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Bundesgerichtshof
Urt. v. 09.11.1983, Az.: IVb ZR 22/82

Begründung des Unterhaltsanspruchs auf eine Unterhaltsvereinbarung; Bestehen eines gesetzlichen Unterhaltsanspruchs; Ausschluss des Unterhaltsanspruchs auf Grund der Härteklausel

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
09.11.1983
Aktenzeichen
IVb ZR 22/82
Entscheidungsform
Urteil
Referenz
WKRS 1983, 12284
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
OLG Hamm - 12.02.1982
AG Essen-Borbeck

Fundstellen

  • MDR 1984, 300 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1984, 297-299 (Volltext mit amtl. LS)

Verfahrensgegenstand

Zu den Voraussetzungen des "besonders gelagerten Härtefalles" im Sinne des Urteils des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1981 (BVerfGE 57, 361)

Prozessführer

1. Christa G., G. straße ..., E.

2. Sabine G., geb. am ..., wohnhaft bei der Mutter, der Klägerin zu 1.,
gesetzlich vertreten durch die Klägerin zu 1.

3. Jörg G., geb. am ..., wohnhaft bei der Mutter, der Klägerin zu 1.,
gesetzlich vertreten durch die Klägerin zu 1.

Prozessgegner

Jürgen G., S. straße ..., E.

Amtlicher Leitsatz

Zu den Voraussetzungen des "besonders gelagerten Härtefalles" im Sinne des Urteils des BVerfG vom 14.7.1981 (BVerfGE 57, 361 = NJW 1981, 1771 [BVerfG 14.07.1981 - 1 BvL 28/77]).

In der Familiensache
hat der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 9. November 1983
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Dr. Seidl,
Dr. Blumenröhr, Dr. Macke und Nonnenkamp
für Recht erkannt:

Tenor:

Auf die Revision der Klägerin zu 1. wird das Urteil des 2. Senats für Familiensachen des Oberlandesgerichts Hamm vom 12. Februar 1982 aufgehoben, im Ausspruch über die Kosten jedoch nur insoweit, als es die Gerichtskosten sowie die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 1. und des Beklagten betrifft.

Im Umfang der Aufhebung wird der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Parteien streiten um Unterhalt.

2

Die Klägerin zu 1. und der Beklagte haben am 23. September 1971 die Ehe geschlossen, aus der die am ... geborene Tochter Sabine, die Klägerin zu 2., und der am ... geborene Sohn Jörg, der Kläger zu 3., hervorgegangen sind. Im Herbst 1978 hat die Klägerin zu 1. intime Beziehungen zu einem anderen Mann, dem Zeugen L., aufgenommen. Anfang Februar 1979 ist sie mit den beiden Kindern aus der Ehewohnung ausgezogen; seitdem lebt sie mit L. in eheähnlicher Gemeinschaft zusammen. Sie ist nicht erwerbstätig. Daß sie seit der Trennung die Kinder betreut, entspricht dem Einverständnis des Beklagten.

3

Durch Verbundurteil vom 3. Dezember 1980 - rechtskräftig seit 7. Februar 1981 - ist die Ehe geschieden und die elterliche Sorge für die Kinder der Mutter übertragen worden.

4

Die Kläger haben den Beklagten auf Unterhalt in Anspruch genommen. Sie haben behauptet, vor der Trennung sei eine Vereinbarung zustande gekommen, wonach der Beklagte monatlich 1.000 DM für die drei Kläger zu zahlen und das Kindergeld, das bis Ende Februar 1981 an ihn ausgezahlt worden ist, auszukehren habe. Zu Anfang habe der Beklagte diese Beträge gezahlt, dann jedoch nur noch 930 DM monatlich. In einem Vorprozeß hat die Klägerin zu 1. für die Zeit bis Ende Juni 1979 den Differenzbetrag erstritten.

