Suche

Nutzen Sie die Schnellsuche, um nach den neuesten Urteilen in unserer Datenbank zu suchen!

Bundesgerichtshof
Beschl. v. 04.12.1981, Az.: 3 StR 408/81

Verurteilung wegen Einfuhr von Cannabisharz in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabisharz und versuchtem Diebstahl; Einfuhr von Betäubungsmitteln; Voraussetzungen der Gewahrsamserlangung eines Diebes

Bibliographie

Gericht
BGH
Datum
04.12.1981
Aktenzeichen
3 StR 408/81
Entscheidungsform
Beschluss
Referenz
WKRS 1981, 11056
Entscheidungsname
[keine Angabe]
ECLI
[keine Angabe]

Verfahrensgang

vorgehend
LG Kleve - 30.06.1981

Fundstellen

  • BGHSt 30, 277 - 279
  • JZ 1982, 381 (Volltext mit amtl. LS)
  • NJW 1982, 708-709 (Volltext mit amtl. LS)
  • StV 1982, 169-170

Verfahrensgegenstand

Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz u.a.

Amtlicher Leitsatz

Der Diebstahl von Betäubungsmitteln in der Absicht, sie gewinnbringend zu veräußern, fällt nicht unter den Begriff des Handeltreibens.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat
nach Anhörung der Beschwerdeführer und des Generalbundesanwalts,
zu Ziffer 3 auf dessen Antrag,
gemäß § 349 Abs. 2 und 4 StPO
am 4. Dezember 1981
einstimmig beschlossen:

Tenor:

  1. 1.

    Auf die Revisionen der Angeklagten wird das urteil des Landgerichts Kleve vom 30. Juni 1981

    1. a)

      im Schuldspruch dahingehend geändert, daß die Angeklagten je eines tateinheitlich begangenen Vergehens der unerlaubten Einfuhr, des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln und des versuchten Diebstahls schuldig sind,

    2. b)

      im Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben; die Einziehungsanordnung bleibt bestehen.

  2. 2.

    Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Jugendkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

  3. 3.

    Die weitergehenden Revisionen werden verworfen.

Gründe

1

Das Landgericht hat die Angeklagten wegen Einfuhr von Cannabisharz in Tateinheit mit Handeltreiben mit Cannabisharz und versuchtem Diebstahl zu Jugendstrafen verurteilt. Es hat sichergestelltes Cannabisharz eingezogen.

2

Die jeweils auf die Sachrüge gestützten Revisionen der Angeklagten führen zur Änderung des Schuldspruchs und zur Aufhebung des Strafausspruchs (§ 349 Abs. 4 StPO). Die weitergehenden Revisionen sind im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO unbegründet.

3

1.

Die Angeklagten entdeckten auf der Bahnfahrt von Amsterdam nach Wien, bei der sie 215 Gramm Cannabisharz in die Bundesrepublik Deutschland einführten - weswegen sie zu Recht wegen Einfuhr von Betäubungsmitteln bestraft worden sind - in der Deckenklappe zum Wassertank der Zugtoilette 15,2 kg Cannabisharz. Als der Zug sich bereits in der Bundesrepublik Deutschland befand, beschlossen sie, von dem Haschisch soviel wie möglich zu entwenden und in Wien gewinnbringend zu veräußern. Die Angeklagten hielten zwei männliche Personen, die in der Nähe der Toilette standen, irrtümlich für die Eigentümer des Haschischs; in Wahrheit handelte es sich um deutsche Zollbeamte, die das bereits entdeckte Haschisch observierten. Als die Angeklagten nacheinander die Toilette verließen - Ku. mit fünf Kilogramm Haschisch in einer Tasche und Berl mit etwa einem Kilogramm Haschisch unter dem Hemd -, wurden sie noch im selben Zugwagen von observierenden Zollbeamten festgenommen.

4

2.

Diese Feststellungen tragen zwar den Schuldspruch wegen versuchten Diebstahls, nicht dagegen die Verurteilung wegen Handeltreibens mit Cannabisharz.

5

a)

Handeltreiben ist eine eigennützige, auf den Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtete Tätigkeit (BGHSt 25, 290, 291; BGH NJW 1979, 1259; BGHSt 28, 308). Es liegt auch vor, wenn es sich nur um eine gelegentliche oder einmalige Tätigkeit handelt, und auch dann, wenn es noch nicht zur Anbahnung bestimmter Geschäfte oder gar zum Abschluß eines Vertrages und dessen Erfüllung gekommen ist (BGHSt 29, 239, 240). Das Erfordernis einer auf Umsatz gerichteten Tätigkeit ist dahin zu verstehen, daß diese die einverständliche Übertragung von Betäubungsmitteln von einer Person auf eine andere zum Endziel haben muß. Auf eine tatsächliche Förderung des erstrebten Umsatzes kommt es dabei nicht an (insoweit unklar BGHSt 29, 239). Handeltreiben ist kein Erfolgsdelikt. Die Tat ist deshalb auch dann rechtlich vollendet, wenn der erstrebte Umsatz von Betäubungsmitteln nicht erreicht wird, wie in den Fällen, in denen auf der Käuferseite zum Schein Polizeibeamte auftreten (zuletzt BGH, Urteil vom 25. März 1981 - 3 StR 61/81, teilweise abgedruckt in Strafverteidiger 1981, 276).

