Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.12.1983, Az.: VIII ZR 195/82
Zulässigkeit einer Regelung in AGB oder in einem Formularvertrag, die dem Verwender das Recht gibt, das einem selbständigen Vertragshändler ohne Gebietsschutz zugewiesene Marktverantwortungsgebiet aus Gründen der Marktabdeckung einseitig zu verkleinern; Beseitigung der Unangemessenheit einer Vertragsbestimmung durch die Berücksichtigung billigen Ermessens bei der Auslegung und Anwendung der Vertragsbestimmung im Individualprozess; AGB- oder Formularklausel, in der der die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nehmende Verwender missbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht; Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen als Indiz für die Unangemessenheit der Vertragsgestaltung; Auslegung einer Vertragsklausel unter Anwendung billigen Ermessens
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 21.12.1983
- Aktenzeichen
- VIII ZR 195/82
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1983, 13944
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Köln - 23.04.1982
- LG Köln
Rechtsgrundlagen
- § 9 AGBG
- § 28 Abs. 2 AGBG
- § 315 BGB
Fundstellen
- BGHZ 89, 206 - 218
- MDR 1984, 395-396 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1984, 1182-1184 (Volltext mit amtl. LS)
Prozessführer
Automobilkaufmann und Ingenieur Hans L. als Inhaber der Firma Autohaus Jean L., Odenthaler Straße ... in B.-G.,
Prozessgegner
F.-Werke AG, O. platz ... in K.,
gesetzlich vertreten durch den Vorstand Go., C., D., Gu., Hartwig, I., J., Le., Lei.
und U.,
Amtlicher Leitsatz
Ein in AGB oder in einem Formularvertrag geregeltes Recht des Verwenders (eines Automobilherstellers), das einem selbständigen Vertragshändler ohne Gebietsschutz zugewiesene sog. Marktverantwortungsgebiet "aus Gründen der Marktabdeckung" einseitig zu verkleinern, ist unangemessen, wenn die Vertragsklausel sich nicht auf schwerwiegende Änderungsgründe beschränkt, nur eine dreimonatige Ankündigungsfrist vorsieht, das Ausmaß der Änderungen nicht begrenzt und keinen Ausgleich für die dem Vertragshändler entstehende Einbuße anbietet. Die Berücksichtigung billigen Ermessens bei der Auslegung und Anwendung der Vertragsbestimmung beseitigt deren generelle Unangemessenheit auch für den Individualprozeß nicht.
In dem Rechtsstreitverfahren hat
der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes
auf die mündliche Verhandlung vom 21. Dezember 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Braxmaier und
die Richter Wolf, Dr. Brunotte, Dr. Zülch und Groß
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 23. April 1982 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 14. Juli 1982 aufgehoben. Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Revisionsverfahrens - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Der Kläger fordert von der Beklagten Schadensersatz wegen Verletzung eines zwischen den Parteien am 1. November 1976 geschlossenen "Haupthändlervertrages". Bereits seit 1928 vertreibt die jetzt vom Kläger geleitete Firma Kraftfahrzeuge der Beklagten. Nachdem der Kläger dies aufgrund einer vorläufigen Regelung seit Jahren als sog. Haupthändler fortgesetzt hatte, schlossen die Parteien am 1. November 1976 einen schriftlichen, von der Beklagten nach dem bei ihr verwendeten Muster vorformulierten Haupthändlervertrag. Dieser regelte umfassend die gegenseitigen Rechte und Pflichten der Beklagten als Hersteller in und Lieferantin von Kraftfahrzeugen, Zubehör und Ersatzteilen und des als selbständigem Kaufmann auftretenden Klägers, der die Fahrzeuge und Waren teils selbst, teils über Händler seiner Unterorganisation zu vertreiben, für die Erzeugnisse der Beklagten zu werben sowie eine Werkstatt und ein Ersatzteillager zu unterhalten hatte. Als sog. Marktverantwortungsgebiet, in welchem er als einziger Haupthändler tätig war, ohne jedoch Gebietsschutz gegenüber Verkäufen anderer Haupthändler oder Händler aus anderen Bezirken zu genießen, war ihm, wie schon in den Jahren zuvor, ein Gebiet des Rheinisch-Bergischen Kreises mit den Orten Bergisch-Gladbach, Overath, Kürten, Odenthal, Lindlar und zu 46 % Engelskirchen zugewiesen. Zu Bergisch-Gladbach gehörte als Ortsteil seit kurzem die früher selbständige Stadt Bensberg, in der die Firma Willi M. KG als Unterorganisations-Händler des Klägers arbeitete. An ihrem wirtschaftlichen Erfolg hatte der Kläger als Haupthändler einen gewissen Anteil, andererseits mußte er sie organisatorisch unterstützen.
