Bundesgerichtshof
Urt. v. 08.07.1981, Az.: VIII ZR 222/80
Geltendmachung von Nachforderungen aus Stromlieferungen durch ein Energieversorgungsunternehmen; Anwendbarkeit der allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz der Elektrizitätsversorgungsunternehmen; Voraussetzungen für eine Verjährung von Strom-Nachforderungen
Bibliographie
- Gericht
- BGH
- Datum
- 08.07.1981
- Aktenzeichen
- VIII ZR 222/80
- Entscheidungsform
- Urteil
- Referenz
- WKRS 1981, 12116
- Entscheidungsname
- [keine Angabe]
- ECLI
- [keine Angabe]
Verfahrensgang
- vorgehend
- OLG Düsseldorf - 10.07.1980
- LG Düsseldorf
Rechtsgrundlagen
Fundstellen
- MDR 1982, 222 (Volltext mit amtl. LS)
- NJW 1982, 930-932 (Volltext mit amtl. LS)
Amtlicher Leitsatz
Zur Frage der Verjährung von Entgeltansprüchen des Versorgungsunternehmens für die Belieferung mit elektrischem Strom, wenn das Entgelt aufgrund der Richtigstellung von Fehlern nachträglich berechnet wird.
Der VIII. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat
auf die mündliche Verhandlung vom 8. Juli 1981
durch
die Richter Dr. Hiddemann, Hoffmann, Wolf, Merz und Dr. Skibbe
für Recht erkannt:
Tenor:
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 10. Juli 1980 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Klägerin, ein in der Rechtsform der Aktiengesellschaft betriebenes Energieversorgungsunternehmen, macht gegenüber der verklagten Kommanditgesellschaft Nachforderungen aus Stromlieferungen in den Jahren 1972 bis 1974 geltend.
Die Beklagte bezieht seit Jahren von der Klägerin elektrischen Strom für ihren Gewerbebetrieb. In dem genannten Zeitraum lagen den Vertragsbeziehungen der Parteien die "Allgemeinen Bedingungen für die Versorgung mit elektrischer Arbeit aus dem Niederspannungsnetz der Elektrizitätsversorgungsunternehmen" (AVB) zugrunde, die in Abschnitt VI Nr. 4 bestimmen:
Ergibt eine Prüfung der Meßeinrichtungen eine Überschreitung der Verkehrsfehlergrenzen oder werden andere Fehler in der Berechnung festgestellt, so wird der zuviel oder zuwenig berechnete Betrag, jedoch nicht über die Dauer des vorhergehenden Ablesezeitraums, richtiggestellt, soweit die Auswirkung des Fehlers nicht mit Gewißheit über einen größeren Zeitraum festgestellt werden kann, jedoch keinesfalls über zwei Jahre hinaus.
Nach Abschnitt VIII Nr. 3 AVB wird die Rechnung dem Abnehmer nach der Ablesung vorgelegt und "hiermit fällig". Abschnitt VI Abs. 1 Satz 1 der Anlage der Klägerin zu den AVB bestimmt insoweit näher, daß der Verbrauch des Abnehmers in der Regel jährlich festgestellt und darüber Rechnung erteilt wird.
Über den Stromverbrauch in der Zeit vom 9. Mai 1972 bis 10. Mai 1974 erteilte die Klägerin der Beklagten jeweils am 4. Juni 1973 und am 4. Juni 1974 Abrechnungen, die von der Beklagten bezahlt wurden.
Nach einer Zählerkontrolle am 6. September 1974 stellte sich heraus, daß der Beklagten aufgrund eines Ablesefehlers für die Verbrauchsperioden 1972/73 und 1973/74 jeweils 100.000 kWh zuwenig berechnet worden waren. Daraufhin forderte die Klägerin mit Rechnung vom 11. Oktober 1974 von der Beklagten 14.439,95 DM nach. Da die Beklagte die Zahlung ablehnte, erwirkte die Klägerin gemäß Antrag vom 18. Dezember 1978 einen Mahnbescheid in Höhe des Rechnungsbetrags; der Bescheid ist der Beklagten am 23. Dezember 1978 zugestellt worden. In der Folge ermäßigte die Klägerin ihre Forderung, indem sie Nachzahlung nur, für die Zeit ab 6. September 1972 statt 10. Mai 1972 verlangte (berichtigte Nachberechnung vom 2. April 1979 über 12.743,48 DM). Sie hat beantragt, die Beklagte zur Zahlung von 12.700 DM nebst 5 % Zinsen seit dem 23. Dezember 1978 zu verurteilen, und für den Fall der Verjährung ihrer Forderung den Hilfsantrag gestellt, die Beklagte zu verurteilen, zu dulden, daß der auf sie registrierte Stromzähler gesperrt werde.