5

Im vorliegenden Verfahren hat das Amtsgericht den Beklagten verurteilt, an die Klägerin zu 1. für die Zeit bis 28. Februar 1981 als Unterhaltsrückstand einen Betrag von 4.200 DM und ab 1. März 1981 die beanspruchte monatliche Unterhaltsrente vom 490 DM zu zahlen. Ferner hat es ab 1. März 1981 der Klägerin 2. 232,50 DM und dem Kläger zu 3. 277,59 DM monatlich (für alle drei Kläger mithin 1.000 DM monatlich) zuerkannt. Gegen dieses Urteil hat der Beklagte in vollem Umfang Berufung eingelegt, diese jedoch zurückgenommen, soweit sie gegen die Kläger zu 2. und 3. gerichtet war. Dem danach bestehen gebliebenen Rechtsmittel gegen die Klägerin zu 1. hat das Oberlandesgericht stattgegeben und das amtsgerichtliche Urteil dahin geändert, daß es ihre Klage abgewiesen hat. Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Klägerin zu 1. (im folgenden: Klägerin), mit der diese die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils und die Zurückweisung der Berufung erstrebt.

Entscheidungsgründe

6

I.

Das Berufungsgericht hat ausgeführt, auf eine Unterhaltsvereinbarung könne die Klägerin ihren Unterhaltsanspruch nicht stützen. Der Beklagte habe zwar nicht in Abrede gestellt, daß es vor der Trennung zu einer Absprache gekommen sei, wonach er 1.000 DM monatlich habe zahlen wollen. Soweit damit überhaupt eine bindende Regelung gewollt gewesen sei, fehle es jedoch an der Geschäftsgrundlage. Der Beklagte sei nämlich davon ausgegangen, daß er kraft Gesetzes zur Unterhaltsleistung an die Klägerin verpflichtet sei; ohne eine solche Unterhaltsverpflichtung hätte er keine Abrede über Unterhaltsleistungen an die Klägerin getroffen. Ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch der Klägerin, der für die Zeit bis zur Rechtskraft der Scheidung nach § 1361 BGB und für die Folgezeit nach § 1570 BGB in Betracht komme, bestehe jedoch nicht, weil ihr Mindestbedarf anderweitig gedeckt sei und ein darüber hinausgehender Anspruch aufgrund der Härteklausel des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 i.V. mit § 1361 Abs. 3 BGB ausgeschlossen sei. Die Klägerin lebe seit der Trennung in einem eheähnlichen Verhältnis mit dem Zeugen L. und erbringe diesem seitdem die in einem solchen Verhältnis üblichen geldwerten Leistungen. Als Entgelt für diese mit täglich mindestens 2,5 bis 3 Stunden zu veranschlagenden Leistungen erscheine ein monatlicher Betrag von mindestens 750 DM angemessen. Unter weiterer Berücksichtigung eines Wohngeldes sei davon auszugehen, daß der Klägerin monatlich mindestens 825 DM zur Verfügung ständen oder doch zur Verfügung stehen könnten und daß damit ihr Mindestbedarf gedeckt sei. Unter diesen Umständen habe die Klägerin keinen Unterhaltsanspruch gegen den Beklagten. Weil sie sich gegen dessen Willen dem Zeugen L. zugewendet habe und mit diesem in eheähnlicher Gemeinschaft lebe, habe sie die Härteregelung des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB verwirklicht. Auf § 1579 Abs. 2 BGB könne sie sich trotz der Betreuung der gemeinschaftlichen Kinder nicht berufen, weil diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungswidrig sei, soweit sie die Anwendung des § 1579 Abs. 1 BGB auch in besonders gelagerten Härtefällen ausschließe. Ein solcher Härtefall sei in Fällen der vorliegenden Art anzunehmen Angesichts des Fehlverhaltens der Klägerin erscheine es jedenfalls unter den gegebenen Umständen grob unbillig, ihr noch etwas zuzubilligen, da davon auszugehen sei, daß ihr Mindestbedarf gedeckt werden könne, ohne daß dadurch die Betreuung der Kinder beeinträchtigt werde. Damit erweise sich das Unterhaltsverlangen der Klägerin als unbegründet.

7

II.

Diese Entscheidung kann keinen Bestand haben, weil die Beurteilung des Oberlandesgerichts, daß eine gesetzliche Unterhaltspflicht des Beklagten gegenüber der Klägerin nicht bestehe, nicht in allen Punkten frei von rechtlichen Bedenken ist.

8

1.