Art. 6 Nr. 5 des Vertrages lautet auszugsweise:
"Sollte die Gesellschaft zu der Erkenntnis kommen, daß ihre Interessen im Marktverantwortungsgebiet aus Gründen der Marktabdeckung oder der Verkaufsleistung nicht genügend gewahrt sind, so behält sie sich das Recht vor, einen oder mehrere zusätzliche Haupthändler im Marktverantwortungsgebiet zu ernennen, die dann gemeinsam für dieses Gebiet die Verantwortung mittragen. Aus den gleichen Gründen behält sie sich das Recht vor, die Grenzen eines bestehenden Marktverantwortungsgebietes zu ändern.
Die Gesellschaft wird dem Haupthändler ihre Absicht, einen oder mehrere zusätzliche Haupthändler im Marktverantwortungsgebiet zu ernennen oder die Grenzen des Marktverantwortungsgebietes zu verändern, wenigstens 3 Monate vor der beabsichtigten Ernennung oder Änderung mitteilen. Ist die Verkaufsleistung des Haupthändlers für die Absicht der Gesellschaft allein maßgeblich, so findet Abs. 11 dieses Artikels Anwendung. Innerhalb dieses Zeitraums kann der Haupthändler der Gesellschaft alle Umstände zur Kenntnis bringen, die auf die Entscheidung der Gesellschaft einen Einfluß haben könnten. Die Gesellschaft wird die Hinweise prüfen und den Haupthändler in angemessener Zeit von ihrer endgültigen Entscheidung in Kenntnis setzen".
Art. 6 Nr. 11 des Vertrages lautet:
"Falls der Haupthändler keine im Sinne dieses Artikels die Gesellschaft zufriedenstellenden Zulassungsergebnisse erbringt, wird die Gesellschaft ihm seine Versäumnisse schriftlich mitteilen und ihm gleichzeitig eine Frist setzen, welche für die erforderliche Leistungsverbesserung angemessen ist. Während dieser zeit wird die Gesellschaft den Haupthändler in allen Fragen seiner Leistungsverbesserung nach besten Kräften beraten."
In einer mündlichen Besprechung vom 26. Januar und einem Schreiben vom 2. Februar 1977 teilte die Beklagte dem Kläger mit, sie beabsichtige, aus Gründen der besseren Marktabdeckung den Ortsteil Bensberg aus dem Marktverantwortungsgebiet des Klägers herauszulösen und mit einem eigenen Haupthändler zu besetzen, wofür die Firma M. KG in Betracht komme. Die nachfolgende Korrespondenz mit Schreiben des Klägers vom 7. Februar, 11. März und 20. April 1977 sowie der Beklagten vom 4. März, 15. April und 18. Mai 1977 führte zu keiner Einigung. Der Kläger widersprach der Veränderung und bewarb sich für den Fall, daß es dennoch bei dem Vorhaben bleibe, selbst um den neuen Haupthändlerplatz. Die Beklagte blieb jedoch bei ihrer Ankündigung. Am 1. Januar 1978 nahm die Firma Willi M. KG ihre Tätigkeit als Haupthändler in Bensberg auf und schied gleichzeitig aus der Unterorganisation des Klägers aus. Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 27. Oktober 1978 den Haupthändlervertrag zum 31. Oktober 1979 gemäß Art. 18 des Vertrages, der eine jederzeitige Kündigung mit Jahresfrist vorsah. Das gleichzeitige Angebot auf Abschluß eines neuen Haupthändlervertrages für das bisherige Marktverantwortungsgebiet ohne Bensberg nahm der Kläger mit Schreiben vom 20. November 1978 an.