Die Beklagte hat für den Abrechnungszeitraum 1973/74 einen Teilbetrag von 6.350 DM anerkannt; insoweit ist Teilanerkenntnisurteil gegen sie ergangen. Hinsichtlich der weitergehenden Nachforderung der Klägerin für die Zeit vom 6. September 1972 bis 10. Mai 1973 hat die Beklagte die Einrede der Verjährung erhoben.
Das Landgericht hat die Beklagte verurteilt, über den anerkannten Betrag hinaus weitere 1.157,91 DM zu zahlen, und im übrigen die Klage abgewiesen, weil der Anspruch verjährt sei. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos. Mit der zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin den abgewiesenen Anspruch weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat der Klägerin Nachzahlungsansprüche für die Zeit vom 6. September 1972 bis 10. Mai 1973 mit der Begründung versagt, die der vierjährigen Verjährungsfrist unterliegenden Forderungen der Klägerin seien bei ihrer gerichtlichen Geltendmachung bereits verjährt gewesen. Es ist der Ansicht, daß nicht nur die in der jährlichen Abrechnung über den Stromverbrauch enthaltenen, sondern mit ihnen auch die infolge des Ablesefehlers nicht aufgeführten Forderungen verjähren. Der für den Beginn der Verjährung maßgebliche Zeitpunkt sei nach Abschnitt VIII Nr. 3 AVB die Vorlage der Abrechnung vom 4. Juni 1973 gewesen. Die vierjährige Verjährungsfrist sei demnach gemäß § 201 BGB bei der Zustellung des Mahnbescheids am 23. Dezember 1978 bereits abgelaufen gewesen.
II.
Diese Ausführungen des Berufungsgerichts halten der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.
1.
Die Nachzahlungsforderungen der Klägerin sind schon nach dem jetzigen Stand des Verfahrens im wesentlichen begründet. Die Einrede der Verjährung steht ihnen nicht entgegen (unten 2.). Der Beschränkung der Fehlerberichtigung auf zwei Jahre gemäß Abschnitt VI Nr. 4 AVB hat die Klägerin insoweit Rechnung getragen, als sie nur noch Nachzahlungen für die Zeit ab 6. September 1972 geltend macht, also nachdem sie Kenntnis von dem Ablesefehler erlangt hatte. Auf ihre Kenntnis kommt es indes nicht an, sondern wie im folgenden dargelegt ist, auf die Kenntniserlangung durch die Beklagte. Hierzu fehlt es jedoch noch an den notwendigen tatrichterlichen Feststellungen.
a)
Das Berufungsgericht hat sich - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - nicht damit auseinandergesetzt, ob Abschnitt VI Nr. 4 AVB der Nachforderung entgegensteht. Es hat auch keine näheren Feststellungen dazu getroffen, worauf die fehlerhafte Berechnung zurückzuführen ist. Es geht jedoch ersichtlich davon aus, daß dem Beauftragten der Klägerin ein Ablesefehler unterlaufen ist, indem er jeweils die erste Zahl der sechsstelligen Zähleranzeige übersehen hat. Auch ein derartiger Fehler berechtigt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung zu einer Richtigstellung nach Abschnitt VI Nr. 4 AVB. Das hat der erkennende Senat schon im Urteil vom 2. Juli 1959 - VIII ZR 85/58 (LM Allgemeine Bedingungen der Elektrizitätsversorgungsunternehmen Nr. 6 vor III.) zum Ausdruck gebracht. Aus den Senatsurteilen vom 25. Oktober 1978 - VIII ZR 185/77 (LM aaO Nr. 20 = WM 1978, 1416) und vom 25. Februar 1981 = WM 1981, 529) ergibt sich nichts anderes. In den genannten Entscheidungen ging es jeweils darum, daß eine Zählerkonstante außer acht gelassen worden war. Das ist im engen Wortsinn ebensowenig wie falsches Ablesen ein "Fehler in der Berechnung", obwohl beides zu einer gegenüber dem wirklichen Verbrauch fehlerhaften Berechnung führt. Die Anwendung der AVB darf jedoch nach den Grundsätzen von §§ 133, 157 BGB nicht am Wortlaut haften (vgl. zur Behandlung des Ablesefehlers