil des schon früher erreichten höheren Lebensstandards, der nach der Nürnberger Tabelle nicht berücksichtigt werde.
Diese aus den Grundsätzen der Nürnberger Tabelle gezogenen Folgerungen für die unterhaltsrechtliche Behandlung der Zinseinkünfte aus dem Erlös des gemeinsamen Hauses der Parteien halten der rechtlichen Überprüfung nicht in vollem Umfang stand.
a)
Daß das Berufungsgericht für die Bemessung des Unterhaltsanspruchs der Klägerin nach § 1573 Abs. 2 BGB die Richtsätze der Nürnberger Tabelle herangezogen hat, ist allerdings revisionsrechtlich nicht grundsätzlich zu beanstanden. Wie der Senat wiederholt entschieden hat, ist der Tatrichter bei der Unterhaltsbemessung nicht gehindert, sich an Richtsätze und Leitlinien anzulehnen, die auf die gegebenen Verhältnisse abgestellt sind und der Lebenserfahrung entsprechen, soweit nicht im Einzelfall besondere Umstände eine Abweichung bedingen (Senatsurteil vom 20. Januar 1982 - IVb ZR 651/80 = FamRZ 1982, 365, 366; ständige Rechtsprechung). Bedenken gegen die Ansätze der Nürnberger Tabelle, die der Senat in derEntscheidung vom 27. April 1983 (IVb ZR 372/81 = FamRZ 1983, 678) für gewisse Fallgestaltungen erhoben hat, wirken sich im vorliegenden Fall jedenfalls nicht zum Nachteil des Beklagten aus.
b)
Die Revision greift hingegen zu Recht an, daß das Berufungsgericht bei der Beurteilung der Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin die ihr zufließenden Zinseinkünfte außer Betracht gelassen hat.
Nach dem allgemeinen Grundsatz des § 1602 Abs. 1 BGB ist unterhaltsberechtigt nur derjenige, der außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Diesem Grundsatz entspricht für den nachehelichen Unterhalt die Regelung des § 1577 Abs. 1 BGB, nach der ein geschiedener Ehegatte Unterhalt insoweit nicht verlangen kann, als er sich aus seinen Einkünften und den Erträgen seines Vermögens selbst unterhalten kann (vgl. auchSenatsurteil vom 4. April 1984 - IVb ZR 77/82 - nicht veröffentlicht). Auf die Herkunft des Vermögens kommt es dabei nicht an. Entscheidend ist vielmehr nur, ob und in welcher Höhe der Ehegatte Vermögenseinkünfte erzielt oder doch in zumutbarer Weise erzielen könnte (BGH Urteil vom 24. Oktober 1979 - IV ZR 171/78 = FamRZ 1980, 126, 128;Senatsurteil vom 27. April 1983 - IVb ZR 376/81 - nicht veröffentlicht), mit denen er seinen Unterhaltsbedarf bestreiten kann (Senatsurteil vom 4. April 1984 - IVb ZR 77/82; vgl. auch Göppinger/Häberle Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 1087). Zu den Einkünften, die ein unterhaltsberechtigter Ehegatte wie hier die Klägerin - vorrangig - zur Deckung seines Unterhaltsbedarfs einzusetzen hat, gehören daher auch Erträge, die er aus dem Erlös beim Verkauf eines bis zur Scheidung als Familienwohnung genutzten gemeinsamen Anwesens zieht. Für eine Außerachtlassung solcher Einkünfte bestehen - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - keine rechtfertigenden Gründe.
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben.
Da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - zur Höhe der Zinseinkünfte, die die Klägerin aus der Anlage ihres Erlösanteils (nachhaltig) erzielt, bisher keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen und zur neuen Prüfung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
4.
Das Berufungsgericht wird bei der neuen Entscheidung auch die Bemessungsgrundlage für den Unterhaltsanspruch der Klägerin nach § 1573 Abs. 2 BGB nochmals zu überprüfen haben.