Der Kläger hat zunächst auf Feststellung der Schadensersatzpflicht der Beklagten für allen ihm aus der Einsetzung eines weiteren Haupthändlers in Bensberg entstehenden Schaden Klage erhoben. Nach deren Abweisung durch das Landgericht, das zuvor ein Sachverständigengutachten eingeholt hatte, hat er in der Berufungsinstanz die Ersatzforderung auf den Zeitraum vom 1. Januar 1978 bis 31. Oktober 1979 begrenzt und - als Mindestschaden - Zahlung von 242.191,- DM gefordert, ferner Auskunft über die in dem fraglichen Zeitraum an die Firma Willi Müller KG gelieferten Fahrzeuge sowie Zahlung des sich aus der Auskunft ergebenden weiteren Schadensbetrages verlangt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt der Kläger seine in der Berufungsinstanz zuletzt gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg.
I.
1.
Das Berufungsgericht verneint jeden Schadenserstzanspruch des Klägers mit der Begründung, die Beklagte habe sich bei der Verkleinerung des Marktverantwortungsgebietes im Rahmen des ihr vertraglich eingeräumten Ermessens gehalten. Art. 6 Nr. 5 des Vertrages als Grundlage für ihre Entscheidung sei nicht unwirksam, weil der Vorbehalt einer einseitigen Gebietsänderung nicht grundsätzlich unbillig sei, wenn die Vorschrift so ausgelegt werde, daß die Beklagte nur nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen des Klägers habe handeln dürfen. Die Beklagte habe einen größeren Marktüberblick als der Kläger; eine Bestandsgarantie für Marktverantwortungsgebiete könnte zu einer erheblichen Markteinbuße und damit zur Existenzgefährdung für die Beklagte führen, was wiederum Auswirkungen auf alle ihre Haupthändler hätte.
Diese von der Revision angegriffenen Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Art. 6 Nr. 5 des Vertrages ist als unangemessene Formularklausel jedenfalls teilweise unwirksam.
2.
a)
Der hier maßgebliche Haupthändlervertrag war am 1. November 1976 abgeschlossen. Für eine Inhaltsprüfung ist daher das am 1. April 1977 in Kraft getretene AGB-Gesetz nicht in seiner Gesamtheit anzuwenden (§ 28 Abs. 1, § 30 AGB-Gesetz). Ob nach der Übergangsbestimmung in § 28 Abs. 2 dieses Gesetzes sein § 9 den Prüfungsmaßstab bildet oder ob § 28 Abs. 2 wegen verfassungsrechtlicher Bedenken oder - bei Haupthändlerverträgen - mangels Erfüllung der tatbestandlichen Voraussetzungen nicht anwendbar ist (vgl. zu diesen Fragen Ulmer/Brandner/Hensen, AGBG, 4. Aufl. § 28 Rdn. 4 und 5), kann dahingestellt bleiben. Im Falle seiner Unanwendbarkeit wäret die Formularklausel an den von der Rechtsprechung entwickelten und an § 242 BGB orientierten Grundsätzen zu messen (Senatsurteil vom 6. Oktober 1982 - VIII ZR 201/81 = NJW 1983, 159 = WM 1982, 1354), die im wesentlichen dem später in § 9 AGB-Gesetz kodifizierten Rechtszustand entsprechen (BGHZ 83, 169, 174) [BGH 03.03.1982 - IVa ZR 256/80].