Ohne Erfolg wendet sich die Revision dagegen, daß das Oberlandesgericht von der anderweitigen Befriedigung des Mindestbedarfs der Klägerin ausgegangen ist. Hierzu rügt die Revision, der Feststellung, daß die Klägerin für den Zeugen L. Leistungen erbringe und dafür täglich 2,5 bis 3 Stunden aufwende, fehle jede Grundlage. Der Beweisaufnahme sei ein derartiger Sachverhalt nicht zu entnehmen. Der Beklagte habe sich lediglich darauf berufen, daß die Klägerin mit L. in eheähnlicher Gemeinschaft lebe und ihr Unterhaltsanspruch daher ausgeschlossen sei; daß sie Leistungen für L. erbringe, für die sie sich eine angemessene Vergütung anrechnen lassen müsse, habe er nicht vorgetragen. Diese Rüge greift nicht durch.

9

Der Vortrag des Beklagten, die Klägerin lebe mit dem Zeugen L. in eheähnlicher Gemeinschaft, war bei verständiger Würdigung dahin zu verstehen, daß die Klägerin in Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft mit dem Zeugen lebe. Ein derartiges Verständnis entspricht nicht nur der Interpretation des Begriffes der eheähnlichen Gemeinschaft auf dem Gebiete des Sozialhilferechts, wo dieser Begriff in § 122 BSHG Eingang in den Gesetzestatbestand gefunden hat und allgemein so verstanden wird (vgl. etwa Gottschick/Giese, BSHG 6. Aufl. Rdn. 2.1; Knopp/Fichtner, BSHG 4. Aufl. Rdn. 2; Schellhorn/Jirasek/Seipp, BSHG 9. Aufl. Rdn. 4, jeweils zu § 122); vielmehr gilt dieses Verständnis auch für den Bereich des Unterhaltsrechts (vgl. auch BGH, Urteil vom 26. September 1979 - IV ZR 87/79 - FamRZ 1980, 40). Als Beitrag zu dieser vom Beklagten behaupteten Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft zwischen der Klägerin und dem Zeugen L. kamen von Seiten der Klägerin neben der Überlassung der Wohnung an den Zeugen insbesondere die Haushaltsführung und damit die Besorgungen und Verrichtungen in Betracht, die der haushaltführende Partner üblicherweise für den anderen verrichtet.

10

In diesem Sinne ist der Vortrag des Beklagten auch von den Prozeßbeteiligten verstanden worden. Das ergibt sich vor allem aus den Protokollen des Vorprozesses, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht waren und mit deren Verwertung sich beide Parteien einverstanden erklärt haben. So gibt die Niederschrift vom 12. Dezember 1979 den Vortrag des Vertreters der Klägerin wieder, daß L. "weder bei der Klägerin wohne, noch eine Wirtschaftsgemeinschaft mit dieser unterhalte". Im Anschluß hieran beschloß das Gericht nach demselben Protokoll die Beweiserhebung "über die Behauptung des Beklagten ..., die Klägerin lebe in Wirtschaftsgemeinschaft" mit L..

11

Im Zuge dieser Beweisaufnahme hat der Zeuge L. bei seiner zweiten Vernehmung, bei der er seine frühere Aussage berichtigt hat, ausweislich der Niederschrift vom 9. Juli 1980 die Hingabe von Geld an die Klägerin für die "Pflege meiner Wäsche" und "für meine Unterhaltung, also meine Verpflegung" eingeräumt. Wie das Oberlandesgericht im Berufungsurteil ausführt, hat die Klägerin selbst in der Berufungsverhandlung angegeben, L. gebe ihr "wöchentlich mal 100 DM, mal 150 DM, auch mal 200 DM". Lediglich in den letzten drei Monaten wolle sie nichts mehr erhalten haben.

12

Unter diesen Umständen ist es aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden, wenn das Oberlandesgericht zu der Überzeugung gelangt ist, daß die Klägerin für L. laufend Leistungen erbringt und dafür täglich 2,5 bis 3 Stunden aufwendet. Durch die Angaben der Klägerin, daß sie in den letzten drei Monaten kein Geld mehr erhalten habe, war das Oberlandesgericht an dieser Feststellung nicht gehindert, da diese Angaben nicht dahin verstanden werden mußten, daß die Klägerin während dieser Zeit die Versorgung des Zeugen L. in dem vorher üblichen Umfang eingestellt hatte.