Für die Bemessung des nachehelichen Unterhalts sind nach § 1578 BGB die ehelichen Lebensverhältnisse maßgebend. Diese werden nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 10. Dezember 1980 - IVb ZR 534/80 = FamRZ 1981, 241 m.w.N.) im allgemeinen durch die - in einer Doppelverdienerehe zusammengerechneten - Einkünfte der Eheleute im Zeitpunkt der Scheidung bestimmt, soweit die Einkünfte die wirtschaftlichen Verhältnisse der Eheleute dauerhaft und nachhaltig geprägt haben. Dabei sind Einkünfte in diesem Sinn nicht nur die Erwerbseinkünfte, sondern in gleicher Weise auch Vermögenserträge und sonstige wirtschaftliche Nutzungen, die die Eheleute aus ihrem Vermögen ziehen (vgl.Senatsurteil vom 4. April 1984 - IVb ZR 77/82; Göppinger/Wenz Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 675).
a)
Zu diesen Einkünften gehören im vorliegenden Fall nicht die Zinserträge, die die Klägerin - und gegebenenfalls auch der Beklagte - aus der Anlage ihrer Erlösanteile aus dem Verkauf des früheren ehelichen Anwesens erzielen. Denn die Zinserträge haben die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien nicht geprägt. Sie haben ihnen während ihres Zusammenlebens und im Zeitpunkt der Scheidung noch nicht - auch nicht in anderer Höhe - zur Verfügung gestanden, sondern sind erst nach der Veräußerung des gemeinsamen Familieneigenheims als Folge der Scheidung erwachsen; ohne die Scheidung wäre es voraussichtlich nicht zur Veräußerung des Anwesens gekommen (vgl.Senatsurteil vom 23. November 1983 - IVb ZR 21/82 = FamRZ 1984, 149, 150).
b)
Die ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien können hingegen durch Nutzungen aus ihrem gemeinsamen Anwesen mit geprägt worden sein.
Leben Eheleute - wie hier die Parteien - in einem in ihrem Eigentum stehenden Haus, so entfällt für sie einerseits die Notwendigkeit der Mietzahlung, die in der Regel einen Teil des allgemeinen Lebensbedarfs ausmacht. Zum anderen haben die Eheleute jedoch die allgemeinen Grundstücksunkosten und -lasten zu tragen und darüber hinaus bei Belastung ihres Einkommens die dafür anfallenden Zins- und Tilgungsleistungen aufzubringen. Soweit - bei einer Gegenüberstellung der ersparten Mietaufwendungen mit den mit dem Eigentum verbundenen Unkosten - der Nutzungswert eines Hauses im Einzelfall den von den Eigentümern zu tragenden Aufwand übersteigt, die Eigentümer also "billiger" wohnen als Eheleute, die für eine vergleichbare Wohnung Miete zu zahlen haben, ist die Differenz zwischen dem Nutzungswert des Grundeigentums einerseits und dem Aufwand andererseits für die Bestimmung der ehelichen Lebensverhältnisse im Sinne von § 1578 Abs. 1 BGB den Einkünften der Eheleute hinzuzurechnen.
Im vorliegenden Fall haben die Parteien bei der Veräußerung ihres Anwesens einen verteilungsfähigen Überschuß von rund 200.000 DM erzielt. Das legt die Annahme nahe, daß ihnen während ihres Zusammenlebens in dem Haus der Vorteil eines - zumindest teilweise - "mietfreien" Wohnens zugeflossen ist. Den Wert dieses Vorteils wird das Berufungsgericht bei der erneuten tatrichterlichen Prüfung festzustellen und sodann - als Bestandteil der ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien - mit in die Bemessungsgrundlage für den nachehelichen Unterhaltsanspruch der Klägerin einzubeziehen haben.
5.
Die Revision hält dem Unterhaltsbegehren der Klägerin weiter entgegen, diese sei gehalten, den Stamm ihres aus der Veräußerung des ehelichen Anwesens erhaltenen Vermögens zu verwerten, bevor sie den Beklagten auf Unterhaltszahlungen in Anspruch nehme. Auch dieser Frage ist das Berufungsgericht bisher nicht nachgegangen.
Die Revision stellt insoweit zu Recht auf § 1577 Abs. 3 BGB ab. Nach dieser Vorschrift braucht der unterhaltsberechtigte geschiedene Ehegatte - der nach § 1577 Abs. 1 BGB keinen Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Ehegatten hat, solange und soweit er sich "aus seinen Einkünften und seinem Vermögen" selbst unterhalten kann - den Stamm seines Vermögens nicht zu verwerten, soweit die Verwertung unwirtschaftlich oder unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre.