b)
Art. 6 Nr. 5 des Vertrages ist nicht Bestandteil Allgemeiner Geschäftsbedingungen im engeren Sinne, sondern eines in seinem gesamten Inhalt von der Beklagten vorformulierten, umfangreichen und nicht ohne weiteres überschaubaren Mustervertrages, der von der Beklagten gegenüber ihren sämtlichen Haupthändlern im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland verwendet wird. Auf derartige, vom Revisionsgericht selbst auszulegende Formularverträge sind die Grundsätze der Inhaltskontrolle auch dann anzuwenden, wenn die Abmachungen wegen ihres Abschlußzeitpunktes noch nicht unter § 1 AGB-Gesetz fallen (st. Rspr.; vgl. z.B. BGH Urteile vom 25. September 1970 - I ZR 72/69 = WM 1970, 1450 = BB 1970, 1504 -, vom 1. März 1978 - VIII ZR 70/77 = NJW 1978, 1519 [BGH 01.03.1978 - VIII ZR 70/77] = WM 1978, 491 - und vom 6. Oktober 1982 a.a.O. jeweils m.w.N.).
3.
Die Formularklausel des Art. 6 Nr. 5 ist insoweit unwirksam, als sie der Beklagten gestattet, aus Gründen der Marktabdeckung einseitig den Inhalt des Haupthändlervertrages hinsichtlich des Marktverantwortungsgebietes zu ändern. Ob damit auch die Änderungsbefugnis wegen mangelnder Verkaufsleistungen des Haupthändlers fraglich wird oder ob sie als inhaltlich selbständige Regelung trotz Unwirksamkeit des anderen Teils der Klausel aufrechterhalten werden kann (Senatsurteil vom 7. Oktober 1981 - VIII ZR 214/80 = NJW 1982, 178 = WM 1981, 1336 - unter II 3 e), bedarf keiner Entscheidung. Denn nach der nicht angegriffenen Feststellung des Berufungsgerichts hat die Beklagte die Gebietsveränderung ausdrücklich nicht auf mangelnde Verkaufsleistungen des Klägers gestützt.
a)
Unangemessen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs eine AGB- oder Formularklausel, in der der die Vertragsgestaltung einseitig für sich in Anspruch nehmende Verwender mißbräuchlich eigene Interessen auf Kosten des Vertragspartners durchzusetzen versucht, ohne von vornherein die Interessen seines Partners hinreichend zu berücksichtigen und ihm einen angemessenen Ausgleich zuzugestehen; ein wesentliches Indiz dafür ist die Abweichung von dispositiven gesetzlichen Bestimmungen, soweit diese nicht nur auf Zweckmäßigkeitserwägungen beruhen, sondern dem Gerechtigkeitsgebot Ausdruck verleihen (BGHZ 41, 151, 154; 51, 55, 59; 60, 243, 245; 63, 238, 239; 74, 383, 390, jeweils m.w.N.). Dispositives Recht in diesem Sinne sind nicht nur gesetzliche Einzelregelungen (z.B. Schadensersatz- oder Gewährleistungsvorschriften), sondern auch die dem Gerechtigkeitsgebot entsprechenden allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze, so etwa das Dispositionsrecht des Käufers über Art und Menge der zu kaufenden Waren (BGHZ 82, 238, 240) [BGH 01.12.1981 - K ZR 37/80] oder der Grundsatz der Vertragsfreiheit hinsichtlich der Verfügung über die in das Eigentum des Käufers übergegangene und voll bezahlte Ware (Senatsurteil vom 7. Oktober 1981 - VIII ZR 214/80 - a.a.O. unter II 3 a).