13

2.

Hiernach kommt als vom Beklagten geschuldet nur noch ein Unterhaltsbetrag in Höhe der Differenz zwischen dem als gedeckt erachteten Mindestbedarf und dem vollen Unterhalt im Sinne von § 1578 BGB in Betracht. Daß der Unterhaltsanspruch auch insoweit nicht bestehe, weil er aufgrund der Härteregelung ausgeschlossen sei, wird von der Revision mit Recht angegriffen.

14

a)

Dabei ist nicht zu beanstanden, daß das Oberlandesgericht sowohl für den Anspruch auf Trennungsunterhalt als auch für denjenigen auf nachehelichen Unterhalt die Voraussetzungen des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB - hinsichtlich des Trennungsunterhalts in Verbindung mit § 1361 Abs. 3 BGB - bejaht hat.

15

Zu den Ansprüchen auf Trennungsunterhalt hat der Senat bereits mehrfach entschieden, daß ein schwerwiegendes und klar bei einem Ehegatten liegendes Fehlverhalten während der Ehe zur Erfüllung der in § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB normierten Voraussetzungen geeignet ist und ein solches Fehlverhalten insbesondere in der - gegen den Willen des anderen Ehegatten erfolgten - Begründung einer eheähnlichen Gemeinschaft liegen kann, weil darin eine so schwerwiegende Abkehr von den ehelichen Bindungen zu sehen ist, daß die Inanspruchnahme des anderen Ehegatten auf Unterhalt grob unbillig erscheint (vgl. etwa Senatsurteil vom 24. November 1982 - IVb ZR 314/81 - FamRZ 1983, 142 m.w.N.). Ein derartiges schwerwiegendes Fehlverhalten hat das Oberlandesgericht zu Recht darin gesehen, daß sich die Klägerin gegen den Willen des Beklagten dem Zeugen L. zugewendet hat und mit ihm in eheähnlicher Gemeinschaft zusammenlebt. Das hiergegen erhobene Bedenken der Revision, das Berufungsgericht habe bei seiner Beurteilung nicht das Verhalten des Beklagten in Betracht gezogen und damit nicht festgestellt, daß es sich um ein einseitiges, klar bei der Klägerin liegendes Fehlverhalten handele, greift schon deshalb nicht durch, weil irgendwelche Umstände, welche die Einseitigkeit des Fehlverhaltens der Klägerin in Frage stellen könnten, weder dem Vortrag der Klägerin zu entnehmen noch sonst ersichtlich sind.

16

Ohne Erfolg wendet sich die Revision auch gegen die Beurteilung, daß der Tatbestand des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB auch für den nachehelichen Unterhalt erfüllt sei. Wie der Senat entschieden hat, erfüllt der unterhaltsberechtigte Ehegatte, der durch die Aufnahme einer eheähnlichen Gemeinschaft mit einem anderen Partner während der Ehe seinen Anspruch auf Trennungsunterhalt eingebüßt oder verkürzt hat, jedenfalls dann regelmäßig auch für den nachehelichen Unterhaltsanspruch die Voraussetzungen der Härteregelung, wenn das Verhältnis nach der Scheidung andauert (vgl. Senatsurteile vom 26. Januar 1983 - IVb ZR 344/81 - FamRZ 1983, 569 und vom 23. März 1983 - IVb ZR 371/81 - FamRZ 1983, 676). Ein derartiger Fall ist auch hier gegeben.