6

b)

Im weitesten Sinne auf Umsatz von Betäubungsmitteln gerichtet ist allerdings auch deren Inbesitznahme im Wege des Diebstahls in der Absicht, sie gewinnbringend zu veräußern. Gleichwohl liegt darin kein Handeltreiben. Denn Handeltreiben setzt schon nach seinem Wortsinn ein Verhalten voraus, das dem Tätigkeitsbereich eines Händlers zugerechnet werden kann. Das bedeutet nicht, daß vom Handeltreiben von vornherein die Fälle auszuschließen sind, in denen der Täter ein Umsatzgeschäft mit Betäubungsmitteln betreibt, die er auf nicht abgeleitetem Wege erworben hat oder erwerben will. Erforderlich sind aber Tätigkeiten, die bei natürlicher Betrachtung solche eines Händlers sind. Deshalb betreibt der Dieb von Betäubungsmitteln Handel, wenn er eine auf die Veräußerung des Diebesgutes gerichtete Handlung vornimmt - sich etwa um Käufer bemüht oder Verkaufsgespräche führt -, nicht aber schon dann, wenn er sich, sei es auch in der Absicht gewinnbringender Veräußerung, den Besitz daran verschafft. Der Senat verkennt nicht, daß zum Handeltreiben auch das Innehaben der zu veräußernden Ware im Sinne einer Lagerhaltung gehören kann, Voraussetzung hierfür ist aber, daß eine solche Verwahrung im Zusammenhang mit einer auf Umsatz gerichteten Tätigkeit steht. Daran fehlt es beim bloßen Akt der Gewahrsamsbegründung durch Diebstahl.

7

c)

Nach den Feststellungen haben sich die Angeklagten somit nicht des Handeltreibens, wohl aber des unerlaubten Besitzes von Cannabisharz (§ 11 Abs. 1 Nr. 6 b BetMG) schuldig gemacht.

8

Besitz ist hier ebensowenig wie beim Tatbestand der Unterschlagung (§ 246 StGB; Dreher/Tröndle, StGB 40. Aufl. § 246 Rdn 9) im bürgerlich-rechtlichen Sinne zu verstehen; es genügt vielmehr ein bewußtes tatsächliches Innehaben, ein tatsächliches Herrschaftsverhältnis (BGH, Beschluß vom 18. Juni 1974 - 1 StR 119/74; BGHSt 26, 117;  27, 380, 381;  vgl. auch BGH, Urteil vom 5. November 1981 - 1 StR 558/81 m.w.Nachweisen).

9

Ein solches tatsächliches Herrschaftsverhältnis der Angeklagten über das entwendete Haschisch bestand trotz der Observierung durch die Zollbeamten. Es liegt nicht etwa nur ein - strafloser - Versuch der Inbesitznahme vor. Entsprechend anwendbar sind insoweit die Grundsätze, die zum Diebstahl, der in der Gewahrsamssphäre des Bestohlenen erfolgt und von ihm oder seinem Personal beobachtet wird, entwickelt worden sind. In Fällen dieser Art hat der Dieb Gewahrsam erlangt (BGHSt 16, 271), wenn er die transportable und leicht zu versteckende - Beute in einer Tasche oder in einem Körperversteck unterbringt. Dies haben die Angeklagten hier getan.

10

Dem Schuldspruch wegen Besitzes von Cannabisharz steht nicht entgegen, daß die Angeklagten beschlossen hatten, dieses den mutmaßlichen Eigentümern wieder auszuhändigen, falls sie von ihnen angesprochen und zur Rechenschaft gezogen würden (UA S. 9). Hieraus kann nicht gefolgert werden, daß die Angeklagten nur einen bedingten Tatentschluß gefaßt hätten; den Feststellungen ist vielmehr unzweifelhaft zu entnehmen, daß die Angeklagten nur davon absehen wollten, sich den Besitz der Betäubungsmittel mit Gewalt zu erhalten.

11

d)

Der Senat hat den Schuldspruch in entsprechender Anwendung von § 354 StPO von sich aus geändert, da weitergehende Feststellungen nicht zu erwarten sind und auszuschließen ist, daß sich die Angeklagten gegen den Vorwurf des unerlaubten Besitzes anders als geschehen hätten verteidigen können.

12

3.

Die Änderung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Ausspruchs über die Verhängung der Jugendstrafen. Da der unerlaubte Besitz gegenüber dem Handel eine schwächere Begehungsform darstellt, ist nicht sicher auszuschließen, daß sich der dargelegte Rechtsfehler, der zur Änderung des Schuldspruchs führt, zum Nachteil der Angeklagten auf den Ausspruch über die Jugendstrafen ausgewirkt hat. Durch die Aufhebung des Strafausspruchs wird die Einziehungsanordnung (§ 11 Abs. 6 BetMG in Verbindung mit § 74 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 StGB) nicht berührt [vgl. BGH, Urteil vom 20. Juni 1979 - 3 StR 131/79 (S), insoweit in BGH 29, 26 nicht abgedruckt].

Schmidt
Dr. Schubath
Dr. Schauenburg
Laufhütte
Dr. Gribbohm