b)
Das in der Formularklausel vorgesehene einseitige Änderungsrecht der Beklagten weicht von dem das Vertragsrecht beherrschenden Rechtsgrundsatz der Bindung beider Vertragspartner an eine von ihnen getroffene Vereinbarung und der daraus folgenden Abänderbarkeit nur im beiderseitigen Einvernehmen ab. Eine individuell vereinbarte Regelung dieses Inhalts wäre nicht zu beanstanden, weil sie durch das Prinzip der Vertragsfreiheit gedeckt wäre. Formularmäßig (oder in AGB) kann der Bindungsgrundsatz, der eine wesentliche Grundlage für ein funktionierendes, die Äquivalenz gegenseitiger Leistungen sicherndes Vertragsrechtssystem darstellt, auch im kaufmännischen Verkehr nur dann verdrängt werden, wenn die Vertragsklausel schwerwiegende Änderungsgründe nennt und in ihren Voraussetzungen und Folgen erkennbar die Interessen des Vertragspartners angemessen berücksichtigt. Denn je stärker der Gerechtigkeitsgehalt des verdrängten Rechtssatzes ist, desto gewichtiger müssen die Gründe für eine Abweichung sein, die außerdem einen angemessenen Ausgleich zugunsten des Vertragspartners anbieten muß, wenn sie dem Äquivalenzerfordernis gerecht werden will (BGHZ 41, 151, 154).
c)
Die Formulierung der hier streitigen Klausel läßt weder eine Beschränkung auf schwerwiegende Änderungsgründe noch die Berücksichtigung der Interessen des Haupthändlers erkennen.
aa)
Der Wortlaut der Klausel deckt eine Gebietsänderung auf Grund jeder nach der "Erkenntnis" der Beklagten eingetretenen oder zu befürchtenden Beeinträchtigung ihrer Interessen an einer bestmöglichen Marktabdeckung. Als Änderungsanlaß einbezogen ist also auch jede geringfügige nachteilige Geschäftsentwicklung infolge Absatzrückgangs oder Zurückbleibens hinter einer erwarteten Steigerung. Sind die Möglichkeiten der Marktabdeckung nicht in höchstem Maße genutzt und entgehen der Beklagten deshalb Absatzchancen in geringem Umfang, wäre dies bereits die Rechtfertigung für eine Gebietsänderung. Es liegt jedoch auf der Hand, daß derart geringfügige Nachteile keinen "schwerwiegenden" Grund in dem oben erörterten Sinne darstellen können. Andernfalls hätte die in Art. 6 Nr. 2 des Vertrages niedergelegte Bestimmung, nach der der Haupthändler in dem ihm zugewiesenen Marktverantwortungsgebiet der einzige ist, keinerlei praktische Bedeutung.
Die Unangemessenheit der zu weit gefaßten Formulierung wird verstärkt durch die Interpretation der Beklagten. Nach deren in der Revisionsinstanz präzisierten Auffassung soll ihre Änderungsbefugnis nicht an objektive Voraussetzungen geknüpft sein, sondern an ihre subjektive, wenn auch auf Grund sachlicher Erwägungen gebildete Vorstellung über die Beeinträchtigung ihrer Interessen. Können aber schon geringfügige objektive Nachteile nicht als schwerwiegende Änderungsgründe anerkannt werden, gilt das um so mehr von solchen Gründen, die - mit dem Risiko der Fehleinschätzung oder des Irrtums behaftet - nur in der Vorstellung der Beklagten bestehen.
