Bundesgerichtshof
Beschl. v. 07.04.1983, Az.: 1 StR 207/83
Versuchte Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln; Voraussetzungen der Beihilfe
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 07.04.1983
- Aktenzeichen
- 1 StR 207/83
- Entscheidungsform
- Beschluss
- Referenz
- WKRS 1983, 11034
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- LG Landshut - 15.12.1982
Rechtsgrundlagen
- § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG
- § 30 Abs. 1 Nr. 4 BtMG
- § 22 StGB
- § 27 StGB
- § 301 Nr. 4 BtMG
Fundstellen
- MDR 1983, 685-686 (Volltext mit amtl. LS)
- NStZ 1983, 462
- StV 1983, 283
Verfahrensgegenstand
Unerlaubtes Handeln mit Betäubungsmitteln u.a.
Prozessführer
Anton D. aus L., geboren am ...ber 1954 in M.
Amtlicher Leitsatz
Zur Beihilfe zur versuchten Einfuhr und zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln.
Der 1. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf Antrag des Generalbundesanwalts und
nach Anhörung des Beschwerdeführers
am 7. April 1983
gemäß § 349 Abs. 2 bis 4 StPO
einstimmig beschlossen:
Tenor:
- 1.
Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Landshut vom 15. Dezember 1982 mit den Feststellungen aufgehoben,
- a)
soweit der Angeklagte wegen versuchter Beihilfe zur Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln im besonders schweren Fall verurteilt worden ist (Fall II 2 der Urteilsgründe);
- b)
im Ausspruch über die Gesamtstrafe.
- 2.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
- 3.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe
Die Verurteilung in Fall II 2 hat aus den vom Generalbundesanwalt dargelegten Gründen keinen Bestand. Diese Gründe lassen sich wie folgt zusammenfassen:
Hinsichtlich der Einfuhr von Bettäubungsmitteln (§ 30 Abs. 1 Nr. 4 BetMG) hat das Landgericht "versuchte Beihilfe" angenommen (UA S. 2, 8). Der Versuch der Beihilfe ist nicht strafbar (Cramer in Schönke/Schröder, StGB 21. Aufl. § 27 Rdn. 33), die Voraussetzungen des § 30 Abs. 2 StGB sind nicht dargetan. Sollte eine Verurteilung wegen Beihilfe zur versuchten Einfuhr gemeint sein (UA S. 8/10), so fehlt es an der Haupttat: die Einfuhr des Betäubungsmittels war zwar geplant, bei Aufdeckung des Vorhabens in Algeciras jedoch noch nicht zum Versuch gediehen. Das Versuchsstadium des § 22 StGB beginnt frühestens mit Handlungen, die in ungestörtem Fortgang unmittelbar zur Tatbestandserfüllung führen sollen oder die im unmittelbaren räumlichen und zeitlichen Zusammenhang mit ihr stehen, das geschützte Rechtsgut somit bereits unmittelbar gefährden. Dies mag der Fall sein, wenn das Betäubungsmittel einen grenznahen Ort erreicht hat und von dort aus in Richtung Grenze in Bewegung gesetzt wird (vgl. BGHSt 4, 333, 334; 7, 291, 292; BGH, Urteile vom 29.5.1953 - 1 StR 196/53 - und vom 1.10.1974 - 1 StR 444/74; BGH, Beschlüsse vom 5.2.1980 1 StR 763/79 - und vom 13.1.1983 - 1 StR 762/82). So liegt der Fall jedoch nicht. Nach den Feststellungen hätten die Tatbeteiligten mit ihrem Bus in tagelanger Fahrt ganz Spanien und Frankreich durchqueren müssen, um die deutsche Grenze zu erreichen; von einem unnittelbaren Angriff auf das geschützte Rechtsgut kann unter diesen Umständen nicht die Rede sein.
Hinsichtlich der Beihilfe zum Handeltreiben mit Betäubungsmitteln fehlen ausreichende Feststellungen zum äußeren und inneren Tatgeschehen. Zwar können Erwerb und Transport von Betäubungsmitteln Bestandteile des Handeltreibens sein. Als Gehilfe wird jedoch gemäß § 27 Abs. 1 StGB nur bestraft, wer vorsätzlich einem anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat Hilfe geleistet hat. Diese Hilfeleistung braucht zwar für den Erfolg der Haupttat nicht ursächlich zu sein, muß aber die den Straftatbestand verwirklichende Handlung des Täters in irgendeiner Weise erleichtert oder gefördert haben (ständige Rechtsprechung, vgl. BGH VRS 8, 199, 201; BGH bei Dallinger MDR 1972, 16; BGH, Urteil vom 20.9.1977 - 1 StR 361/77). Der Gehilfe muß die Vollendung der Haupttat wollen (BGH bei Dallinger MDR 1973, 554) und außerdem den Willen und das Bewußtsein haben, die Tat eines anderen zu fördern (BGHSt 3, 65[BGH 10.06.1952 - 2 StR 180/52]; BGH, Urteil vom 4.11.19801 StR 511/80). Diese Erfordernisse sind mit der knappen Wendung, der Angeklagte habe dem Fahrer R. "als Beifahrer zur Seite gestanden" (UA S. 9), nicht ausreichend dargetan, zumal der Eigentümer des Fahrzeugs - und Besitzer des darin versteckten Haschischs - selbst an der Fahrt teilgenommen hat und der Angeklagte der Annahme war, "als Beifahrer könne ihm nichts passieren, da ihm das Rauschgift nicht gehöre" (UA S. 7). Auf die Darlegungen in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts wird Bezug genommen.
Da die Verurteilung in Fall II 2 schon aus sachlichrechtlichen Gründen aufgehoben werden muß, braucht auf die Verfahrensrügen - die sich ausschließlich auf diesen Fall beziehen - nicht mehr eingegangen zu werden. Soweit sich die Revision gegen die Verurteilung in Fall II 1 wendet, hat die Überprüfung des Urteils keinen Rechtsfehler aufgedeckt.
Der neue Tatrichter wird ggf. zu beachten haben, daß sich bei Anwendung der §§ 27 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB auch die Obergrenze des Strafrahmens ändert, und daß die Frage, ob ein besonders schwerer Fall im Sinn von § 29 Abs. 3 BetMG vorliegt, für den Gehilfen gesondert zu prüfen ist (BGHSt 29, 239, 244; BGH NStZ 1981, 394; 1982, 206).
Ulsamer
Schikora
Granderath
Schimansky