Bundesgerichtshof
Urt. v. 21.04.1982, Az.: IVb ZR 687/80
Bemessung des Vorsorgeunterhalts in Fällen, in denen der Elementarunterhalt des Berechtigten anderweitig gedeckt ist; Orientierung an den Lebensumständen während der Ehe; Ausgleich von Nachteilen, die dem Ehegatten durch die Trennung entstehen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 21.04.1982
- Aktenzeichen
- IVb ZR 687/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1982, 12593
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Celle - 03.06.1980
- AG Stade
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1982, 830 (Kurzinformation)
- NJW 1982, 1987-1988 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Bemessung des Vorsorgeunterhalts in Fällen, in denen der Elementarunterhalt des Berechtigten anderweitig gedeckt ist.
In der Familiensache
hat der IVb - Zivilsenat des Bundesgerichtshofs
auf die mündliche Verhandlung vom 21. April 1982
durch
den Vorsitzenden Richter Lohmann und
die Richter Portmann, Dr. Blumenröhr, Dr. Chr. Krohn und Dr. Zysk
für Recht erkannt:
Tenor:
Die Revision der Antragstellerin gegen das Urteil des 18. Zivilsenats - Senat für Familiensachen - des Oberlandesgerichts Celle vom 3. Juni 1980 wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den nachehelichen Vorsorgeunterhalt.
Durch Verbundurteil hat das Amtsgericht u.a. die Ehe der Parteien geschieden, die elterliche Sorge für die beiden aus der Ehe hervorgegangenen, 1974 und 1976 geborenen Kinder der Antragstellerin übertragen und den Antragsgegner, neben Unterhaltsrenten für die Kinder, zu monatlichen Unterhaltszahlungen von 350 DM an die Antragstellerin verurteilt, wovon 50 DM auf die Kosten für eine Krankenversicherung und 300 DM auf die Kosten einer Alters- und Invaliditätsversicherung entfielen.
Auf die Berufung des Antragsgegners gegen seine Verurteilung zu Unterhaltszahlungen an die Antragstellerin hat das Oberlandesgericht das Urteil - unter Zurückweisung des Rechtsmittels im übrigen - dahin geändert, daß es den Betrag für die Alters- und Invaliditätsversicherung auf monatlich 142 DM herabgesetzt hat. Hiergegen richtet sich die (zugelassene) Revision der Antragstellerin, mit der sie die vollständige Zurückweisung der gegnerischen Berufung erstrebt.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat keinen Erfolg.
Das Berufungsgericht hat festgestellt, daß die - nicht erwerbstätige - Antragstellerin in einem eheähnlichen Verhältnis mit dem Zeugen H. zusammenlebe, der für den laufenden Lebensbedarf (sog. Elementarunterhalt) aufkomme. Zur Bemessung des Altersvorsorgeunterhalts hat es den monatlichen Betrag ermittelt, den der Antragsgegner von seinem Nettoeinkommen in Höhe von durchschnittlich 2.100 DM monatlich nach Abzug des Kindesunterhalts von insgesamt 445 DM monatlich als Elementarunterhalt entrichten müßte, wenn er die Antragstellerin insoweit zu alimentieren hätte. Diesen (hypothetischen) Betrag in Höhe einer sich auf 662 DM belaufenden 2/5-Quote aus 1.655 DM hat es einem Nettoarbeitsentgelt gleichgestellt und durch einen Zuschlag von 19 % auf ein fiktives Bruttoeinkommen von 787,78 DM hochgerechnet. Hieraus hat es nach dem damals geltenden Beitragssatz der gesetzlichen Rentenversicherung von 18 % den - gerundeten - Betrag von 142 DM errechnet und als monatlichen Altersvorsorgeunterhalt zugesprochen.
Die hiergegen erhobenen Einwände der Revision sind nicht begründet.
Nicht zu beanstanden ist zunächst, daß das Berufungsgericht im Grundsatz der Auffassung gefolgt ist, wonach der Vorsorgeunterhalt nach den Versicherungsbeiträgen bemessen werden kann, die an die gesetzliche Rentenversicherung zu entrichten wären, wenn der Unterhaltsberechtigte aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Einkünfte in Höhe des Elementarunterhalts erzielte. Diese Lösung entspricht der Berechnungsmethode, die der Senat bereits mehrfach gebilligt hat (vgl.Urteile vom 25. Februar 1981 - IVb ZR 543/81 - FamRZ 1981, 442, 444 f.;24. Juni 1981 - IVb ZR 592/80 - FamRZ 1981, 864, 865;4. November 1981 - IVb ZR 625/80 - FamRZ 1982, 255, 257 sowie die zur Veröffentlichung vorgesehenenEntscheidungen vom 17. Februar 1982 - IVb ZR 658/80 - undvom 7. April 1982 - IVb ZR 673/80 -).
Ebenso wenig bestehen Bedenken dagegen, daß das Berufungsgericht bei seiner Berechnung von einem Elementarunterhalt der Antragstellerin in Höhe von 662 DM ausgegangen ist. Hierzu macht die Revision geltend, auch wenn man von den Berechnungsgrundsätzen des Berufungsgerichts ausgehe, könne diese Summe, die nicht einmal den notdürftigen Unterhalt der Antragstellerin decke, nicht Grundlage für die Errechnung des Vorsorgeunterhalts nach Maßgabe der ehelichen Verhältnisse sein. Nach den ehelichen Verhältnissen müsse der Betrag zugrunde gelegt werden, der der Antragstellerin während der Ehe als Unterhalt zur Verfügung gestanden habe und der mit etwa 1.000 DM monatlich anzunehmen sei. Dieser Betrag, mindestens aber der notdürftige Unterhalt von 800 DM monatlich, müsse den Ausgangspunkt der Berechnung des Vorsorgeunterhalts bilden.