Beide Vorinstanzen haben demgegenüber die Vertragsklausel für wirksam gehalten, weil die Beklagte bei sinngemäßer Auslegung von ihrem Änderungsrecht nur unter Anwendung billigen Ermessens (analog § 315 BGB) Gebrauch machen dürfe. Diese Einschränkung möchte die Beklagte sowohl auf die Feststellung der Voraussetzungen als auch auf das Ausmaß zulässiger Maßnahmen angewandt wissen, wobei sie auf die Möglichkeit späterer gerichtlicher Nachprüfung (§ 315 Abs. 3 Satz 2 BGB) verweist. An der Unwirksamkeit der zu weit gefaßten Klausel ändert die Einbeziehung des Rechtsgedankens aus § 315 BGB jedoch nichts. Diese Bestimmung scheidet als unmittelbare Rechtfertigung der streitigen Klausel schon deshalb aus, weil sie eine wirksame Anwendungsvereinbarung bereits voraussetzt und die Entscheidung über die Wirksamkeit der Vertragsklausel sich ausschließlich nach den Angemessenheitsmaßstäben des § 9 AGB-Gesetz bzw. den früher dazu entwickelten Grundsätzen richtet (Senatsurteil vom 18. Mai 1983 - VIII ZR 20/82 = NJW 1983, 1603 [BGH 18.05.1983 - VIII ZR 20/82] = WM 1983, 680 unter II 2 b cc). Auch als inhaltliche Beschränkung des Anwendungsbereichs der Klausel läßt sich der in § 315 BGB enthaltene Rechtsgedanke nicht verwerten. Der weite Spielraum der Billigkeit genügt nicht den an die Eingrenzung und Konkretisierung einer Formularbestimmung zu stellenden Anforderungen (Senatsurteil vom 11. Juni 1980 - VIII ZR 174/79 = NJW 1980, 2518 = WM 1980, 1120 unter II 2 d; wie hier auch Graf von Westphalen NJW 1982, 2465, 2468, 2471 f). Er läßt im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses, auf den es für die Wirksamkeit einer Formularklausel ankommt, keine Beurteilung der möglichen Anwendungsfälle zu und ist deshalb als inhaltsbestimmendes Tatbestandsmerkmal ungeeignet. Was insoweit für die abstrakte Prüfung einer AGB-Bestimmung nach § 13 AGB-Gesetz gilt (Senatsurteil vom 11. Juni 1980 a.a.O. unter II 2 c), kann in einem Individualprozeß der vorliegenden Art nicht anders beurteilt werden, weil für den Haupthändler - hier den Kläger - auch bei Berücksichtigung der konkreten Verhältnisse und Umstände kein Kriterium ersichtlich ist, auf Grund dessen er bei Vertragsabschluß einschätzen könnte, unter welchen Voraussetzungen die Beklagte eine Gebietsänderung für erforderlich halten werde (vgl. zu den Anforderungen im Individualprozeß auch BGHZ 82, 238 ff [BGH 01.12.1981 - K ZR 37/80]).
Der vom Berufungsgericht anerkannte Einwand der Beklagten, sie sei auf die von ihr formulierte weitreichende Befugnis dringend angewiesen, um gegenüber der ständig wechselnden Marktlage flexibel reagieren und schwere Nachteile von sich und damit zugleich von allen Haupthändlern abwenden zu können, überzeugt nicht. Ein neuer Haupthändlerplatz erfordert unstreitig in aller Regel erhebliche Investitionen. Seine Einrichtung kann daher nicht Antwort auf plötzliche, in ihrer Dauerwirkung noch nicht überschaubare Marktschwankungen sein, sondern ist - wie die Beklagte stets betont hat - Ergebnis langfristiger Beobachtungen und Überlegungen. Deren Realisierung kann die Beklagte anläßlich einer neuen Besetzung eines Marktverantwortungsgebietes oder durch Verhandlungen mit dem bisherigen Haupthändler erreichen, falls sie diesem ihre Gründe plausibel machen kann. Hat sie dabei keinen Erfolg, bleibt ihr notfalls die in ihrem Haupthändlervertrag vorgesehene Kündigung, die sie gegebenenfalls mit dem Angebot eines neuen Vertrages für ein verkleinertes Marktverantwortungsgebiet verbinden kann. Angesichts des mit der Maßnahme verfolgten langfristigen Zweckes wird ihr grundsätzlich anzuerkennendes Interesse an einer Änderung der Absatzorganisation durch die in Art. 18 der Vertragsbedingungen vorgesehene einjährige Kündigungsfrist nicht erheblich beeinträchtigt. Anders als in dem Fall des Senatsurteils vom 11. Juni 1980 (aaO) ist die Verweisung auf die "Änderungskündigung" für die Beklagte nicht unzumutbar, weil es sich bei der Anpassung der Marktabdeckung in einem einzelnen Bezirk naturgemäß nicht um ein Massengeschäft handelt. Die Beklagte kann sich schließlich auch nicht auf die wirtschaftlich unerläßliche Freiheit unternehmerischer Entscheidungen berufen. Diese Freiheit hat sie teilweise selbst aufgegeben, indem sie ihren Absatz nicht über firmeneigene Verkaufsstellen, sondern über selbständige, nur durch Einzelverträge mit ihr verbundene Händler organisiert hat, denen gegenüber sie nur im Rahmen allgemein gültiger Vertragsregeln handeln bzw. Rechte in Anspruch nehmen kann.