Dies gilt auch für Vermögen, das aus der Veräußerung eines früher gemeinsam genutzten Anwesens herrührt. Auch solches Vermögen soll, wie alle Vermögenswerte eines Unterhaltsberechtigten, in der Regel dazu dienen, ergänzend zu dessen sonstigen Einkünften seinen Unterhaltsbedarf auf Lebenszeit zu sichern (vgl. Göppinger/Häberle Unterhaltsrecht 4. Aufl. Rdn. 1091; Rolland 1. EheRG 2. Aufl. § 1577 Rdn. 15). Unter diesem Gesichtspunkt kann die Beurteilung einer Obliegenheit zur - unter Umständen zunächst teilweisen - Verwertung des Vermögensstammes nach § 1577 Abs. 3 BGB im Einzelfall maßgeblich von der voraussichtlichen Dauer der Unterhaltsbedürftigkeit des unterhaltsberechtigten Ehegatten sowie davon abhängen, welche Ertragsmöglichkeiten das zur Verfügung stehende Vermögen - dauerhaft - bietet. Im übrigen werden dem Unterhaltsberechtigten stets gewisse Rücklagen für Not- und Krankheitsfälle zuzubilligen sein (vgl.Senatsurteil vom 14. Dezember 1983 - IVb ZR 38/82 = FamRZ 1984, 364, 367; Palandt/Diederichsen § 1577 Anm. 2 b).
Zu einer Verwertung seines Vermögensstammes ist ein unterhaltsberechtigter geschiedener Ehegatte darüber hinaus grundsätzlich dann nicht gehalten, wenn dies unter Berücksichtigung der beiderseitigen wirtschaftlichen Verhältnisse unbillig wäre. Unter diesem Gesichtspunkt kann dem Umstand, daß ein Vermögenswert aus dem Verkauf eines gemeinsamen Hauses der geschiedenen Ehegatten stammt und daß der andere Ehegatte einen entsprechenden Erlösanteil zu seiner freien Verfügung erhalten hat, wesentliche Bedeutung zukommen. Das zu beurteilen, ist indessen der tatrichterlichen Entscheidung des Berufungsgerichts vorbehalten.
6.
Dieses hat bei seiner neuen Entscheidung auch Gelegenheit, im Rahmen der Prüfung der Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin die Grundsätze des Senatsurteilsvom 14. Dezember 1983 (IVb ZR 38/82 = FamRZ 1984, 364, 366 m.w.N.) zur unterhaltsrechtlichen Berücksichtigung von Wohngeld heranzuziehen.
7.
Sollte sich nach Klärung der aufgezeigten Fragen - zum Umfang der Unterhaltsbedürftigkeit der Klägerin auf der Grundlage der maßgeblichen ehelichen Lebensverhältnisse der Parteien - bei der Entscheidung über den geltendgemachten Unterhaltsanspruch nach § 1573 Abs. 2 BGB noch die Frage der Leistungsfähigkeit des Beklagten stellen, so sind auch auf seiner Seite die tatsächlich erzielten - oder in zumutbarer Weise erzielbaren (vgl. insoweit - zum Erwerbseinkommen - Senatsurteil vom 8. April 1981 - IVb ZR 566/80 = FamRZ 1981, 539, 540) - Erträge aus dem ihm zugefallenen Erlösanteil aus dem Verkauf des ehelichen Anwesens zu berücksichtigen. Denn für die Obliegenheiten des Berechtigten und des Verpflichteten zum Einsatz ihrer wirtschaftlichen Mittel sind grundsätzlich die gleichen Maßstäbe anzulegen (vgl. Göppinger/Wenz a.a.O. Rdn. 1163). Auch bei der Ermittlung der Leistungsfähigkeit des unterhaltspflichtigen geschiedenen Ehegatten sind regelmäßig alle Einkünfte heranzuziehen, die ihm zufließen, gleich welcher Art sie sind und auf welcher Grundlage er sie bezieht (Senatsurteil vom 21. Januar 1981 - IVb ZR 548/80 = FamRZ 1981, 338, ständige Rechtsprechung; zuletztSenatsurteil vom 4. April 1984 - IVb ZR 77/82). Laufende Erträge aus dem Erlös eines nach der Scheidung veräußerten Familieneigenheims sind hiervon nicht ausgenommen.
Blumenröhr
Krohn
Macke
Zysk