LG Kiel in Rechtsbeilage der Elektrizitätswirtschaft 1973, 46). Die AVB unterliegen als Rechtsverordnung (vgl. BGHZ 66, 62, 65 m.w.Nachw.) auch nicht den Regeln, die für die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen gelten. Vielmehr hat der Senat sie nach den für Gesetze im materiellen Sinn maßgebenden Grundsätzen auszulegen (s. Urt. v. 2.7.59 aaO unter II m.w.Nachw.). Dabei ist zu beachten, daß die AVB gerade den Zweck verfolgen, durch eine abnehmerorientierte Fassung etwaigem Monopolmißbrauch durch die Versorgungsunternehmen vorzubeugen. Sie sollen zugleich einer wirtschaftlichen Preisgestaltung dienen, wie sich aus § 7 Energiewirtschaftsgesetz als ihrer Ermächtigungsgrundlage ergibt. Nach alledem erscheint es sachgerecht, Abschnitt VI Nr. 4 AVB auch auf reine Ablesefehler anzuwenden. Der Aufbau eines Kontrollnetzes bei den Versorgungsunternehmen, eigens um derartige, auf menschlicher Unzulänglichkeit beruhende Fehler im Ergebnis auszuschalten, würde sich mit dem Gebot wirtschaftlicher Preisgestaltung nicht vertragen. Andererseits ist der Abnehmer vor existenzgefährdenden Nachforderungen ausreichend dadurch geschützt, daß die Fehlerberichtigung grundsätzlich nicht einen Zeitraum von mehr als zwei Jahren betreffen kann und die Zweijahresfrist überdies erst von dem Zeitpunkt an zurückzurechnen ist, in welchem der Abnehmer von der Möglichkeit, wegen eines Berechnungsfehlers in Anspruch genommen zu werden, aufgrund eigener Feststellungen oder durch Mitteilung des Versorgungsunternehmens jedenfalls dem Grunde nach Kenntnis erlangt hat (SenUrt. v. 25.2.81 aaO).
b)
Der bisherige Vortrag der Parteien gibt keinen Anhaltspunkt dafür, daß die Beklagte schon am 6. September 1974 Kenntnis von dem Berechnungsfehler hatte. Da der Zeitpunkt, zu dem sie diese Kenntnis erlangte, in den Vorinstanzen sowohl aus der Sicht der Parteien als auch des Gerichts keine Rolle gespielt hat, müssen die Parteien Gelegenheit zu entsprechender Ergänzung ihres Vortrags erhalten.
2.
Die Nachzahlungsansprüche der Klägerin für den Abrechnungszeitraum 1972/73 sind nicht verjährt.
a)
Die Verjährung von Entgeltsansprüchen der Versorgungsunternehmen für Stromlieferungen unterliegt keinen besonderen Regelungen.
aa)
Dem Berufungsgericht ist im Ausgangspunkt darin zu folgen, daß für die streitigen Ansprüche eine Verjährungsfrist von vier Jahren gilt. Denn der Vertrag zwischen dem Versorgungsunternehmen und dem Abnehmer elektrischer Energie hat die Lieferung einer Ware im Sinne von § 196 Abs. 1 Nr. 1 BGB zum Gegenstand (SenUrt. v. 10.11.60 - VIII ZR 167/59, NJW 1961, 453 = WM 1961, 118). Da die Klägerin, deren Kaufmannseigenschaft sich aus § 6 HGB ergibt, ihre Lieferungen für den Gewerbebetrieb der Beklagten erbracht hat, bemißt sich die kurze Verjährungsfrist nach § 196 Abs. 2 BGB.
bb)
Gemäß § 201 Satz 1 BGB in Verbindung mit § 198 Satz 1 BGB begann die Verjährung mit dem Schluß des Jahres, in dem die geltend gemachten Ansprüche entstanden waren.
Unter der Entstehung des Anspruchs im Sinne des § 198 BGB ist nach ständiger Rechtsprechung der Zeitpunkt zu verstehen, in welchem der Anspruch erstmalig geltend gemacht und notfalls im Wege der Klage durchgesetzt werden kann, d.h. der Zeitpunkt, in dem die Forderung fällig wird (BGHZ 53, 222, 225 [BGH 12.02.1970 - VII ZR 168/67] = NJW 1970, 938 = WM 1970, 691; BGHZ 55, 340, 341 [BGH 17.02.1971 - VIII ZR 4/70] = NJW 1971, 979 [BGH 17.02.1971 - VIII ZR 4/70] = WM 1971, 385; BGH, Urteil vom 8.7.1968 - VII ZR 65/66 = NJW 1968, 1962; BGH, Urteil vom 16.6.1977 - VII ZR 66/76 = WM 1977, 1053; BGH, Urteil vom 19.1.1978 - VII ZR 304/75 = WM 1978, 496).