Da es nach alledem an einem gewichtigen Grund für ein einseitiges Gebietsänderungsrecht der Beklagten fehlt, kann dahingestellt bleiben, ob die Klausel allein schon wegen ihrer aus der Sicht des Haupthändlers mangelnden Transparenz oder Bestimmtheit (Graf von Westphalen aaO; vgl. auch das Senatsurteil vom 11. Juni 1980 aaO) zu beanstanden wäre. Entgegen der Ansicht der Revision gibt allerdings der Begriff der "Marktabdeckung" dafür noch keinen Anlaß. Er drückt ersichtlich die von vertragsmäßigem Verhalten des Haupthändlers unabhängige Versorgung des Marktverwantwortungsgebietes mit einem in der Öffentlichkeit sichtbaren und konkurrenzfähigen Verkaufs- und Betreuungsangebot aus und wäre damit als Tatbestandselement für eine im übrigen haltbare Regelung geeignet.
bb)
Ein weiterer Grund für die Unangemessenheit der Klausel liegt in der in ihr vorgesehenen Ankündigungsfrist von nur drei Monaten, die die Interessen des Haupthändlers nicht hinreichend berücksichtigt. Die Beklagte hat keine Gründe dafür vorgetragen, weshalb es für sie trotz der Langfristigkeit ihrer Vorüberlegungen auf eine derart kurze Frist ankommen kann. Andererseits liegt es auf der Hand, daß eine so kurzfristige Änderung, die im vorliegenden Fall nach dem in erster Instanz eingeholten Gutachten 20 % der Fahrzeugverkäufe im Marktverantwortungsgebiet betraf, für den Haupthändler von einschneidender Bedeutung sein kann. Er müßte zumindest in der Lage sein, seine geschäftlichen Dispositionen (z.B. den Personalbestand oder seine Fahrzeugbestellungen und Ersatzteileinlagerungen) den geänderten Verhältnissen rechtzeitig anzupassen. Das ist offensichtlich in drei Monaten nicht möglich.
cc)
Schließlich sind die Interessen des Haupthändlers auch deshalb nicht angemessen berücksichtigt, weil die Klausel keinerlei Ausgleich für die Verkleinerung des Marktverantwortungsgebietes und der Unterorganisation mit der Folge der Verringerung des Umsatzes vorsieht. Während sich die Klägerin von ihrer Maßnahme eine Verbesserung ihres Absatzes verspricht, soll der Haupthändler Nachteile hinnehmen, deren Ausmaß in der Vertragsbestimmung nicht einmal begrenzt ist. Insofern unterscheidet sich der Sachverhalt von dem im Urteil des Bundesgerichtshofs vom 1. Dezember 1981 (aaO). Denn dort stand dem einseitig in Anspruch genommenen Dispositionsrecht des Großhändlers das Remissionsrecht des Händlers gegenüber. Im vorliegenden Fall soll dagegen die Belastung einseitig dem Haupthändler auferlegt werden. Diese Regelung, die in ihrer Wirkung einer Teilkündigung gleichkommt, umgeht damit die gesetzliche Bestimmung in § 89 b HGB, die dem Handelsvertreter bei Kündigung durch den Unternehmer einen Ausgleichsanspruch zubilligt und grundsätzlich auf Eigenhändler analog anwendbar ist, sofern die Voraussetzungen dafür im Einzelfall vorliegen (vgl. z.B. BGH, Urteile vom 25. März 1982 - I ZR 146/80 = NJW 1982, 2819 = WM 1982, 1125 - und vom 20. Oktober 1983 - I ZR 86/82, zur Veröffentlichung bestimmt -, jeweils m.w.N.). Eine solche Vertragsgestaltung geht an berechtigten Interessen des Vertragspartners vorüber. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, daß die einseitige Gebietsänderung für den Haupthändler die geringere Belastung gegenüber der sonst nur in Betracht kommenden Kündigung sei. Abgesehen davon, daß dies nicht in jedem Falle zutreffen muß, kann die Beklagte die vermeintlich geringere Beeinträchtigung dem Haupthändler nicht gegen dessen Willen vorschreiben. Ihm muß es überlassen bleiben, ob er sich einem Änderungsverlangen fügen oder sich der Gefahr der Kündigung - dann jedoch mit dem möglichen Anspruch aus § 89 b HGB - aussetzen will. Die einseitige Gebietsabtrennung ist daher keine angemessene Maßnahme, ihre Regelung infolgedessen kein wirksamer Vertragsbestandteil geworden.