17

b)

Zur Frage, wie die Vorschrift des § 1579 Abs. 2 BGB, die durch Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 14. Juli 1981 (BVerfGE 57, 361 [BVerfG 14.07.1981 - 1 BvL 28/77]) in "besonders gelagerten Härtefällen" für unvereinbar mit dem Grundgesetz erklärt worden ist, bis zur gesetzlichen Neuregelung zu handhaben ist, hat der Senat in den vorgenannten Urteilen entschieden, daß die Gerichte zwar bereit jetzt entscheiden dürfen, ob im Einzelfall ein besonderer Härtefall vorliegt. Im Falle der Verneinung dieser Frage haben sie die insoweit mit dem Grundgesetz vereinbare Vorschrift unverändert anzuwenden, somit die Härteregelung des § 1579 Abs. 1 BGB als suspendiert zu behandeln und dementsprechend in der Sache zu entscheiden. Ist die Frage zu bejahen, so sind die Gerichte nicht befugt, das Verfahren zur Entscheidung zu bringen; vielmehr muß es ausgesetzt werden, bis der Gesetzgeber die verfassungskonforme Regelung getroffen hat.

18

Mit diesen Grundsätzen steht das Berufungsurteil insofern in Widerspruch, als das Berufungsgericht einen besonders gelagerten Härtefall bejaht, daraus aber den Schluß gezogen hat, daß § 1579 Abs. 2 BGB außer acht gelassen und § 1579 Abs. 1 BGB angewendet werden könne. Diese Anwendung der Härteklausel war dem Gericht verwehrt.

19

c)

Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob das Berufungsgericht im vorliegenden Fall nicht die Vorschrift des § 1579 Abs. 2 BGB hätte weiter anwenden und § 1579 Abs. 1 BGB als suspendiert behandeln müssen. Jedenfalls findet die Annahme des Berufungsgerichts, daß hier ein besonders gelagerter Härtefall anzunehmen sei, in der Urteilsbegründung keine ausreichende Grundlage.

20

Wie der Senat zu der Frage, was unter einem besonders gelagerten Härtefall im Sinne der angeführten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zu verstehen ist, in dem zuletzt genannten Urteil vom 23. März 1983 ausgeführt hat, ist aus dem Sinnzusammenhang der verfassungsgerichtlichen Entscheidungsgründe zu folgern, daß Sachverhalte gemeint sind, in denen die unverkürzte Zubilligung des eheangemessenen Unterhalts aufgrund des § 1579 Abs. 2 BGB zu einer mit dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbaren Belastung des Unterhaltspflichtigen führen würde. Die Suspendierung der Härteklausel durch § 1579 Abs. 2 BGB soll vornehmlich verhindern, daß der Lebensstandard des betreuten Kindes wegen des von ihm nicht zu verantwortenden Fehlverhaltens des sorgeberechtigten Elternteils absinkt. Insofern kommt den Belangen des Kindes gegenüber denen des unterhaltsverpflichteten Elternteils der Vorrang zu. Im Einzelfall kann die Auferlegung von Unterhaltsleistungen aber zu einer unverhältnismäßigen Belastung des Verpflichteten führen, etwa weil sie nicht oder nicht in vollem Umfang durch das Kindesinteresse erfordert wird. Darüber hinaus kann sich eine unverhältnismäßige Belastung des Verpflichteten auch daraus ergeben, daß der Unterhalt begehrende Ehegatte die Voraussetzungen des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB in besonders krasser Weise verwirklicht hat. Insgesamt kann die Frage, ob ein Fall besonderer Härte vorliegt, nur nach umfassender Abwägung der Umstände des Einzelfalls unter besonderer Berücksichtigung der Belange des Kindeswohls beantwortet werden (a.a.O. S. 676).

21

Diesen Grundsätzen wird die Beurteilung des Berufungsgerichts nicht gerecht. Seine Auffassung, daß ein besonders gelagerter Härtefall in Fällen der vorliegenden Art allgemein anzunehmen sei, ist rechtlich nicht haltbar.