Das gilt auch dann, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Fälligkeit von einem zeitlich unbestimmten und unbestimmbaren Ereignis - etwa der Handlung einer der Vertragsparteien - abhängig gemacht wird und ein Vertragspartner damit auf den Beginn der Verjährungsfrist Einfluß nehmen kann. Auch hier folgt die Maßgeblichkeit des Fälligkeitszeitpunktes für § 198 BGB aus der Erwägung, daß zu Lasten des Berechtigten die Verjährungsfrist nicht beginnen kann, solange er nicht in der Lage ist, den Anspruch geltend zu machen (BGHZ 55, 340, 341) [BGH 17.02.1971 - VIII ZR 4/70]. Von einem Verstoß gegen § 225 BGB (Erschwerung der Verjährung) kann insoweit nicht die Rede sein.
Eine entsprechende Regelung, durch die die Fälligkeit der Forderungen der Klägerin aus dem Stromlieferungsvertrag abweichend vom Regelfall (Fälligkeit mit Vertragsschluß) festgesetzt wird, liegt hier insoweit vor, als Abschnitt VIII Nr. 3 der AVB bestimmt, daß die Rechnungen der Klägerin nach Ablesung vorgelegt und damit fällig werden. Mit der Vorlage der Abrechnung vom 4. Juni 1973 sind demnach die in der Rechnung aufgeführten Forderungen der Klägerin fällig geworden.
b)
Das Berufungsgericht meint nun, daß die Fälligkeit nicht nur für die in der Abrechnung enthaltenen, sondern zum selben Zeitpunkt auch für die aufgrund des Ablesefehlers nicht in Rechnung gestellten Ansprüche eingetreten sei. Dem kann nicht gefolgt werden.
aa)
Nach der klaren Regelung in Abschnitt VIII Nr. 3 AVB wird die Rechnung der Klägerin erst mit deren Vorlage an den jeweiligen Abnehmer fällig. Der entsprechende Betrag - hiermit kann nur der in der Abrechnung aufgeführte Betrag gemeint sein - ist innerhalb einer Woche nach Erhalt der Rechnung zu zahlen. Die von der Klägerin für den hier fraglichen Zeitraum nachberechneten Entgelte waren in der Abrechnung vom 4. Juni 1973 nicht enthalten und konnten damit auch nicht fällig werden. Die Fälligkeit der Nachforderungen trat erst mit der Vorlage der Rechnung vom 11. Oktober 1974 ein.
bb)
Zwar hätte die Klägerin objektiv die Möglichkeit gehabt, die der Nachzahlungsforderung zugrundeliegenden Stromlieferungen schon bei der Abrechnung am 4. Juni 1973 zu berücksichtigen. Maßgebend für den Verjährungsbeginn ist jedoch der Zeitpunkt, an dem die Nachforderungsansprüche fällig werden, und nicht der Zeitpunkt, zu dem die Klägerin die Fälligkeit durch Vorlage einer "richtigen" Rechnung hätte herbeiführen können. Weil die Fälligkeit der Forderung der Klägerin als Energiewirtschaftsunternehmen gemäß Abschnitt VIII Nr. 3 AVB erst mit der Rechnungstellung hier eintritt, konnte auch die Verjährung erst beginnen (§ 198 BGB), als die Klägerin Rechnung über ihre Nachforderung erstellt hatte und damit die Fälligkeit für diesen Betrag eingetreten war.
Ein allgemeiner Grundsatz, wonach bei Ansprüchen mit hinausgeschobener, von der Disposition des Gläubigers abhängiger Fälligkeit die "Entstehung" des Anspruchs im Sinne von § 198 Satz 1 BGB mit dem Zeitpunkt gleichzusetzen ist, in dem der Gläubiger die Fälligkeit seines Anspruchs selbst herbeiführen kann, läßt sich auch nicht aus den §§ 199, 200 BGB ableiten. Diese Vorschriften enthalten Sonderregelungen, die auf die Kündigung und die Anfechtung beschränkt sind und schon deshalb auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend angewendet werden können (BGHZ 55, 340, 344 [BGH 17.02.1971 - VIII ZR 4/70]; BGH, Urteil vom 24.5.1971 - VII ZR 155/70 = LM VOB/B Nr. 46 = NJW 1971, 1455 = WM 1971, 1123). Aus der Entstehungsgeschichte der §§ 199, 200 BGB ergibt sich, daß der Gesetzgeber einen erweiterten Anwendungsbereich für diese Vorschriften gerade nicht gewollt hat (vgl. dazu im einzelnen BGH, Urteil vom 16.6.1977, aaO, unter 2 a).