d)
Die weiteren Einwendungen der Revision, die sich darauf richten, auch die Gebietsänderung aus Gründen der Marktabdeckung müsse dem Verfahren nach Art. 6 Nr. 11 des Vertrages unterworfen sein, bedürfen unter diesen Umständen keiner Entscheidung.
4.
Auf die vom Berufungsgericht geprüfte Frage, ob sich die Beklagte im Jahre 1977 im Rahmen billigen Ermessens gehalten hat, kommt es ebenfalls nicht an. Da die Klausel des Art. 6 Nr. 5 kein wirksamer Vertragsbestandteil war, verletzt die Abtrennung des Gebietsteils Bensberg und die Einsetzung eines neuen Haupthändlers in diesem Bezirk den Art. 6 Nr. 2 des am 1. November 1976 mit dem Kläger abgeschlossenen Vertrages, der die alleinige Niederlassung des Klägers als Haupthändler in seinem Marktverantwortungsgebiet vorsah. Für den dem Kläger daraus entstandenen Schaden, der im jetzigen Rechtsstreit auf die Zeit vom 1. Januar 1978 bis 31. Oktober 1979 begrenzt ist, hat die Beklagte Ersatz zu leisten.
5.
Feststellungen zur Höhe des Anspruchs sind bisher nicht getroffen. Soweit das angefochtene Urteil den bezifferten Zahlungsanspruch des Klägers abgewiesen hat, mußte es daher aufgehoben und die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.
II.
Das Berufungsgericht hat den Anspruch auf Erteilung einer Auskunft über die von der Beklagten an die Firma Willi Müller KG ab 1. Januar 1978 gelieferten Fahrzeuge und den sich aus der Auskunft ergebenden, noch unbezifferten weiteren Anspruch mit der Begründung abgewiesen, daß die Forderung schon dem Grunde nach nicht bestehe. Da diese Begründung nicht zutrifft, wie oben zu I ausgeführt ist, war das angefochtene Urteil auch insoweit aufzuheben.
Steht dem Kläger ein Anspruch zu, so kann er von der Beklagten auch die verlangte Auskunft fordern. Ob ein solcher Anspruch bereits aus der analogen Anwendung von § 87 c HGB herzuleiten ist, kann dahingestellt bleiben. Jedenfalls ist er begründet, weil die Parteien durch den Haupthändlervertrag in einem besonderen Rechtsverhältnis zueinander standen und der Kläger aufgrund dieses Vertrages einen Anspruch gegen die Beklagte hat, den er aber mangels eigenen Zugangs zu den Unterlagen nicht beziffern kann, während die Beklagte zur Erteilung der Information unschwer in der Lage ist (Senatsurteil vom 7. Mai 1980 - VIII ZR 120/79 = NJW 1980, 2463 = WM 1980, 771 m.w.N.). Ergibt sich aus der Auskunft ein Schaden, der den bisher beziffert eingeklagten Betrag übersteigt, steht dem Kläger auch dieser höhere Betrag zu.
Die Sache mußte daher insgesamt zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden, dem auch die Entscheidung über die Kosten der Revisionsinstanz zu übertragen war.
Wolf
Dr. Brunotte
Dr. Zülch
Groß