Dem kann nicht gefolgt werden. Wie der Senat in der bereits erwähnten Entscheidung vom 25. Februar 1981 dargelegt hat, sollen nach dem Zweck der Gesetzesregelung über den Vorsorgeunterhalt mit unterhaltsrechtlichen Mitteln die Nachteile ausgeglichen werden, die dem Berechtigten aus der ehebedingten Behinderung seiner Erwerbstätigkeit erwachsen. Das läßt es gerechtfertigt erscheinen, den Berechtigten hinsichtlich der Altersvorsorge so zu behandeln, wie wenn er aus einer versicherungspflichtigen Erwerbstätigkeit Einkommen in Höhe des ihm an sich zustehenden Elementarunterhalts hätte (a.a.O. S. 444). Hiernach ist das entscheidende Anknüpfungskriterium für die Bemessung des Vorsorgeunterhalts in der an sich zu gewährenden laufenden Unterhaltsrente zu erblicken. Dabei ist nicht zu verkennen, daß diese Unterhaltsrente den entsprechenden Unterhaltsbedarf des Berechtigten nicht immer vollständig deckt. Zwar ist ihre Bemessung darauf auszurichten, daß sie den gesamten, nach den dauerhaft gewordenen Lebensverhältnissen während der Ehe zu bestimmenden Lebensbedarf umfaßt (§ 1578 Abs. 1 BGB). Indessen kommt es vor allem bei dem in der Praxis verbreiteten Verfahren, den laufenden Unterhalt nach einer Quote des Einkommens zu bemessen, häufiger vor, daß die Quote, die dem Berechtigten am Einkommen des Verpflichteten zusteht, nicht ausreicht, um den Unterhaltsbedarf in vollem Umfang zu decken. Das ist, wie der Senat mit Urteil vom 4. November 1981 (aaO) ausgeführt hat, insbesondere im Hinblick auf etwaige Mehrkosten möglich, die den Ehegatten als Folge ihrer Trennung erwachsen und dazu führen können, daß der Berechtigte mit den Mitteln jener Quote den ehelichen Lebensstandard nicht mehr aufrechtzuerhalten vermag. Diese mögliche Diskrepanz zwischen der dem Berechtigten an sich zustehenden Rente zur Deckung des laufenden Unterhaltsbedarfs und der tatsächlichen Höhe dieses Bedarfs macht es nach Ansicht des Senats jedoch nicht erforderlich, den laufenden Unterhalt als rechnerische Grundlage für die Bemessung des Vorsorgeunterhalts in Frage zu stellen und nur dann als Anknüpfungskriterium gelten zu lassen, wenn er den laufenden Unterhaltsbedarf des Berechtigten tatsächlich deckt. Vielmehr läßt es das gerade im Unterhaltsrecht bestehende Bedürfnis nach einer einfachen Abwicklung der alltäglichen Ausgleichsfälle gerechtfertigt erscheinen, die Vorsorgeleistungen, deren Einbeziehung in den Unterhalt getrenntlebender und geschiedener Ehegatten ohnehin erhebliche Schwierigkeiten bereitet, auch dann in Anknüpfung an den laufenden Unterhalt zu bemessen, wenn dieser zur Deckung des entsprechenden tatsächlichen Unterhaltsbedarfs nicht ausreicht. Das führt dazu, daß die Rente für den laufenden Unterhalt, wie sie im Falle der vollständigen Unterhaltsbedürftigkeit des Berechtigten anfiele, grundsätzlich die Obergrenze des Betrages bildet, aus dem nach seiner Hochrechnung zu einem Bruttobetrag entsprechend der Regelung des § 14 Abs. 2 SGB IV der Vorsorgeunterhalt zu errechnen ist. Diese Obergrenze wird auch im vorliegenden Fall erreicht, da das Berufungsgericht mit dem monatlichen Betrag von 662 DM einen laufenden Unterhalt zugrunde gelegt hat, wie er der Antragstellerin im Falle vollständiger Unterhaltsbedürftigkeit von seiten des Antragsgegners zustände. Ein auf dieser Grundlage errechneter Vorsorgeunterhalt ist auch dann als angemessen anzusehen, wenn der Berechtigte, wie im vorliegenden Fall, seinen laufenden Unterhaltsbedarf anderweitig deckt, ohne dabei zugleich eine entsprechende Altersvorsorge begründen zu können. Daß der Unterhaltsverpflichtete hierbei hinsichtlich des laufenden Unterhalts entlastet wird, gebietet es nicht, ihn hinsichtlich des Vorsorgeunterhalts in größerem Umfang heranzuziehen.
Entgegen der in der Revisionsverhandlung vertretenen Ansicht der Revision kann der Antragstellerin der Betrag, um den das Berufungsgericht den Vorsorgeunterhalt herabgesetzt hat, auch nicht als Elementarunterhalt zuerkannt werden. Eine solche Verurteilung scheidet schon deshalb aus, weil die Antragstellerin nach dem vorgetragenen und festgestellten Sachverhalt in der Berufungsinstanz hinsichtlich des Elementarunterhalts keinen Unterhaltsbedarf mehr geltend gemacht hat.
Portmann
Blumenröhr
Krohn
Zysk