cc)
Zur Begründung seiner Ansicht, daß alle Forderungen der Klägerin aus dem Abrechnungszeitraum 1972/73 einheitlich verjähren, stützt sich das Berufungsgericht auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, nach der eine einheitliche Verjährung für alle Forderungen aus einem der VOB/Teil B unterliegenden Werkvertrag mit Erteilung der Schlußrechnung beginnt, gleichgültig, ob die Forderungen in der Schlußrechnung enthalten sind oder nicht (BGHZ 53, 222 [BGH 12.02.1970 - VII ZR 168/67]).
Hiermit wird es den Besonderheiten einer Schlußrechnung nach § 16 VOB (B) nicht gerecht, auf deren Funktion der Bundesgerichtshof entscheidend abstellt (aaO unter II 3 b, c): Mit der Schlußrechnung gebe der Auftraggeber zu erkennen, was er aus seiner Sicht für die gesamte, von ihm erbrachte Werkleistung noch zu fordern habe. Wenn der Auftraggeber den mit der Schlußrechnung verlangten Betrag bezahle und der Auftragnehmer diese Zahlung vorbehaltlos annehme, seien nach § 16 VOB (B) sogar Nachforderungen für alle Leistungen, für die nach dem Bauvertrag eine Vergütung hätte gefordert werden und die daher Gegenstand der Schlußrechnung hätten sein können, ausgeschlossen. Dem entspreche umgekehrt eine einheitliche Verjährung für die in der Schlußrechnung enthaltenen und die in ihr nicht aufgeführten Beträge für die Ausführung der Bauleistung.
Dieses Gewicht kommt der turnusmäßigen Rechnung des Versorgungsunternehmens nicht zu. Zwar wird das Unternehmen sich normalerweise im eigenen Interesse darum bemühen, den nach der Ablesung bezifferbaren Anspruch gegen den Kunden auch geltend zu machen, ihm also eine entsprechende Rechnung vorzulegen. Mit dieser Rechnung verbindet sich aber im Unterschied zur Schlußrechnung nach § 16 VOB (B) nicht die Bedeutung, daß alles gefordert werde, was noch gefordert werden könne. Vielmehr steht sie unter dem Vorbehalt der Richtigstellung nach Abschnitt VI Nr. 4 AVB und einer darauf gestützten Nachberechnung.
Dies alles hat nichts mit dem Grundsatz zu tun, daß die Unkenntnis des Berechtigten von dem Bestehen seines Anspruchs weder den Beginn noch den Lauf der Verjährung beeinflußt (BGH, Urteil v. 10.4.68 - V ZR 13/65, LM BGB § 203 Nr. 13 = NJW 1968, 1381 - WM 1968, 605). Für den Beginn der Verjährung des von der Klägerin nachberechneten Anspruchs ist objektiv entscheidend, daß er mit der ursprünglichen Rechnung noch nicht fällig wurde und daher im Sinne von § 198 BGB nicht bestand.
dd)
Dem Bedenken des Berufungsgerichts, nur die einheitliche Verjährung diene dem Rechtsfrieden, weil es anderenfalls das Elektrizitätswerk in der Hand hätte, noch sehr viel später Nachforderungen zu stellen, ohne der kurzen Verjährung ausgesetzt zu sein, trägt die Einschränkung der Fehlerberichtigung auf höchstens zwei Jahre Rechnung. Diese Ausschlußfrist setzt der Nachberechnung eine angemessene zeitliche Grenze, zumal ihr (rückwärts gerichteter) Lauf erst beginnt, nachdem der Kunde von dem Fehler Kenntnis erlangt hat.
3.
Nach alle dem hat das Berufungsgericht die Nachzahlungsansprüche der Klägerin zu Unrecht als verjährt angesehen. Da sich das Berufungsurteil auch nicht teilweise (s. oben II 1) mit anderer Begründung aufrechterhalten läßt, ist der Revision stattzugeben.
Die Sache war zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen, damit das Berufungsgericht noch die erforderlichen Feststellungen dazu trifft, von welchem Zeitpunkt an die Zweijahresfrist des Abschnitts VI Nr. 4 AVB zurückzurechnen ist. Ihm war auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen, die vom endgültigen Ausgang des Rechtsstreits abhängt.