22

Wie der Zusammenhang der Entscheidungsgründe ergibt, sieht das Gericht die maßgeblichen Gründe, welche die Annahme eines derartigen Härtefalles begründen sollen, in dem Fehlverhalten der Klägerin sowie darin, daß sie ihren Mindestbedarf durch die Versorgung ihres neuen Partners decken kann, ohne dadurch in der Betreuung der Kinder behindert zu sein. Dagegen bestehen rechtliche Bedenken. Es entspräche nicht der Lebenswirklichkeit und stände auch nicht mit der Rechtsprechung des Senats in Einklang, wenn ein Fehlverhalten der vorliegenden Art als eine besonders krasse Verwirklichung der Voraussetzungen des § 1579 Abs. 1 Nr. 4 BGB angesehen würde, die allein schon einen besonders gelagerten Härtefall begründete. So hat der Senat auch in den beiden vorgenannten Entscheidungen in einem Fehlverhalten wie dem der Klägerin allein noch keinen Grund zur Annahme eines derartigen Härtefalles gesehen. Diese Beurteilung kann sich nicht deshalb generell ändern, weil der Unterhaltsbedürftige durch die Versorgungsleistungen, die er im Rahmen des eheähnlichen Verhältnisses seinem neuen Partner erbringt, seinen Mindestbedarf decken kann. Gerade dieser Umstand bewirkt nämlich für den Unterhaltspflichtigen eine Erleichterung der Unterhaltslast, weil es damit für ihn nur noch um die Inanspruchnahme auf Ergänzungs- oder Aufstockungsunterhalt geht. So hat auch das Bundesverfassungsgericht in einem Fall, in dem die unterhaltsbedürftige Ehefrau eine eheähnliche Verbindung mit einem anderen Mann eingegangen war und das Oberlandesgericht der Ehefrau für die ihrem neuen Partner erbrachten Leistungen ein fiktives Einkommen zugerechnet hatte, mit Beschluß des Vorprüfungsausschusses vom 1. Juli 1982 (NJW 1982, 2859 [BVerfG 01.07.1982 - 1 BvR 828/81]) entschieden, daß durch die Zurechnung des fiktiven Einkommens der Unterhaltsanspruch gegen den Ehemann reduziert und damit eine mit dem Verfassungsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit unvereinbare Belastung des Ehemannes vermieden worden sei.

23

Danach kann die bisherige Annahme, daß ein besonders gelagerter Härtefall vorliege, nicht bestehen bleiben. Vielmehr muß diese Frage unter umfassender Würdigung aller in Betracht zu ziehenden Umstände erneut beurteilt werden. Dabei werden auch die Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen zu berücksichtigen sein, denen für die Frage, ob die unterhaltsrechtliche Inanspruchnahme zu einer unverhältnismäßigen Belastung führt, stets eine wesentliche Bedeutung zukommt (vgl. auch Senatsurteil vom heutigen Tage - IVb ZR 8/82). Insoweit hat der Beklagte vorgetragen, daß sein anzurechnendes monatliches Einkommen von 2.500 DM zur Zeit der Trennung auf rund 1.590 DM zurückgegangen sei. Danach würden ihm nach Abzug der Unterhaltsrenten für die beiden Kinder monatlich 1.080 DM verbleiben, ein Betrag, der den angemessenen Eigenbedarf deutlich unterschreiten dürfte (vgl. etwa Düsseldorfer Tabelle nach dem Stand vom 1. Januar 1982, FamRZ 1982, 1207, 1208 [BVerwG 04.08.1982 - BVerwG 2 B 101.81]). Ferner kann dem Umstand Bedeutung zukommen, daß der Klägerin das hälftige Miteigentum an der den Ehegatten gehörenden Eigentumswohnung zusteht. Insoweit ist bei der gebotenen Abwägung der Interessen zu prüfen, ob es der Klägerin möglich und zuzumuten ist, sich durch die Verwertung ihres Miteigentumsanteils die notwendigen Mittel zur Aufstockung ihres Unterhalts zu verschaffen.

24

3.

Nach alledem kann das angefochtene Urteil keinen Bestand haben. Die Sache muß zur erneuten tatrichterlichen Prüfung an das Oberlandesgericht zurückverwiesen werden. Bei der neuen Verhandlung wird die Klägerin auch Gelegenheit haben, ihre Einwände gegen die Auffassung des Berufungsgerichts zur Frage des Fehlens oder des Wegfalls der Geschäftsgrundlage für die von ihr behauptete Unterhaltsvereinbarung vorzutragen, deren Zustandekommen und etwaigen Regelungsgehalt das Berufungsgericht bisher nicht festgestellt hat (vgl. hierzu auch Senatsurteil vom 26. Januar 1983 a.a.O. S. 573).

Lohmann
Seidl
Blumenröhr
Macke
Nonnenkamp